Repka ist nicht Rybka

Bevor die Schachwelt (und vielleicht auch die Schach-Welt) ab Mitte nächster Woche nach Tashkent schaut zum nächsten FIDE Grand Prix, oder ins sibirische Khanty-Mansiysk zur Frauen-WM, widmen wir uns kurz noch ein paar anderen Weltmeisterschaften. Im slowenischen Maribor gab es gleich deren 12, nämlich in sechs verschiedenen jugendlichen Altersklassen und jeweils "offen" und nur für Mädels. Das garantierte Quantität (insgesamt 1584 Teilnehmer) auch wenn die Top-Qualität fehlte - wo waren z.B. Giri, Rapport, Nyzhnyk und bei den Mädels Hou Yifan? Hou Yifan war in Khanty-Mansiysk, die anderen fehlten unentschuldigt.

Ich kann unmöglich auf alle Turniere eingehen, alle 40 deutschen Teilnehmer oder alle 39 aus Kasachstan (wen's interessiert, der eine und einzige Teilnehmer aus Botswana wurde im U12 Open hundertdreizehnter). Von den Deutschen waren die Prinzen Bluebaum (U18) und Wagner (U16) immer vorne mit dabei und hatten nach 10 Runden noch Medaillenchancen, allerdings wurden 11 Runden gespielt und ihre letzten Gegner holten sich (mit Siegen gegen Bluebaum und Wagner) jeweils eine Medaille. Bei Wagner-Girish wusste ich nicht ob ich dem Landsmann oder dem Grünfeld-Spieler die Daumen drücken soll, Dennis Wagner nutzte den Weissvorteil nicht (insgesamt hatte er in elf Partien sieben Mal Weiss) und geriet schon früh auf theoretische Abwege. Moment mal, Giri war doch nicht dabei? Ich sagte Girish, nicht Giri ... . Diverse andere Spieler mit vorab womöglich Medaillenhoffnungen mussten sich schon früher von diesen verabschieden: Rasmus und Frederik Svane, Hanna-Marie Klek (letztes Jahr noch Zweite bei der U16), Filiz Osmanodja (spielte gar kein Remis, u.a. weil sie eine glatte Remisstellung auf Gewinn spielte was zu einer Null führte), Alexander Donchenko (bei der U14 an eins gesetzt wurde er achter). Bluebaum hatte vorab als 18. der Setzliste eigentlich nicht unbedingt Medaillenhoffnungen schlug sich aber mehr als achtbar: ab Runde 4 hatte er nur nominell stärkere Gegner. Positiv erwähnen möchte ich noch Maximilian Neef: an 53 gesetzt wurde er bei der U18 elfter und gewann dabei 50 (fünfzig) Elopunkte.
International waren natürlich Russen, Chinesen und Inder stark vertreten. Für mich überraschend war die grosse und zum Teil recht erfolgreiche Delegation aus dem Iran. Die USA hatten insgesamt 89 Spieler vor allem in den unteren Altersgruppen, zukünfige Caruanas und Nakamuras? Kann man die U12 ernst nehmen? Dort spielten u.a. zwei US Boys mit Elo 2347 und 2252 - besser als Carlsen in dem Alter, und so mancher Schachfreund erreicht diese Zahlen im Leben nicht, selbst nicht wenn er 120 Jahre alt wird. Immerhin gewannen diese Gruppe in der Vergangenheit Talente wie Judit Polgar (in der offenen Gruppe), Aronian, Bacrot, Radjabov, Wang Yue, Karjakin und Nepomniachtchi. Und in der U18 war vor der Schlussrunde auch ein rein polnisches Podium denkbar - letztlich gewann Elofavorit Swiercz, Duda und Drozdowski verpassten nach Wertung knapp Bronze.
Was mir auch noch auffiel: Hou Yifan ist nicht die einzige die bei einer WM in einer höheren Altersklasse antrat. Die Russin Aleksandra Goryachkina hatte letztes Jahr überlegen bei der U14 gewonnen. Diesmal wollte sie ihren Titel nicht verteidigen und gewann stattdessen die U18. Jan-Krzysztof Duda hätte auch nochmal bei der U14 mitmachen dürfen, und Bluebaum bei der U16.

Genug wahllose Fakten, kommen wir zum Schach (ich muss ja auch noch den Titel dieses Artikels erklären). Es war diesmal nicht einfach Fragmente auszuwählen - zum einen wegen der schieren Anzahl der Partien zum Durchklicken, zum anderen wurden relativ viele Siege (so mein Eindruck) schwer erarbeitet oder erknetet. Und auch nicht jedes taktische Gemetzel hat den einen präsentablen Moment. Die drei Fragmente haben eines gemeinsam: Schwarz hatte jeweils eine nette Idee die der Gegner einfach ignorierte. Es geht mir nicht um Schwierigkeit oder (teils korreliert) Seltenheit der zu findenden Motive.
Beginnen wir mit dem Slowaken Christopher Repka mit Schwarz gegen den Franzosen Belllahcene (U14). Nach (nur) 15 Zügen stand es so:
Bellahcene-Repka
Vorangegangen war ein kleines Geplänkel (der Leser findet die gesamte Partie im Turnierbulletin Runde 8 auf der offiziellen Homepage): Im angenommenen Damengambit bot Weiss Damentausch an, Schwarz lehnte ab, Weiss nahm das Angebot zurück um es dann zu erneuern, Schwarz lehnte wiederum ab und parkte dann seine Dame auf b6 was schon keine so gute Idee war. Nun schaut der weisse Lc3 drohend auf den Königsflügel, folgerichtig wollte Schwarz ihn mit 15.-Le7-b4?? abtauschen. Warum hätte Repkas Fast-Namensvetter Rybka das nicht gespielt?
Repka war mit 6.5/7 forsch gestartet (u.a. Sieg gegen Donchenko), vielleicht unter dem Schock dieses Debakels holte er danach nur noch einen halben Punkt.

Dennis Wagner möge es mir verzeihen dass ich seine (andere) Verlustpartie gegen den Inder Narayanan zeige:
Narayanan-Wagner
Man kann noch erahnen dass dies ein zähes Gefecht war in dem Weiss langsam aber sicher Oberwasser bekam: erst war es eine Art Stonewall, dann wurde auch der Damenflügel weitgehend verriegelt aber Weiss fand doch den Dosenöffner. Hier hat Wagner gerade im 53. Zug den weissen Läufer geschlagen und hoffte wohl auf Dauerschach nach 54.Kxg4? - vergeblich.

Dann noch ein NL-Beispiel von Lisa Schut die sicher die U18 gewonnen hätte wenn ja wenn Goryachkina in ihrer Altersklasse geblieben wäre, so wurde es am Ende Silber da Schut die direkte spannende Partie verlor. Gegen die Iranerin Asgarizzadeh stand es nach 33 Zügen so:
Schut-Asgarizadeh
Asgarrizadeh spielte insgesamt weit über ihren Elo-Möglichkeiten, an 22 gesetzt wurde sie trotz Doppelnull in den letzten beiden Runden achte. Hier hatte sie gerade die Qual der Wahl: passive Verteidigung mit 33.-Tf7 oder Gegenangriff mit 33.-Tf2 und traf die verkehrte Wahl.
Dieser Trumpf stach für die Niederlande. Dagegen schoss Benjamin Bok, in der U18 an drei gesetzt, teils "unterhalb" der Liveübertragung vielleicht den einen oder anderen Bock und wurde am Ende siebenunddreissigster.

Soweit meine Zusammenfassung der Jugend-WMs, sicherlich unvollständig!

Kommentare   

#1 Darth Frank 2012-11-19 09:53
Zumindest für Nyzhnyk und Giri wäre eine Teilnahme Unsinn gewesen. Nyzhnik wurde schon U16-Weltmeister als er noch U12-berechtigt war, Giri hat ELO 2715. Beide hätten nur verlieren können wenn sie nicht Weltmeister werden, da war kein Prestigegewinn drin. Kein wirklicher Anreiz. Und Preisgeld gibt es auch keins.

Der DSB hat sich von den Prinzen sicherlich einen Podiumsplatz erhofft. Da sie diesmal doch einige Eisen im Feuer hatten ist es eine (kleine) Enttäuschung. Nicht wirklich verstehen kann ich in dem Zusammenhang, warum Blühbaum nicht U16 gespielt hat. Dort hätte er reelle Medaillienchancen gehabt. Mit Goryachkina und Duda kann man das nicht vergleichen, beide waren schon Weltmeister.

Ich verstehe auch die Geringachtung der Jugend-Europameisterschaf t durch den DSB nicht. Da wird gejammert, dass der letzte Titel schon so lange her ist, aber die einzige „Prinzessin“, die WM und EM gespielt hat, war Filiz Osmanodja. Mit der ganzen Prinzentruppe hätte es dort gut einen Europameister geben können. Ein Turnier mit 80 Teilnehmern gewinnt sich halt leichter als eins mit 160 und die Überseekonkurrenz ist dort auch nicht dabei. Die Turniere sind zwar alle nicht umsonst, aber wenn Geld für die U20-WM und offenen Männer-Europameisterschaf t da ist…
#2 MiBu 2012-11-19 17:02
Zu Dia 1 wird die Vernachlässigung von f6 mit sofortigem 16. Sf6+ geahndet. Nach 16.-gxf6 wird aus der Rochadestellung eine "Lochade" (dieses gelungene Wortspiel habe ich von "Fritz und Fertig" CD 2 oder 3 geklaut) und würde nach 17.Dg4+ zu einem leicht erkennbaren Matt führen. Wenn sich Schwarz mit 16.-Kh8 ziert, folgt 17.Dh5 h6 18.Sd5 und die Drohungen Dxh6+ und Sxb6 sind zu viel.

Bei Dia 2 fällt auf, dass König und Königin die geometrisch maximale Entfernung eingenommen haben. Weiß wird die Abwesenheit der sD mit 54.h6 gxh6+ 55.Kf6 genutzt haben.

Und bei Dia 3 dürfte meine Mannschaftskollegin (nein, nicht bei DJK A. Aachen suchen, sondern bei Amay/Belgien), die nicht nur spielstark, sondern auch sehr sympathisch ist, mit 34.Te7+ Kc8 35.Kb6 dem sK zu Leibe gerückt sein.

Übrigens, auch der erwähnte Benjamin Bok spielt für Amay. Also wirklich, bei den meisten Wettkämpfen bin ich da mit Mitte 40 der "Mannschaftsopa", während vor und hinter mir Jungvolk von 17 bis Mitte 20 spielt. Mit etwas Glück kann ich noch ein paar Saisons meinen Platz bei Amay 1 verteidigen, bis mich die Jugendwelle überrollt...
#3 Thomas Richter 2012-11-19 18:12
@Darth Frank: Das mit dem unentschuldigten Fehlen von Giri und Nyzhnyk war natürlich scherzhaft gemeint (musste ich das ausdrücklich erwähnen?). Es zeigt aber dass der Stellenwert des Turniers im Laufe der Jahre offenbar abgenommen hat: früher war mancher U18-Weltmeister ein zukünftiger Weltklassespieler (1991 Kramnik, 1994 Svidler, 1997 Ponomariov, 2000 Vallejo, 2001 Jakovenko, 2003 Mamedyarov). Dann noch 2004 Wojtaszek (wie Vallejo ein Grenzfall) und seither international relativ namenlose Spieler, z.B. 2006 Arik Braun. Da fehlt wohl inzwischen tatsächlich der Anreiz, auch indirekt (mehr Förderung, mehr Turniereinladungen für den Weltmeister).

Was die Turnierauswahl betrifft: Bei begrenzten finanziellen Mitteln muss man sich vielleicht entscheiden zwischen maximalen Titel- und Medaillenchancen oder stärkerer Konkurrenz. Betrifft Bluebaum in der U18, da könnten mehrere Dinge eine Rolle gespielt haben: man wollte auch in der Altersklasse ein Eisen im Feuer haben, er wollte nicht direkt mit Dennis Wagner und (dem diesmal enttäuschenden) Rasmus Svane konkurrieren, vielleicht auch der etwas geringere Erfolgsdruck - in der U16 wäre er an 4 gesetzt gewesen, das ist ja keine "automatische" Medaille ... . Wäre er in der U18 noch weiter vorne gelandet dann wäre die Entscheidung goldrichtig gewesen?
Was die (für alle) offene Europameisterschaft betrifft, da gibt es ja auch reelle Chancen sich für den World Cup zu qualifizieren.

@MiBu: Alles richtig, wobei ab dem ersten Diagramm stattdessen 18.Sd7 aufs Brett kam und im zweiten das überflüssige 55.Dxh6+ Kg8 und nun 56.Kf6 geschah. Auf bescheidenerem Niveau war ich - im selben Alter - in meiner Mannschaft übrigens lange der Jüngste, derzeit haben wir _einen_ jüngeren Spieler ... .
#4 Darth Frank 2012-11-20 09:37
Zur Partie von Dennis Wagner: Die hatte ich zufällig life verfolgt (ohne Engine). Der „Dosenöffner“ hätte schon im 40. Zug mit 40. La6 am Damenflügel kommen können (da stand noch ein Läufer auf e2, der aber lieber den Bauern g4 geschlagen hat, Damen auf a7 und c8). Dann fällt b7 oder der Bauer b6 ist durch.

Es war für mich beruhigend, dass auch so starke Spieler ab und zu mal etwas übersehen.

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