In eigener Sache II - Sich selbst eine Grube graben

Es ist Sommerzeit. In meinem Verein wird diese seit Jahren dazu genutzt, Spaßturniere auszutragen. Es gibt schließlich auch keine Mannschaftskämpfe, bei denen man dann am Sonntag sehnsüchtig auf Figurennachschub wartet, um dann festzustellen, dass das Tandemturnier vom Freitag schon vorbei ist. Daher die grobe Regel bei uns: Normalschach in der Saison, alles andere außerhalb.
Daher möchte auch ich den Sommer nutzen, um den geschätzten Leser in meine Welt zu entführen: die des Selbstmatts.

Worum geht es?

Kurz und knapp: wer matt wird, gewinnt. Daher versucht man als Weißer den Schwarzen zum Mattsetzen zu zwingen, wobei man mal wieder nur eine bestimmte Anzahl Züge zur Verfügung hat. Die Herbeiführung des eigenen Matts kann dabei natürlich nur durch Schachgebot, das der Gegner nur durch Matt beantwortet werden kann, oder durch Zugzwang erfolgen.

Welche Konsequenz hat das?

Zum einen stehen meist beide Könige schlecht, der Weiße, weil er matt gesetzt werden soll, der Schwarze, weil er zum Matt setzen gezwungen werden soll. Zum anderen ist die Selbstmattforderung eine ziemlich starke. Weiß braucht zumeist ein deutliches Kräfteübergewicht, um Schwarz zwingen zu können. Es ist deutlich leichter einen gegnerischen König matt zu setzen als das eigene Matt zu erzwingen. Wenn ihr mal einen deutlichen Spielstärkeunterschied beim Normalschach habt, könnt ihr gerne mal eine Partie unter Selbstmattbedingungen versuchen (sprich: wer matt setzt, verliert). Das funktioniert gar nicht so schlecht, denn die Remisbreite ist in dem Fall freilich noch einmal deutlich größer als beim normalen Schach.
Die Strategie zum Gewinnen sollte wie folgt lauten: materielles Übergewicht erzielen und den Gegner mit einem einzelnen Bauern zurücklassen, optimalerweise auf a,b,g oder h-Linie. Dann muss man versuchen, den Bauern und König über Zugzwang in ein Mattbild zu zwingen, bei dem sich der eigene König im Eck befindet. Dazu braucht man einen eigenen Läufer, der noch ein Feld blocken muss.

Was macht das Selbstmatt so besonders?

Zunächst vorweg: es gibt einige Gründe, warum das Selbstmatt unterdurchschnittlich beachtet und stiefmütterlich behandelt wird. Der Fakt, dass die Forderung so stark ist, führt dazu, dass man äußerst schwierige und komplizierte Selbstmatts bauen kann. Und da ist es wie in der Literatur: Konsalik hat eine höhere Auflage als Habermas.
Andersherum bedeutet das, dass man Dinge zeigen kann, die im normalen Schachproblem gar nicht gezeigt werden können: Zugzwang beispielsweise kann einfacher genutzt werden und es gibt viele Darstellungsmöglichkeiten von weißem und schwarzen Batteriespiel (sprich Abzugsschach bzw. verdecktes Schach).
Die eigentliche Besonderheit ist aber, dass das Material nicht mehr so einfach in "Gut" und "Böse" eingeteilt werden kann. Im Normalschach kann zwar auch ein eigener Stein im Wege stehen, das bedeutet, seine Masse ist im Weg. Seine Droh- und Zugkraft ist aber immer gut für die eigene Partei (Ausnahme: Patt). Das ist beim Selbstmatt nicht so. Dort kann es beispielsweise sehr störend sein, wenn ein weißer Stein eine schwarze Linie oder Diagonale unterbricht, die der Weiße für das eigene Matt benötigt.

Was gibt es da so für Stücke?

Ich versuche mal eine sehr grobe Einteilung in drei Kategorien.
Die erste Kategorie sind die so genannten One- oder Twoliner: In diesen ist Weiß dem Schwarzen komplett materiell überlegen und gibt dem Schwarzen durch Schachgebot oder Zugzwang immer nur einen einzigen oder selten einmal zwei Züge.
Die zweite Kategorie sind Pendelstücke: Weiß wiederholt dabei immer abwechselnd Drohungen und verbessert sich dabei sukzessiv. In der Zeit hat Schwarz nur die Möglichkeit, diese Drohungen durch sich wiederholende Züge abzuwehren.
Die dritte Kategorie sind Stücke, in denen Weiß mit dem ersten Zug ein Selbstmatt droht und alle schwarzen Paraden einen für Schwarz ungünstigen Effekt aufweisen, den Weiß in der Folge ausnutzt. Dabei haben alle Varianten üblicherweise die gleiche Zuglänge. Derzeit komponiere ich überwiegend in dieser Kategorie.

Ich habe aus meinem Schaffen zu jeder der Kategorien ein Stück herausgesucht. Zwei von den dreien sind extra auf Anfänger zugeschnitten und unveröffentlicht, während das dritte Stück vor kurzer Zeit bei kobulchess.com erschienen ist (nachschauen gilt nicht).

Kategorie 1

SHL Kat1

In dieser Stellung erzwingt Weiß das Selbstmatt in vier Zügen. Die meisten Oneliner (zur Erinnerung: hier gibt es genau eine Variante, die unter Zugzwang und Schachgebot das Selbstmatt erzwingt) sind viel länger, aber oft auch sehr schwer zu lösen und leider sehr oft auch nicht sonderlich attraktiv.

Die Stellung hat eine Besonderheit: Das Zugrecht ist für Weiß schädlich. Wäre Schwarz am Zug, könnte Weiß das Selbstmatt schneller erzwingen (wie?).

Kategorie 2

SHL Kat2

 

Kommen wir zum Pendelstück. Hier wechseln sich zwei weiße einzügige Selbstmattdrohungen immer wieder ab und Schwarz kann immer nur reagieren. In sieben Zügen kommt Weiß zum Selbstmatt. Das dürfte recht einfach sein, daher keine Tipps so weit.

Kategorie 3

SHL Kat3

 

Dieses Selbstmatt in vier Zügen dürfte dann allerdings schon eine recht harte Nuss sein. Weiß löst mit dem ersten Zug eine Drohung aus, bei der er genau nach vier Zügen fertig ist, dass eigene Matt erzwungen zu haben. Schwarz hat genau einen Zug, der diese Drohung abwehrt, doch dann kann Weiß auf ähnlichem Wege das eigene Matt, ebenfalls im vierten Zug erzwingen. Dabei geht es natürlich darum, den schwarzen Springer f3 herauszulocken.

Ich bin gespannt, ob der ein oder andere Spaß an dieser hübschen Spielvariante findet. Lösungen und Hinweise bitte als Kommentar.

Kommentare   

+1 #1 MiBu 2013-07-29 09:46
Ich fange mal mit dem leichtesten an: In Dia 1 besteht das "Satzspiel" in 1.-b3 2.Txb3+ axb3 3.Dc4 b2#. Nun hat Weiß aber keinen passenden Abwartezug. Überhaupt soll es ja in vier Zügen Selbstmatt werden, so viele Zugmöglichkeiten hat Schwarz ja gar nicht.
#2 MiBu 2013-07-29 17:06
Wie erwähnt, fehlt Schwarz in Dia 1 ein Zug. Bd7, d6 und e4 können den wohl nicht ausführen. Der K steht auf a3 gut genug. Der fehlende Zug lässt sich also nur mit bxa2 erklären, was zusätzlich das Feld b1 kontrolliert, m.a.W. die "offensichtliche" Aufgabe des Lb1, das Feld b1 zu verstellen, ist gar nicht seine Aufgabe.

Nun muss man diese Hinweise zusammen mit dem Satzspiel nur noch in eine Variante pressen (genau eine wie vom Autor schon verraten), und es ist gelöst.
#3 Helmut 2013-07-29 19:56
ad1: Ta2+, Ta3+ etc.
ad2: das Pendel geht mit Da6, Db6 los.

ad3: das ist schon recht kompliziert. Aber mir gefällt Sxe3 irgendwie, schlägt der König, so sieht Lb6+ gefolgt von Dxb8 gut aus. Falls der König nicht schlägt, kommt direkt Dxb8. Aber keine Ahnung, ob das hinhaut.
#4 MiBu 2013-07-29 21:15
re 1) Hm, 1.Ta2+ Kb3 2.Ta3+ Kxa3, und nun frage ich mich, was "etc." genau ist. Auf 3.Dc4 b3 ist Weiß in Zugzwang, und nach (z.B.) Da6 folgt wieder Kb3.
re 2) Einverstanden, aber sehr kurz gehalten: Da6 droht De2+, daher Tc2, um mit dem T schlagen zu können. Db6 droht dann Dxf2+, daher muss wieder Tc1 folgen. Der Rest vom Treppenlauf ist nicht mehr schwer.
re 3) Sxe3 gefällt mir nicht, da der sK das Feld e5 gewinnt. Schwarz antwortet z.B. 1.-Tg1+ 2.Sg2 Ld6. Hier habe ich aber auch keinerlei Durchblick.
#5 Helmut 2013-07-29 21:31
zu re 1: nach 3...b3 kann nicht 4...Kb3 folgen. Aber nach 4.Da6 folgt Kb4 - daher finde ich 4.Db5 besser.
#6 Spieler K 2013-07-30 11:12
zu #4, re1): "etc." könnte 3. Lc2 b3 4. Lb1 sein.
#7 profelo 2013-07-30 11:29
zu Aufgabe 1: solange die Dame auf der b-Linie steht, gibt's kein b2 #, da darauf Db2:# folgt!
MiBu meinte auch nicht 4.Da6, sondern 3.Da6 (weil ja nach 3.Dc4 b3 Zugzwang)
Wie von letzterem schon weiter oben angedeutet, wird's darum gehen, dass ein schwarzer Bauer auf a2 dem wL die Aufgabe der Blockade von b1 abnimmt.
Der letzte (hier halt 4.) Zug ist wie im Satzspiel Dc4 b2#
#8 Helmut 2013-07-30 13:19
zu 1: oops, 4.Db5?? Da hab ich wohl M*st gebaut.
Wie wärs mit 1.La2 b3 2.Tb1,bxa 3.Tb3+ axb 4.Dc4?
#9 MiBu 2013-07-30 13:52
@Helmut: Schon fast richtig, allerdings ist nach 2.Tb1 bxa2 nicht erzwungen, Schwarz kann b2+ spielen. Läufer und Turm ein bisschen anders bewegt und Du hast es; die schwarzen Züge und 4.Dc4 stimmen bereits.
#10 Losso 2013-07-30 15:21
Kurze Anmerkung zur Nummer 3:
Es muss ein Zug gefunden werden, der dann dreizügig Selbstmatt droht. Diese Drohung, das verrate ich schon mal, hat allerdings zwei Varianten (d.h. an einer Stelle darf Schwarz wählen), verläuft aber durchweg unter Schachgebot.
Der erste Zug von Weiß führt einen Stein heran, der bisher noch etwas Abseits vom Geschehen ist, aber gerne ein bisschen mitmischen möchte.
#11 Roggenossi 2013-07-30 16:56
Nummer 3 ist ja kinderleicht! :D

1.Dc6 d1D 2.Sd6+ Lxd6 3.Dc4+ Ke5 4.Dd4+ Sxd4#
#12 Losso 2013-07-30 17:09
Na, da haben wir dann auch zur Nummer drei schon ein Viertel der Lösung.
Wobei man statt 1.-d1D auch 1.-~ schreiben kann, denn die Umwandlung in eine Dame pariert ja die Drohung nicht.
#13 profelo 2013-07-30 18:21
dann versuch ich mal ein weiteres Viertel (?) dazu zu geben: in Roggenossis Variante sollte man wohl auch die Alternative 2. ... Ke5 3.Sf7+ Ke4 4.Dc4+ Sd4# betrachten.
Der Zug, der diese Abspiele verhindert (d.h. das Matt um einen Zug verzögert, will man dennoch so spielen...) scheint 1. ... La7 zu sein - dann geht's "andersrum im Kreis" gewissermassen analog...
#14 Losso 2013-07-30 20:58
@profelo: Vollkommen korrekte Lösung.
Das Stück korrekt zu bekommen, war gar nicht so einfach.

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