Mach es und hilf!

Nachdem ich für meinen ersten Blogbeitrag ein leichtes Thema ausgewählt hatte, ist mir heute nach einem ernsten. Ohne große Umschweife möchte ich zu meinem Punkt kommen. Aus meiner Sicht, sollten wir Sätze wie „ vor der eigenen Haustür kehren“ oder „ an die eigene Nase fassen“ ernster nehmen. Wir sind gut im kritisieren. Wir kritisieren die Politik, die Banken, Migranten und angeblich faule Arbeitssuchende. Leider geht uns emphatisches Empfinden und der Drang zur Veränderung durch eigenes Handeln häufig ab. Des Weiteren gehört zum Kritisieren auch das Nennen der positiven Aspekte. Jede Kritik, die ohne diesen Punkt auskommt, ist aus meiner Sicht weder sachlich noch zielorientiert! Aber ich will zu meinem eigentlichen Thema kommen: „Mach es und hilf!“

schachNehmen wir an, Ihr Verein organisiert ein Turnier. Kein Schnellturnier, sondern ein 7 oder 9 Tage langes Open. Alles läuft gut. Natürlich, an der einen oder anderen Stelle klappt mal was nicht. In der Auslosung ist ein Fehler, eine Runde fängt später an, aber alles in allem sind Sie mit dem Turnier zufrieden. Es war gute Werbung für den Verein, die örtliche Schule oder eine gemeinnützige Einrichtung hatten Ihrem Klub die Räumlichkeiten kostenlos zur Verfügung gestellt. Nach der Siegerehrung gehen alle, auch die Mitglieder des ausrichtenden Vereins, zufrieden nach Hause. Alles gut also?

Nein, ein vielleicht zwei derjenigen, die schon die ganze Woche die Verantwortung getragen haben, bleiben zurück. Sie müssen noch 50 Bretter einräumen, die Stühle und Tische in die alte Formation bringen, Drucker und PC abbauen. Die 10 Vereinsmitglieder, die während der 7 Tage an dem Turnier teilgenommen haben und ab und zu beim Organisator vorbeigeschaut haben, um ihm zu sagen, was man vielleicht besser hätte machen können, sind schon lange weg. Gern genommene Anfangssätze für nicht gut gemeinte Verbesserungsvorschläge sind: „ Wenn ich das Turnier organisiert hätte, dann...“ oder „ Nur mal so als Anregung...“ Dass man sich selber hätte einbringen können, das fällt hinten runter. Man antwortet als Verantwortlicher „ Wir denken drüber nach“ oder „gute Idee“. Man denkt „Mach es selbst und hilf“.

Bevor Sie glauben, ich würde mich moralisch erheben wollen, dann sei gesagt, dass auch ich ein Experte darin war, ab und zu noch bin, nach der Siegerehrung schnell weg zu sein. Klar, ist das Turnier für einen gut gelaufen, sagt man dem Organisator noch, was für ein tolles Turnier er doch auf die Beine gestellt hat. Aber spätestens dann bin auch ich meistens weg gewesen.

Zurück zu unserem imaginären Verein. Also bei der Siegehrung sind nur noch die Hälfte der Teilnehmer da. Jene, die einen Preis kriegen, jene, die bei jemanden mitfahren, der einen Preis kriegt, jene. die jemanden mitnehmen, der einen Preis kriegt und jene Vereinsmitglieder die lobend für ihre Unterstützung der Veranstaltung erwähnt werden wollen, weil Sie zweimal die Paarungen ausgehängt haben. Nach der Siegerehrung sind dann aber wirklich alle weg, nur die beiden bereits erwähnten Organisatoren sind noch da.

Nun gut, dann muss halt die Crew, die die ganze Woche ehrenamtlich die Cafeteria betreut hat, auch noch die Tische umstellen. Woran liegt das? Ich kann weder ein abgebrochenes, noch ein vollendetes Psychologie-Studium vorweisen. Ich habe auf der Flucht vor hilfesuchenden Turnierleitern immer gedacht „ warum soll denn ausgerechnet ich helfen? Fussball fängt gleich an!“
Außerdem will man zuhause ja berichten wie toll „wir“ „unser“ Turnier hinbekommen haben, während einige Kilometer weiter noch hart geschuftet wird. In letzter Zeit wurde viel über den Deutschen Schachbund und die angebliche Untätigkeit von Funktionären diskutiert. Ich kann das nicht beurteilen. Es gibt Sachen die mir gefallen und Sachen die mir nicht gefallen. Aber alle, die sich der generellen Schelte anschließen, müssen sich vorwerfen lassen „ Mach es selbst und hilf!“

Ich kann nur von einigen Turnieren berichten, bei denen man gemerkt hat das schimpfen einfacher ist als machen.
In der jüngeren Vergangenheit ist mir immer wieder folgendes Szenario aufgefallen. Ein Vereinsvorsitzender denkt laut über die Ausrichtung eines Turniers nach. Alle bieten ihre Hilfe an. Das Turnier nimmt den beschriebenen positiven Verlauf. Allerdings sind die losen Zusagen schnell wieder vergessen. Mir hat es mit der Zeit Leid getan, wie erschöpfte Turnierleiter realisieren, dass die Hilfe weg ist.

Banner-Sonnenalp250Dass ich jetzt auf dieses Thema komme, liegt übrigens nicht daran, dass ich selber oder mein Verein, der SK Marmstorf, ein Turnier organisiert hat. Ich bin dazu zu faul, und außerdem haben wir um Holger Hebbinghaus, der den aufmerksamen Leser dieses Blogs schon vorgestellt wurde, ein hervorragendes Team engagierter Mitglieder. Dies ist in Deutschland kein Einzelfall und deswegen gehört zu dem von mir beschriebenen Schatten, auch viel Licht.

Die bisherigen Zeilen klingen sehr vorwurfsvoll. Das sollen sie eigentlich nicht. Ich möchte dazu anregen, darüber nachzudenken, darüber zu diskutieren. Frei nach dem Motto „ Überlege nicht was das Schach für dich tun kann, überlege was du für das Schach tun kannst“
Jonathan Carlstedt

Seit Juni 2011 bin ich Internationaler Meister, seit Januar 2011 habe ich 100 Elopunkte verloren. Seit Juni 2010 habe ich mein Abitur in der Tasche, seit August 2011 betreibe ich eine Schachschule in Lüneburg. Beruflich bin ich also Schachspieler, Trainer, Organisator (siehe links oben), Journalist und Autor. Hauptberuflich macht mir Schach Spaß. Alles was Sie nie über mich wissen wollten, werden Sie in diesem Blog erfahren. Viel Spaß beim Lesen!

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