Unter Killern und Womanizern

Vor kurzem hab ich in Wien ein unbedeutendes Schachdings organisiert. 34 Großmeister dabei, nicht weiter der Rede wert. Die Schachkommunisten der Tageszeitung Standard haben es schon richtig eingeordnet mit den Stichwörtern "Verdorfung" (Wien) und "Virtualisierung" (so viele Zuschauer wie ewig nicht). Na ja, eine massenmediale Einrichtung (ORF 1) meinte aber, wahrscheinlich von wegen öffentlich-rechtlichem Bildungsauftrag, das ganze nicht links liegen lassen zu dürfen, und schickte ein dreiköpfiges Team. Angeführt von einem weißgekleideten Herrn, der sich Hermes nannte, taten sie ihr Bestes, die für die Reduktion des Veranstalterdefizits dringend benötigen Gastroerlöse durch die frühzeitige Konsumation geistiger Getränke anzukurbeln, und holten sich anschließend einige Zuschauer, den Schiedsrichter und auch zwei Spieler vor die Kamera, damit die Fernsehzuschauer mal was Wichtiges über Schach erfahren. Etwa, was ich auch noch nicht wusste, dass in Österreich anscheinend nicht mattsetzen sondern töten gesagt wird oder wie ein Schachspieler eine Frau aufreißt. Unter Killern und Womanizern ist man also bei so einer Schachliga, so so. Vielleicht keine Sternstunde des Fernsehens beim Schach aber doch irgendwie sternige dreieinhalb Minuten in der ORF1-Late-Night-Show Willkommen Österreich (Sendetermin 9. Februar) kamen heraus:

bannerendspiel anzDass der Österreicher Schach für eine ernste Angelegenheit hält, ist somit geklärt. Darüber darf man sich von Thomas Stipsits Kabarettabend "Bauernschach" (hier der Trailer) nicht täuschen lassen. Danke (ach, sind wir jetzt schon im Werbeblock?) an den Stadtsaal Wien, wo der Stipsits das Programm im Februar jeden Sonntag spielt, der so blöd nett war, fürs Aufhängen von einigen Plakaten und Auflegen einiger Waschzettel sechs Freikarten (für meine Helfer) rauszurücken. Und an die Firma Hoanzl, der eine DVD-Aufnahme davon zu einem unverschämten Preis vertreibt. Aber der von Stipsits gerettete Originaltext des von Falco zu "Jeannie" umgedichteten Heulers ist es wert: Chess is just a little boring game in a cold, cold world....

Kommentare   

#1 Tiger-Oli 2012-02-14 22:33
Hallo Herr Löffler,

schönes Video - da hat der "Hermes" ja nun wirklich kein negatives Klischee ausgelassen, mit denen man die Schachspieler belegen könnte.
Man sieht, welche Folgen das verstärkte Drängen der Schachspieler an die Öffentlichkeit und ins Fernsehen haben kann ..?
Ich fürchte, unser Spiel ist einfach zu kompliziert. Für Hermes ist das scheinbar nichts. Sei´s drum.
#2 Krennwurzn 2012-02-14 23:10
"Willkommen Österreich" ist eine Satiresendung



und Hermes ist eine Persiflage auf diverse Seitenblickesendungen (daher die unteren 10.000) und keine seriöse Berichterstattung.

Die Machern Christoph Grissemann und Dirk Stermann sind seit 1989 u.a mit SALON HELGA auf Sendung und Kult in Österreich - Wiki schreibt:

Zitat:
Salon Helga wird seit 1989 von Christoph Grissemann und Dirk Stermann gestaltet und moderiert. Über die Jahre entwickelte das Duo seinen unverwechselbaren Stil, eine Mischung aus Absurdem, Literarischem und bewusst gesetzten plumpen Kalauern. Tragikomische Kurzgeschichten, Telefonscherzanrufe und Parodien auf andere Medien (beispielsweise die Alpensaga Wurzel, Tunten testen Jausenstationen oder die Castingshow Philomania) sind Hauptbestandteile der Sendung.
Ein Österreicher sollte eigentlich wissen, was auf ihn zukommt, wenn er ...

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