Jonathan Carlstedt

Jonathan Carlstedt

Seit Juni 2011 bin ich Internationaler Meister, seit Januar 2011 habe ich 100 Elopunkte verloren. Seit Juni 2010 habe ich mein Abitur in der Tasche, seit August 2011 betreibe ich eine Schachschule in Lüneburg. Beruflich bin ich also Schachspieler, Trainer, Organisator (siehe links oben), Journalist und Autor. Hauptberuflich macht mir Schach Spaß. Alles was Sie nie über mich wissen wollten, werden Sie in diesem Blog erfahren. Viel Spaß beim Lesen!
Donnerstag, 27 Juli 2017 09:23

Helsingör Live

In diesem Jahr war es für mich nur ein kleiner Abstecher in das beschauliche Helsingör zum Xtracon Cup, vormals Poltiken Cup. Diesmal findet es eine Woche früher als gewohnt, vom 22.7. bis 30.7., statt.
Nachdem ich vergangenes Jahr mit meinem Abschneiden sehr zufrieden sein konnte, wartet diese Jahr die interessante Aufgabe im Organisationsteam des Erfurter Frauenschachfestivals auf mich.

Deswegen war für mich eine Teilnahme leider nicht möglich. Ganz ohne das Turnier mit deutlich über 400 Teilnehmern geht es aber auch nicht und so entschied ich mich dem Turnier, alten Freunden, meinen Schülern Dmitrij und Henning und meinen Eltern einen Besuch abzustatten.

Wie ich jedem sage, der es hören oder auch nicht hören will, halte ich den Xtracon Cup rund um seinen Chef Lars Bech Hansen, für das am Besten organisierte Turnier. Es gibt Getränke kostenlos, die Runden fangen pünktlich an, es spielen viele starke und interessante Spieler mit. Zum Dauergast ist zum Beispiel Jan H Timman geworden, der heute gegen meinen Schützling Dmitrij Kollars ran darf. Letztes Jahr spielte Alexei Shirov mit und auch dieses Jahr haben sich die Veranstalter mit Nikita Vitiugov und Baadur Jobava, neben vielen anderen starken Großmeistern, nicht lumpen lassen ein starkes Teilnehmerfeld auf die Beine zu stellen.
Die Räumlichkeiten sind im Konventum mit malerischen Ausblick vorzüglich und die Atmosphäre ist dank der entspannten Schiedsrichter sehr angenehm.
Wie sieht es aus Sicht der deutschen Teilnehmer nach 6 Runden aus?

2 Deutsche stehen nach 6 Runden bei 5 Punkten. Benjamin Dauth gewann gestern dank eines spektakulären Opfers gegen eines der größten Deutschen Talente Jan-Christian Schröder. Ob das Opfer korrekt war...darüber streiten sich die Gelehrter, ich weiß es nicht. Es führte auf jeden Fall zum vollen Punkt und das ist am Ende das was zählt. Der zweite Deutsche mit nur einem abgegeben Punkt ist Dmitrij Kollars. Dmitrij hatte zu Beginn Probleme ins Turnier zu finden. Mit Schwarz musste er 2 Remis hinnehmen. In Runde 6 kreierte er mit Schwarz aber genug Verwirrung um seinen Gegner zu überfordern. In der 7.Runde geht es nun gegen die Legende Jan H Timman.

Bei den Spielern mit 4,5 Punkten finden sich mehrere Deutsche.
2 davon sind meine Vereinskollegen. Julian Kramer konnte bereits ein starkes Remis gegen den Inder GM Sasikiran erreichen, der ansonsten alle Partien gewann. Nach seinem Remis musste Julian allerdings eine Niederlage hinnehmen. Malte Colpe hat bei diesem Turnier in den vergangenen Jahren bereits großartige Leistung gezeigt Bisher ist er noch nicht richtig durchgestartet. 4,5 Punkten sind trotzdem ein gutes Ergebnis.
Die Deutsche Gruppe mit 4,5 Punkten schließt mein Kollege bei SCHACHREISEN IM Erik Zude, der im vergangenen Jahr das Turnier zum Bergfest noch anführte. Davon ist er bisher noch ein wenig entfernt. Aber traditionell landet man bei diesem Turnier mit 8 Punkten in der Top-Gruppe. Also Erik: Du schaffst das, hau sie weg! :-)

Liebe Schachfreunde, der Politiken Cup: absolut empfehlenswert!

Aber ich werde euch natürlich nicht entlassen, ohne eine kleine Aufgabe zu stellen. In Runde 5 traf der talentierte GM Urkedal mit Weiß gegen den weltbekannten GM Ivan Sokolov. Wie schaffte Urkedal in der folgen Stellung an Brett 1 seine Spitzenposition zu verteidigen?

 

Vom 8.7. bis 16.7. 2017 fand die 5. Ausgabe des VMCG-Schachfestivals im 4*-Hotel Seminaris in Lüneburg statt.
Als Spieler wurde mir bereits eine „Schachsucht“ unterstellt, da ich sehr viele Turniere in normalen Jahren spiele. Mir macht es Spaß Schach zu spielen, neue Leute und Länder kennen zu lernen und gefällt mir ein Turnier sehr gut, dann ist es im nächsten Jahr bereits Pflichtprogramm. So kommen hunderte Turnierteilnahme zusammen und jedes Mal bewertet man natürlich auch den Turnierveranstalter, was hat der Organisator richtig gemacht, was lief nicht so gut.


Zusammen mit meinem Kumpel Martin Becker entschied ich mich im Sommer 2012 auf die andere Seite zu wechseln und ein Schachfestival zu organisieren.
Meine Demut gegenüber den vielen Schachveranstaltern, die wir in Deutschland haben ist seitdem ins Unermessliche gestiegen – aber dazu später mehr.


Zunächst hieß es im Sommer 2012 eine geeignete Location für unser Turnier zu finden. Unsere Idee war ein hochwertiges Ambiente zu suchen, da wir uns vor allem auf die Senioren mit einem Seniorenturnier konzentrieren wollten. Wir riefen im größten und bekanntesten Hotel in Lüneburg (dem Wohnort von Martin Becker), dem Seminaris Hotel Lüneburg an, und statt der erwarteten Absage, sagte uns Klaus Anger, seines Zeichens Manager des Hotels „klar, wann wollen wir starten?“ Von dieser Zusage ermutigt machten wir uns an die Arbeit. Wenn wir die Räumlichkeiten schon haben, warum nicht noch ein A, B und C-Open organisieren und wenn man die Gms und Ims ohnehin da hat, warum nicht auch noch 2 geschlossene Turniere für die Normenjäger. So entstand das VMCG-Schachfestival in seiner heutigen Form.
Die Vorarbeit ist sehr intensiv, Eloanmeldung, Material, Schiedsrichter, Live-Bretter (aus unserer Sicht ein Muss für ein richtiges Schachfestival) Unterkünfte, Sponsorensuche, Aufbau einer Internetseite, Bearbeiten der Anfragen und Anmeldungen, PR für das Turnier und vieles mehr sind anstrengend, aber machbar.
Der große Spaß beginnt aber vor Ort denn hier gilt der Spruch, es kommt 1. alles anders und 2. als man denkt.


So bewertete der Provider (oder wer auch immer sowas bewertet) des Hotelinternets im ersten Jahr unsere Livebretter und den hohen Datenaufwand als Hackerangriff und zerschoss unsere Seite.
Ein Teilnehmer konnte nicht so recht mit seinem Geld auskommen und auf ein Mal seine Unterkunft, die er in Ruinen zurück ließ nicht bezahlen und hatte auch kein Geld mehr um zum Flughafen zu kommen.
Im zweiten Jahr, sowie in diesem Jahr sagten Spieler aus den Rundenturnieren kurz vor Start ab. Seitdem weiß ich, es ist gar nicht so einfach innerhalb von 2-3 Tagen einen ausländischen Titelträger zu engagieren, der kurzfristig einspringt.
Auch dem Organisator selber passieren Fehler, so buchte ich letztes Jahr für den Mädchen Grand Prix das Essen falsch und musste innerhalb von 30 Minuten Essen für 30 hungrige Mädels und deren Eltern organisieren.
Außerdem mussten wir lernen, dass es nicht gut ist jemanden mit Katzenallergie in ein Haus mit Katzen zu stecken...wer hätte darauf kommen können.


Mein persönliches Highlight war dieses Jahr, als einer unser algerischen Teilnehmer an der Niederländisch/Deutschen Grenze verhaftet wurde und ich versuchte der Familie einen Anwalt zu besorgen…


All das bekommen die anderen Teilnehmer des Turniers nicht mit, als Organisator knabbert das aber an den Kraftreserven.
Aber es gibt natürlich auch viele positive Überraschungen. So hatten wir unglaubliches Glück seit 2014 mit der Vonhoff Management Consulting AG einen starken Partner an unserer Seite zu haben. Die positiven Rückmeldungen unserer Teilnehmer sind mit das größte Geschenk, aber auch dass man einfach viele Freunde um sich hat und eine Woche ihnen mit einem gut organisierten Turnier Freude bereitet, ist ein tolles Gefühl.
Als dieses Jahr dann auch noch Alexei Shirov sich zwischen vielen Terminen Zeit nahm und ein Seminar gab, war das für uns ein kleiner Ritterschlag.
Meine Bilanz aus 5 Jahren VMCG-Schachfestival ist, dass ich große Hochachtung für die Veranstalter habe, die aller meisten verdienen damit kein Geld, sondern leisten einen Dienst an unserem Sport um die Szene am Leben zu halten. Ohne Turnierveranstalter könnte weder ich noch viele meiner Kollegen mit Schach ihr Geld verdienen, denn ohne Turniere keine Jugendliche, die man trainieren kann, keine Journalisten die über die Turniere schreiben könnten. Ein Verband wäre beinah obsolet und die Schachprofis selber säßen auf dem Trockenen. Schach würde zur Internetbeschäftigung. Deshalb sind wir als Schachliebhaber den Veranstaltern zu einem großen Dank verpflichtet!
Das entlässt die Veranstalter aber nicht aus der Verpflichtung, sich weiterzuentwickeln. Sponsoren gewinnen. Öffentlichkeitsarbeit, Live-Bretter und vor allem pünktlicher Start von Runden und Siegerehrung so wie viele weitere Details sollten Stück für Stück zum Standard gehören.
Das Wichtigste ist jedoch, dass wir als Schachszene das zusammen organisieren müssen. Denn auch die Spieler sind dem Veranstalter gegenüber verpflichtet, sportlich aufzutreten und für eine angenehme Atmosphäre zu sorgen. Denn alle haben ein Interesse daran, dass Schachturniere zu schönen unvergesslichen Veranstaltungen werden. Wie sagt man heutzutage: „es ist eine ganzheitliche Aufgabe!"

Am 12.11.2011 organisierte ich zusammen mit dem MTV Treubund Lüneburg ein großes Simultanevent, 10 GMs/IMs spielen gegen jeweils 30 Gegner Simultan, anschließend gibt es ein Blitzturnier unter den 10 GMs/IMs. Im Folgenden möchte ich das emotionale Auf und Ab eines Organisators schildern. Dieses begann nicht erst am 12.11., sondern bereits 2 Tage zuvor...

 Donnerstag 10.11.2011.

7.00 Uhr Ehsan Ghaem Maghami ruft aus dem Iran an. Sein Flug der eigentlich um 12.30 Uhr landen soll verspätet sich.

10.00 Uhr Ehsan ruft an. Sein Flug ist immer noch nicht gestartet. Ich solle auf der Seite des Airports nachgucken und mich auf dem Laufenden halten.

16.30 Uhr Ehsan ist in Hamburg gelandet. Wir steigen in mein Auto.

17.30 Uhr Ehsan und ich sitzen in meiner Küche und fangen an zu essen.
17.35 Uhr Ich stelle fest, dass Ehsan Bier trinkt. Ehsan ist mir sehr symphatisch.
18.12 Uhr Ein befreundeter Schachspieler ruft an und somit haben wir das Übernachtungsproblem von Ehsan bis zum Bundesligawochenende gelöst.
19.00 Uhr wir sind auf dem Weg nach Lüneburg, Freunde besuchen.
19.45 Uhr Ehsan bietet der Tochter des Freundes in Gewinnstellung ein Remis an. Das Essen war lecker.
22.30 Uhr wir fahren zurück nach Hamburg. Ehsan hat morgen ein Simultan im Billstedt-Center.
23.30 Uhr Ehsan verschwindet in seinem Hotel

Freitag 11.11.2011


4.00 Uhr Ich schlafe ein. Bin nervös wegen Samstag.
8.00 Uhr Ich wach auf. Bin nervös wegen Samstag.
15.00 Uhr Ehsan und ich sind auf dem Weg ins Billstedt-Center. Wir beschließen, dass ich im Januar in Teheran ein Turnier spiele. (Im Moment bin ich mir, ob der Genialität des Einfalls, gar nicht mehr so sicher.)
15.45 Uhr Wir sind angekommen.
16.26 Uhr Ich verabschiede mich aus dem Billstedt-Center, muss heute noch David Baramidze, Jens-Ove Fries Nielsen und Judith Fuchs vom Bahnhof abholen.
17.42 Uhr Zug hat nur 5 Minuten Verspätung
17.47 Uhr David Baramidze ist angekommen. Wie immer völlig entspannt.
18.03 Uhr Setze David im Hotel ab. Alles läuft glatt.
19.00 Uhr Jens-Ove kommt bei mir zu Hause an. Er übernachtet nicht im Hotel, sondern bei uns. Ärger mich, dass ich Judith abholen muss, denn das erste Bier ist geöffnet und ich darf nicht.

20.42 Uhr freue mich, dass ich Judith abholen darf. Sehr nette Dame. Sehr entspannt. Merke, dass ich die Richtigen für das Event eingeladen habe.
20.59 Setzte Judith beim Hotel ab, wie allen anderen weiß auch sie, dass morgen 9.00 Uhr Treffpunkt ist.

21.15 Uhr Nun ist es auch für mich Zeit, dass Weizengetränk zu schlürfen.
21.30 Uhr Gewinne die erste Blitzpartie gegen Jens-Ove
23.30 Uhr bin mit einer gewonnen Partie am ganzen Abend gegen Jens-Ove zufrieden.

23.50 Uhr Versuche einzuschlafen. Bin nervös wegen Samstag.

Samstag 12.11.2011 TAG DES EVENTS!

3.00 Uhr schlafe ein. Bin nervös wegen Samstag.
10.00 Uhr stehe an der Halle. Halle ist leer.

3.34 Uhr wache auf. Nur geträumt. Bin nervös wegen nachher.
5.00 Uhr schlafe ein. Bin nervös wegen nachher.
8.00 Uhr stehe auf. Bin nervös wegen nachher.

8.03 Uhr Meine Eltern machen sich auf den Weg, Shirov vom Flughafen abzuholen
8.50 Uhr Erfahre, dass Shirovs Flug sogar zu früh landet, strike!
8.59 Uhr bin beim Hotel. Judith ist da. GM *** schläft.
9.05 Uhr bekomme einen Anruf. Es fehlen Bretter. Denke:“ Sch****“
9.10 Uhr GM *** schläft.
9.15 Uhr Ich klopfe an GM *** Zimmer. GM *** wacht auf.
9.21 Uhr Wir sind auf dem Weg nach Lüneburg.

9.40 Uhr Ein wichtiges Kabel für die Internetbretter fehlt, nicht mein Fehler, trotzdem Sch****
9.54 Uhr Bekomme einen Anruf von Michael Schönherr, er versucht, das Problem mit den Brettern zu lösen. Solche Menschen braucht das Land.
9.59 Uhr Dorian Rogozenco ruft an. Sagt er hätte eine Panne und Lubomir Ftacnik, Jonny Hector und er würden es nicht schaffen.
10.04 Uhr realisiere dass er mich verarscht hat. Könnte daran liegen, dass sein Navi ihn zur Psychiatrie geführt hat. Schwöre ihm, dass er das zurückbekommt, irgendwann.
10.05 Uhr Wir kommen an. Alles läuft einigermaßen. Hätten mehr Leute da sein können. Ist aber keine Katastrophe.
10.08 Uhr Christian Zickelbein ist auch da.
10.12 Uhr Alexei Shirov kommt an. Bin erleichter. Er hat kaum geschlafen, kommt von der EM in Griechenland. Sagt mir er braucht einen Pott Kaffee.
10.13 Uhr Er bekommt einen Pott Kaffee, will dass er sich ausruht
10.16 Uhr Reporterin vom Hamburger Abendblatt führt ein Gespräch mit Shirov. Weitere Fans wollen von ihm Autogramme. Shirov bleibt entspannt. Sehr gut!
10.22 Uhr Hände Schütteln, Fragen beantworten, lächeln. Mein Verhaltenskonzept geht auf.
10.46 Uhr Herr Deja, Präsident des MTV, Michael Langer NSV-Präsident, Christian Zickelbein und ich eröffnen die Veranstaltung.
10.47 Uhr Christian führt erstklassig durch die Veranstaltung. Bin alles in allem zufrieden.
12.30 Uhr die meisten Spieler sind fertig, nur bei Shirov ist keine Ende abzusehen. Er ist hoch konzentriert. Alle bewundern seine Einstellung.
13.42 Uhr frage Shirov, während er spielt, ob er nicht vielleicht was zu trinken oder essen haben will „NO!“ ist die Antwort.
15.12 Uhr Shirov ist fertig mit einem guten Ergebnis. Jetzt will er was zu Essen, einen Kaffee und einen Saft.
15.27 Uhr Shirov sagt man könne jetzt gerne mit dem Blitzturnier der 10 GMs/IMs.

15.46 Uhr Das Blitzturnier startet, Shirovs Partien werden Live auf Großleinwand gezeigt.
17.33 Uhr Das Blitzturnier ist beendet. Shirov gewinnt mit 8,5 aus 9 vor Ehsan und Jonny Hector.
17.56 Uhr Die Siegerehrung beginnt. Shirov gratuliert Deutschland zum Sieg bei der EM.
18.43 Uhr Alle Spieler sind zum Essen eingeladen. Alles sind gut drauf, ich freue mich über das erste Weizenbier.
18.58 Uhr Ich höre aus den Gesprächen, dass das Event wiederholt werden soll.
19.54 Uhr Christian, Shirov, Aljoscha Feuerstack und Lubomir Ftacnik machen sich auf den Weg nach Hamburg.
20.32 Uhr die Runde löst sich auf. Ehsan, Judith, Jens-Ove, David und ich entschließen den Abend in der Wohnung meiner Eltern in Hamburg, beim Blitzen, Billard spielen und einem Bierchen ausklingen zu lassen.

Sonntag 13.11.2011

1.03 Uhr Judith, Ehsan und David machen sich auf den Weg zum Event.

7.00 Uhr Aufstehen! Um 12.00 Uhr müssen Jens-Ove und ich in Viborg sein, Mannschaftskampf!

Sonntag, 06 November 2011 01:28

Die Religion siegt, die Spieler verlieren

Es gibt diese Situationen, deren Ergebnis keinen zufriedenstellt und einfach nicht zufriedenstellen kann. Dabei ist es oftmals schwierig zu erkennen, was überhaupt schief lief. So auch im vorliegenden Fall der iranischen Nummer 1, Großmeister Ehsan Ghaem Maghami. Er wurde beim gerade zu Ende gegangenen Corsican circuit vom Turnier ausgeschlossen,, nachdem er sich weigerte gegen einen israelischen Fidemeister zu spielen.

 

Schaut man genauer hin, differenziert sich das Bild. In der vierten Runde loste man die beiden Spieler gegeneinander. Maghami bat die Veranstalter, die Paarungen zu ändern. Dies ist bei anderen Turnieren Praxis und widerspricht nicht den FIDE-Regeln. Die Turnierleitung weigerte sich und so kam es, wie es kommen musste, der Israelische Spieler gewann kampflos. Daraufhin entschloss sich die Turnierleitung GM Ghaem Maghami aus dem Turnier auszuschließen. Wer hat jetzt einen Fehler gemacht?

 

Die politische Lage zwischen vielen arabischen Ländern, vor allem Iran und Palästina, und Israel hat sich seit Jahren nicht verbessert. Ein unglücklicher Zustand, an dem sich aber auf absehbare Zeit nichts ändern wird. Iranische Spieler sind von ihrem Land verpflichtet, nicht gegen israelische Spieler anzutreten. Was sollte Ghaem Maghami also besser machen? Kein Schach mehr spielen? Auch gegen Israelis spielen und sich somit in seiner Heimat in große Gefahr bringen? Nicht an Turnieren teilnehmen, bei denen Israelische Spieler mitspielen? Alles Möglichkeiten, aber keine davon sonderlich praxistauglich. Der Israelische Spieler hat mit der sache eigentlich wenig zu tun. Er will spielen und das gegen Spieler aller Länder. Er geht ans Brett und nur wegen seiner Religion bzw. seiner Staatsangehörigkeit sitzt auf der anderen Seite auf einmal niemand mehr – nicht sein Problem!

 

Und da kommen wir schon zur Turnierleitung. Die FIDE-Regeln sehen vor, dass Paarungen geändert werden dürfen. Warum hat man dies nicht getan? Ich war nicht vor Ort und kenne somit nicht die genauen Umstände, aber für mich ist kein Grund ersichtlich dies nicht zu tun. Gut, nun mag es Situationen geben, in denen es nicht möglich ist die Paarungen zu ändern. Aber warum muss der Spieler dann aus dem Turnier ausgeschlossen werden? Wem ist damit geholfen? Der Iraner muss nach Hause. Das Turnier verliert einen, in diesem Fall sogar wichtigen, Teilnehmer.

GM Ghaem Maghami stellte nach der Entscheidung fest, er habe persönlich nichts gegen irgendeinen israelischen Spieler. Zudem hätte er sehr gerne das Turnier weitergespielt. In dem Turnier nahmen insgesamt fünf Israelis und zwei Iraner teil. Das eingetretene Szenario war demnach sehr wahrscheinlich. Im Nachhinein stellte der Turnierleiter fest, hätte von den Schwierigkeiten vorher gewusst, hätte er den Iranern empfohlen nicht teilzunehmen.

MTV_LueneburgGM Ghaem Maghami wird am 11.11. in Hamburg landen, erst ein kleines Simultan im Elbe-Einkaufszentrum spielen und dann am 12.11. an dem von mir organisierten Schachevent "10 gegen Lüneburg" (siehe auch Banner rechts) teilnehmen. Aufgrund dessen stand ich in letzter Zeit häufiger in Kontakt mit ihm. Er ist, aus meiner Sicht niemand, den man als Fundamentalisten bezeichnen kann. Weltoffen und sehr höflich wären die ersten beiden Worte, die mir zu ihm einfielen. Aber trotzdem muss er um seine Sicherheit fürchten, wenn er gegen einen Israeli spielt und dann in sein Land zurückkehrt. Ich kann seine Entscheidung verstehen, Sie auch? Was denken Sie über das Verhalten von GM Ghaem Maghami? Hätten Sie genau so gehandelt? Wer hat in dieser Geschichte den Fehler gemacht? Oder ist es mal wieder die „große“ Politik, die die Schuld trägt, und müssen wir somit hoffen, dass eines fernen Tages eine Entspannung in der Beziehung der beteiligten Länder  eintritt?
JC

 

Kommentar Jörg Hickl:

Religion bildete schon häufiger die Grundlage für Diskussionen auf Schachturnieren. Ich erinnere mich gut an häufiger auftretende Auseinandersetzungen auf Mannschafts(europa)meisterschaften, bei denen israelische Delegationen nicht am Sabbat spielen wollten. Vereinzelt kam es zu Rundenverlegungen. Verweigerte der Veranstalter diese, spielte man trotzdem…

Eine Lex Samuel Reshewsky schuf man beim Open in Lugano in den 80er Jahren. Für den großen amerikanischen Star wurden seine Freitags- und Samstagsrunde um einige Stunden verlegt. Zu einem Härtetest kam es hier nie, da die Gegner es hinnahmen.

Immer waren bei diesen Vorfällen Einzelpersonen betroffen, die keinerlei Repressalien zu befürchten hatten. Im Fall Maghami ist das anders.

Natürlich hätte man es bei einem Verlust der einzelnen Partien belassen können, vielleicht ist den Spielern aber mit dem Ausschluss mehr gedient. Immerhin machten die Organisatoren damit klar, dass im Turnierschach und generell im Sport staatliche Einflussnahme nicht toleriert werden kann.

Dienstag, 25 Oktober 2011 11:16

Mach es und hilf!

Nachdem ich für meinen ersten Blogbeitrag ein leichtes Thema ausgewählt hatte, ist mir heute nach einem ernsten. Ohne große Umschweife möchte ich zu meinem Punkt kommen. Aus meiner Sicht, sollten wir Sätze wie „ vor der eigenen Haustür kehren“ oder „ an die eigene Nase fassen“ ernster nehmen. Wir sind gut im kritisieren. Wir kritisieren die Politik, die Banken, Migranten und angeblich faule Arbeitssuchende. Leider geht uns emphatisches Empfinden und der Drang zur Veränderung durch eigenes Handeln häufig ab. Des Weiteren gehört zum Kritisieren auch das Nennen der positiven Aspekte. Jede Kritik, die ohne diesen Punkt auskommt, ist aus meiner Sicht weder sachlich noch zielorientiert! Aber ich will zu meinem eigentlichen Thema kommen: „Mach es und hilf!“

schachNehmen wir an, Ihr Verein organisiert ein Turnier. Kein Schnellturnier, sondern ein 7 oder 9 Tage langes Open. Alles läuft gut. Natürlich, an der einen oder anderen Stelle klappt mal was nicht. In der Auslosung ist ein Fehler, eine Runde fängt später an, aber alles in allem sind Sie mit dem Turnier zufrieden. Es war gute Werbung für den Verein, die örtliche Schule oder eine gemeinnützige Einrichtung hatten Ihrem Klub die Räumlichkeiten kostenlos zur Verfügung gestellt. Nach der Siegerehrung gehen alle, auch die Mitglieder des ausrichtenden Vereins, zufrieden nach Hause. Alles gut also?

Nein, ein vielleicht zwei derjenigen, die schon die ganze Woche die Verantwortung getragen haben, bleiben zurück. Sie müssen noch 50 Bretter einräumen, die Stühle und Tische in die alte Formation bringen, Drucker und PC abbauen. Die 10 Vereinsmitglieder, die während der 7 Tage an dem Turnier teilgenommen haben und ab und zu beim Organisator vorbeigeschaut haben, um ihm zu sagen, was man vielleicht besser hätte machen können, sind schon lange weg. Gern genommene Anfangssätze für nicht gut gemeinte Verbesserungsvorschläge sind: „ Wenn ich das Turnier organisiert hätte, dann...“ oder „ Nur mal so als Anregung...“ Dass man sich selber hätte einbringen können, das fällt hinten runter. Man antwortet als Verantwortlicher „ Wir denken drüber nach“ oder „gute Idee“. Man denkt „Mach es selbst und hilf“.

Bevor Sie glauben, ich würde mich moralisch erheben wollen, dann sei gesagt, dass auch ich ein Experte darin war, ab und zu noch bin, nach der Siegerehrung schnell weg zu sein. Klar, ist das Turnier für einen gut gelaufen, sagt man dem Organisator noch, was für ein tolles Turnier er doch auf die Beine gestellt hat. Aber spätestens dann bin auch ich meistens weg gewesen.

Zurück zu unserem imaginären Verein. Also bei der Siegehrung sind nur noch die Hälfte der Teilnehmer da. Jene, die einen Preis kriegen, jene, die bei jemanden mitfahren, der einen Preis kriegt, jene. die jemanden mitnehmen, der einen Preis kriegt und jene Vereinsmitglieder die lobend für ihre Unterstützung der Veranstaltung erwähnt werden wollen, weil Sie zweimal die Paarungen ausgehängt haben. Nach der Siegerehrung sind dann aber wirklich alle weg, nur die beiden bereits erwähnten Organisatoren sind noch da.

Nun gut, dann muss halt die Crew, die die ganze Woche ehrenamtlich die Cafeteria betreut hat, auch noch die Tische umstellen. Woran liegt das? Ich kann weder ein abgebrochenes, noch ein vollendetes Psychologie-Studium vorweisen. Ich habe auf der Flucht vor hilfesuchenden Turnierleitern immer gedacht „ warum soll denn ausgerechnet ich helfen? Fussball fängt gleich an!“
Außerdem will man zuhause ja berichten wie toll „wir“ „unser“ Turnier hinbekommen haben, während einige Kilometer weiter noch hart geschuftet wird. In letzter Zeit wurde viel über den Deutschen Schachbund und die angebliche Untätigkeit von Funktionären diskutiert. Ich kann das nicht beurteilen. Es gibt Sachen die mir gefallen und Sachen die mir nicht gefallen. Aber alle, die sich der generellen Schelte anschließen, müssen sich vorwerfen lassen „ Mach es selbst und hilf!“

Ich kann nur von einigen Turnieren berichten, bei denen man gemerkt hat das schimpfen einfacher ist als machen.
In der jüngeren Vergangenheit ist mir immer wieder folgendes Szenario aufgefallen. Ein Vereinsvorsitzender denkt laut über die Ausrichtung eines Turniers nach. Alle bieten ihre Hilfe an. Das Turnier nimmt den beschriebenen positiven Verlauf. Allerdings sind die losen Zusagen schnell wieder vergessen. Mir hat es mit der Zeit Leid getan, wie erschöpfte Turnierleiter realisieren, dass die Hilfe weg ist.

Banner-Sonnenalp250Dass ich jetzt auf dieses Thema komme, liegt übrigens nicht daran, dass ich selber oder mein Verein, der SK Marmstorf, ein Turnier organisiert hat. Ich bin dazu zu faul, und außerdem haben wir um Holger Hebbinghaus, der den aufmerksamen Leser dieses Blogs schon vorgestellt wurde, ein hervorragendes Team engagierter Mitglieder. Dies ist in Deutschland kein Einzelfall und deswegen gehört zu dem von mir beschriebenen Schatten, auch viel Licht.

Die bisherigen Zeilen klingen sehr vorwurfsvoll. Das sollen sie eigentlich nicht. Ich möchte dazu anregen, darüber nachzudenken, darüber zu diskutieren. Frei nach dem Motto „ Überlege nicht was das Schach für dich tun kann, überlege was du für das Schach tun kannst“
Donnerstag, 20 Oktober 2011 15:18

Hello again Bad Wiessee

In einigen Tagen ist es wieder so weit: Die Offene Bayerische Meisterschaft in Bad Wiessee steht vor der Tür. Es wird meine zweite Turnierteilnahme sein. Für die eingefleischten Teilnehmer bin ich damit noch ein echter Frischling. Teilnehmer, denen man ohne weiteres bereits die hundertste Teilnahme zutrauen würde, schwärmen vom Tegernsee, den Bergen und den Turnierbedingungen. Das tue ich auch, aber egal.

Was macht das Turnier so besonders?

Normalerweise würden in Bad Wiessee Ende Oktober die Lichter ausgehen, nur das Schachturnier bringt den Wirten eine weitere Woche angetrunkene und fleischessende Gäste. Die Hotels bleiben gut besucht, allein an Spielern sind es 470. Nicht mitgerechnet die Zivis äh bufdis, oder wie die neuerdings heißen, für die Anwärter auf den Seniorenpreis.
Der Altersschnitt, der maximal noch in politischen Partein erreicht wird, macht dieses Turnier für Menschen wie mich attraktiv. Menschen, die einmal über 2400 hatten und sich aufgrund zusammengespielter Normen, jetzt Internationaler Meister nennen dürfen. Das man mit den unter 20-Jährigen  nicht mal eine Fussballmannschaft zusammenbekmmt, verdanken die Teilnehmer der geschickten Planung der Organisatoren, das Turnier direkt außerhalb jeglicher Schulferien zu legen.

Außerdem gibt es interessante Großmeister zu treffen. Mein persönlicher Favorit ist Ulf Andersson. Die Legende holte im letzten Jahr 100%, gut die drei kampflosen Punkte nicht mitgerechnet. Aber ich will jetzt auch nicht kleinlich werden. Des Weiteren spielen aus aller Herren Länder weitere Großmeister mit. Letztes Jahr führte die Deutsche Delegation Daniel Fridman an, der Deutschland dieses Jahr als einziger beim World-Cup vertrat.
Übrigens einer der Großmeister die aus Symphatie-Gesichtspunkte deutlich unterschätzt werden. Ich kann mich an mein einziges Bundesligawochenende erinnern, an dem Daniel am Samstag nach seiner Partie, nicht wirklich der Herr über sein Handy war. Sagen wir so, der Anrufer schien nicht zu wissen, dass 3mal wegdrücken heißt „RUF JETZT NICHT AN!“

Was macht man nach der Partie?

Natürlich wird eines der zahlreichen Restaurants aufgesucht und so lange Weizenbier geschlürft bis man auf einmal  mit drei Läufern gegen vier Springer spielt. In den Restaurants ist der Teufel los. Dass man zufällig den Gegner der gerade gespielten Runde trifft ist nicht außergewöhnlich. Auch das Essen ist gut und wer mich kennt, weiß, dass ich da eine gewisse Kernkompetenz besitze.

Es gibt aber auch Kurioses aus dem Restaurant-Wesen. So musste ein Freund von mir feststellen, dass der Koch eines Restaurants sein Schnitzel großzügig mit Plastikfolie garniert hatte. Gut, dachte ich, wir sind eine sehr liberale Truppe, aber wie sagte schon ein bekannter Politiker aus Bayern: „Äh wer für alles äh offen äh ist, ist nicht äh mehr ganz äh dicht!“ So forderten wir dann auf der Rechnung den präzisen Hinweis auf das Plastik, da wir uns, ob eines möglichen geminderten Mehrwertsteuersatzes bei Plastikprodukten, nicht ganz sicher waren.

Wie kommt man nach Bad Wiessee? Ich habe letztes mal den Flugweg ausgetestet. Als überzeugter Öko und eingefleischter Vegetarier verzichte ich dieses Jahr natürlich auf das Flugzeug und nehme, na? Das Auto natürlich! Da muss man dann auch mal konsequent sein. Aber natürlich, alle die sich nichts aus der Zukunft unserer Kinder machen, also ich arbeite noch dran, aber die Floskel ist einfach zu platt um sie nicht zu benutzen, können auch die Bahn nehmen. Man kann dann mit dem Bus direkt ins Örtchen reinfahren, und direkt ans Brett oder ins Bett fallen.

Ich habe Ihnen den Mund wässerig gemacht? Tja, Pech gehabt, die Teilnehmerliste ist schon seit Tagen voll. Vielleicht nächstes Jahr!