Oktober 2013
Guck mal, wer da fehlt
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31. Oktober 2013

Guck mal, wer da fehlt

Praktisch zeitgleich mit der WM beginnt die Mannschafts-EM in Warschau. Dort wird ab nächsten Freitag gespielt, in Chennai geht´s am Samstag los. Die EM-Teammeldungen sind veröffentlicht. Und am interessantesten sind die Lücken, könnte das doch auf die Sekundantenteams von Carlsen und Anand schließen lassen.

So fehlt bei Gastgeber Polen Spitzenmann Wojtaszek. Der hat Anand schon in den letzten WMs beigestanden. Bei Dänemark fehlt Peter Heine Nielsen. Aber der hat versprochen, sich bei der WM rauszuhalten. Bei Frankreich fehlt Fressinet. Der gilt als Eröffnungsexperte und hat schon Kramnik geholfen, und dass er nun Carlsen hilft, ist seit dessen Facebookeintrag vom 6. August schon kein Geheimnis mehr. Bei den Engländern fehlt keiner, und sie stehen auf der Setzliste so hoch wie lange nicht mehr, nämlich Platz drei. Bei Russland fehlt Nepomnjaschtschi, der ja schon mal mit Carlsen trainiert hat. Auch Kramnik ist nicht dabei. Der hat Anand zwar schon gegen Topalow geholfen, aber ich tippe eher auf Erholungsbedürfnis nach vielen Turnieren und die WM im Dezember steht ja auch noch an.

Bei der Ukraine fehlen Iwantschuk (hat der je gefehlt?) und Ponomarjow (der nicht erst seit seiner Heirat mit einer Baskin mit einem Wechsel zu Spanien liebäugelt, wo er der neue Schirow werden kann). Bei Ungarn fehlen Rapport (Zoff mit dem Verband, mit den anderen Spielern, ach eigentlich mit allen, schuld ist der Papa) und Leko (nach Team Kramnik nun vielleicht Team Anand?). Bei der Niederlande fehlt Van Wely (vielleicht hat der frühere Kramnik-Sekundant inzwischen ein US-Visum). Bei Bulgarien fehlt Tscheparinow (kann der Tennis und Fußball? wenn ja, ist er bei Carlsen) und Georgiew (Zoff mit Topalow und Danailow). Bei Israel fehlt gleich das ganze A-Team, was reichlich für Grünfeldindisch spricht. Bei Italien fehlt Nakamura (noch nicht eingebürgert). Bei Rumänien fehlt Nisipeanu. Der ist aber nicht in Chennai sondern während der Mannschafts-EM und Mannschafts-WM als Trainer des deutschen Teams im Einsatz. Bei Deutschland fehlt Gusti, der nach Elo Nummer zwei wäre. Dass er gerade in Hamburg viel um die Ohren hat, hat uns gerade noch gefehlt.

Noch zehn Tage bis zur ersten Partie in Chennai. Die ersten großen Medienberichte zur WM trudeln ein. Die ZEIT hat ein langes Interview mit Titelverteidiger Anand geführt. Nämlich im hessischen Bad Soden, wo er mit seinem Team gearbeitet hat. Er wirkt gelassen und zufrieden mit seiner Vorbereitung. Auch in seiner Heimat hat er inzwischen der großen südindischen Tageszeitung The Hindu ein Interview gegeben. Im ZEIT Magazin folgt am Donnerstag ein Porträt von Herausforderer Carlsen. Der Londoner Observer hat seines schon veröffentlicht. Der Economist hat kürzlich nach längerer Unterbrechung anlässlich der bevorstehenden WM mal wieder über die Situation im Schach berichtet.

Gute Mienen vor der Partie
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Es gab verschiedene Gründe, am Europacup auf Rhodos teilzunehmen: einige Teams wollten gewinnen, andere wohl auch das (siehe Titelfoto) offenbar schöne Wetter auf Rhodos geniessen, einige hatten Ambitionen irgendwo zwischendrin. In diesem Beitrag geht es nicht um die Spitzenteams - die Partie von Caruana aus Aserbaidschan gegen den Italiener Nakamura war durchaus interessant, wurde aber bereits anderswo erwähnt. Es geht auch nicht um die deutschen Teams - Muelheim betonte (sicher nicht freiwillig) den Urlaubsaspekt und holte in der fünften Runde ein souveränes Unentschieden gegen Freilos, auch Eppingen und Solingen spielten erwartungsgemäss unter ferner liefen. Alle drei Vereine hatten ja auch ihre Grossmeister zu Hause gelassen - stimmt nicht ganz: einige aus deren Bundesligamannschaften, und auch diverse Spieler anderer deutscher Vereine, waren auf Rhodos dabei - allerdings für andere Teams.

Stattdessen schreibe ich über das Turnier meiner Freunde von En Passant aus Bunschoten, speziell über einen Spieler. Die allgemeine Einleitung kann ich mir sparen, da ich hier sowohl Manuel Bosboom als auch den Verein bereits vorgestellt habe. Stattdessen schweife ich noch ein bisschen ab: Im passwort-geschützten Administratorbereich können Autoren sehen, wie oft ihre Artikel gelesen bzw. angeklickt wurden. Genaue Zahlen nenne ich nicht (die ändern sich auch ständig), nur eine allgemeine Hitliste: Vorne liegen "Stellungnahme Falko Bindrichs zum Betrugsvorwurf", "Schon wieder Handybetrug - IM Jens Kotainy in Dortmund ausgeschlossen", "ChessBase12 die Leiden der jungen Krennwurzn", "Betrug nun auch in der Schachbundesliga?!", "Schachbund trennt sich von Arkadij Naiditsch", "Schachbund sperrt auch Falko Bindrich" und "Betrugsverdacht". Ob Chessbase sich in dieser Gesellschaft wohlfühlt? Und bei meinen Beiträgen steht der Dritte den ich jemals geschrieben habe nach wie vor an zweiter Stelle, wenn auch weit hinter "Betrugsverdacht" - genau, Bosboom in Gibraltar. Der macht zwar am Brett Randale aber ohne Skandale - mal abgesehen davon, dass er in Blitzpartien mitunter Figuren umkegelt und einige ihm Absicht unterstellen.

Damals in Gibraltar spielte er gegen Grossmeister spektakulär aber ohne zählbaren Erfolg - diesmal waren zumindest seine Eröffnungen vergleichsweise konventionell und, soviel verrate ich vorab, sein Ergebnis auch gegen GMs besser. Will er in Mannschaftskämpfen die Nerven seiner Kollegen nicht allzu sehr strapazieren, oder wird er etwa alt? Etwa ein Jahr nach meinem ersten Artikel über ihn, also im Januar 2013, feierte er seinen 50. Geburtstag. Seine Teamkollegen will ich hier und auch weiter unten nicht ganz ignorieren. En Passant spielte mit GM Ikonnikov, GM Nijboer, IM Bosboom, IM Henk Vedder, FM Richard Vedder (gleicher Nachname kein Zufall, sie sind Brüder) und Dick de Graaf. Die drei Letztgenannten sind Eigengewächse aus Bunschoten die auf jeden Fall dabei sein sollten. Vorne brauchten sie Verstärkung, um auch gegen Teams aus dem (vorderen) Mittelfeld bestehen zu können und damit auch gegen Spitzenteams spielen zu dürfen.

Giri spielte lieber Brett 6 für die gut geölte Truppe von SOCAR Azerbaijan, Smeets verzichtete aus finanziellen Gründen, l'Ami spielte im Open in Hoogeveen (statt Rhodos-Urlaub mit seiner Frau die im Damenturnier mitspielte), daher waren Ikonnikov und Nijboer dabei. Vor einigen Jahren beantwortete Richard Vedder (der damals für einen belgischen Verein mitspielte) meine Frage "Wie war's beim Europacup?" mit "einfach grossartig im selben Saal wie Shirov zu spielen!". Diesmal hätte Vedder (Henk, nicht Richard) oder Bosboom mit noch ein bisschen mehr Losglück gegen Shirov spielen können. Shirov war damals noch absolute Weltklasse, inzwischen ist er - jedenfalls für Team Malachite - nur noch gut genug für Brett 4, da holte er 4.5/5. Darunter zwei Siege in 16 und 19 Zügen bei denen der (nominell viel schwächere) Gegner natürlich mitgeholfen hat.

Genug geplaudert, steigen wir ein in das Turnier von En Passant - neben meinen eigenen Eindrücken aus der Ferne verwende ich dafür auch diese drei Berichte von Vedder (diesmal Henk, nicht Richard). Generell eine nette Idee, so den Gesamtverein und die Schachwelt zu informieren (das machen auch einige andere Vereine) - für die Schach-Welt übersetze ich Fragmente aus dem Holländischen.

Runde 1 spielten sie gegen Istogu Chess Club aus dem Kosovo, schwer einzuschätzen da zum Teil ohne FIDE-Elo. Henk Vedder: "Wenn man Partien in Datenbanken findet, dann vor allem aus früheren Europacups - offenbar sind es fanatische Vereinsspieler". En Passant war dann auch Favorit und gewann 4,5-1,5 - nur Nijboer hatte gegen Elo 2215 "keine Chance" (auf mehr als remis). Und Bosboom? Nach 29 Zügen stand er gegen einen gewissen Avdiu Arben (Elo 1967) so:

Bosboom-Avdiu move 29

"Alles" gewinnt hier, am stärksten ist (laut Engines) 30.Tc8. Stattdessen geschah 30.Tg8? Dxg6 31.Txg7 Dxg4 32.Txg4 Te2 und das Turmendspiel ist, trotz momentanem weissem Mehrbauern, besser für Schwarz. Nach weiter 33.f5 Txb2 34.Txc4? Kd5 steht Schwarz auf Gewinn, und so kam es dann auch.

Die Belohnung für einen Auftaktsieg ist ein starker Gegner in Runde 2, auf En Passant wartete die an 4 gesetzte russische GM-Truppe von Ugra. Vier Partien gingen verloren (auch Leko gewann gegen Nijboer), Henk Vedder erkämpfte sich ein Remis gegen (immerhin) Dreev, und Bosboom spielte eine wilde Partie gegen den wilden Korobov. Zuerst stand er schlechter, dann besser, dann zumindest einen Zug lang gewonnen (Diagramm hier und weiterhin aus Sicht von En Passant):

Korobov-Bosboom move 42

42.-Te3 und (ich verzichte auf Varianten) Schwarz gewinnt! Stattdessen geschah das naheliegende 42.-Dxd3 43.Th1 Sf4+ 44.Kg3 und nun 44.-Sh3!?!? . Henk Vedder dazu: "Meine Bedenkzeit war knapp, zum Glück auch die meines Gegners. Ich verlor zwei Minuten, da ich meinen Augen nicht traute als Manuel [am Nachbarbrett] Sh3 spielte." Es war aber gut und der einzig verbliebene Gewinnversuch - nicht gut genug, später war das Turmendspiel besser für Schwarz und doch remis.

Runde 3 gegen das nominell schwächere, aber junge und damit unberechenbare Team aus dem französischen Sautron war dann doch eine klare Sache: 5,5-0,5 wobei die Gewinnpartien 22-31 Züge dauerten. Bosboom war in der Eröffnung ein bisschen kreativ oder auch nicht, er kopierte sich selbst: zu 1.c4 e6 2.Sf3 Sf6 3.a3!? gibt es in der Datenbank vor allem Bosboom-Partien. Im Gegensatz zu früheren Gelegenheiten (z.B., siehe Gibraltar-Bericht, gegen Daniel Fridman) verzichtete er auf g4. Tg1, b4 und rochierte schon nach elf Zügen kurz. Dennoch gewann er flott:

IM Bosboom (2390) - FM Delorme (2283) nach 18.-Dc7:

Bosboom-Delorme move 18

Es folgte noch 19.e4 fxe4 20.Lxg5 exf3 21.Sf4 Dxe5 22.Lxc6 1-0.

Runde 4 gegen das nominell stärkere griechische Team von Peristeri war dann Chaos mit happy end für En Passant. Chaos bereits vor dem Kampf - Henk Vedder: "Dick wollte noch duschen, Richard seine kurze Hose loswerden, und es war schon Viertel vor Drei!" - Partiebeginn ist 15:00 mit Null Toleranz. Das schafften sie, nebenan ging es beinahe schief, wiederum Vedder: "Die Eröffnungsphase wurde begleitet von einer heftigen Diskussion am Tisch von Wirtzfeld (aus Belgien). Offenbar war Hans-Hubert Sonntag ein paar Sekunden zu spät und der Gegner freute sich über einen gratis Punkt. Aber wenn man laut genug schreit - ich kenne die Details nicht - geht anscheinend noch was, die Partie wurde gespielt und endete Remis." Ungefähr zu diesem Zeitpunkt entstand dieses Foto (rechts Dick de Graaf, Richard und Henk Vedder, Manuel Bosboom, Quelle Vereinshomepage)

Peristeri-EP

Henk Vedder denkt offenbar "Was macht Manuel schon wieder?" (8.-b6 in einem g3-Königsinder ist auch nicht der theoretische Hauptzug). Später überspielte Bosboom seinen Gegner, immerhin GM Halkias, landete dann aber in einem komplizierten Turmendspiel - ich setze das Diagramm mal direkt nachdem die vorletzten Türme getauscht wurden:

Halkias-Bosboom move 43

Wer steht hier besser? Im Nachhinein war man sich einig, dass Schwarz besser bis gewonnen steht, aber während der Kampf lief war das Urteil der Kibitze "unklar". Ich verrate mal noch nicht wie das ausging sondern schaue zunächst bei Richard Vedder vorbei, er (Elo 2257) hatte Schwarz gegen den Herrn Angelos Sandalakis (2394). Aus einer schlechteren Stellung erreichte er dieses Damenendspiel und ist am Zug:

Sandalakis - R Vedder

Er muss hier mit ein paar Schachs den e4-Bauern abholen, stattdessen geschah 61.-g3?? und der Leser darf selbst herausfinden, wie Weiss die Mattdrohung pariert und remis erzwingt. Danach überschritt Halkias gegen Bosboom die Bedenkzeit in (so dachten die Kibitze anfangs, und vielleicht auch der fluchende Halkias) für ihn gewonnener Stellung. Später stellte sich heraus, dass die Schlusstellung ohnehin für Schwarz gewonnen ist. Zwischenstand 3-2 für En Passant, in der letzten Partie de Graaf (2199) - Mihailidis(2279) stand es irgendwann so:

De Graaf - Michailidis

Irgendwie hielt Weiss das remis, bzw. Schwarz schaffte es, diese Stellung nicht zu gewinnen.

Die Belohnung für En Passant war wieder ein russisches Topteam in Runde 5, diesmal PGMB-Rostov die ihrem Spitzenbrett Baadur Jobava (Mr. 1.b3) einen Ruhetag gönnten und das beinahe bereuten. Schaudernd (aus seiner Sichtweise) sah er sich an, was GM-Kollege Azarov mit Schwarz gegen Bosboom machte. Nach 31 Zügen stand es so:

Bosboom-Azarov move 31

Schwarz (über)kontrolliert die d-Linie, ob er deshalb besser steht ist nicht ganz klar. Nach 40 Zügen stand es so:

Bosboom-Azarov move 40

Ich lasse mal offen, wie Bosboom (bzw. Azarov) das hinbekommen hat, erzwungen war es nicht. Wie dem auch sei, nun folgte 41.Txe7 Txe7 41.Ta8 Dxa8 42.Lxa8 und wenig später 1-0 - Bosbooms zweiter GM-Skalp, und drei waren möglich. Henk Vedder (selber ein ungefährdetes Schwarzremis gegen GM Sjugirov) schreibt, dass En Passant gegen Rostov auch drei Brettpunkte und damit einen sensationellen Mannschaftspunkt holen konnte, da Nijboer gegen Zhigalko gewinnen konnte (und dann doch verlor). Aber auch 2-4 ist ein ordentliches Ergebnis bei einem Elo-Nachteil von 100-400 Punkten an allen sechs Brettern.

Runde 4 gegen Peristeri war dramatisch, Runde 6 gegen das (mit Peristeri) etwa gleichwertige "belgische" Team aus Amay sollte das noch toppen. Warum 'belgische' in Gänsefüsschen? Am Brett sassen fünf Niederländer und ein Deutscher - die beiden anderen belgischen Teams hatten immerhin jeweils zwei Belgier im Aufgebot. Der belgische Deutsche, IM Zaragatski, wäre vielleicht besser im Bett geblieben bzw. hielt am Brett einen Sekunden-Mittagsschlaf - in einer unkonventionellen Eröffnung beging er bereits im neunten Zug den entscheidenden Fehler, und Nijboer verwandelte souverän. An den fünf anderen Brettern dagegen: fast jedes Mal als ich live vorbeischaute (zwischendurch auch anderswo, z.B. beim Spitzenkampf SOCAR - Novy Bor 2,5-3,5) hatte sich irgendwo die Lage drastisch geändert. Am Ende wurde es 3-3 ohne ein einziges Remis. Bosboom ignoriere ich mal, OK nicht ganz: sein Gegner IM Twan Burg opferte einen Springer auf g7, bekam die Figur zurück aber dann (nicht forciert) profitierte Schwarz von der offenen g-Linie und konnte am Ende (nach gegnerischem Fehler in ohnehin verlorener Stellung) auf der Grundreihe mattsetzen. Stattdessen Henk Vedder, den ich bisher nur als Reporter erwähnt hatte:

Henk Vedder - Tan nach 25.-g6??

H Vedder-Tan

Ich muss wohl nicht extra betonen, dass es eine wilde Partie war. Weiss hat(te) für die geopferte Figur nicht genug Kompensation, bis Schwarz (mit einer halben Stunde auf der Uhr gegen eine Minute für Vedder) 25.-g6?? spielte. Wie Weiss reagierte, und warum 25.-g6?? grottenschlecht war, darf der Leser selbst herausfinden.

Die letzte Runde gegen das schwedische Limhamns SK war ein bisschen Antiklimax: En Passant lag durch eine kampflose Niederlage von Ikonnikov am Spitzenbrett sofort 0-1 zurück. Er hatte sich nicht etwa verspätet, sondern musste (was seine Teamkollegen vor dem Turnier wussten) vor der Runde sofort zurück nach Russland da sein Schengen-Visum ablief und er es nur dort erneuern kann. Das konnten sie nicht kompensieren, momentan steht es aus Sicht von En Passant 2-3 - ich warte nicht ab, ob Nijboer ein Damenendspiel mit Minusbauer halten kann. Derzeit sind 97 Züge gespielt, die letzte Partie des gesamten Turniers. Bosboom bekam von seinem Gegner offenbar in klar schlechterer Stellung ein Remisgeschenk, den halben Punkt brauchte er noch für eine GM-Norm (ich weiss übrigens nicht, ob und wann er bereits GM-Normen hatte, momentan fehlt zu Elo 2500 auch noch einiges). Henk Vedder verlor, aber dessen "GM-Norm" hätte ohnehin nicht gegolten, da er nur zwei grossmeisterliche Gegner hatte.

Ich hoffe, ich habe - auch für Leser ohne Beziehung zum Team En Passant - interessantes und z.T. kurioses Schach geboten!

 

 

Aufräumaktion
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26. Oktober 2013

Aufräumaktion

Nach mehreren Buchbesprechungen folgt mal wieder eine Schachaufgabe. Die Stellung ist mal wieder etwas gewöhnungsbedürftig: Weiß hat haufenweise mehr Material, das allerdings noch ordentlich verklumpt ist, da tut Aufräumen Not. Der schwarze König hingegen fragt sich wohl selbst, wie er da hin geraten ist.

Ouelletm8

Nichtsdestotrotz ist hier natürlich klar, dass Weiß leicht den Sieg sicher stellen kann. Wenn man ihm dafür allerdings nur acht Züge zugesteht, wird es interessant, denn dann muss man beim Versuch, dem Monarchen zu Leibe zu rücken wirklich alles in die Waagschale werfen.

Ein cleveres Stück des Kanadiers Charles Ouellet, von dem man desöfteren witzige Ideen präsentiert bekommt. Matt in acht, Antworten als Kommentar.

Bücherrundschau Teil 2
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24. Oktober 2013

Bücherrundschau Teil 2

Den Anfang macht diesmal ein Buch aus dem Hause Quality Chess.

Titel des Buches: The French Defence, Volume One von GM Emanuel Berg (ELO 2627).

Es stammt aus der Reihe Grandmaster Repertoire und ist auf drei Teile ausgelegt, Teil 2 behandelt die Systeme nach 1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sc3 Lb4 4.e5 c5 5.a3 Lxc3 6.bxc3 Se7 7.Dg4, Teil 3 behandelt die Vorstoßvariante, Tarrasch, Systeme nach 3.Sc3 ohne 3…Lb4 und den Rest.

Dieser erste Band analysiert die Systeme nach 1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sc3 Lb4 4.e5 c5 5.a3 Lxc3 6.bxc3 Se7 und danach alles außer 7.Dg4. Auf den ersten Blick macht diese Einteilung einen etwas seltsamen Eindruck auf mich, vor allem wenn man bedenkt, dass alleine für die Winawer-Variante ohne 3…Sf6 zwei Bände beansprucht werden. Dieser Umstand würde sich aber nur dann relativieren, wenn Band 3 extrem voluminös erscheinen würde. Warten wir es ab!

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The French Defence, Vol. 1 Grandmaster Repertoire 14 324 Seiten, kartoniert, 1. Auflage 2013. https://www.schachversand.de/DBBilder/leseprob/LOBERTFD1.pdf

In diesem Buch geht es also um die Systeme nach 1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sc3 Lb4 und nun als Hauptfortsetzung 4.e5 c5 5.a3 Lxc3 6.bxc3 Se7 7.a4 bzw. 7.Ld3/7.h4/7.Sf3. Daneben galt die Aufmerksamkeit des Autors selteneren Systemen wie Abweichungen im 4. bzw.5.Zug von Weiß. Der Titel Grandmaster Repertoire deutet es ja schon an, hier handelt es sich um ein Arbeitsbuch. GM Berg hat die vorhandenen Systeme gut gegliedert dargestellt und dazu sehr viele eigene Analysen plus dazugehöriger Neuerungen beigesteuert.

Beim Durchblättern des Buches fiel mir auf, dass zum Beispiel das Gambit 1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sc3 Lb4 4.a3 Lxc3 5.bxc3 fxe4 6.f3 mit gerade einmal 10 Zügen abgehandelt wird. GM Berg beleuchtet hier die Variante 1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sc3 Lb4 4.a3 Lxc3 5.bxc3 fxe4 6.f3 c5 7.Sh3 Da5 8.Ld2 Sf6 9.De2 exf3 10.Df3 Sc6N. Ein Blick in einschlägige Literatur, bzw. Interforen enthüllt aber noch viel mehr Varianten für Weiß, zum Beispiel die Züge 7.Dd2/7.Tb1/7.Lb5 oder auch Varianten mit früherem Dd2 nebst De3. Das hat mich 5 Minuten meiner Zeit gekostet um festzustellen, dass es sehr wohl noch ein paar mehr Varianten dazu gibt.

Klar, man muss und kann auch nicht alles kennen und wissen, aber die paar Züge im Buch waren mir etwas zu wenig. Hier hätte man für meinen Geschmack ruhig etwas mehr in die Breite gehen sollen/dürfen. Das ist aber Kritik auf sehr hohem Niveau. Ansonsten habe ich bei mehreren zufällig ausgewählten Varianten keine Fehler entdecken können soweit es mir möglich war.

Ich sehe das Buch als eine Art Anleitung, einen Ideenlieferant und einen Kompass um in dieser Eröffnung nicht vorzeitig Schiffbruch zu erleiden und um selbst eigene Ideen und Pläne zu erschaffen. Deswegen ist es auch nötig, mit dem Buch zu arbeiten, es zu erforschen und seine eigenen Schlüsse daraus zu ziehen. Wer das beherzigt wird mit Sicherheit einen großen Gewinn daraus erzielen können.

 

Das zweite Buch das ich Ihnen heute vorstelle stammt aus dem bulgarischen Verlag Chess Stars. Autor ist GM Dmitry Svetushkin und dieser stellt dem Leser ein Sämisch-Repertoire gegen Grünfeldindisch vor (1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.f3 – White kills three birds with one shot, D.Svetushkin).

Der Titel des Buches ist ein wenig irreführend, hier wird ein Repertoire gegen Grünfeld-, Königsindisch und gegen Benoni/Wolga geboten.

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The Ultimate Anti-Grünfeld A Sämisch Repertoire 232 Seiten, kartoniert, 1. Auflage 2013.

http://www.chess-stars.com/resources/Contents_Ultimate.pdf

Jedes der insgesamt 9 Kapitel beginnt mit einem Abschnitt in dem die wichtigsten Ideen und Pläne erörtert werden. Danach folgt der theoretische Teil und im Abschluss folgen mehrere kommentierte Partien. Erfreulicherweise hat der Autor, wenn möglich, immer das aktuellste Partiematerial verwendet:

Svidler,P (2747) - Grischuk,A (2764) [E81] FIDE Candidates London ENG (9.2), 25.03.2013

1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.Sc3 Lg7 4.e4 d6 5.f3 0-0 6.Le3 c5 7.Sge2 Sc6 8.d5 Se5 9.Sg3 h5 10.Le2 h4 11.Sf1 e6 12.Sd2 Svetushkin schlägt diesen Weg für Weiß vor, in Anbetracht ausanalysierter Opfervarianten auf c4 a´la Kasparov sicherlich nicht die schlechteste Wahl.

[ in der Partie brachte Alexander Grischuk nach 12.f4 das vorbereitete Springeropfer 12. ... Sxc4!!

Sc4KI

Stellung nach 12...Sxc4!!

13.Lxc4 b5! Garri Kasparov hatte diese Variante bereits vor einigen Jahren selbst analysiert. Weiter ging es mit 14.Lxb5 exd5 15.e5 dxe5 16.fxe5 Lg4 17.exf6 Lxd1 18.fxg7 Kxg7 19.Lxc5 h3 (19... Lh5 Kasparov) 20.Txd1 hxg2 21.Tg1 gxf1D+ 22.Kxf1 Dh4 23.Tg2 Tfd8 24.Td4 Dh5 25.Tf4 d4 26.Lxd4+ Txd4 27.Txd4 Tb8 28.a4 a6 29.Lxa6 Df3+ 30.Tf2 Dh1+ 31.Ke2 Txb2+ 32.Td2 Dc1 33.Kd3 Tb6 34.Lc4 Td6+ 35.Ld5 Td7 36.Tf4 f5 37.Td4 Kh6 38.h4 Tc7 39.Lc4 Df1+ 40.Te2 f4 41.Kc2 f3 und Remis.]

12...exd5 13.cxd5 a6 14.0-0 b5 Hier schlägt der Autor nun die Neuerung 15.h3 vor.

Nach 15... c4 16.Lg5 Db6+ 17.Kh2 Sh5 18.f4 Sd3 19.Lxh5 gxh5 20.Dxh5 f6 21.Lxh4 De3 22.Dd1 Sxb2 23.Dc2 Sd3 24.Tf3 Dd4 25.Tb1 f5 26.Se2 Da7 27.Tg3 Kh8 28.Txd3 cxd3 29.Dxd3 steht Weiß besser.

Überhaupt hat der Autor sehr viele Neuerungen in sein Buch einfließen lassen! Auch die Art der Kommentierung hat mir sehr gut gefallen. Lebendig, unterhaltsam und immer mit einer Prise Humor präsentiert Svetushkin tiefschürfende Analysen die er offensichtlich sehr gewissenhaft mit diversen Engines noch einmal gegen geprüft hat! Das ist anscheinend keine Selbstverständlichkeit wie ich unlängst erfahren musste.

Alles in allem ein absolut zufrieden stellendes Eröffnungswerk mit tollen Analysen und einer Menge Anregungen für das eigene Spiel.

 

Das letzte zu besprechende Werk handelt von GM Sergey Kasparov und behandelt ebenfalls ein frühes f3, diesmal aber nicht gegen Grünfeldindisch sondern gegen Sizilianisch.

Titel des Buches: Steamrolling the Sicilian, Play for a Win with 5.f3!

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Steamrolling the Sicilian Play for a Win with 5.f3! 240 Seiten, kartoniert, 1. Auflage 2013.

Die Idee dahinter: Theoriegefechte vermeiden und den Gegner überraschen. Außerdem ist es fast unmöglich, mit 5.f3 keine solide Stellung zu erreichen. Ob es aber tatsächlich, so wie es der Titel äußerst feinfühlig suggeriert (der c5 Bauer wird platt gewalzt), für ein Spiel auf Gewinn reicht, darf angezweifelt werden. Es ist eine genauso gute oder schlechte Methode zur Bekämpfung von 1.e4 c5 wie 5.Sc3 oder etwas anderes (Bent Larsen z.B. hielt ja den Tausch des d gegen den c-Bauern im Sizilianer für positionell fragwürdig).

Der Vorteil ist aber tatsächlich, dass der Bauernzug relativ unbekannt ist und/oder unterschätzt wird.

Hier eine Partie aus dem Buch:

Short,Nigel D (2660) - Lutz,Christopher (2595) [B55] Bundesliga 9899 Germany (1.1), 17.10.1998

1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.f3 e5 6.Sb3 Le6 7.c4 a5 8.Le3 a4 9.S3d2 Le7 10.Sc3 Da5 11.Le2 0-0 12.0-0 Tc8 13.Sd5 Ld8 14.b4 axb3 15.axb3 Dxa1 16.Dxa1 Txa1 17.Txa1 Weiß steht besser

Ta1Dia

Stellung nach 17.Ta1

17...Sc6 18.Kf1 h6 19.Sc3 La5 20.Sb5 Lb4 21.Sb1 Lc5 22.Ld2 [besser war 22.Lf2] 22...Sd4 23.Sxd4 Lxd4 24.Lc3 Lc5 25.Sd2 Le3 26.Ke1 b5 27.Lb4 Lxd2+ 28.Kxd2 bxc4 29.bxc4 Tc6 30.Ta8+ Kh7 31.Td8 Lxc4 32.Txd6 Txd6+ 33.Lxd6 Lxe2 34.Kxe2 Sd7 35.Kd3 Kg6 36.Kc4 Kf6 37.Kd5 Sb6+ 38.Kc6 Sc4 39.Lc5 Ke6 40.Kb5 Sb2 41.Lf8 ½-½

Insgesamt bietet das Buch 167 kommentierte Partien, einen ausführlichen Theorieteil und einen Test am Ende des Buches in dem der Leser sein (hoffentlich!) frisch erworbenes Wissen umfangreich testen kann.

 

Alle vorgestellten Bücher sind erhältlich bei Schach Niggemann (http://www.schachversand.de/). Die Rezensionsexemplare wurden freundlicherweise von Schach Niggemann überlassen.

Bücherrundschau Teil 1
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22. Oktober 2013

Bücherrundschau Teil 1

Bücherrundschau 2013 Teil 1

 

Heute lade ich sie zu einer kleinen Rundreise durch aktuelle Neuerscheinungen am Schachbuchmarkt ein. Beginnen will ich mit einem Buch das in erster Linie für Kinder gedacht und auch konzipiert ist.

Die Rede ist von Power Chess for Kids Volume 2 von Charles Hertan.

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Power Chess for Kids - Volume 2 Learn how to think ahead ... 160 Seiten, kartoniert, 1. Auflage 2013.

Teil 1 hatte ich vor 2 Jahren besprochen und war sehr angetan von der kindgerechten Aufarbeitung und der Vermittlung von schachlichen Inhalten.

Noch kurz zum Autor: FM Charles Hertan lebt in Massachusetts, hat schon mehrere Bücher verfasst und gibt seit über 30 Jahren Kinderschachtraining, er weiß also, wovon er spricht und schreibt.

Dieser nachfolgende Titel fängt da an, wo Teil 1 aufgehört hat, bei der Taktik. Dabei geht es abr nicht um das stumpfe Lösen von Aufgaben sondern es wird der Weg dorthin aufgezeigt, sprich, wie erreiche ich überhaupt eine gute Stellung?

Dort angekommen geht es aber dann richtig zur Sache: überlastete Figuren, Angriffsmethoden, verlockende Kombinationen, Verteidiger entfernen und vieles mehr gilt es zu entdecken! Immer dabei: die ständigen Begleiter Zort (der Computer), der Professor, Power Chess Kid, der Dinosaurier und Knelly. Diese Figuren kommentieren das Geschehen, geben Ratschläge und warnen vor Fehltritten.

Die gesamte Aufmachung ist wie bei Teil 1 absolut kindgerecht und auch hier können Trainer, Eltern und nicht zuletzt die Kinder selbst viel aus diesem Buch lernen und nebenbei auch noch prima unterhalten werden!

 

Das nächste Buch handelt von einem jungen Mann der das Kunststück fertig brachte, seine Wertungszahl innerhalb von 2 Jahren um 400 Punkte zu steigern, genauer gesagt von ELO 2093 auf ELO 2458 und nebenbei auch noch den IM-Titel zu ergattern.

Wie er das geschafft hat?

Nachzulesen in: Pump up your rating

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Unlock your chess potential 376 Seiten, kartoniert, 1. Auflage 2013.

In diesem Werk erläutert IM Axel Smith wie er es geschafft hat, seine Zahl um 400 Punkte zu steigern und stellt dabei seinen persönlichen Trainingsplan dem Leser vor.

Gewöhnlicherweise bin ich bei solchen Titeln immer vorsichtig: Winning with xy, Beating this oder eben Pump up your rating. Was kommt als Nächstes? Pimp your Openings? Aber der Erfolg gibt Axel Recht.

In dem Buch erläutert er viele psychologische Aspekte und Überlegungen. Was können wir erreichen und was liegt hinter unserem Horizont? Was ist realistisch und was nicht?

Ist unsere Art, wie wir Schach studieren, effektiv? Wie „denken“ wir Schach und kennen wir wirklich unsere Grenzen oder glauben wir nur zu wissen?

Doch nicht nur psychologische Dinge spielen bei der Findung eines optimalen Trainingsplan eine wichtige Rolle. Axel Smith beleuchtet auch eingehend die wichtige Rolle von Bauernstrukturen, das objektive Analysieren von eigenen Fehlern und Unzulänglichkeiten und weitere Aspekte des königlichen Spiels. Interessanterweise arbeitet Smith mit so genannten Model Players, also Spielern, die als Vorbild für bestimmte Teilbereiche des Schachspiels für ihn gelten. Einer von ihnen, der schwedische Großmeister Ulf Andersson, steuerte für das Buch eigene Analysen und Kommentare bei.

Daneben werden auch das Endspiel und natürlich auch die Eröffnungsvorbereitung, das Erstellen eines Repertoires usw. ausführlich behandelt. Für mich sehr lesenswert und interessant. Ehrlicherweise muss man aber auch zugeben, dass die Lektüre des Buches nicht zwangsläufig zu einer Steigerung der eigenen Wertungszahl führt. Das Buch regt zum Nachdenken an und gibt viele wertvolle Hinweise für das eigene Trainingsprogramm.

 

Das letzte Buch, das ich heute vorstellen will, lautet The Nimzo-Larsen-Attack von Cyrus Lakdawala. Es stammt aus dem Hause Everyman und ist, wie seine Vorgängerbände der Reihe Move by Move, nach dem gleichen Prinzip aufgebaut: Ca. 60 ausgewählte Partien, passend zu dem vorgegebenen Thema (bestimmte Eröffnung, bestimmter Spieler) werden ausführlich kommentiert und dabei wird auch auf scheinbar einfache Dinge hingewiesen.

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The Nimzo-Larsen attack

400 Seiten, kartoniert, 1. Auflage 2013.

Eine Leseprobe findet man hier:

https://www.schachversand.de/DBBilder/leseprob/LOLAKTNLA.pdf

Bei dem vorliegenden Buch behandelt der Autor die Eröffnung 1.b3. Dazu werden 60 ausgewählte Partien näher betrachtet und es finden sich darin zahlreiche Übungsaufgaben in Form eines Frage und Antwortspiels. So lernt der Leser diese Eröffnung besser kennen und erfährt auch sehr viel Wissenswertes darüber.

Zum Erlernen einer Eröffnung ist diese Reihe meiner Meinung nach sehr gut geeignet durch die vielen Hinweise und Tipps. Bis zu einer Spielstärke von ca. 2000 sehr gut geeignet.

 

 

 

 

Alle vorgestellten Bücher sind erhältlich bei Schach Niggemann (http://www.schachversand.de/).

Die Rezensionsexemplare wurden freundlicherweise von Schach Niggemann überlassen.

NIC Yearbook 108
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21. Oktober 2013

NIC Yearbook 108

Jeder, der das New in Chess Yearbook kennt, braucht hier eigentlich gar nicht weiter lesen.

Sie sind immer noch hier?

Also gut: Es erscheint 4mal im Jahr, enthält zahlreiche eröffnungstheoretische Aufsätze und gibt so einen relativ umfassenden Überblick über den Stand der Eröffnungstheorie.

Oder anders gesagt: Bei regelmäßiger Sichtung dieser Lektüre steigen Ihre Chancen, zu einem echten Theoriemonster zu mutieren.

New in Chess Yearbook 108

CB04879-2 

 256 Seiten, kartoniert, 1. Auflage 2013.

Erhältlich bei Schach Niggemann (http://www.schachversand.de/)

Wer jetzt aber annimmt, die verschiedenen Artikel sind wild zusammengestellt worden ohne System und einen Funken Ordnung der täuscht sich! Das Redaktionsteam Sosonko, Boel und Olthof fungiert als Oberaufsicht um die vielen Beiträge von Groß-, Mittel- und Kleinmeistern zu sichten, zu bewerten und zu katalogisieren.

Aus diesen geistigen Ergüssen ergibt es alle 3 Monate eine gekonnte Zusammenstellung in Form des New in Chess Yearbook, kurz NIC genannt. Die Beiträge stammen z.B. von internationalen Titelträgern (Giri, Tiviakov, Palliser, Kuzmin, van der Wiel) als auch von weniger bekannten Schachspielern wie Ihrem Rezensenten.

Mein Beitrag war übrigens verbunden mit einer anderen Buchbesprechung und einer dort gefundenen Verbesserung in einer Nebenvariante:

Im Zuge meiner Rezension über ein neues Eröffnungsbuch habe ich (bzw. Houdini 3) anscheinend eine sehr starke Neuerung im Tschigorin (1.d4 d5 2.c4 Sc6) gefunden. In dem Buch (A Practical Repertoire with 1.d4 and 2.c4 von GM Alexei Kornev), das ansonsten wirklich sehr gut ist, empfiehlt der Autor gegen Tschigorin folgendes System:

McShane,L (2614) - Jones,G (2416) [D07] EU Union-ch Liverpool (1), 06.09.2006 1.d4 d5 2.c4 Nc6 3.Nc3 dxc4 4.d5 Ne5 5.f4 Ng4 6.e4 e5 7.f5 h5 8.Nf3 Bc5 9.Bxc4 Nf2 10.Qb3 Nf6 11.Qb5+ Nd7 12.Rf1 Ng4 13.Bg5 Be7 14.Bd2 0-0 15.Bb3 Nc5 16.Qe2 Nxb3 17.axb3 c6 18.0-0-0 Qc7 19.Kb1 Rd8 20.h3 Nf6 21.Bg5 Weiß steht klar besser.

Es folgte noch 21...Nh7 22.Bxe7 Qxe7 23.g4 hxg4 24.hxg4 g5 25.Rh1 f6 26.Rh6 Rf8 27.d6 Qd7 28.Qh2 Rf7 29.Rh1 b5 30.Rg6+ Kf8 31.Nxe5 fxe5 32.Qxe5 Rg7 33.Rxh7 1-0

Geht man aber nun zu dem 16.Zug zurück (16.De2) ...

dia1tschigorin

(siehe Diagramm)

hat Schwarz einen viel besseren Zug als 16...Sxb3.

Auf den ersten Blick scheint es, als würde Weiß einfach besser stehen. Er hat mehr Raum und der Springer kann mit h3 vertrieben werden, danach hängt es auf e5. Schwarz hingegen ist noch etwas unterentwickelt und es fehlt ihm ein konkreter Plan. Doch Houdini 3 sprengt hier die Grundsätze des Schachs mit einem wirklich erstaunlichen Zug der die gesamte Stellung radikal verändert zu seinen Gunsten! Dieser Zug stellt eine Neuerung dar und danach sieht Houdini 3 Schwarz in jeder Variante in Vorteil!

Wer erstmal selber etwas an der Stellung tüfteln will, sollte nun nicht weiter lesen!

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Houdinis erstaunliche Entdeckung in dieser Stellung ist ein Zug, der gleich einem Entfesselungskünstler, alle Fesseln mühelos abstreift und hinter sich wirft:

16…b5!!

dia2tschigorin

Dieser starke Zug beinhaltet auch noch ein fantastisches Damenopfer!

17. h3 (Nach zum Beispiel 17. Nxb5 c6 18. Nc3 Nxb3 19. axb3 a5 oder auch 17. Qxb5 Ba6 18. Qa5 Rb8 steht Schwarz einfach besser.)

17... Nf6 18. Nxe5 b4 19. Nc6 bxc3!! 20. Nxd8 cxd2+ 21. Qxd2

(auch nach 21. Kxd2 Nfxe4+ 22. Kc2 Rxd8 Schwarz steht besser.)

21... Nfxe4 22. Qc2 Rxd8 Auch hier steht Schwarz besser.

Was gibt es sonst noch im neuen NIC außer diesem fantastischen Beitrag über diese sensationelle Neuerung? ;-))

Ein gewisser Magnus Carlsen (muss man den kennen?) und ein Russe namens Schwindler, Swidler oder Svidler oder so ähnlich streiten sich darum, wer der bessere d2-d3 Spieler im Spanier ist. Ein anderer Russe, Grischuk, krempelt wieder einmal die Königsindische Verteidigung um und sorgt für reichlich Chaos mit Zügen wie 8…Se5 mit nachfolgendem Springeropfer auf c4. Topalov haut Morozevich aus den Socken mit einer interessanten Englischvariante und gibt wertvolle Hinweise und Einblicke in die Vorbereitung. So könnte es (fast) endlos weitergehen.

Man sieht: Das neue NIC ist wieder unterhaltsam, spannend, lehrreich und es gibt an jeder Ecke etwas zu entdecken!

Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von Schach Niggemann überlassen.

Die Sieger der russischen Meisterschaft
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Olaf Steffens hat ja bereits von der WM in Bad Harzburg berichtet, ich wage einen Ausblick auf die Veranstaltung in Chennai - das ist ja schon deshalb keine richtige Weltmeisterschaft weil nur zwei Spieler dabei sind, dennoch wird sie uns wohl noch beschäftigen. Gleichzeitig ist mein Beitrag auch ein Rückblick auf ein kleines aber feines Rundenturnier in Nizhny Novgorod, dessen Sieger sich möglicherweise für das nächste Kandidatenturnier qualifiziert hat. Und gewisse Parallelen zu Bad Harzburg sensu Steffens gibt es schon: auch diesmal werden unter anderem Essen und Kaffeetrinken angesprochen.

Zu Chennai (ehemals Madras): Alle sagen, dass Carlsen klarer haushoher Favorit ist - "alle" sind zumindest Kollege Raymund Stolze der schrieb, dass Titelverteidiger Anand "allerorts als krasser Aussenseiter gehandelt" wird. Alle? Einige Experten aus einem dünn besiedelten Land, eingeklemmt zwischen Ostsee und Pazifischem Ozean, sind sich da nicht so sicher. Später bekommt ein Spieler aus St. Petersburg (ehemals Leningrad) das Wort, zuerst die für mich einfachste Übersetzung da im Original auf Englisch: Chessbase zitiert Dreev zu den Chancen der beiden Kontrahenten: "Anand ist motiviert und Carlsen ist auch sehr stark. Beide sind grossartige Spieler und haben ihre Chancen." Damit hat er nichts gesagt und doch eine Menge? Dreev ist immerhin ehemaliger Weltklassespieler und hat gerade (Thema des Chessbase-Artikels) ein starkes Open in Indonesien gewonnen, einen oder mehr Punkte Rückstand auf ihn hatten u.a. der amtierende Europameister, ein ehemaliger WM-Kandidat, eine Ex-Weltmeisterin und die beste deutsche Spielerin. Bei einer anderen Gelegenheit hatte Dreev dieses gesagt (sinngemäss): Karjakin versucht seine Gegner zu überspielen, Carlsen wartet vor allem auf gegnerische Fehler, Karjakin ist mir lieber. Auch ein Zeichen, dass Russland oder einzelne Russen gegen den Carlsen-Hype (nicht unbedingt eine Krankheit, aber jedenfalls ansteckend) immun sind.

Und jetzt Svidler (Gold in Nizhny Novgorod) und auch ein bisschen Vitiugov (Bronze) - auf dem Titelfoto zwischen ihnen Nepomniachtchi (Silber), der hat sich meines Wissens nicht geäussert. Ich will und kann Chessintranslation nicht ersetzen (wobei ich die russischen Quellen mal wieder von Colin McGourty habe) und muss mich stattdessen auf Google-Übersetzungen verlassen. Die waren diesmal nicht immer einfach zu interpretieren - einiges musste ich zwei, dreimal lesen um es (vermutlich) zu verstehen - aber ich gehe davon aus, dass es inhaltlich schon stimmt, wobei meine deutsche Übersetzung von Googles englischer Übersetzung (direkt auf Deutsch ist reinstes Chaos) wiederum etwas frei ist. Das erste Original (Interviewer GM Kryakvin) erschien auf russiachess.org.

- Wer ist im bevorstehenden Match zwischen Anand und Carlsen Favorit? Du [Svidler] bist einer der wenigen Spieler, die gegen Magnus kämpfen können.

Aber nicht wirklich gegen Anand! Mit mir als Barometer ist Anand offensichtlich Favorit, aber das spielt natürlich keine Rolle. Sehr wichtig ist, was in der Eröffnung passiert, nur Anand ist  "debyutchik" (Eröffnungs-Experte). Wenn das weiterhin so ist, dann wird es ein interessantes Match mit etwa gleichen Chancen für beide. Wenn Magnus es schafft, in diesem Bereich mit gründlicher Vorbereitung Anand einzuholen und mit Weiss Vorteile zu erzielen, dann wird es sehr schwer für Vishy. ... Alles ist möglich. Warten wir ab, es wird sicher interessant!

- Hast Du Turniere in Indien gespielt? In der Schachpresse kann man oft lesen, dass es für Europäer nicht leicht ist, im Osten zu spielen. Und zuletzt haben sich Usheninas Sekundanten über das nicht allzu korrekte Verhalten der (chinesischen) Organisatoren beschwert. [Das wurde in der westlichen Schachpresse kaum erwähnt - u.a. bekam Team Ushenina statt des versprochenen europäischen nur scharf gewürztes chinesisches Essen, und einmal haben sie ihren Sekundanten Khalifman um 1:00 nachts aufgeweckt um Bescheid zu geben, dass tags darauf womöglich das Wasser abgestellt wird.]

Ich habe einmal in Indien gespielt, den Weltcup 2001. Betrifft Ushenina - Hou Yifan, so etwas wird in Chennai nicht passieren. Wenn das was Khalifman sagte nur zu 25% stimmt ... und ich vermute dass die prozentuale Quote viel höher ist, denn ich kenne ihn seit vielen Jahren und er neigt nicht zu derlei extremer künstlerischer Übertreibung. Es war ekelhaft (disgusting), und die Organisatoren haben Hou Yifan damit keinen Gefallen getan. Hou Yifan war ohnehin Favorit und hatte derlei Hilfe nicht nötig. Aber ich habe keinerlei Zweifel daran, dass in Indien nichts Vergleichbares geschehen wird.

- Warum?

Es gibt einen Riesen-Unterschied zwischen der effizienten Maschine hinter Magnus, und der Unterstützung die Ushenina hatte. Anna hatte sehr gute Sekundanten [neben Khalifman noch Korobov], aber - so wie ich es verstehe - hat sich der ukrainische Schachverband völlig herausgehalten, und es gab keinen offiziellen Protest. Beim kleinsten Hinweis, dass in Indien etwas schief laufen könnte, wird Magnus' Umfeld sofort eingreifen. Ich bin mir absolut sicher, dass sie (die indischen Ausrichter) es gar nicht erst versuchen werden.

- Und das indische Essen?

Das Risiko was Essen und Wasser betrifft ist völlig übertrieben. Dass Carlsen seinen eigenen Koch mitnimmt, das kann und darf er natürlich. Aber das Risiko einer Lebensmittelvergiftung ist in einem indischen Fünfsternehotel genauso hoch wie in einem Fünfsternehotel anderswo. In Strassenrestaurants kann natürlich was passieren. Beim Weltcup 2001 waren wir im Hyatt-Hotel untergebracht, und alleine im Erdgeschoss gab es sechs Restaurants mit verschiedenen Küchen, alles sehr schmackhaft und keinerlei Probleme.

 

Das zweite - von Vladimir Barsky, insgesamt etwa 90% Svidler und 10% Vitiugov - steht auf chesspro.ru .

- Das WM-Match wird "Jugend gegen Erfahrung". Deine Prognose zum Resultat?

Svidler:  Ich hoffe, es wird ein sehr interessantes Match. Vishy in Turnieren und Vishy in Matches - das sind zwei verschiedene Spieler, und wenn Anand den Kampf in Topform bestreiten kann wird es wohl ein ausgeglichenes und spektakuläres Match. Es ist fast unmöglich, gegen Magnus eine nicht spektakuläre Partie zu spielen, denn er gibt immer alles. Wir werden ziemlich sicher die volle Distanz von 12 Partien erleben. ... Natürlich hängt viel davon ab, wie fit beide sind. Wenn ich einen Spieler bevorzugen muss, dann doch Magnus. Aber aus meiner Sicht sind die Chancen von Carlsen in Topform gegen Anand in Topform höchstens 60-40, eher 55-45.

- Nikita, Dein Tip?

Vitiugov: Ich habe gerade nachgedacht während Peter seine Meinung äusserte. Anfangs hätte ich wohl gesagt, dass Carlsen gewinnen wird und in weniger als 12 Partien. Aber, angesichts der Tatsache dass es ein Match ist, in Indien und die Matcherfahrung der Rivalen nicht zu vergleichen ist ... . Ich kann mir kaum vorstellen, dass Carlsen nicht gewinnt, das Match wird vielleicht mehr oder weniger ausgeglichen, aber es erscheint mir logisch dass Carlsen am Ende gewinnt. Wenn Anand es nochmal schafft, verdient er allen Respekt. Ich setze auf Carlsen vor allem weil ich mir kaum vorstellen kann, dass er viele Partien verliert.

Svidler: Das stimmt! Ich sehe das auch so: wenn das Match nicht über die volle Distanz geht, dann gewinnt Carlsen. Ich kann mir kein Szenario vorstellen in dem Anand, sagen wir, 6,5-4,5 gewinnt. Wenn das Match nicht in die Verlängerung geht, heisst es dass die Eröffnungsvorbereitung irgendwie überwunden wurde. Wenn Magnus am Anfang ein paar Partien gewinnt - ja, dann gibt es keine Verlängerung. Dennoch, betrifft Eröffnungen ... Magnus war immer vor allem ein praktischer Spieler, aber gegen einen einzelnen gut vorbereiteten Spieler wird es nicht einfach. Von den beiden ist offensichtlich Vishy der "debyutchik". Ob man es mag oder nicht, die Eröffnung spielt im modernen Schach eine wichtige Rolle. Nach derzeitigem Stand betrifft Niveau der Eröffnungsvorbereitung: wenn Vishy immer wieder mit Schwarz gute Stellungen bekommt, ist er nicht leicht zu schlagen.

Warten wir ab - eine ganze Weile! Bald sind all diese Erwägungen irrelevant und können wir das Match selbst bewerten-kommentieren-analysieren.

 

Zwischendurch ein paar Bemerkungen von mir, und dann ein bisschen zum Rest der Interviews (WM-Vorschau war jeweils nur 10-20%). Ist es Zufall, dass von den drei erwähnten Spielern der jüngste (Vitiugov) am ehesten oder meisten an Carlsen glaubt? Aus seiner 'verzögerten' Antwort lese ich auch Respekt für Svidler, was hätte er gesagt wenn Barsky ihn zuerst gefragt hätte? Meine eigene Meinung werde ich später anderswo noch ausführlicher geben und begründen, hier nur soviel: ich gebe Vitiugov recht, einen erfahrenen und kompetenten Spieler wie Svidler kann man nicht einfach ignorieren. Generell betrachte ich alle drei als unabhängige Experten - bei manch anderen bin ich mir da nicht so sicher: (anonyme) Kommentatoren z.B. auf Chessvibes kopieren sich vielleicht gegenseitig, und auch manche Journalisten schreiben vielleicht eher was die Leser vermeintlich gerne lesen wollen? Natürlich bin ich selbst auch Schwachspieler, und - ob das eine Rolle spielt sei dahingestellt - noch neun Jahre älter als Svidler und zwei Jahre älter als Dreev.

Die kompletten Interviews kann ich wärmstens empfehlen - Russischkenntnisse sind da sicher hilfreich, andernfalls Erfahrung, Geduld und Phantasie zu Google-Übersetzungen. Kandidatenturnier hatte ich schon erwähnt, auch das ist in westlichen Medien ziemlich untergegangen - vielleicht auch angesichts des ganzen Rummels um eine Person, die zuerst Schachspieler war, dann Quasi-Politiker und nun Schachpolitiker werden will. Khanty-Mansiysk bekam den Zuschlag, kurze Zusammenfassung russischer Quellen: Bulgarien (Kosloduj) hatte sich auch beworben, bot deutlich mehr Preisgeld aber keine Bankgarantie - offenbar auch nicht nachdem sie dafür noch eine Woche Verlängerung bekamen. Wer wird der achte Teilnehmer? Auf jeden Fall ein Russe, wohl entweder Svidler oder Grischuk - das will der russische Schachverband jetzt in Ruhe besprechen und entscheiden.

Hauptthema und Anlass für die Interviews war die russische Meisterschaft - wer das Turnier nicht verfolgt hat kann sich z.B. hier und hier informieren; natürlich gibt es noch diverse andere Quellen (die der Autor dieser Artikel auch mit einfliessen liess). Svidler war hinterher eher bescheiden, meinte dass er anfangs (gegen Nepomniachtchi und Shomoev) durchaus ein bisschen Glück hatte, und dann das: "Vielleicht komisch das zu sagen über jemand der zwei Partien verloren hat, und ich keine, aber ich denke dass Volodya [Kramnik] besser gespielt hat als ich" - bzw. auf Englisch "brighter" und auf Deutsch "heller", was immer damit bzw. im russischen O-Ton genau gemeint ist. Man vergleiche das mit Carlsen nach dem Kandidatenturnier - Kernaussage: Kramnik hat gut gespielt, aber ich - Carlsen - habe das beste Schach gespielt und verdient gewonnen.

Und dann habe ich Olaf bzw. dem Publikum noch Kaffee versprochen, das bezieht sich auf die alles entscheidende letzte Runde nebst Verlängerung (Schnellschach-Stichkampf gegen Nepomniachtchi): Nach seiner Partie gegen Karjakin ging Svidler zusammen mit Ilya Levitov zurück ins Hotel. Was die erwähnte Partie betrifft, wunderte er sich dass Chessbase (und später u.a. ich) das als "simples Remis" abhakten: "Niemals dachte ich, dass es einfach war, und hinterher war ich erschöpft". Als Svidler ins Hotel verschwand, hatte Kramnik klaren Vorteil gegen Nepomniachtchi, und im Falle eines Sieges dürfte/müsste er gegen Svidler stechen. Später war die Partie remislich; da Svidler seinem eigenen Hirn nicht vertraute fragte er Engines nach ihrem Urteil - "the unit wrote zeros". Svidler und Levitov tranken Kaffee, und Svidler spielte mit dem Gedanken, seinen zweiten Kaffee alkoholisch zu verdünnen da er an diesem Tag nicht mehr arbeiten müsste. Dann die überraschende Wendung: Kramnik patzte, und Alkohol war nicht mehr angesagt (bzw. erst nach den nun fälligen beiden Schnellpartien).

Das war's - für heute - von mir, nun ist der Leser am Zug: eigene Kommentare zu Dreev, Svidler, Vitiugov, Anand und/oder Carlsen gerne per Kommentar!

 

 

Das Café Winuwuk und einige Hühner
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Nach dem dritten Tag der Schachweltmeisterschaft in Bad Harzburg ist das Feld noch nahe beieinander. Einige haben gewonnen, andere haben verloren, und das Essen und der Kuchen sind wie jedes Jahr ausgezeichnet mit Stern. Der aus dem fernen  Oldenburg in Oldenburg angereiste Schachfreund Ernst Heinemann bewies gute Vorausschau, als er heute bereits am Vormittag den umwerfenden Kirsch-Schokokuchen für den Nachmittag reservierte – ich tat das nicht, und musste mit dem Mohnkuchen vorliebnehmen. Doch was war das für ein Mohnkuchen! Obendrauf entdeckte ich Vanillepudding, und was soll ich sagen – phantastique!

Die Schachweltmeisterschaften wurden auch dieses Jahr von der FIDE wieder in den Harz vergeben, und so kamen sie alle an und kämpfen um Titel und Pokale. Bis auf Magnus Carlsen und Viswanathan Anand, die schon eine alternative Veranstaltung in Indien gebucht hatten, sieht man viele Gesichter aus der erweiterten Weltspitze - mit den IM Nikolay Milchev und Velislav Kukov zwei Spieler sogar aus Bulgarien, und aus Lettland den Großmeister Viesturs Meijers (derzeit vermutlich führend). Selbst aus Bayern und Leipzig reisten Spieler an, und keine Schach-WM natürlich auch ohne Ilja Schneider, der offiziellen Hoffnung des Deutschen Schachbundes für den laufenden Wettbewerb. Auch Titelverteidiger Tobias Jugelt hat als Vertreter des Nordwestens seinen Hut in den Ring geworfen, fiel aber heute aufgrund eines für ihn untypischen spekulativen Figurenopfers Sxf2 mit anschließendem Remis gegen Marc Schütte (Oldenburg!) ein wenig von der Spitze zurück.
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Hier darf gelaufen werden - die Pferderennbahn in Bad Harzburg

Einen ebenfalls unglücklichen Verlauf nahm der Tag für Vincent Keymer. Der sehr junge Mann aus dem sehr tiefen Süden war erst unlängst mit einem phantastischen vierten Platz von den Europameisterschaften der Jugend (U10) in Budva zurückgekehrt, und auch hier im Harz hatte er das Turnier gerockt und im Duell mit FM Bernd Laubsch den vollen Punkt geschnappt. Heute war jedoch erstmal Schluss mit lustig – erst trat FM Marc Schütte (Oldenburg, siehe oben) energisch auf die Spaßbremse und gewann, und am Nachmittag dann traf Vincent Keymer (SK Gau-Algesheim, TWZ 2004) auf den FM Olaf Steffens aus der Hansestadt Bremen. Für die  Älteren sind solcherlei Doppelrunden ja immer eine besondere Herausforderung, doch das ist das Gute in Bad Harzburg - es gibt viel (Mohn mit Vanille-) Kuchen hier, und noch mehr Kaffee, und damit können dann auch die mittelalten FIDE-Meister kräftemäßig meist noch ganz gut mithalten. Gewiss aber täuscht der Eindruck nicht, dass die Jugend (besonders die unter 10 Jahren) deutlich mehr unbeschwerte Energien hat. So musste sich der Bremer FM lange und intensiv mühen, um gegen Vincent Keymer überhaupt mal etwas drohen zu dürfen. Auch rückte die schreckliche Zeitnot für ihn immer näher, während der U10-Vierte der Europameisterschaften seine Figuren mit leichter Hand dirigierte und noch keine ganze Stunde verbraucht hatte. Undankbar ist es, gegen die Jugend zu spielen!

small kreaturen

Wenn die Urzeit knapp ist, kommen die schrecklichsten Zug-Kreaturen auf das Brett

FM Steffens dachte zurück an die erste Partie der letzten Weltmeisterschaft vor einem Jahr in Bad Harzburg – auch dort war er einem jungen Talent aus Hannover nur mit knapper Not und neun Sekunden Restzeit entkommen. (Ilja Schneider hat es sich nicht nehmen lassen, mich kurz vor Beginn der Partie noch einmal daran zu erinnern – danke, Herr Zoodirektor!)
Wie haben sich aber auch die Zeiten geändert. Anfang der achtziger Jahre machte ich im Schleswiger Schachverein von 1919 meine ersten vorsichtigen Züge. Damals war ich 13 Jahre alt, und wenn ich mal ein Schachbuch lesen wollte, konnte ich es nur auf Verdacht aus einem dicken LIBRI-Katalog beim Buchhändler Schröder bestellen, ohne es  vorher mal ansehen zu können. Im Fernsehen zeigte Helmut Pfleger das „Turnier der Schachgroßmeister“, jeden Tag eine Partie mit Tony Miles, Anatoly Karpov und Hajo Hecht – wie war das aufregend.
small fm

Ein Wink des Schicksals? In meiner Unterkunft begleitet mich nachts eine schöne FM-Uhr

Heute finden die Kids Partien und Studienmaterial in Hülle und Fülle. Sie können in jungen Jahren schon mit Computerhilfe elegant an ihrer Zugtechnik feilen, und sobald sie 10 Jahre alt sind, fliegen sie zur Jugend- Europameisterschaft. Es ist schon eigenartig – da spielt man selber schon seit über dreißig Jahren Schach, denkt, man hat etwas gelernt und einige Erfahrung durch viele, viele harte Jahre am Brett. Und dann kommt ein junger Mann, na gut, ein Kind vorbei, und spielt locker auf Augenhöhe mit – dabei spielt der doch noch gar nicht so lange! Ist das das Schöne an unserem Sport? Ich weiß nicht – vielleicht ist es auch das, wodurch es manchmal so frustrierend ist.

Doch heute nicht, immerhin. Heute konnten die alten Meister noch einmal die Fahne hochhalten – trotz Zeitnot und zugiger Königsstellung. Einen Zug lang war Vincent zu unbeschwert, und dieses Mal noch wurde es bestraft. Glück für den FIDE-Meister, doch wer weiß – die Zeit läuft für den Nachwuchs!

steffens-keymer1

Steffens - Keymer, Bad Harzburg, 5.Runde

Schon lange war es hin und her gegangen, und eigentlich glaube ich, dass ich nicht viel hatte – im Gegenteil wohl schon eher vorsichtig sein musste, nicht ausgekontert zu werden.
Es folgte 33.Lh5-f7 +, Kg8-h8, und dann, weil das Damenschach auf e1 einfach sehr unangehm wäre, 34.Kg1-f1.

 steffens-keymer2

Nun dachte Vincent einige Zeit nach - 34....Sd6 sieht aus wie ein plausibler Kandidat, und Weiß hätte nicht viel, wenn überhaupt, eher nicht! Zu meiner Überraschung folgte 34...Dh4-d8. Von dort war die Dame vor zwei Zügen erst nach h4 hin aufgebrochen - nun also ging sie wieder dorthin zurück und drohte mit Schach auf d1. Warum aber war dieser Zug nicht so gut?
(Weiß hat sozusagen einen echten ... Kaffeehaus-Trick - und damit kommen wir schon wieder zurück zum schönen Harzburger Kuchenbuffett!)

*************

Noch drei Runden sind zu spielen, und schon morgen geht es weiter.Ob Schachprinz Ilja Schneider den Titel holen wird? Leider gab es teilweise Probleme mit den aktuellen Ergebnismeldungen im Internet, die Welt war abgeschnitten, so dass man außerhalb von Bad Harzburg kaum etwas von den auch in diesem Jahr wieder sehr spannenden und vorzüglich organisierten Weltmeisterschaften mitbekommen konnte. Doch nun ist alles wieder gut.
small mountains

Blick in die Bergwelt - leider muss man aber immer schachspielen!

Und überhaupt: was so ein echter, ein passionierter Schachfreund ist, der reist einfach an und kommt vorbei zum Finale. Schach zu gucken ist ja immer mal spannend, und außerdem – es lohnt auch für das Kuchenbuffett. Aber Fuchs sein, und rechtzeitig den Kirschkuchen reservieren!

***

Wer bis hierhin gelesen hat, darf auch noch eine vertrauliche Frage beantworten. Wir möchten gerne wissen:
Wie geht es unseren Leser(inne)n im Umgange mit der Jugend? Sind es unbeschwerte Begegnungen, oder ist es schwierig, gegen sie unbefangen zu spielen?
Und: Gegen welche heutigen Meister, Großmeister und Weltmeister habt Ihr mal gespielt, als sie noch jung und U12, U14 u.ä. waren?
Wir sind gespannt auf Eure Eindrücke und Geschichten!

Randsportart
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17. Oktober 2013

Randsportart

 

Es ist schon Mitte Oktober durch. Normalerweise sollte die Studie des Monats in der ersten Monatshälfte erscheinen, so hatte ich es mir zumindest vorgenommen. Dass dies und einiges andere liegen geblieben ist, liegt an einer Sportart, die mich am Rande interessiert, eine Randsportart sozusagen, und die sich Partieschach nennt. Ziemlich merkwürdig besteht diese aus der Diskussion der immer gleichen Anfangsstellung, der die Aktiven aber überraschenderweise immer wieder neue  Nuancen abzuringen vermögen.

 

Da ich völlig unverständlicherweise noch immer der Partieschachspieler mit dem höchsten Rating in meinem Verein bin, habe ich daher ein Schachwochenende für die Vereinsmitglieder angeboten, auf dass sich dies bald ändern möge. Es standen verschiedene Themen auf dem Programm. Auch das Lösen von Studien, das meines Erachtens einen wichtigen Platz in jedem Trainingsplan eines ernstzunehmenden Schachspielers einnehmen sollte, gehörte dazu.

 

Auch die folgende bemerkenswerte Studie wurde dabei geknackt.

 

 

Studie Afek Wohl van Essen

 

Weiß steht furchtbar. Schwarz droht matt und der weiße Turm hängt. Was ist zu tun, um das Remis zu sichern?

Nicht besonders schwierig, aber wahrlich hübsch. Die Autoren sind Afek, Wohl und van Essen.

 

 

 

 

 

 

 

Englands neuer Schachpräsident Andrew Paulson
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Wer sich gewundert hat, wo der mit großen Plänen angetretene Schachvermarkter und früher in Russland erfolgreiche Medienunternehmer Andrew Paulson seit dem Kandidatenturnier und mehreren verlegten Grandprixturnieren geblieben ist, hat nun die Antwort. Der Amerikaner ist seit dem Samstag neuer Präsident des Englischen Schachverbands. So abwegig ist das nicht. Paulson lebt in London und ist in England aufgewachsen. Der Verband hat mit den wichtigsten Initiativen wie dem London Chess Classic oder Chess in Schools and Communities nichts zu tun und ist notorisch zerstritten. Paulsons Vorgänger hat den ECF zwar einigermaßen beruhight, doch verfügt er weder über große Ideen noch rhetorisches Geschick. Versuchen wir es also mit Paulson, er ist zwar ein exzellenter Bullshiter, aber schlechter werden kann es kaum noch, sagten sich viele.

Ob er bei der Sponsorensuche für Schach in England mehr Erfolg haben wird als international? Bemerkenswerter als ein unter anderem von Chessbase übernommenes Interview mit Yorkshire Chess scheinen mir Paulsons An- und Aussagen im ECF-Forum, etwa was er zur FIDE und zu Iljumschinow sagt. Die Befürchtung, Paulson würde wegen seines laufenden Vertrags mit der FIDE dafür sorgen, dass England für Iljumschinow stimmt, geht ins Leere. Paulson würde weder für Iljumschinow stimmen, der einfach schon zu lange dran sei, noch für Kasparow, den er als Oppositionellen und Spalter sieht. Doch die englische Stimme vergibt (oder enthält) nicht Paulson, der versprochen hat, sich herauszuhalten, sondern der wiedergewählte FIDE-Delegierte des ECF Nigel Short. 

 

 

 

BdF-Mediathek
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Der Deutsche Fernschachbund e.V. (BdF) hält für die Besucherinnen und Besucher eine Mediathek bereit. Unter der Adresse www.bdf-fernschachbund.de und dann unter dem Eintrag Service/Mediathek findet der Interessierte kurze Filme, Webalben und bald auch mehr.

Aktuell können bewegte Bilder u.a. zur Meisterfeier 2013 sowie allgemein zum Fernschachspiel angeschaut werden.

MF Sven Noppes und GM Peter-Heine Nielsen
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Da ist sie wieder, die Schachbundesliga! Es gab einige oder sogar sechs Monate Pause, in denen die Spieler verschnauften und die Zuschauer selber üben mussten, doch nun öffnet die Liga wieder ihre Pforten und trifft sich an vier verschiedenen Spielorten zu den ersten Wochenenden der neuen Saison:

- in Berlin mit dem gefühlten Bundesliga-Urgestein SF Berlin, dem SV Griesheim sowie den beiden Aufsteigern König Tegel und Viernheim.

ilja schneider portrt

Ilja Schneider, ein Schachfreund aus Berlin

- in München laden die Bayern zu den ersten Runden ein und haben dazu gleich den neuen Deutschen Meister Klaus Bischoff engagiert – leider nicht als Spieler, doch immerhin als Kommentator, und allein dafür lohnt sich die Anreise in den Süden! Hinzu kommen die Gäste aus Mülheim und Wattenscheid, sowie der Münchner Reisepartner Eppingen. Wie wird ausgehen? Schau´n mer mal!

- im schönen Emsdetten versammelt sich der SK Turm mit seinem Reisepartner aus Katernberg, und zu Gast im Münsterland sind der SV Hockenheim und der Meister der letzten 49 Jahre, die OSG Baden-Baden. Es wird also wieder viel geboten für die zuschauenden Schachfreunde aus der Region, seien sie aus Burgsteinfurt, Nordwalde, Saerbeck oder Greven-Reckenfeld.

- und in Bremen hat die Schachabteilung das Weserstadion gebucht und empfängt dort den neuen Reisepartner Hamburger SK (moinmoin) sowie die Teams aus Trier und … Solingen! Eigentlich wäre Solingen ebenso wie Mülheim ja das stärkste Team der Liga, wenn da nicht noch Sven Noppes mit seinen Baden-Badener Jungens wäre. Im letzten Jahr hat Solingen an der Weser überraschend Punkte gelassen – am Samstag wird man sehen, wer den besseren Start in die neue Saison haben wird.

werder

Man ahnt schon, auf welcher Seite die Bremer sitzen

Wieder werden alle Partien live und (warum auch immer) kostenfrei ins Internet übertragen. Allerdings gibt es dabei ab dieser Saison eine leichte zeitliche Verzögerung, um das Schummeln mit SF Fritz und Houdini und wie sie alle heißen zu erschweren. Darum – lieber selber hingehen und live vor Ort zuschauen. Support your local Liga!

 Nach den nur sparsam erfreulichen Ereignissen rund um das Handy von Falko Bindrich (und später auch Jens Kotainy) hat die Liga nun zügig neue Regularien verabschiedet, um sich und die Welt gegen eDoping zu wappnen:

-         - Die Spieler dürfen keinerlei elektronischen Geräte mehr mit sich führen. Jeder, der so ein Gerät mit sich führt, verliert automatisch die Partie. (Obacht!)

-         - Jeder Spieler muss spätestens vor seinem ersten Einsatz eine Vereinbarung vorlegen, nach denen er sich auch den Regeln des DSB unterwirft, falls die Schach-Bundesliga aufgrund von Täuschungsversuchen Sanktionen gegen ihn ausgespricht.
(Das ist eine direkte Reaktion auf das juristische Dilemma, nach dem im letzten Jahr Falko Bindrich zwar durch die Liga gesperrt, aber nicht vom Schachbund bestraft werden durfte. Diese Teilung ist von nun an aufgehoben, und soll (mit Grüßen an Jens Kotainy) bald auch für Offene Turniere gelten.)

 

Und sonst? Rein sportlich werden die interessanten Punkte rund  um das erste Liga-Wochenende von Georgios Souleidis auf der Seite der Schach-Bundesliga aufbereitet. Alle Daten und Fakten, Spielorte, Eintrittspreise – wie immer lohnt ein Blick.

molly

Bundesliga-Auftakt! Nicht alle sind interessiert, aber das ist ja auch ok so

Abschließend noch ein Blick auf das Liga-Orakel aus Bad Homburg. Auch für die neue Spielzeit hat es mit Charme und Eloquenz eine 95%ige Wahrscheinlichkeit errechnet, dass Baden-Baden und auch Teamchef Sven Noppes einmal mehr Meister wird – zum fünfzigsten Mal in Folge, ein schönes Jubiläum.  (Direkt dahinter folgen die Schachfreunde des SV Mülheim-Nord, mit einer Wahrscheinlichkeit von immerhin 2,2 %).

Wir wollen und können das nicht widerlegen, denn immerhin hat die OSG eine Reihe von ziemlich guten Spielern in ihren Reihen. Jedoch: Magnus Carlsen steht nicht mehr in ihrem Kader, und das ist doch schon eine gewisse Schwächung im Meisterschaftsrennen. Oder nicht? Darum halten wir einfach mal dagegen und sagen – Solingen macht´s!

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Noch ein kleines internationales Quiz zum Schluss: weiter oben haben wir ein Foto versteckt, auf dem eine Bremer Schachmannschaft zu sehen ist. Die Frage ist - welche Mannschaft war der Gegner? Einsendungen bitte rechtzeitig bis zum Saisonbeginn hier im Kommentarbereich! 

Anmerkungen zum Pattsieg
Freigegeben in Blog

In der Zeitschrift "Schach" ist zuletzt eine dreiteilige Artikelserie von Arno Nickel erschienen, mit dem Titel "Die Unbesiegbaren - Dem Fernschach droht der Remistod" (Ausgaben 7, 8 und 10/2013). Mein Kollege Uwe Bekemann hatte schon nach Erscheinen des ersten Teils hier im Blog kritisch Stellung bezogen. Inzwischen ist bekannt, welche Lösung Herrn Nickel zur Bekämpfung des im Titel beschriebenen Problems vorschwebt. Sein Vorschlag würde zu einer starken Beeinflussung meines Spezialgebiets, des Endspiels, führen, so dass ich mich berufen fühle, Position zu beziehen.

Vielleicht kennen nicht alle "Schachwelt"-Leser die besagte Artikelserie, aber ihr Inhalt lässt sich relativ leicht zusammenfassen: Vor allem in den Spitzenturnieren des Fernschachs lässt sich eine tendenziell immer höhere Remisquote feststellen, Größenordnung 80-90 Prozent. Hierdurch verlieren die Wettkämpfe nach Nickels Ansicht erheblich an Reiz. Als Ursache sieht er den immer stärkeren Einfluss des Computers, mit dessen Hilfe alle Gefahren schon weit im Voraus erkannt und bekämpft werden können. Sein Vorschlag sieht nun wie folgt aus: Das Patt soll nicht mehr als Remis gewertet werden, sondern mit dem Ergebnis von ¾:¼ zugunsten des Pattsetzenden ("Pattsieg"). Dies habe bereits Lasker empfohlen. Die Wertung des Patts als Remis sei unlogisch und ungerecht, weil eine Seite sich ein Übergewicht (materiell oder positionell) erarbeitet habe und trotzdem mit nicht mehr als einem halben Punkt belohnt werde. Die Änderung führe außerdem zu einer erhöhten Komplexität vor allem des Endspiels und der Einfluss der Schachprogramme werde durch die Umstellung ausgebremst.

An diesem Vorschlag erstaunt mich zunächst vor allem eines: Das Ausgangsproblem war das Fernschach, und dort eigentlich auch nur das Spitzenniveau. Die Lösung ist aber keineswegs Fernschach-spezifisch, sondern es sollen die allgemeinen Schachregeln geändert werden. Die Konsequenz dieser Gedankenführung leuchtet mir überhaupt nicht ein. Dem allergrößten Teil der weltweit aktiven Schachspieler dürfte es herzlich egal sein, ob in einzelnen Fernschachturnieren die Remisquote etwas höher oder niedriger ist (Nickel wäre schon mit einer Veränderung von 5-10 Prozent zufrieden!). In diesem Zusammenhang sollte man sich vor Augen halten, dass Arno Nickel selbst zur Fernschach-Weltspitze gehört, die geschilderten Probleme also ihn persönlich betreffen. Schade für ihn, aber muss man deswegen die ganze Schachwelt auf den Kopf stellen? Ich spiele selber auch Fernschach und habe daher eine gewisse Grundsympathie für die sicherlich gut gemeinten Rettungsbemühungen, aber meiner Meinung nach wird das Problem maßlos übertrieben. Es ist richtig, dass Fernschach in seiner hergebrachten Form nach und nach an Bedeutung verlieren wird, aber das ist kein Grund zur Verzweiflung. Anstatt über den nahenden Tod des Fernschachs zu lamentieren, könnte man sich auch darüber freuen, dass es aktuell trotz aller Unkenrufe immer noch einigermaßen am Leben ist. In Zukunft wird man sich eben in andere Richtungen orientieren müssen, z.B. wurden mit enginefreien Turnieren gute Erfahrungen gemacht und es gab meines Wissens kaum Betrugsfälle. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweise ich noch einmal auf den Beitrag von Uwe Bekemann, der bereits einige Wege aufgezeigt hat.

Schon Michael Negele hat in "Schach" 8/2011 verschiedene Regeländerungen vorgeschlagen, u.a. ebenfalls den Pattsieg. Dieser laut Nickel "hochinteressante Aufsatz" hat mich damals vorne und hinten nicht überzeugt und die "Schach"-Leser haben "in seltener Einigkeit" (so die Zusammenfassung der Redaktion) allen Reformgedanken eine Absage erteilt. Umso unverständlicher, dass die Redaktion nun erneut viele Seiten zur Verfügung stellt, um einen der abgelehnten Reformvorschläge einfach noch einmal vorbringen zu lassen. Wie es ein Leser bereits schön formuliert hat, sind die geltenden Schachregeln "der Heilige Gral des Spiels". Dem kann ich nur beipflichten. Was Lasker vor rund 100 Jahren, also in der Anfangsphase des sportähnlichen Wettkampfschachs, vorgeschlagen hat, spielt heute keine Rolle mehr. Inzwischen wurde mit den uns bekannten Regeln Schachgeschichte geschrieben, Weltmeister wurden gekrönt, zahllose Bücher verfasst usw. Dies kann man nicht einfach über den Haufen werfen, schon gar nicht aus vergleichsweise nichtigem Anlass. Eine Änderung der Schachregeln im engeren Sinne ist ultima ratio, auf deutsch: alleräußerstes Mittel. Eine Notwendigkeit hierfür kann ich noch lange nicht erkennen.

Die praktischen Implikationen der Regeländerung scheinen mir zudem schlecht durchdacht. Nickel tröstet uns damit, dass "die Eröffnungsliteratur durch den Pattsieg (...) nicht komplett neu geschrieben werden müsste". Nun gut, das versteht sich von selbst. Viel schwerwiegender wären natürlich die Auswirkungen auf die Endspieltheorie, die von Nickel nur oberflächlich beleuchtet werden. Auch wenn er ein wenig abzuwiegeln versucht, dürfte es doch eindeutig sein: Jedes Endspielbuch wäre reif für die Tonne. Wenn schon die Einschätzungen von Bauernendspielen nicht mehr stimmen, kann man auch den Rest vergessen. Halten wir uns zur Verdeutlichung ein paar Elementarendspiele vor Augen: K+B gg. K ist mit der neuen Regel immer mindestens "pattgewonnen", auch mit einem Randbauern. K+L gg. K und K+S gg. K soll hingegen laut Nickel weiterhin remis sein, "denn es kann im Leben ja nicht immer gerecht zugehen". Ah ja. Hatte er nicht zuvor noch mit dem Argument der Gerechtigkeit gearbeitet? Endspiele mit Figur+Bauer gegen Figur werden für den Verteidiger zumindest schwieriger. Oft wird die stärkere Seite krampfhaft versuchen, das Figurenpaar abzutauschen (selbst wenn das Bauernendspiel nach gewohnten Maßstäben remis wäre), was dem Endspiel einen recht eigenartigen Charakter verleihen dürfte. Viele tausendfache geübte und tief verinnerlichte Mechanismen würden nicht mehr greifen. Unklar ist mir auch, was passiert, wenn das Patt nicht mehr vermeidbar erscheint: Gibt es dann eine "Pattaufgabe", die der Gegner auch ablehnen kann, um auf den ganzen Punkt zu spielen? Oder ein "Pattangebot"?

Überhaupt stellen sich in Bezug auf das Regelwerk diverse Fragen. Wie geht man denn z.B. mit Zeitüberschreitungen um? Immerhin kann man ja auch mit dem blanken König pattsetzen, siehe Diagramm ganz oben! Dies würde seltsame Blüten treiben: K+D gg. K wäre im Fall einer ZÜ der stärkeren Seite wie gewohnt remis, K+D+Randbauer gg. K hingegen "verloren", denn der Gegner könnte ja theoretisch mit einer Serie regelkonformer Züge noch pattsetzen. Es lassen sich zahlreiche weitere Varianten vorstellen, in denen es immer wieder fatal wäre, einen Randbauern zu besitzen. Absurd, oder?

Es ist einzuräumen, dass das Patt ein gewisses Paradoxon darstellt, aber macht nicht gerade das Paradoxe einen großen Teils des Reizes des Schachspiels aus, z.B. wenn eine materiell klar unterlegene Partei sich auf überraschende Weise ins Remis rettet? Wie viele zauberhafte Studien beruhen auf solchen Motiven? Und dass Materialvorteile wie zwei Springer oder falscher Läufer+Randbauer gegen den nackten König nicht gewinnen, mag zwar intuitiv etwas unbefriedigend erscheinen, aber man weiß es ja im Voraus und muss eben sein Spiel entsprechend einstellen. Auch darin sehe ich kein durchschlagendes Argument. Ich sehe eher die Gefahr, dass nach der Regeländerung sich kaum noch jemand trauen würde, Material zu opfern, weil das Materialverhältnis gegenüber anderen Faktoren an Gewicht gewinnen würde. Wollen wir das wirklich?

Ganz abgesehen davon habe ich auch erhebliche Zweifel, ob sich mit Einführung des Pattsieges überhaupt ein nennenswerter Effekt ergeben würde. Zur Einnerung: Es geht eigentlich um die Remisquote im Spitzenfernschach! Natürlich wären Engines und Tablebases erst einmal "verwirrt", aber na und? Nach kurzer Zeit gäbe es sicherlich neue Engines und neue Tablebases und man wäre wieder am selben Punkt angelangt wie vorher. Und die vielen anderen Remisgründe, die mit der Pattmöglichkeit nichts zu tun haben, blieben sowieso unangetastet.

Fazit: Finger weg vom Regelwerk!