November 2015
Pogoninas Endspiellektionen, Teil 1
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Natalija Pogonina ist eine junge russische Spielerin, die bei den Damen zur erweiterten Weltspitze zu zählen ist. Dies bewies sie gerade jüngst bei der Damenweltmeisterschaft im KO-System, die im März des Jahres stattfand. Sie belegte schlussendlich den Silberrang, sicherlich einer ihrer größten Erfolge.
Ich habe schon einige schöne Partien von ihr gesehen, aber sie sorgt auch für lehrreiche Fehler und zwar vor allem im Endspiel. Die Schach-Welt stellt in einer kleinen Serie die drei spannendsten Fehlgriffe dieses Jahres vor.
 
Sebag-Pogonina
 
Die ersten zwei Beispiele stammen sogar aus dem Weltmeisterschaftsturnier. Dass sie trotz der zwei Patzer bis ins Finale vordringen konnte, nötigt mir großen Respekt ab und spricht für ihren Kampfgeist. Aber genug der lobenden Worte, jetzt wollen wir in das Endspiel einsteigen.
Nachdem sie zwei Chinesinnen ausgeschaltet hatte, traf Pogonina in der dritten Runde auf die Französin Marie Sebag. Sebag hatte den Aufschlag und erspielte sich die folgende Stellung nach dem 66. Zug von Weiß.
 
SebagPogonina
Der Mehrbauer fällt kaum ins Gewicht. Schwarz beherrscht die 3. Reihe und droht auf weiße Turmzüge den Kollegen auf der g-Linie zu kassieren.
66.-Tb3 67.Kf2 Kf6?!
Dieser Zug gefällt mir nicht, da jetzt der weiße b-Bauer vorrücken darf, ohne dass der g-Bauer verloren geht. Er vergibt die Partie nicht, aber die Verteidigung muss jetzt etwas genauer agieren.
68.Tf5+ Kg6 69.b5 und nach dem 74. Zug stand es so.
 
SebagPogonina2
Hier fasste sich dann Weiß ein Herz und startete den Gewinnversuch
75.Kd2 Tb4 76.Kc3 Txg4 77.Tc5 Tg1!
Dieser Zug sollte das Remis sichern, aber Weiß möchte sehen.
 
SebagPogonina3
78.Kb4 Tb1+?!
Grundsätzlich würde ich hier 78.-h5 vorziehen, anstatt die weiße Königsstellung zu verbessern, aber auch das ist noch "Geschmackssache". Allerdings hängt die Verteidigung jetzt an einem einzelnen Tempo.
79.Ka5 Ta1+ 80.Kb6 h5 81.Kc7
 
SebagPogonina4
81.-h4??
Und dieser lehrreiche Fehler lässt das Tempo einfach liegen. Der Fesselzug 81.-Ta5! hält remis durch 82.Tc6+ Kg5 83.b6 Tb5 84.b7 Txb7+
82.b6 h3 83.b7 h2
Der Unterschied zeigt sich unter anderem in 83.-Tb1 84.b8D Txb8 85.Kxb8 und der schwarze Randbauer ist einfach verloren. Nun stellt Schwarz zwar das materielle Gleichgewicht her, aber der König wird im Mattangriff fallen.
84.b8D h1D 85.Dg8+ Kh6 86.Tc6+ Kh5 87.Dg6+ Kh4 88.Tc4+ Kh3 89.Dg4+ 1-0
Diese Wüllenwebers (Folge15 – Der Dieb ist weg)
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In der hanseatischen Telenovela war früher dem Vater Matthias Wüllenweber mit seiner holländischen Frau beinahe jährlich die Freude zu teil, dass ein Sohn mit Namen Fritz das Licht der Welt erblickte. Doch dann nach der Trennung - ob es am Alter oder den Reizen des Ostens geschuldet war – wurde aus dem jährlichen ein zweijähriger Zyklus. Eine Konstante blieb aber erhalten: der Geburtstermin in der beginnenden Vorweihnachtszeit.

Der 2013 neugeborene Fritz Maddox „Dieb (engl: Deep)“ Wüllenweber der 14. verabschiedete sich vom Singledasein und trug trotz seiner ungarischen Mutter noch stolz den Beinamen „Dieb („engl: Deep)“ seines berühmten Stiefbruders dem Weltmeister Fritz Edi Wüllenweber. Dennoch war sein Vater wohl mit seiner Spielstärke nicht ganz zufrieden und schaute sich nach einer neuen Partnerin um und fand im nahen Polen sein neues Glück. Nach zwei Jahren erblickte nun Fritz Arnold Wüllenweber der 15. das Licht der Welt. Da seine Mutter nicht ohne Vorgeschichte ist und um auch den weltmeisterlichen Druck vom jüngsten Spross zu nehmen, wurde der Beiname „Dieb („engl: Deep)“ gestrichen. Aber lassen wir die Vergangenheit ruhen und erfreuen uns an der Rückkehr des verlorenen Sohnes in die Schachwelt.

2015Fritz01

Auch wenn die Namensgebung einfacher geworden ist, so ist der Lieferumfang doch ziemlich umfangreich. Neben dem schon bekannten Aussehen seiner Brüder möchte Fritz Arnold 15. Wüllenweber mit einer Reihe von plattformunabhängigen Apps die Onlinewelt erobern. Zwar läuft die Fritz 15 GUI nur in der Windowswelt, aber mit den Apps und dem neuen ChessBase Account steht dem User nun auch auf anderen Plattformen und Geräten ein umfangreicher Zugang zu Schachwelt offen.

2015Fritz02

Nicht alles ist wirklich neu, aber es wurde in eine neue Verpackung verfrachtet und die Krennwurzn hat den Eindruck, dass so manches mit zu heißer Nadel gestrickt wurde und nicht ganz so stimmig wirkt. Wer seine Spielstärke verbessern will, der kann die kleinen Helferlein jetzt wirklich überall nutzen – aber bitte nur dort wo es wirklich erlaubt ist! Und da denkt die Krennwurzn nicht an den Betrug ansich, sondern auch im Reallife ist es nicht überall gerne gesehen, wenn man nur mehr auf sein Handy oder Tablet blickt und seinem Hobby frönt. Natürlich ist die Versuchung hoch, denn das Angebot umfasst auch reichliche Unterhaltung mit in der ChessBase Mediathek.

Fritz Arnold der 15. Wüllenweber hat einen verbesserten und überarbeiteten Freundmodus, der sich schneller und besser der eigenen Spielstärke und Bedenkzeitverbrauch anpasst und damit landen wir bei der Frage: wie stark spielt die neue Fritzengine nun wirklich? War es bisher oft üblich, dass man unter der Hand und in Foren wahre Wunderdinge über den neuen Fritz-Sprössling erzählte, die sich dann meist in der Realität nicht wiederspiegelten, so ist zur Zeit noch nichts Konkretes bekannt. Aber dadurch ergibt sich die Chance sich Fritz 15 als Weihnachtsgeschenk selbst zu kaufen und sich auf ganz altmodische Weise, selbst ein Bild von der Spielstärke zu machen!

Der offizielle Geburtstermin ist Montag, der 23. November, aber auf der Reise nach Hamburg kam es in Magdeburg am heutigen Freitag, den 20. November, zu einer Frühgeburt, aber ich kann Sie, lieber Leser beruhigen, Mutter und Kind sind wohlauf!!


FRITZ 15 (Herstellerangaben)

Neue 64-Bit Multiprozessorengine
Verbesserte 64-Bit Programmoberfläche (optional 32-Bit)
Premium-Mitgliedschaft für die neuen ChessBase Accounts sowie für den playchess-Server (sechs Monate)
Datenbank mit über 1,5 Mio. Partien

Mit Fritz 15 haben Sie nicht nur direkten Zugang zum playchess-Server sondern auch zu den neuen ChessBase Webtools

Systemvoraussetzungen für Fritz 15

Minimum: Pentium III 1 GHz, 2 GB RAM, Windows XP (Service Pack 3), 7/8, DirectX9, Grafikkarte mit 256 MB RAM, DVD-ROM-Laufwerk, Windows Media Player 9 und Internetzugang. Empfohlen: PC Intel i5 (Quadcore), 4 GB RAM, Windows 10 oder 8.1, DirectX10, Grafikkarte mit 512 MB RAM oder mehr, 100% DirectX10-kompatible Soundkarte, Windows Media Player 11, DVD-ROMLaufwerk und Internetzugang.

Systemvoraussetzungen für ChessBase Account:

Internetzugang und aktueller Browser, z.B. Chrome, Safari. Für Windows, OS X, iOS, Android, Linux.

Vorbericht: Heusenstammer Sparkassen Open 2015 (26.-29. November)
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Vorbericht: Heusenstammer Sparkassen Open 2015 (26. – 29. November)

„Wo bitte liegt denn nochmal Heusenstamm?“ war meine erste Frage, als ich auf das Ende November stattfindende offene Turnier aufmerksam wurde. Fündig wurde ich in der Frankfurter Umgebung: die hessische Kleinstadt liegt südlich von Offenbach am Main und ist mit der S-Bahn vom Frankfurter Hauptbahnhof in nur 25 Minuten zu erreichen. Der SC Heusenstamm ist ein aufstrebender Verein. In der Oberliga Ost B steht die „Erste“ des Vereins momentan auf Tabellenplatz 1 und hat den Aufstieg in die 2. Bundesliga fest im Visier.

Höhepunkt im Jahresplan ist das Heusenstammer Sparkassen Open 2015. Es schickt sich an, eins der größten, wenn nicht das größte Open in Hessen zu werden.

Heusenstamm wirbt damit, Holzfiguren und Holzbretter als Spielmaterial zu verwenden. Das ist ein Kriterium, welches mich als „Ästheten“ sogleich anspricht.

 

                        

Durch die Bank Holzbretter. Da macht das Spielen Spaß!

Von Donnerstagabend, 17:00 Uhr, bis Sonntagabend werden 7 Runden Schweizer System ausgetragen. Gespielt wird in den zwei Ratingkategorien A und B, wobei das B-Turnier für Spieler mit einer Wertungszahl unter 1600 gedacht ist. Zusätzlich gibt es noch ein Jugendturnier U-14, das aber erst mit einem Tag Verspätung am Freitag, 17:00 Uhr, beginnt und nur fünf Runden umfasst.

Mit dem Kultur- und Sportzentrum Martinssee steht den Organisatoren ein geräumiges Spiellokal zur Verfügung. Hier hat jedes Brett einen eigenen Tisch, da bleibt den Spielern ausreichend Platz, um Kaffee und Getränke abstellen zu können. Hier fühlen sich alle Teilnehmer wie in der 1. Reihe.

Fürstliche Spielbedingungen bis zum letzten Brett: durchweg komfortable Einzeltische

Die Sparkasse Langen-Seligenstadt ist der Hauptsponsor und somit auch Namensgeber. Preisfond in Höhe von 6000 € allein fürs A-Turnier ist garantiert.

Letztes Jahr hieß das neu ins Leben berufene Turnier noch Schloss-Open und wurde in einer Gruppe ausgetragen. 134 Teilnehmer stiegen damals in den Ring, eine beachtliche Zahl für einen Neueinsteiger. Doch 2015 sieht es so aus, als könne der Veranstalter die Teilnehmerzahl mehr als verdoppeln!

Die guten Bedingungen des Vorjahres, die rührige Arbeit der Verantwortlichen – jedenfalls verzeichnet die Internetseite

http://www.schach-chroniken.net/hso/hso_historie.htm

zwei Wochen vor Turnierstart, bereits mehr als 230 Starter! Im Turniersaal stehen 150 Bretter zur Verfügung; gut möglich, dass sich an die 300 Teilnehmer am Donnerstag, den 26. November im Kultur- und Sportzentrum Martinsee einfinden werden, sichern Sie sich deshalb rechtzeitig Ihren Startplatz!

Schon 2014 innovativ:die Spitzenpaarungen werden live ins Internet übertragen und mit dem Beamer an die Wand geworfen

Bei der 2014-Ausgabe war bereits ein sehr starkes Feld zusammengekommen, das neun Großmeister und eine Vielzahl weiterer Titelträger aufwies. Mit dem Chinesen Li Chao war gar ein absoluter Weltklassespieler mit von der Partie. Der 2700-Spieler zeigte dann auch seine sportliche Klasse und holte sich souverän mit 6 Punkten den alleinigen Turniersieg.

Wurde seiner Favoritenrolle gerecht: Li Chao, Supergroßmeister und Bundesligaspieler von Schwäbisch Hall

Heuer hat sich zwar kein Superstar angekündigt, aber die Spielstärke in der Spitze wird wohl noch gedrängter sein als im Vorjahr. Träger des Großmeistertitel sind genau 10 angesagt, dazu gesellen sich noch 10 IM, 5 FM sowie zahlreiche ambitionierte Jugendspieler, die auf Normen aus sind. Angeführt wird die Teilnehmerliste vom französischen Nationalspieler Sebastien Feller. Feller war fast drei Jahre vom Weltverband FIDE gesperrt gewesen, da er im Verdacht stand, zusammen mit Teamkollegen bei der Olympiade in Chanty-Mansijsk betrogen zu haben. Damals war der mittlerweile 24-jährige Feller ein hochtalentierter Jugendlicher. Eine Jugendsünde?! Dem Schach ist Feller treu geblieben, an seiner Spielstärke hat er nichts eingebüßt und spielt wieder sehr aktiv.

Einer der Topfavoriten ist Andrej Sumets aus der Ukraine

Unter den Favoriten mit dabei sind auch wieder Andrej Sumets, der Vorjahresdritte, sowie Igor Rausis, Fünfter der letzten Ausgabe.

Für den ausrichtenden Verein starten auch einige ihrer Titelträger aus der Oberligamannschaft, allen voran Spitzenbrett Daniel Sadzikowski aus Polen. Der 21-jährige ist der einzige IM mit einer Zahl über 2500 und wird sicherlich im Kampf um den Turniersieg ein Wörtchen mitreden können.

Dr. Igor Rausis ist Kosmopolit im Schach, kam viel herum und spielte für mehrere Verbände. Seit 2007 vertritt er Tschechien.

Heusenstamms Spitzenspieler Daniel Sadzikowski (l.) hier im abgesperrten Bereich der Spitzenbretter, die ins Internet übertragen wurden.

Hochkonzentriert: früh übt sich, wer Meister (oder Meisterin) werden will

Der Beweis: selbst bei doppelt so vielen Teilnehmern wie 2014 stehen die Chancen für einen Einzeltisch sehr hoch!

Wenige Meter vom Spiellokal entfernt liegt idyllisch der Martinsee

Turnierseite:

http://www.schach-chroniken.net/hso/2015/a/hso_ausschreibung.htm

Daniel Fridman (bei der EM 2013 in Warschau)
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Berichte zur Mannschafts-EM in Reykjavik gibt es anderswo noch nicht - es ist ja auch erst eine Runde gespielt, und parallel läuft ein Schaukampf in St. Louis. Auch der Schachbund (Titelseite, wird da wohl irgendwann verschwinden) äussert sich nur knapp und bezeichnet das 2,5-1,5 gegen die Schweiz zum Auftakt als "glücklich" - eventuell könnte man es auch als grossartige kämpferische Leistung verkaufen, die Anlass zu Hoffnungen für das weitere Turnier bietet. Jedenfalls bekommt Daniel Fridman das Titelbild, da er aus deutscher Sicht der Held war. Aus schweizerischer Sicht war Gegner Sebastian Bogner vielleicht der Depp, aber in diesem Artikel mit Motiv Triplizität der Ereignisse wird es erst das dritte und komplizierteste Beispiel. Jeweils geht es um Endspiele mit Mehrfigur und Mehrbauer, die manchmal dennoch Remis sind - es gibt nämlich den Begriff falscher Läufer oder alternativ falscher Randbauer. In den ersten beiden Fällen werde ich auch andeuten, wie dieses Endspiel entstand - und einmal gibt es als Vorspeise ein ungewöhnliches Mittelspiel-Motiv.

Ich beginne bei den Damen, mit einem Match das vielleicht vor allem Schachfreunde und -freundinnen in den Niederlanden (ich fühle mich angesprochen) oder auch Litauen interessierte. Bei Litauen fehlt Viktorija Cmilyte - komplett, sie ist wohl anderweitig beschäftigt: sie hat mal wieder geheiratet, diesmal Peter Heine Nielsen, wurde zum dritten Mal Mutter (zweimal war der Vater Alexei Shirov) und ist seit April 2015 Mitglied des litauischen Parlaments. Fairerweise verzichteten die Niederlande in Runde 1 auf Spitzenbrett Zhaoqin Peng, und so ergab sich an Brett 2 die Paarung Salomeja Zaksaite (2196) - Bianca De Jong-Muhren (2312). Salomeja hat also Weiss, Bianca ist nominell besser. Nach 19.La7 Tb7 stand es so:

Zaksaite De Jong move 19

 

 

 

 

 

 

 

Das ist natürlich noch kein Endspiel, sondern die versprochene Vorspeise - Weiss am Zug gewinnt bzw. erreicht jedenfalls klaren Vorteil. Das dürfen die Leser selbst finden, ich gebe nur drei Tips: 1) Zuvor war 18.-Dxd5 ungenau (besser 18.-exd5). 2) Die ersten beiden Züge der Kombination kann man/frau in beliebiger Reihenfolge spielen. 3) Am Ende ist in einer Variante Df5+ wichtig, und in einer anderen De4+ [hmm, der Hinweis dass das jeweils ein Schach ist sollte reichen]. Stattdessen kam in der Partie 20.Le4 - verlockend, aber Schwarz hat die Ausrede 20.-Dd2 und nun wurde aufgeräumt: 21.Dxd2 Lxd2 22.Txc8 Txc8 23.Lxb7 Tc7 24.Td1 Lg5 25.Lxa6 Txa7 26.Td6 - wir haben ein asymmetrisch-ausgeglichenes Endspiel. Das behandelte Weiss insgesamt besser, nach 40 Zügen stand es so:

Zaksaite De Jong move 40

 

 

 

 

 

 

 

Immer noch kein Grund zu Panik aus schwarzer Sicht, aber sie muss eher aufpassen. Weitere Bauern verschwanden vom Brett und im 81. Zug auch die Türme, Stand nach 82.-Ke5:

Zaksaite De Jong move 82

 

 

 

 

 

 

 

Und nun? Schwarz hofft noch auf ungleichfarbige Läufer und/oder darauf, dass Weiss am Ende nur den falschen Randbauern behält. Kleiner Let's Check - Ausflug: Beim Durchklicken von Partien sieht man so am schnellsten, welche Engines wann durchblicken - vor allem in Endspielen gibt es da Unterschiede, aber dieses Thema will ich nicht untersuchen und vertiefen. Komodo zeigt Sinn für "Ästhetik" und empfiehlt 83.La8 +250 - aber nahezu jeder Läuferzug sollte für Weiss gewinnen, nur nicht unbedingt das gespielte 83.Lc6? - was dieses Feld in einigen Varianten für den weissen König blockiert. Schwarz spielte nicht das beste (egal, ob es Remis hält oder letztendlich doch nicht) 83.-Ld6+ sondern 83.-Kf4? und fünf Züge später:

Zaksaite De Jong move 87

 

 

 

 

 

 

 

Touchdown! Schwarz muss sich natürlich von ihrem Läufer verabschieden, konnte dann die e- und g-Bauern gegeneinander abtauschen, es half nichts:

Zaksaite De Jong move 94

 

 

 

 

 

 

 

Stellung nach 94.Lg4 - das ist hoffnungslos für Schwarz, da der König nie und nimmer das rettende Feld h8 erreicht. Wohl eher Enttäuschung/Frustration, dass sie erst nach 102 Zügen die Uhr abstellte. Endstand im Match 2-2 - die Niederländerinnen konnten zwar an Brett 3 und 4 (jeweils auch klare Elo-Vorteile für sie) gewinnen, aber verloren auch an Brett 1 auf Elo-Augenhöhe (Haast, 2365 - Deimante, 2369 0-1).

Das nächste Match war aus internationaler und Ausrichter-Sicht interessant - mit Armenien spielte einer der Favoriten gegen Gastgeber Island. Armenien gewann glatt 4-0, aber nur 3-1 war durchaus möglich. An Brett 2 gab es ein Duell der S-Klasse wobei Schwarz den kräftigeren Elo-Motor hatte, aber das muss (jedenfalls in einzelnen Partien) nichts heissen: Steingrimsson (2566) - Sargissian (2689). Lange wurde geschlossen-spanisch manövriert, dann stand Weiss "eigentlich" klar besser:

Steingrimsson Sargissian move 47

 

 

 

 

 

 

 

Man sollte meinen, dass die drei (na gut, zweieinhalb) weissen Freibauern im Zentrum viel gefährlicher sind als der einzelne und doppelt entfernte (auch weit weg vom Umwandlungsfeld) schwarze a-Bauer. Engines sehen das auch so, aber nur wenn Weiss 48.Dd4! findet um das schwarze Gegenspiel mit -e3 zumindest zu erschweren, wenn nicht zu verhindern. Stattdessen kam 48.Sg1? e3! 49.Dxe3 Dxe3 50.fxe3 Kf7

Steingrimsson Sargissian move 50

 

 

 

 

 

 

 

Nur drei Züge weiter, aber eine total andere Stellung - ohne Damen auf dem Brett kann der schwarze König ins Geschehen eingreifen, im Gegensatz zum weissen auf h1. Man kann sich zumindest vorstellen, dass Weiss diese Stellung gar verliert - obwohl er nach der Erbsenzähl-Methode momentan zwei Mehrbauern hat. Ob Weiss noch remis halten kann, will ich in der Kürze der Zeit nicht untersuchen (bzw. bin mit dieser Aufgabe überfordert). Im weiteren Verlauf verschwanden jedenfalls reihenweise Bauern vom Brett, wobei der schwarze a-Bauer sich teuer verkaufte - Stellung nach 65.-a1D:

Steingrimsson Sargissian move 65

 

 

 

 

 

 

 

Wiederum fünf Züge später - der weisse König rannte so schnell er konnte zurück zum Königsflügel aber ein Tempo fehlte:

Steingrimsson Sargissian move 70

 

 

 

 

 

 

 

70.-Kh2! - nur so, aber das finden wohl auch Spieler mit Elo unter 2000. Sechs Züge später gab Weiss auf.

In diesen beiden Fällen war das Endspiel von Anfang an (d.h. ab 87.b8D bzw. 65.-a1D) und immer für die materiell stärkere Seite gewonnen, im dritten Fall stolperten beide Spieler auch nach Erreichen der Tablebase-Zone. Bevor ich die Schlussphase von Sebastian Bogner (2550) - Daniel Fridman (2627) bespreche, ein paar Bemerkungen zum gesamten Match Deutschland-Schweiz aus deutscher Sicht: An Brett 1 stand Georg Meier mit Weiss gegen Pelletier zwischenzeitlich schlecht, wenn nicht verloren - es wurde remis (damit ist Meier besser als Nakamura, der allerdings beim Europacup Schwarz gegen Pelletier hatte). An Brett 3 erreichte Buhmann gegen Jungstar Georgiadis nichts, jedenfalls nicht genug - remis. An Brett 4 stand der deutsche Jungstar Dennis Wagner gegen Richard Forster in einer wilden Partie zwischendurch total verloren (Computerurteil bis +10) und es wurde remis. Fridman spielte eine seiner Spezialvarianten - zur Stellung nach 12.-d4 hat die nach Schwarzelo sortierte Datenbank Lautier-Ivanchuk, Olympiade Moskau 1994 und dann siebenmal Fridman. Er stand wohl etwas schlechter, das muss man mit Schwarz akzeptieren, aber womöglich nie gefährdet. Dass und wie er dann gewann kommt nun - Stellung nach 47.-fxe3:

Bogner Fridman move 47

 

 

 

 

 

 

 

Bogner spielte 48.Lf3?! - noch kein Verlustzug, aber warum kümmert sich nicht der König um den Freibauern? Nach 48.Kg3 hat Schwarz den Trick 48.-Lg4!? und Weiss darauf den Gegentrick 49.Lf3 e2 50.Ld5+ nebst 51.Kf2 (50.Lxe2 Lxe2 ist hier auch Remis, aber das muss Weiss nicht "riskieren"). Nach weiteren schwarzen Ungenauigkeiten stand es so:

Bogner Fridman move 54

 

 

 

 

 

 

 

Nun ist 55.Lxe2 Lxe2 natürlich Pflicht, und ab hier kann ich durchgehend das Tablebase-Orakel befragen (die Spieler während der Partie natürlich nicht): 56.a4 (lose in 57, immerhin am zähesten) 56.-Ld1 (wir wollen mal nicht meckern, dass andere Züge schneller gewinnen) 57.a5 (wieder die bei weitem beste Chance)

Bogner Fridman move 57

 

 

 

 

 

 

 

Was nun? Weiss droht offensichtlich b4-b5-b6, Schwarz muss das verhindern - da er sonst nicht mehr gewinnen, höchstens noch verlieren kann. Fridman spielte 57.-a6? - falsch laut Tablebases, nur 57.-La4 oder 57.-Le2 gewinnt. Warum dem so ist, darf der Leser mich aber nicht fragen. Allerdings war es nur einen Zug lang remis, es folgte 58.Kf5 (hier verliert nur 58.b5??) 58.-Lc2+

Bogner Fridman move 58

 

 

 

 

 

 

 

Wohin mit dem König? a1 ist das Traumfeld, das geht natürlich nicht sofort - aber warum Bogner mit 59.Ke6?? in die andere Richtung ging, weiss allenfalls er selbst - hier vergebe ich streng zwei Fragezeichen, da es auch prinzipiell-intuitiv nicht gut sein kann (59.Kf6 verliert auch, drei andere Königszüge halten remis). 59.-Kc4 60.Ke5 Kxb4 61.Kd4 Lg6! (des Pudels Kern, verhindert 62.Kd3 und nun muss der weisse König sich entfernen) 62.Ke3 Kxa5 0-1 - z.B. 63.Kd2 Kb4 64.Kc1 Kb3 und da nun 65.Kb1 illegal ist, kommt langsam aber unvermeidlich a6-a5-a4-a3-a2-a1D. Hatte ich das Ergebnis des Matches bereits erwähnt? 2,5-1,5 für Deutschland. Bogner hatte sich sein Debüt für die Schweizer Nationalmannschaft, ausgerechnet gegen Deutschland, wohl anders vorgestellt. Die deutsche Truppe muss sich aber vermutlich im Turnierverlauf steigern, um auch mal gegen z.B. Team Naiditsch zu spielen.

[P.S.: Während ich an diesem Artikel schrieb, war Kollege Colin McGourty offenbar auch nicht faul. Zwischenzeitlich hat chess24 einen Bericht, in dem der deutsche Sieg gegen die Schweiz als "unglaublich" (defied belief) bezeichnet wird.]

Entdeckersucht - Let’s check
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Im Jahre 2011 brachte eine bekannte Hamburger Schachfirma die Weltneuheit „Let’s check“ auf den Markt und nicht einmal zwei Jahre später diagnostizierte der weltbekannte Schachpsychologe Dr. Matinul bei der Krennwurzn eine schon seit dem frühen 20. Jahrhundert für ausgerottet gehaltene Erkrankung: die Entdeckersucht!! Nun Neugierde gehört doch ganz normal zum Menschen und ist eine wesentliche Triebfeder für den Fortschritt, was soll daran krankhaft sein, werden Sie, lieber Leser, nicht ohne Grund einwerfen.

Lassen wir dazu Dr. Matinul zu Wort kommen: Die großen westlichen „Entdecker“ entdeckten beispielsweise den Victoriasee an dem natürlich schon seit Generationen Menschen lebten und wurden für etwas gefeiert, dass schon vielen durchaus gut bekannt war!

Genauso geht es der Krennwurzn, wie unten stehendes Beispiel deutlich zeigt. Am 16. November wurde wenig überraschend der einzig mögliche Zug Kh7 tatsächlich gespielt!

2015Entdecker1

Und dieser Zug wurde dann zwei Tage später am 18. November von der Krennwurzn „entdeckt“ und sie gilt nun für „Let’s check“ bis in alle Ewigkeit als Entdecker dieser Stellung, genauso wie John Hanning Speke als Entdecker des Victoriasees. Da die Zahl der noch zu entdeckenden Seen im Vergleich der noch zu entdeckenden Schachstellungen verschwindend klein ist, kann man bei Seen nicht von einer wirklichen Sucht sprechen!

Aber wie kam es zu dieser Erkrankung der Krennwurzn? War diese nicht ein erbitterter Kritiker und Verhöhner von „Let’s check“? Ja, Sie erinnern sich richtig, aber das hilft rein gar nichts, wie uns Dr. Matinul schlüssig erklärt: Sie können erkennen, dass Schnupfen eine lästige Krankheit ist und dennoch jedes Jahr oder öfter daran erkranken! Bei der Entdeckersucht ist es vollkommen egal, ob sie die Schwächen und Probleme erkennen ...

2015Entdecker2

In dieser Stellung liegt ein ganz schwerer Fall vor – die Sechssteiner sind schon lange gelöst - und dennoch entdeckte die Krennwurzn gleich zwei von sieben möglichen Remiszügen mit verschiedenen Expeditionen (Engines) und verschwendete dafür sinnlos Ökostrom der Güteklasse 1! Warum? Nur für den Eintrag in der Datenbank „Entdeckt von Krennwurzn“.

Da sich das Krankheitsbild der Entdeckersucht rasch verschlimmerte und die Krennwurzn nur mit äußerster Disziplin davon abgehalten werden konnte, auch auf beruflich genutzten Computern auf Entdeckerjagd zu gehen, da diese wesentlich mehr Rechenleistung als der private vier Kerner AMD aufzuweisen hätten, hatte nun Dr. Matinul die rettende Medizin parat:

Die Grundidee von Let’s check ist einfach genial, aber die Ausführung lässt eher an einen Marketinggag denken und daher muss die Krennwurzn zur Heilung niederschreiben, was und welche Funktionen seine Entdeckersucht noch wesentlich verschlimmern würde!

Starten wir mit obenstehenden Endspiel – ein Sechssteiner und diese sollten in Let’s check generell schon eingespielt und damit zwar unentdeckbar sein, aber doch ein schönes Service. Gleichzeitig führt jeder weißer Zug zu Remis, was aber nicht zwangsweise bedeutet, dass die Stellung unverlierbar ist, denn nach 1. e4 f5! bietet sich Weiß mit 2. e5?? erstmalig eine Verlustchance.

2015Entdecker3

Nun diese ist sehr, sehr gering, denn erstens würden viele zuerst die Könige in Bewegung setzen und dann erst die Bauern, aber es zeigt uns, dass auch eine theoretische Remisstellung noch verloren werden kann und dieses Restrisiko sollte man bewerten und grafisch darstellen in Let’s check! Ein anderes Extrem wäre eine Stellung in der es nur einen einzigen Zug gibt, der zu Remis führt und alle anderen zu Verlust. Beide werden am in Let’s check mit 0,00 also Remis angeführt, ohne dass die Schwierigkeit des Erreichens des Remis bewertet wird. Und wen sollte man als Referenz für die Schwierigkeit herannehmen? Einen emotionslosen Computer mit Tablebaseunterstützung, einen Supergroßmeister oder einen durchschnittlichen Schachspieler? Und wie sollte man das Ergebnis darstellen?

2015Entdecker4

Eine Idee wäre die Ampelfarben zu verwenden und hier würde man sehen, dass die Stellung ein hohes Remispotential, bei sehr geringem Verlust- und Gewinnpotential und das fette C stünde dafür, dass die Stellung absolut Remis ist (durch Tablebases abgesichert) – ein normales C möglicherweise mit einer Computerbewertung 0,xx – würde nur die aktuelle Computermeinung darstellen.

2015Entdecker5

So oder ähnlich würde dann eine Stellung mit einem einzigen Remiszug (fett wenn tablebasegeprüft bzw. kursiv bei Computermeinung) aussehen. Und hier sehen wir schon ein weiteres Problem. Wenn es nur einen Zug gibt, der nicht verliert, dann gibt es mit Sicherheit keinen Gewinnzug, aber dennoch sind damit Gewinnchancen nicht wirklich ausgeschlossen und all das müsste in die Bewertung einfließen. In erster Lesung sollte das allerdings nur für den Menschen gelten, aber es ist durchaus mit der praktischen Erfahrung in Einklang zu bringen, dass auch Computer außerhalb der perfekten Lösungen noch Fehler machen.

Werfen wir einen Blick auf die schwierigste aller Stellungen

2015Entdecker6

Auch diese kann nur 1,0 oder = sein und nehmen wir an, wir bekommen die Information, dass die Grundstellung Remis ist! Diese Information hilft uns nicht wirklich weiter, denn alle schachlichen Probleme sind in dieser Stellung enthalten und wir wissen auch nicht, welche Züge Remis sind oder ob es schon Züge gibt, die theoretisch bereits verloren sind.
Die bekannteste Gefahr ist 1. g4 e6 2. f3?? Dh4# in verschiedenen Variationen – es kann also schnell gehen – allerdings verlieren wenige so und auch kann man darauf nicht die Aussage begründen 1. g4 sei schon verloren, aber doch die Aussage, dass dieser Zug gefährlicher ist als beispielsweise 1. Sf3, der diese „Drohung“ mal aus der Stellung nimmt. In der Grundstellung droht Alles und wenn sie Remis ist, dann sind alle Bedrohungen beherrschbar und lösbar. Wir müssen „nur“ mehr alle Bedrohungen erkennen und daran scheitern wir wohl. Aber die Idee wäre eben diese Bedrohungen zu erkennen, sie zu klassifizieren und damit eine Chance zu haben, eine Stellung besser als mit +0,15 zu bewerten, weil wir die innewohnenden Gefahren erkennen können bzw. statistisch bewertbar machen. Die absolute Sicherheit können uns nur gelöste x-Steiner bieten, den Rest müssen wir abschätzen und zwar für Maschinenschach, was eher mäßig interessant erscheint, und für Menschenschach. Und hier müssten wir eine Methode finden, die uns sagt, wie schwierig es ist, das feststehende oder wahrscheinlichste Ergebnis zu erreichen. Diese Bewertung der Schwierigkeit alle Probleme zu handeln, könnte uns auch zu einer brauchbareren Cheatererkennung führen als die bekannte „Houdini first choice“ Methode.

2015Entdecker7

Es gibt zwar schon Ansätze, aber Engines mit echter Mustererkennung für menschliches Schach gibt es noch nicht am Markt und so kann Dr. Matinul erklären, dass die Entdeckersucht der Krennwurzn erfolgreich geheilt ist ... aber es ist wie bei jeder Suchterkrankung, man weiß nie, wann sie wieder ausbricht!

David Höffer trotzt Wind und Werder
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Weder der nassfeuchte Bremer Novemberregen noch elf wendige Gegner am Schachbrett vermochten ihn zu stoppen - David Höffer, als Gesandter des Delmenhorster SK zu Gast beim Werder Monatsblitz, verließ trotz Wind, Regenwetter und nachhaltiger Dunkelheit am frühen Abend noch einmal das Haus und wirbelte wie ein Taifun durch das zwölf Köpfe und mehrere tausend ELO-Punkte starke Teilnehmerfeld im Vereinsheim des SVW.

Ganz im Stile von Magnus Carlsen und Ilja Schneider ließ er auch im Novemberturnier des Wettbewerbs Gewinn auf Gewinn folgen und zog unbeeindruckt von der eher trüben Gesamtwetterlage immer die berühmte Sekunde schneller als seine Gegner. Am Ende rauschte der junge Delmenhorster mit zehn von elf möglichen Punkten an die Spitze des Klassements und strauchelte nur gegen Olaf Steffens, der stellvertretend für alle anderen einen bescheidenen Ehrenpunkt gegen Naturgewalt Höffer erzielte.
ilja schneider portrt
Goldene Schachzeiten: Ilja Schneider bei einem
                            Blitzschach-Besuch in Bremen


Den zweiten Rang eroberte Werder-Trainer Matthias Krallmann mit gewohnt souveränem Eröffnungsspiel und akkurat vorgetragenen Zugfolgen, die ihm am Ende verdiente 8,5 Punkte einbrachten, deutlich vor Dr. Joachim Asendorf und Olaf Steffens (je 7,5).

Die grün-weiße Nachwuchsabteilung, dreifach vertreten durch Nikolas Wachinger, Robert Kose und Nils-Lennart Heldt, hielt sich diesmal noch in respektvollem Abstand zu den Spitzenplätzen, doch spürt man bereits, dass dies auf Dauer wohl nicht so bleiben wird. Allein der Berichterstatter musste sich schon weit strecken, um gegen die junge Schar von Werderanern einen guten Schnitt zu erzielen, und das Remis gegen Nikolas war dabei schon eher in der Kategorie "leicht schmeichelhaft" einzuordnen. Die Schachwelt sei hiermit gewarnt - neue Spieler drängen aufs Turnierparkett!

Aktuell aber noch reichte es für die alten Schachhasen, um die beiden weiteren Preise nach Hause zu tragen: Turnierleiter Stefan Preuschat sicherte sich mit Verve den Preis für Spieler unter 2000 DWZ, und Dr. Irmin Meyer kämpfte sich unbeirrt auf den fünftletzten Platz, was ihm mit Fug und Recht den Spezialpreis der Jury einbrachte.

Hase
        Keine Geschenke von den alten Schachhasen

Der nächste Monatsblitz findet am 07.Januar statt. Gäste, Zuschauer und natürlich auch David Höffer sind wie immer herzlich willkommen!

Ein Stapel nicht gespielte Opfer auf e6
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Wieder mal ein Beitrag mit Leitmotiv "(kuriose) Multiplizität der Ereignisse" - wobei es diesmal nie tatsächlich passierte. Das Titeldiagramm kam so nicht aufs Brett und auch danach opferte Weiss konsequent nicht auf e6. Es ging im 11., 13.-15., 20. und 29. Zug - mit unterschiedlichen Motiven und Konsequenzen. Mitunter begebe ich mich auf ein recht niedriges Niveau, nämlich mein eigenes, heute gehe ich noch ca. 350 Elopunkte weiter runter. Die Partie wurde an Brett 6 unseres letzten Mannschaftskampfes gespielt; die beteiligten Spieler haben einiges gesehen und einiges nicht. Ich habe da leicht reden da ich Computer befragte - anders sehe auch ich nicht (jedenfalls nicht auf Anhieb bei knapper Zeit) was alles hinter den Kulissen blieb.

Genug der Vorrede. Weiss war nominell klar besser, aber Schwarz (mein Teamkollege) gewann - insgesamt verdient da er über weite Strecken der Partie besser stand.

Gerco Stapel (Aartswoud 3, Elo 1734) - Co van Heerwaarden (En Passant, Elo 1476) 0-1

1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 a6 5.Sc3 e6 6.Le3 Sf6 7.Lc4 Die Eröffnung lasse ich mal unkommentiert - keine Hauptvariante, aber sie sind halt keine Grossmeister. 7.-Dc7 8.Lb3 b5 9.a3 Lb7 10.f3 Le7?!

Stapel van Heerwaarden move 11

 

 

 

 

 

 

 

Vorsichtiger war zunächst 10.-Sc6 (dann geht wenn nötig -Sxd4) oder 10.-Sbd7 nebst -Sc5; -Le7 nebst Rochade kann man auch noch etwas verzögern. Denn nun ging 11.Lxe6!? fxe6 12.Sxe6 Dd7 13.Sxg7+ und wir haben das Titeldiagramm. Computer haben hier lieber Weiss - auf dem Niveau dieser Spieler gilt vielleicht: wenn Schwarz so etwas gerne spielt, kann er das Opfer durchaus erlauben. Weiss spielte stattdessen 11.0-0 0-0 12.Dd2 Td8!? Das ist Mädchenschach, die letzte Datenbank-Partie stammt aus der panamerikanischen Meisterschaft U18 Girls anno 2001. Co van Heerwarden kannte diese Partie nicht und meinte zu 12.-Td8 "so spiele ich immer" - aber es erlaubte mal wieder ein Opfer auf e6:

Stapel van Heerwaarden move 12

 

 

 

 

 

 

 

13.Lxe6!? fxe6 14.Sxe6 Dd7 15.Sxd8 Dxd8 - wie ist das einzuschätzen? Ich bin mir nicht sicher, mit welcher Farbe ich lieber spielen würde - Tendenz am Vereinsabend war "Weiss steht etwas besser", das sehen Houdini und Stockfish auch so. Partie: 13.Df2 Sbd7 14.Tac1?! Eine "Neuerung", die Gerco Stapel im Nachhinein nicht gefiel. Ausflug nach Guaymallen in Argentinien: In der Stammpartie Maciel Etienne - Ramos geschah 14.Dg3 Sh5? 15.Dh3 Shf6

Maciel Ramos

 

 

 

 

 

 

 

und hier liess Weiss sich nicht lumpen: 16.Sxe6! fxe6 17.Dxe6+ Kh8 18.Tad1??! (18.Dxe7 mit klarem Vorteil ging, die weisse Dame kommt zurück ins Spiel. Zugegeben, 18.-Te8 19.Df7 Te5!? 20.La2! Tf8 21.Db3 ist etwas krumm, aber ganz gratis bekommt man/frau zwei Mehrbauern nun auch wieder nicht.) So gewann später Schwarz - die Partie und letztendlich das Duell gegen den letzten Platz im Turnier. Daniela Ramos aus Paraguay wurde 18., Erline Maciel Etienne aus Costa Rica 19. - nur Freilos landete noch hinter den beiden, musste allerdings (unfair) alle Partien mit Schwarz spielen. Bekannteste Teilnehmerin wurde übrigens Lorena Zepeda aus El Salvador - nicht weil sie im Turnier 50% erzielte, sondern weil sie später Loek van Wely heiratete. Zurück in die Provinz Noord-Holland, Aartswoud liegt da mittendrin.

14.-Tac8 und nun tauchte Weiss 20-30 Minuten ab. Er dachte vielleicht "warum habe ich eigentlich Tac1 gespielt?" - das sagte ich am Vereinsabend und ein anderer Clubkollege meinte "ja, derlei passiert mir auch ab und zu". Ein Computervorschlag (jedenfalls bei niedriger Suchtiefe) ist 15.Tcd1!? - aber das (einen Fehler sofort zugeben und korrigieren) machen nur ziemlich starke oder ziemlich schwache Spieler? 15.Lxe6 ging immer noch, stattdessen kam 15.Sce2?! Sc5 Computer wollen sofort 15.-d5 spielen 16.La2 d5 17.exd5 Eine Computeridee ist 17.e5!? Dxe5 18.Lf4 Dh5 19.Sg3 Dh4 - schwarze Dame auf Abwegen, aber so recht glauben sie selbst auch nicht an weisse Kompensation. 17.-Sxd5 18.b4 Sxe3 musste nicht unbedingt sein 19.Dxe3 Sd7

Stapel van Heerwaarden move 19

 

 

 

 

 

 

 

Und nun wollen Engines 20.Lxe6!? spielen - Weiss steht etwas schlechter, also Remis forcieren nach 20.-fxe6 21.Dxe6+ Kf8 22.Df5+ Kg8 23.De6+ usw. (22.-Ke8 ist zumindest unklar nach 23.Se6 oder eventuell auch 23.Dxh7). Dabei geben sie Schwarz nach 20.-Ld6!? oder 20.-Te8!? trotz Minusbauer leichten Vorteil, da Weiss nun mit 21.Lxd7 auch den zweiten Läufer abtauschen muss. Stattdessen geschah 20.c4 (aktiviert immerhin den Tc1) 20.-bxc4 21.Txc4 Db6 22.Tfc1 Txc4 23.Lxc4 Sf6(?) - besser 23.-Lf6 oder 23.-Ld6 denn:

Stapel van Heerwaarden move 23

 

 

 

 

 

 

 

Nun ausnahmsweise kein Opfer auf e6, sondern 24.Sf5!? Dxe3 25.Sxe3 mit Ausgleich. Dazu musste Weiss sich gegebenenfalls durchringen - jedenfalls wenn er wusste, dass er klarer Elofavorit war. 24.Df2 - auch das entfesselt den Springer, aber das schwarze Läuferpaar bleibt gefährlich. 24.-Sd5 24.-a5! um den Le7 zu aktivieren. 25.Lb3? h6? [Besser war 25.-Lg5! 26.f4 Sxf4! 27.Sxf4 Dxd4 28.Dxd4 Txd4 29.Tc7 Lxf4 30.Txb7 Td3 - das musste man alles sehen, und auch dass auf der Grundreihe vorläufig nichts droht] 26.Kf1? [Hier ging 26.Sc6! Lxc6 27.Dxb6 Sxb6 28.Txc6 Td6 29.Txd6 Lxd6 und das ist nun wirklich remis] 26.-Lg5! 27.Tc5 Le7? [Der Tc5 gefiel Schwarz nicht, aber nun konnte er den Spiess umdrehen und selbst via Feld e3 klaren Vorteil bekommen: 27.-Le3! was in allen Varianten Material gewinnt, z.B. 28.Dh4 Sf6 29.Lc2 (29.Tc4 Ld5 30.Tc3 Lxb3 31.Txe3 Lc4) 29.-e5 30.Sf5 Lxc5 31.bxc5 Dxc5 32.Sxh6+ gxh6 33.Dxh6 Dd6. Und selbst wenn man nicht schnell Material gewinnt, steht der Läufer auf e3 einfach gut.] 28.Tc1 Sf4?

Stapel van Heerwaarden move 28

 

 

 

 

 

 

 

Und hier ging, zur Abwechslung, 29.Sxe6! Dxf2+ 30.Kxf2 Sxe6 31.Lxe6 fxe6 32.Tc7 mit Rückgewinn der Figur und Mehrbauer. Allerdings kam 29.Sxf4 Txd4 30.Sd3?! (30.Se2 Td6 31.Dxb6 Txb6 mit Ausgleich) 30.-Lf6 [besser war 30.-Dd8 31.Se5 a5 32.bxa5?! Lxa3 33.Ta1 Lc5 das Idealfeld für den Läufer 34.a6 Lxa6+ 35.Txa6 Td1+ 36.Lxd1 Lxf2] 31.Sc5 La8 32.Dg3 a5! endlich! 33.bxa5 Db5+ (laut Engines genauer als das ebenfalls gute 33.-Dxa5) 34.Kg1 Td8 35.a6? Db6? [35.-Ld4+ 36.Kh1 Lxc5 war besser - ab hier wird es öfters recht suboptimal] 36.Kh1 Le7 37.De5 Ld5 38.Sb7 Lxb7 39.axb7 Dxb7? [genauer war 39.-Dxb3 - da dann auch 40.-Td1+ droht kann man den b-Bauern auch im nächsten Zug verhaften] 40.La2 Ld6 41.De3 Db2 42.Lb1 Lxa3 43.Te1 Td2 44.De4 g6 [44.-Txg2 war gut - Schwarz muss weder 45.Dh7+ Kf8 46.Dh8+ Ke7 fürchten noch 45.Da8+ Lf8] 45.Dh4 Kg7 46.Dg3 Lc5 47.Tf1 Ld6 48.Dg4 De5 [besser 48.-Db5 oder 48.-h5 49.Dg5 Dd4, jeweils mit Mattangriff - ich verzichte mal auf nähere Varianten] 49.f4 Db5 50.Df3 Lc5 51.Te1 Tf2 52.Dc3+ Kh7 53.Ld3 Lb4? denn das Endspiel ist für Schwarz nicht unbedingt gewonnen 54.Lxb5 [54.Dc7 De8 ist für Weiss auch einigermassen OK] 54.-Lxc3 55.Td1? Txf4 Jetzt ist das Endspiel für Schwarz gewonnen, der Schluss war noch nett: 56.g3 Tf2 57.Lc6 Kg7 58.Kg1 Tc2 59.Le8 Kf8 60.Lb5 Ke7 61.Td7+ Kf6 62.Kh1 Lb4 63.Td1 Tf2 64.Td3 Lc5 65.Td7 Kg5 66.Lc4 Kg4 67.La6 Kh3

Stapel van Heerwaarden move 67

 

 

 

 

 

 

 

0-1

Falls der Eindruck entstand, dass ich mich über die Spieler lustig mache - dem ist nicht so. Aber ich finde es faszinierend, was in der Partie alles ging - hier gibt es sie komplett zum Durchklicken.