Juni 2015
Taming wild chess openings von John Watson und Eric Schiller
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Taming wild chess openings von John Watson und Eric Schiller

IM John Watson hat vor ein paar Jahren mit „Geheimnisse der modernen Schachstrategie“ und „Schachstrategie in Aktion“ zwei legendäre Bücher geschrieben und ist auch ansonsten mit regelmäßigen Beiträgen, unter anderem bei ICC, in der Schachwelt unterwegs. Erwähnenswert ist noch, dass sogar anerkannte Trainer aus dem früheren „Ostblock“ seine Arbeiten lobend erwähnen, was sehr selten ist, wenn es um britische oder amerikanische Autoren geht. FM Eric Schiller hat auch schon mehrere Bücher geschrieben, die zwar mit viel Engagement erstellt wurden, jedoch nur mittelmäßig waren. Das Team hat mich daher neugierig gemacht.

Die Kurzfassung: Das Buch ist eine beeindruckend umfassende schachliche Freakshow: Nahezu alle bekannten ungewöhnlichen Schacheröffnungen sind hier auf über 420 Seiten dargestellt, inklusive mindestens einer brauchbaren Variante, um dagegen in Vorteil zu kommen. Bizarre Eröffnungen begegnen dem Vereinsspieler immer wieder, ob durch Anfänger, Provokateure oder schlicht Freunde außergewöhnlicher Partien. Nicht jeder hat einen guten Trainer an der Hand, der einem ein gutes Patentrezept gibt oder eine gute Datenbank, aus der man eine Widerlegung durch starke Spieler ziehen kann. Wenn man im Vorfeld einer Partie von einer bestimmten Eröffnung hört oder in der Nachbereitung etwas lernen will, hat man hier ein nützliches Werkzeug.

Es werden neben den zahlreichen schlechten Eröffnungen auch viele spielbare, aber schlecht aussehende Eröffnungen und einige gute, aber ungewöhnliche Eröffnungen besprochen. Dabei findet man nicht nur die Unterteilung der Autoren in „good“, „bad“ und „ugly“ (frei nach dem berühmten Italowestern, der in Deutschland „Zwei glorreiche Halunken“ heißt) und die Namen der seltsamen Eröffnungen am Anfang des Buches, sondern auch ein übersichtliches, nach den Anfangszügen gegliedertes Variantenverzeichnis am Ende des Buches. Innerhalb einer jeden Eröffnung werden neben kurzen Anmerkungen auch viele Subvarianten abgehandelt, damit man ein vollständigeres Bild bekommt. Die Vorschläge sind nachvollziehbar und gut gewählt – die Absicht der Autoren ist, vorzugsweise leicht zu merkende und risikofreie Varianten anzubieten, die Ausgleich gegen die spielbaren und Vorteil gegen die schlechten Eröffnungen bringen.

Kann man sich die vorgeschlagenen Varianten für ca. 120 zum Teil sehr schräge Eröffnungen merken? Wohl nicht. Muß man das unbedingt, um ein besserer Spieler zu werden? Unwahrscheinlich. Lernt man was davon? Wenn man es richtig macht – die Analyse der Eröffnungen entlang den geltenden Eröffnungsprinzipien dürfte unter Anleitung den schlechteren Spielern Spaß und Wissen bringen. Ist es aus Lerngründen besonders effizient? Nein. Macht es Spaß, sich diese Varianten durchzulesen? Ungemein! Man braucht dafür nur etwas „Schachhumor.“

Fazit: Das ideale Geschenk für jeden halbwegs humorvollen oder neugierigen Schachspieler. Ein irre amüsantes Buch, sofern man Gefühl für Ironie und Ästhetik von Schachzügen hat! Außerdem ein hilfreiches, aber nicht notwendiges Nachschlagewerk für alle Seltsamkeiten der Eröffnungsgeschichte. Ich würde es trotzdem jedem Schachspieler schenken, für den ich ein Geschenk bräuchte und der schachlichen Humor hat oder sich für exzentrisches Schach als Entertainmentoption begeistern kann.

Die Sterne sind dieses Mal erklärungsbedürftig: Weil wir hier ein Schachblog sind und dieses Buch aus schachlicher Sicht nicht in der Bibliothek sein muss, nur 3 Sterne.

Sterne3

Gesponsort wurde dieses Buch vom Schachversand Niggemann (schachversand.de).

Dennis Calder

Fide Instructor, Juni 2015

Bundesliga in der Provinz
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Nun die Lage in der stärksten Liga der Welt – der deutschen Bundesliga - wird ja kontroversiell in vielen Foren diskutiert. Viele Rückzüge von Mannschaften, Aufstiegsverzicht, etc und dahinter steckt meist, dass die Finanzierung der Mannschaft nicht so leicht zu sichern ist. Öffentliche Kassen sind meist klamm und private Sponsoren ziehen sich oft bald wieder zurück, weil sie erkennen müssen, dass sie eigentlich Mäzene sind und der Werbewert dem eingesetzten Geld nicht einmal annähernd nahe kommt. Aber das ist ja alles bekannt und wurde schon unendlich oft durchgekaut – also zur Frage: wie läuft das im kleinen Österreich ab? Immerhin haben die Österreicher gerade im Zillertal das deutsche Prinzen-Mitropacupteam 3:1 geschlagen!

Im kleinen Österreich spielen 12 Mannschaften in der Bundesliga, die früher Staatsliga hieß, und aus den darunterliegenden drei 2. Bundesligen steigt jeweils eine Mannschaft auf und daher müssen die letzten drei der Bundesliga in die entsprechenden Zweitligen absteigen. Rückzüge gibt es sehr selten und auch das Aufstiegsrecht wird meist in Anspruch genommen. Aber dennoch ist auch hier nicht alles eitel Wonne, denn wirft man einen genaueren Blick auf die abgelaufene Saison 2015/15, so muss man erkennen: die Bundesliga findet in der Provinz statt.

2015AUT BL01

Die vier bevölkerungsreichsten Bundesländer, die fast 60% der gemeldeten Schachspieler haben und auch wirtschaftliche Schwergewichte sind, stellten gerade mal eine einzige Bundesligamannschaft und das war der Aufsteiger Grieskirchen aus Oberösterreich! Die Hauptstadt Wien, das Schach-Präsidentenbundesland Steiermark und Niederösterreich hatten gar keine Mannschaft in der vergangenen Bundesligasaison. Außer einer Mannschaft aus Salzburg kommt keine weitere Mannschaft aus einer Landeshauptstadt. Kärnten und Tirol stellen mit sieben Mannschaften mehr als die Hälfte der Bundesligisten und nur noch das kleinste Bundesland das Burgenland stellt zwei Mannschaften.

Tirol profitiert von der Nähe zu Deutschland und verfügt auch über einen entsprechenden wirtschaftlichen Hintergrund. Anders sieht die Lage im Burgenland und in Kärnten aus, denn dort gibt es höhere Sportförderungen und man braucht weniger Sponsorgelder, um den Spielbetrieb aufrecht zu erhalten. Das Burgenland profitiert hier von seiner Grenzlage im Osten und war nach dem EU-Beitritt elf Jahre lang „EU Ziel 1-Gebiet“ und wurde daher besonders gefördert, um das Burgenland wirtschaftlich aufholen zu lassen.

In Kärnten, das ein Drittel der Bundesligamannschaften stellt, sieht die Sachlage etwas anders aus – auch dort sind es die öffentlichen Sportförderungen, die manches erleichtern, aber es gibt dort auch traditionell eine starke Schachszene und mit Markus Ragger kommt der stärkste Österreicher aus Kärnten. Zudem finden in diesem beliebten Urlaubsland auch viele Schachturniere rund um das Jahr statt.

International in die Schlagzeilen kam Kärnten aber auch, weil der Rechtspopulist Jörg Haider bis zu seinem Unfalltod 2008 dort langjähriger Landeshauptmann war und dort ein System aufbaute, dass unter anderem zum Problemfall Hypo-Alpe-Adria führte, was Kärnten nun regelmäßig auch in die internationalen Schlagzeilen bringt. Das Bundesland hat aufgrund von damals gegebenen Haftungen massivste finanzielle Probleme und gilt daher als Griechenland Österreichs und auch hier wird über eine Insolvenz nachgedacht. Zudem gab Kärnten auch sonst einfach zu viel Geld aus und muss nun aufgrund von Bundesvorgaben massiv sparen! Davon sind nun auch die Sportförderungen sind betroffen und es wird also interessant zu beobachten werden, wie die Kärntner Vereine es schaffen werden, diese Gelder durch private Sponsorengelder zu ersetzen – ich denke mal, die Chancen dafür sind - auch wenn es schwierig wird - doch aufgrund der traditionell starken Schachszene gegeben.

Kommen wir zum Abschluss noch zur Frage, wer spielt den in der österreichischen Bundesliga? Nun in Summe sind die Nicht-FIDE Österreicher mit 58% klar in der Mehrheit, die stärkste Einzelnation sind aber doch die Österreicher gefolgt von den Deutschen und den Kroaten. Diese drei stellen mit einer satten ¾ Mehrheit das Gros der Bundesligaspieler.

2015AUT BL02

Und wie schlagen sich die Österreicher selbst in der Bundesliga?

2015AUT BL03

Naja nicht so toll! 42% der Spieler haben 41% der Bretteinsätze, steuern aber nur 36% der Punkte für ihre Mannschaften bei. Das ist aber auch nicht so schlecht, denn immerhin können internationale Erfahrungen gesammelt werden.

Wie in Deutschland dürfte es auch hierzulande das Problem geben, dass die Bundesliga nicht nur die Öffentlichkeit nicht erreicht, sondern es nicht einmal schafft die Masse der Schachöffentlichkeit in ihren Bann zu ziehen, denn wie sonst sollte man erklären, dass die Bundesligaklubs dort sind, wo die wenigsten Schachspieler wohnen und auch FIDE-Österreicher de facto Legionäre im eigenen Land sind?

Warum schafft man keine Fanbindung? Bei Einzelspieler gibt es starke Fanlager und auch bei Nationalmannschaften gibt es starke Emotionen, wie beispielsweise gerade jetzt, wo die Österreicher die Deutschen 3-1 schlagen, werden Erinnerungen an Cordoba wach. Oder auch wenn man sich die Diskussion rund um Arkadij Naiditsch und einen möglichen Föderationswechsel ansieht – auch wenn man sich von manchen Äußerungen in diesem Zusammenhang mit Grauen abwenden muss. Aber warum schafft man so wenig emotionale Bindungen an Bundesligamannschaften oder noch schlimmer: warum sind diese so vielen Schachfreunden schlicht weg egal?

Leider kann man diese Frage nicht so leicht beantworten, weil die Gründe wohl vielschichtig sind, aber ich denke alle Beteiligten sollten darüber nachdenken und nach Verbesserungen suchen und dabei nicht den Fokus auf eigene Befindlichkeiten und kurzfristige Vorteile legen, sondern das Problem so objektiv wie möglich ausleuchten, denn funktionierende Meisterschaften sind das Hauptanliegen vieler Schachspieler an die Verbände!

Monatsblitz: Drei Werderaner unter den ersten Vier
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Einmal mehr hat sich David Höffer vom Delmenhorster SK als fast unbezwingbarer Löwe erwiesen, der sich tapfer in ein stark besetztes Spielerfeld stürzte und am Ende mit 13 von 14 möglichen Punkten als Sieger des Juni-Monatsblitzturnieres hervorging. Wie man es auch anstellte, Höffer holte den Punkt, und allein Matthias Krallmann, dem Trainer des SVW, war es vorbehalten, die grün-weiße Vereinsehre noch ein wenig zu verteidigen, als er in einem dramatischen Blitz-Finish mit nur noch wenigen Sekunden auf der Uhr David Höffers König in ein Mattnetz treiben konnte.
Auch durch diese starke Leistung sicherte sich Krallmann den zweiten Platz (11,5/ 14 Pkt), vor Sven Charmeteau und Joachim Asendorf, die sich mit einem halben Punkt dahinter den dritten Rang teilten. Somit eroberten drei Werderaner einen der vier vorderen Plätze - doch auch wenn das schon einmal gut klingt, so gebührt Ruhm und Ehre doch vor allem dem sympathischen Gast vom Traditionsverein Delmenhorster SK, der sich auch beim parallel laufenden Werder-Open im klassischen Turnierschach eine Runde vor Schluss an die Spitze gearbeitet hat.

Den einmal mehr sehr ehrenvollen fünftletzten Platz in einem 15-köpfigen Klassement eroberte Turnierleiter Stefan Preuschat, der wie alle anderen vierzehn sehr kämpferische Partien bestritt, zwischen den Runden aber zugleich auch den Fortgang des Turniers akkurat dokumentierte und somit ohne Pause weiter konzentrieren musste. Den Abend verbrachte er somit in steter Daueranforderung– Dank und Anerkennung dafür, Stefan!

In der Gesamtwertung führt nach sieben von acht Runden David Höffer vor Matthias Krallmann. Im Juli entscheidet sich, wer den Grand-Prix-Preis Best of Six erhalten wird – Gäste und Zuschauer sind herzlich eingeladen, bei der letzten Runde am 01.Juli mit dabei zu sein!

The modern Scotch Opening von Parimarjan Negi
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Chessbase hat mir eine DVD zur Rezension gegönnt. Weil mir eine brauchbare theoretische Lektüre für den Schotten fehlte, habe ich mir diese DVD ausgesucht.

Der Inder Negi gehört zur neuen Generation indischer Super-Großmeister (aktuelles Elo-Rating: 2669) und beschäftigt sich in ca. 6 Stunden und über 30 Video-Lektionen zuzüglich einigen Übungsvideos mit der schottischen Eröffnung. Diese Chessbase DVD liefert über das moderne Medium „Video“ jede Menge leicht verdauliche Schachinformation. In verständlichem Englisch erläutert Negi sämtliche gängigen Eröffnungsvarianten im Schotten (1. e4 e5 2. Sf3 Sc6 3. d4 exd4).

Nicht ganz so gelungen finde ich, dass die einzelnen Lektionen entweder aus Sicht von Weiß oder Schwarz aufgebaut sind. Dadurch wird es schwerer, die objektiv kritischen Varianten und Pläne zusammen zu bringen. Auch wirkt es etwas lässig, wenn Negi in einigen Varianten „let´s make some more moves“ sagt und dann sehr schnell tatsächlich ein paar Züge spielt, um danach die Stellung bzw. Pläne zu beschreiben. Das wirkt nicht sorgfältig vorbereitet, selbst wenn klar ist, dass der Super GM auch auf die Schnelle nur gute Züge macht. Auch kommt es mir eigenartig vor, wenn er in zahlreichen Varianten einen deutlichen weißen und in manchen einen deutlichen schwarzen Vorteil feststellt, obwohl die Statistiken in der schottischen Eröffnung nicht so einseitig sind. Schließlich beendet Negi häufiger seine Varianten schon nach 13 bis 15 Zügen, so dass man nicht so viel Einsicht in die entstehenden Mittelspiele bekommt, wie man es sich wünschen würde.

Aber das ist Nörgeln auf hohem Niveau. Durch die Beschreibung der Pläne und Strukturen habe ich sehr schnell das Gefühl bekommen, diese Eröffnung gut spielen zu können – natürlich bezogen auf mein schachliches Niveau. Und zwar deshalb, weil Negi sehr anschaulich und sehr konkret auf die jeweiligen Pläne eingeht und sie hervorragend darstellt. Und das ist eine starke Leistung für Videolektionen, auch wenn es satte 6 Stunden sind. Diese DVD geht damit über den berühmten „ersten“ Einblick in eine Eröffnung weit hinaus. Eine empfehlenswerte Arbeit für Spieler ab einem Rating von 1500 aufwärts.

Dennis Calder

Fide Instructor, Mai 2015

Sterne4

http://de.chessbase.com/post/parimarjan-negi-the-modern-scotch-opening

Weiss am Zug, was tun?
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Auch bei der derzeit noch laufenden französischen Mannschaftsmeisterschaft wurden viele interessante Partien gespielt, aber eine hat mich besonders fasziniert und bietet mehr als genug Stoff für einen Artikel. Bevor ich die Spieler vorstelle und die gesamte Partie bespreche, heute eine doppelte Aufgabe zum Titeldiagramm: 1) Was ist der bei weitem beste Zug für Weiss? 2) Warum nicht das - in der Partie gespielte - 33.Lxe5 Lxe5 34.Txf7 ? Kleiner Hinweis: Wer 2) findet, kann eventuell auch 1) leichter finden.

Beteiligt sind Sebastien und Ivan. Sebastien ist vermutlich auch in Frankreich nicht allzu bekannt - Nachname ist nicht Feller (der wieder mitspielen darf) sondern Tranchant. Er hat Elo 2275 und spielt in Frankreich offenbar vor allem Mannschaftskämpfe, ab und zu auch ein Open. Ausserhalb Frankreichs hat er offenbar noch nie gespielt [für derlei Dinge verwende ich BigDatabase, nicht um mich auf eigene Gegner vorzubereiten]. Ivan ist in mindestens drei Ländern recht bekannt, aber wohl auch in einigen anderen wie z.B. Deutschland. Gemeint sind seine alte Heimat Bosnien, seine Wahlheimat Niederlande sowie die Vereinigten Arabischen Emirate wo er inzwischen als Trainer tätig ist. Nachname ist Sokolov, Elo ist momentan 2623 - war mal knapp über 2700, ist auch nach diesem Turnier (oder jedenfalls im Moment virtuell) mehr da er mit insgesamt 7/9 durchaus erfolgreich spielte. Aber in dieser Partie ist kein Klassenunterschied erkennbar, sonst hätte ich sie nicht ausgewählt. Legen wir los - die Gefahr, dass ich mich später im Chaos der Computervarianten verzettele ist reell, das nehme ich in Kauf. Wer sich zunächst nur die Diagramme anschauen will: maple-braun wie üblich sind Stellungen die tatsächlich auf dem Brett standen, metallisch grau sind Varianten die hinter den Kulissen blieben. Nicht dass letztere nicht interessant sind, aber irgendwie will ich das optisch voneinander trennen. Etwas übersichtlicher und mit, der Reihe nach, allen Diagrammen, gibt es das auch hier. Und auf der Startseite unter dem 'Teaser' zum Artikel gibt es auch die pgn-Datei (keine Ahnung, warum sie da als pgn.txt steht - ich mache das zum ersten Mal ...).

Tranchant (2275) - GM Sokolov (2623)

1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sc3 Lb4 4.e3 Tranchant spielt nicht im Stile seines Namens (Tranchant bedeutet "scharf", bzw. a double tranchant ist zweischneidig). Mit Schwarz spielt er Benoni, mit Weiss wird heute der Gegner für die nötige Schärfe sorgen. 4.- 0-0 5.Sge2 Te8 6.a3 Lf8 7.Sg3 d5 8.Le2 g6 9.0-0 h5

Tranchant Sokolov move 9

 

 

 

 

 

 

 

Schon haben wir das erste Diagramm. Der Grossmeister geht offenbar nicht davon aus, dass sein Gegner irgendwann freiwillig eine Figur oder auch nur einen Bauern einstellen wird, sondern wird aktiv. Wann genau er den Bogen überspannen wird, ist mir etwas unklar. 10.f3 c5 11.dxc5 h4 12.Sh1 ein hässliches Feld für den Springer, aber nur vorübergehend 12.- Lxc5 13.b4 Ld6 14.Lb2 Sc6 15.Sf2 siehe Kommentar zum 12. Zug 15.- Lf8 warum nicht bereits im 12. Zug? Aber der (potentielle) Verlustzug ist es sicher nicht. 16.Te1 Lg7 17.Db3 d4 18.Tad1 e5 19.Sb5

Tranchant Sokolov move 19

 

 

 

 

 

 

 

Warum nun nicht 19.-a6 um den Springer zu vertreiben? Das war wohl aus schwarzer Sicht am besten, allerdings muss Weiss dann nicht reumütig 20.Sc3 spielen sondern hat 20.exd4 axb5 21.dxe5 Sd7 22.cxb5  (22.f4!? Dc7 23.cxb5 Sd8 24.Tc1 mit viel Kompensation für die Figur geht auch) 22.-Scxe5 (22.-Scb8 oder 22.-Sa7, jeweils 23.Lc4 überlebt Schwarz nicht - Material hin oder her)23.f4 mit Rückgewinn der Figur und einem einigermassen gesunden Mehrbauern für Weiss.

In der Partie kam 19.-Sh5?! 20.c5! Ab hier steht Schwarz schlecht, solange der Gegner richtig fortsetzt. 20.-Tf8 21.Lc4 h3?! konsequent aber nicht gut 22.g4 Dh4

 

 

 

 

 

 

 

Nun hat Weiss ein (Luxus-)Problem: Soll ich oder soll ich nicht? Er spielte 23.gxh5? - es gab Besseres, nämlich A) 23.Sd6 (hat er doch mit 20.c5 vorbereitet) mit totaler Dominanz, z.B. 23.-dxe3 24.Txe3 und ich breche hier ab, oder auch B) 23.exd4 exd4 24.gxh5 (erst jetzt - der Unterschied wird gleich deutlich:) 24.-Dg5+ 25.Sg4 Lxg4 26.fxg4 Dxg4+ 27.Dg3 Dxh5 Schwarz hat hier nicht genug für die Figur). Des Pudels Kern ist, dass Weiss die dritte Reihe geöffnet hat und damit den schwarzen Königsangriff abfedern kann. Warum hat Schwarz eigentlich (jedenfalls ein bisschen) Königsangriff, obwohl sein Damenflügel noch schläft? Der Läufer kann oft sofort mit Schach eingreifen, und die Türme sind in dieser Stellung ohnehin kaum einsatzfähig.

23.-Dg5+ 24.Kf1 muss jetzt sein 24.-e4!

Tranchant Sokolov move 24

 

 

 

 

 

 

 

Und nun? Mut (plus Intuition und/oder genaue Berechnung war angesagt), nämlich 25.Ke2 und nun A) 25.-exf3+ 26.Kd2 Dxh5 27.Kc1 Dh4 28.Td2

Tranchant Sokolov variante 25Ke2

 

 

 

 

 

 

 

Alles ist gedeckt, und der "lang rochierte" weisse König steht ziemlich sicher. Oder (statt 26.-Dxh5) 26.-Dg2 27.Tf1 dxe3+ 28.Dxe3 Lxb2 29.hxg6 Lf5 30.gxf7+ Kh7

Tranchant Sokolov variante 25Ke2II

 

 

 

 

 

 

 

Bevor Schwarz mit -Tad8+ aktiv wird (was man ohnehin mit Sd6 abfedern kann) ist Weiss dran: 31.Ld3 Lxd3 32.Dxd3+ usw. B) Sofort 25.-Dg2 27.Tf1 dxe3+ 28.Dxe3 Lxb2 29.hxg6 ähnlich wie in der gerade erwähnten Variante.

In der Partie geschah 25.hxg6? exf3? - Pflicht war 25.-Dg2+ 26.Ke2 d3+

Tranchant Sokolov variante 25 Dg2I

 

 

 

 

 

 

 

Nun gibt es einen Verlustzug (27.Dxd3??) und drei Alternativen, die Engines alle mit 0.00 bewerten:

A) 27.Kd2 Dxf2+ 28.Kc1 d2+ 29.Txd2 Dxe1+ 30.Kc2

Tranchant Sokolov variante 25 Dg2II

 

 

 

 

 

 

 

Warum das trotz schwarzem Mehrturm total ausgeglichen ist - weiter habe ich nicht rechnen lassen ..... .

B) 27.Lxd3 exf3+ 28.Kd2 Dxf2+ 29.Kc1 Dxb2+ 20.Dxb2 Lxb2+ 31.Kxb2 fxg6 - Quasi-Endspiel mit ausgeglichenem Material, hier setze ich mal kein Diagramm.

C) 27. Txd3 exd3+ 28.Dxd3 Lxb2 29.gxf7+ Kg7 30.Db1 Le5 31.Tg1 Lxh2 32.Txg2+ hxg2 

Tranchant Sokolov variante 25 Dg2A

 

 

 

 

 

 

 

Und auch das ist ausgeglichen, wobei die Varianten noch weiter gehen ... .

Zurück zur Partie: (25.-exf3?) 26.gxf7+ Kh8 27.Te2? Vielleicht empfindet der Leser diverse Fragezeichen als übertrieben, aber sie entsprechen nun einmal der objektiven Wahrheit. Pflicht war für Weiss 27.Sg4! Lxg4 28.Td2- so ähnlich hatten wir das schon einmal, nur dass Weiss hier die zweite Reihe räumt und sich auf dieser verteidigt. 27.-Dg2+?

Findet ein Mensch den Computerzug 27.-Txf7! ? Idee ist, den Lc4 abzulenken (und nebenbei einen weissen Gegentrumpf zu beseitigen sowie die f-Linie zu öffnen). Zum Beispiel A) 28.Lxf7 Dg2+ 29.Ke1 fxe2 30.Lc4 (30.Lf7xe2 ist illegal!) 30.-Df1+ (noch besser ist offenbar 30.-Le6 mit erneuter Ablenkung) usw., oder hier 30.Kxe2 Lg4+ (hatte ich erwähnt, dass der Lc8 nur auf diese Chance wartete?) 31.Kd2 Dxf2+ 32.Kc1 Lxd1 33.Dxd1 Dxf7 und hier hat Schwarz schlicht und ergreifend einen Turm mehr.

Oder B) 28.Sd6 fxe2+ 29.Kxe2 Lg4+ (siehe oben) 30.Sxg4 Dxg4+ 31.Kd2 Tf2+ 32.Kc1 Taf8 Schwarz hat das Kommando übernommen.

In der Partie kam, wie gesagt, 27.-Dg2+? 28.Ke1 fxe2 29.Lxe2 und das ist, nach all den Aufregungen, ausgeglichen - aber Sokolov entkorkte 29.-Se5? und nun wurde die Stellung plötzlich turmfreundlich, einen hat Weiss ja noch: 30.Txd4 (einen halben Zug zuvor noch nicht spielbar) 30.-Txf7 Schwarz hat auch einen mitspielenden Turm, aber nur vorübergehend: 31.Th4+! Kg8 32.Tf4 Dg6 und wir haben das Titeldiagramm, hier nochmals:

Tranchant Sokolov move 32

 

 

 

 

 

 

 

Was tun? Richtig ist 33.Sc7!- warum sehen wir gleich im Lichte der falschen Partiefortsetzung. Und, um nur eine Variante zu nennen, nach 33.-Lf5 nicht materialistisch 34.Sxa8 (34.-Le6 35.Dd1 Td7 36.Ld4 Lh6 usw. - die verbleibenden schwarzen Figuren sind koordiniert, die weissen nicht), sondern 34.e4 Dg1+ 35.Lf1 Tc8 36.exf5 Tcxc7 37.f6 Sg6 38.Sxh3 Dxh2 39.Tg4 Weiss gewinnt.

Sebastien spielte das durchaus verlockende 33.Lxe5? Lxe5 34.Txf7 und rechnete vielleicht damit, dass der Gegner aufgibt:

Tranchant Sokolov move 34

 

 

 

 

 

 

 

Dummerweise - aus weisser Sicht - muss Schwarz nicht 34.-Dxf7? 35.Lc4 spielen, sondern hat den Zwischenzug 34.-Le6! . Ab hier war die Stellung durchweg ausgeglichen, der Rest und auch alles bereits Erwähnte daher nur hier zum Durchklicken. Ich habe auch einen pgn-file zum runterladen - wer will, kann die gesamte Partie mit oder vielleicht gar ohne Computer noch weiter analysieren.

Das Ganze war ein für mich neues Experiment - ob ich ähnliches noch einmal machen werde und dann womöglich anders aufbaue/strukturiere, weiss ich noch nicht. Um nochmals auf Schmidts Kommentar zum letzten Artikel einzugehen: War es unterhaltsam? Für mich ist es eine sehr unterhaltsame Partie - wenn das nicht unterhaltsam ist, was ist unterhaltsam?? Ist es auch lehrreich?

Da hole ich etwas aus: Letzte Saison hatte ich vereinsintern den Auftrag, die gemeinsame Analyse des letzten Mannschaftskampfs vorzubereiten. Das hiess acht Partien in Chessbase eingeben und Computer dazu befragen - nur so kann man, kann jedenfalls ich bei beschränkter Zeit untersuchen, was in den Partien los war und welche Momente kritisch waren. Das fiel grob in drei Kategorien: 1) Computer waren mit dem Gebotenen weitgehend einverstanden - das gibt es gelegentlich auch bei Spielern mit Elo unter 2000. 2) Verbesserungen fallen in die Kategorie "das hätte man selber sehen können" und "ähnliche Ideen oder Motive kann man bei anderer Gelegenheit vielleicht selbst anwenden". 3) Computer-Vorschläge sind "absurd" oder "unmenschlich", Ideen/Motive sind so speziell dass man sie kaum recyclen kann.

Für mich und die Zielgruppe Elo unter 2000 (zu der ich inzwischen selbst gehöre) bot Tranchant-Sokolov jede Menge drei und eventuell ein bisschen zwei bis zweieinhalb. Darunter fällt am ehesten der 23. und 33. Zug von Weiss, nach dem Motto "keine Eile mit (vermeintlichem) Materialgewinn" sowie zwei Klischees mit wahrem Kern: 1) Wenn Du einen (vermeintlich) guten Zug siehst, suche nach einem besseren; 2) "Die Drohung ist stärker als die Ausführung". Keine Regel ohne Ausnahme: Bei Bok-Commercon im letzten Beitrag musste Weiss seine Chance sofort nutzen, ansonsten war sie dahin. Schach ist schwierig, Schach ist faszinierend.


Partie zum Online nachspielen 

The Soviet Chess Primer - Ilya Maizelis
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Wenn die beiden Ex-Weltmeister Karpov und Kasparov über das Buch sagen: „Ein bemerkenswertes Buch, durch das ich Schach gelernt habe“ und „ein wundervolles Buch“, sind das üppige Vorschusslorbeeren.

Über den Autor ist nicht viel in Erfahrung zu bringen. Geboren 1894 und gestorben 1978 gehörte Maizelis noch lange nicht zur Generation Internet. Er hat mit Yuri Averbakh zusammen ein paar Endspielbücher geschrieben. Wenn Averbakh als ausgewiesener Experte für Endspiele Maizelis ins Boot holt, kann er so schlecht nicht gewesen sein.

Das Buch lehrt den absoluten Anfänger, wie man Schach lernen soll. Das Englisch ist für jeden leicht verständlich, wobei gelegentlich (selten) ein drolliger russischer Satzbau einfließt, obwohl ein Brite die Übersetzung gemacht hat. Es ist eine Übersetzung des Soviet-Klassikers - daher der Name - aus der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts ins Englische und damit kein neues Buch. Im Original liefert kein Geringerer als Weltmeister Emanuel Lasker ein üppiges Vorwort. Weil es ein Lehrbuch ist, muss es auch angenehmerweise nicht neu, sondern nur gut sein. Dementsprechend fängt Maizelis bei Adam und Eva an und hangelt sich dann systematisch zu komplexeren Themen weiter. Dabei ist er stets strukturiert. Am Ende der Kapitel gibt es Fragen / Aufgaben und ein paar sogenannte „Entertainment pages“. Diese stehen im weiteren Sinne mit dem Thema des abgeschlossenen Kapitels in Verbindung und sind in der Tat sehr amüsant und interessant. Es werden z. B. Kurzpartien mit groben Fehlern gezeigt und kurz kommentiert, um spielerisch zu erkennen, warum bestimmte Strukturen / Aufbauten schlecht sind und was man mit den einzelnen Figuren so alles anfangen kann, wenn die Stellungen passen. Pädagogisch ist das allererste Sahne, weil man so die Lerneinheiten auflockert und den Spaßfaktor erhöht. Die Aufgaben sind auch für Fortgeschrittene Spieler nicht immer leicht zu lösen. Auch für mich waren immer wieder neue Erkenntnisse dabei. Dieses Buch liefert folglich wirklich eine Menge Stoff zur Verbesserung und sorgt dabei außerdem noch für gute Stimmung!

Ganz klar das beste Buch für Anfänger, das mir bisher in die Finger geraten ist. Eigentlich sollten alle Spieler unter 1800er Rating dieses Buch mindestens ein Mal durchgearbeitet haben. Gesponsort wurde dieses erstklassige Buch vom Schachversand Niggemann (schachversand.de).

Dennis Calder

Fide Instructor

Sterne5

1972 war ein gutes Jahr
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Endlich ist es soweit! Ein Film bahnt sich den Weg in die Kinos, auf den ich schon lange gewartet habe. Wir kehren zurück zum Schach-Match des Jahrhunderts, Bobby Fischer gegen Boris Spassky in Reykjavik 1972, und können bald schon diese große Geschichte im Kino noch einmal nacherleben.

Lange, lange schon war Pawn Sacrifice (Bauernopfer) angekündigt. Doch während er sich offenbar entspannt auf diversen Festivals tummelte, fand man beim Wühlen im Netz nurmehr kleine Werbeschnipsel und sah nie mehr als einzelne Bilder - doch nun hat das Warten ein Ende, und auch das ständige gespannte Nägelkauen. Der Film läuft im Herbst in den USA an, und hier, für unsere treuen Leser, ist nun der erste Trailer.


Im Zentrum von Pawn Sacrifice steht das große WM-Match 1972, doch geht es auch um die Vorgeschichte, Bobbys Jugend, seine Exzentrik in den Turnieren auf dem Weg zur Meisterschaft, und - selbst wenn es traurig ist zu sehen - die anwachsende Paranoia, die auch durch den Gewinn des Weltmeister-Titels leider nicht befriedet wurde. 

In ersten Kritiken heißt es, dass der Film handwerklich recht solide seine Geschichte vorträgt, wenngleich ohne viel erzählerische Kreativität. Macht aber nichts, denn das Setting der 60er und 70er Jahre scheint mir hervorragend eingefangen mit viel Liebe zum Detail (und hoffen wir, mit richtig aufgebauten Schachfiguren), und sowohl Tobey Maguire als Bobby Fischer und fast mehr noch Liev Schreiber als brummiger Boris Spassky machen es dem Zuschauer leicht, sich auf den Film einzulassen.  

BobbyFischer1960inLeipzigUlrichKohls
Der echte Bobby Fischer sehr stilvoll bei der Olympiade in Leipzig, 1960 (Bild: Ulrich Kohls)

Wer bis zum Filmstart in Deutschland schon mehr über Bobbys schwierige Beziehung mit der Welt und seine psychische Erkrankung erfahren möchte, dem sei mit "Facing Bobby Fischer" ein längerer Artikel von Dirk Jan ten Geuzendam im neuen New in Chess ans Herz gelegt.

hsv

  Soweit zum schachlichen Teil dieses kleinen 
  Artikels - nun kommt Fußball, denn es gibt ja (aus
  norddeutscher Sicht) noch etwas zu feiern!
  Der HSV gewann gestern mit einem knappen 2 : 1
  das zweite Relegationsspiel in Karlsruhe und bleibt
  damit zumindest für ein weiteres Jahr in der ersten
  Liga. Hurra!
  Wenn auch manche (Karlsruher und viele
  Bremer) den Sieg für nicht verdient halten, und der
  Hamburger Freistoß in den letzten Sekunden des  
  Spiels wohl eher eine glückliche Fügung war, so
  kam die Rettung für den HSV noch gerade eben in
  der letzten Minute des Spiels - in letzter Minute nach
  51 Jahren und rund 270 Tagen in der Fußball-
  Bundesliga. Glück gehabt, Hamburger,
  aber auch gut gekämpft bis zum Schluss. Das
  zweite Relegationsschweinchen ist Euch gewiss!
  Es ist bitter für den Karlsruher SC, doch wie im
  Schach ist die Partie erst beendet, wenn der
  Gegner aufgibt.
  An alle KSCer - nächstes Jahr seid Ihr dann an der
  Reihe mit dem Aufstieg!