PK&K Präsident Krause und Krennwurzn
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Mittwoch, 26 Mai 2021 17:51

PK&K Präsident Krause und Krennwurzn

„Gegen“ und als Streitgespräch tituliert war die letzte Begegnung der Krennwurzn mit dem DSB Präsidenten Ullrich Krause hier in der Schachwelt. Von seinen Konkurrenten wird dem Präsidenten Krause gerne vorgeworfen, dass er Konflikten aus dem Weg geht oder diese durch Kommunikation im Schneckentempo lösen wolle. Die Krennwurzn hatte also keine große Hoffnung als sie eine Interviewanfrage an den Präsidenten schickte. Aber im Leben kommt es zweitens immer anders als man erstens denkt. Voila …

Krennwurzn:
In unserem ersten Gespräch waren wir bezüglich DSIM und DSOL konträrer Meinung. Ich muss vorab einmal zum Erfolg der beiden Veranstaltungen herzlich gratulieren, ich hätte nicht gedacht, dass diese so gut angenommen werden! Aber ich wäre nicht die Krennwurzn, wenn ich nicht sagen würde, dass ich bezüglich Cheating doch Recht gehabt habe.
Keine Angst ich möchte in diesem Gespräch nicht auf die technischen Hintergründe eingehen, sondern Sie als Präsident fragen: Was läuft im Schachbetrieb falsch, dass ein doch signifikanter Prozentsatz von Schachspielern unter Klarnamenangabe und in offiziellen Meisterschaften keine Scheu haben zu betrügen?

Ullrich Krause:
Vielen Dank für die Gratulation! Bevor ich Ihre Frage beantworte, möchte ich auf einige Unterschiede zwischen den beiden Meisterschaften hinweisen. Wir haben die Deutsche Schachinternetmeisterschaft (DSIM) mit einem relativ langen Vorlauf eingeführt: Der entsprechende Antrag an unsere Mitgliederversammlung (den sogenannten Hauptausschuss) wurde Ende 2018 angenommen und die Mehrheit war zu meiner Überraschung alles andere als deutlich, was auf gewisse Berührungsängste seitens der Delegierten in Bezug auf das Online-Schach schließen lässt. Die erste Durchführung der DSIM war dann 2020, zurzeit läuft gerade die Neuauflage 2021. Die Deutsche Schach-Onlineliga (DSOL) haben wir nach Beginn der Pandemie-begründeten Einschränkungen des Vereins- und Spielbetriebes im Frühjahr 2020 quasi aus dem Boden gestampft und ich habe bisher von keinem Landesverband gehört, dass das keine gute Idee gewesen wäre. Das zeigt mir zweierlei: Erstens erfordern besondere Situationen auch besondere Maßnahmen und zweitens scheint es seitens unserer Mitglieder, also der Landesverbände, inzwischen – möglicherweise auch Pandemie-bedingt - eine gewisse Annäherung an das Online-Schach gegeben zu haben. Ich wiederhole noch einmal meine Aussage aus unserem ersten Gespräch: Online-Schach ist meines Erachtens eine ebenso sinnvolle wie wichtige Erweiterung des Portfolios, das der Deutsche Schachbund und seine Vereine den Mitgliedern anbieten können, es ist weder ein Ersatz für das „richtige“ Spielen am Brett noch sollte man es als Gefahr für das traditionelle Schach betrachten.

Nun zu Ihrer Frage: Eine kurze Google-Suche hat ergeben, dass es zum Beispiel beim Go dieselben Probleme (und dieselben Lösungsansätze) für das Problem des Cheatings gibt. Insofern scheint mir das leider weit verbreitete Cheating beim Online-Schach kein spezifisches Problem des Schachbetriebes zu sein, sondern ist eher mit der Redewendung „Gelegenheit macht Diebe“ zu erklären: Es gibt nun einmal erschwingliche spielstarke Schachprogramme und das gilt anscheinend auch für Go. Man müsste Ihre Frage also als Ausgangspunkt einer grundsätzlichen gesellschaftspolitischen Diskussion betrachten, und das ist vermutlich nicht Sinn und Zweck dieses Gespräches. Ich gehe aber davon aus, dass der Prozentsatz an Cheatern beim anonymen Online-Schach deutlich höher ist als bei den Turnieren, bei denen man unter Klarnamen spielt, weil auch der potenzielle Schaden für die Betrüger deutlich höher ist.

Krennwurzn:
Doch gerade diese „gesellschaftspolitischen Diskussion“ mit konkretem Schachbezug wollte ich anstoßen, weil ich der Meinung bin, dass wir mit Technik und Strafen allein das Problem nicht lösen werden können. Aber es besteht ja die Gefahr, dass sich Cheating via Onlineschach auch mehr und mehr ins OTB-Schach einschleicht. Daher bräuchten wir wohl eine zusätzliche Kampagne a la DON'T DRINK AND DRIVE und das ist dann wohl eine klare Aufgabe für den DSB – vielleicht sogar mit der FIDE und anderen Verbänden.

Ullrich Krause:
An sich ist die Lösung des Problems ganz einfach: Wenn alle Spieler unter Beobachtung stehen, indem sie während der Partien durchgehend ihre Web-Cams anschalten, kann niemand mehr betrügen, ohne dass es auffällt. Bei den Top-Turnieren wird das genau so gehandhabt. Wir sprechen hier allerdings über Breitenschachturniere mit Teilnahme einiger Spitzenspieler. Die Teilnehmerzahlen bei der DSIM und bei der DSOL kann man wie von Ihnen erwähnt als großen Erfolg betrachten, aber ich bin sicher, dass die oben genannte Vorgabe dafür sorgen würde, dass deutlich weniger Spieler an diesen Turnieren teilnehmen, und zwar nicht, weil sie keine Webcam haben, sondern weil sie nicht bereit wären, diese die ganze Zeit anzuschalten – immerhin spielen die meisten Spieler in ihren privaten Räumlichkeiten. Ein zweites Problem ist die Anzahl der Schiedsrichter, die notwendig wären, um Hunderte von Webcams gleichzeitig zu überwachen. Und last but not least wären Turniere mit längerer Bedenkzeit streng genommen dann auch nicht mehr möglich, weil man bei jedem Gang zur Toilette konsequenterweise genullt werden müsste. Das bedeutet, dass wir mit diesem Problem leben und uns so gut wie möglich gegen die Betrüger wehren müssen, um die vielen ehrlichen Spieler zu schützen, die ja glücklicherweise immer noch in der ganz überwiegenden Mehrheit sind.

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Ihre Befürchtung, dass das Thema Cheating jetzt auch zu einem Problem beim „normalen“ Schach werden könnte, habe ich auch schon in anderen Gesprächen gehört. Das Argument geht in die Richtung, dass die vielen Online-Betrüger, die jetzt unentdeckt bleiben, sich dann auch animiert fühlen, denselben Betrug beim „richtigen“ Turnierschach vorzunehmen. Ich halte das für wenig wahrscheinlich, weil man am Brett im Unterschied zum Online-Schach ja immer unter Beobachtung steht und weil die dort gültigen Regeln (Handy am Mann oder an der Frau führt zum sofortigen Partieverlust) inzwischen etabliert und akzeptiert sind. Aber ganz ausschließen kann man das natürlich nicht.

Die Fairplay-Kampagne der Deutschen Schachjugend ist ein sehr schönes Beispiel dafür, wie dieser Wert bereits bei Kindern und Jugendlichen vorgelebt und dann hoffentlich auch übernommen wird. Wir sind gerade dabei, die Erkenntnisse der vergangenen DSOL-Saison zu analysieren und werden bei der nächsten Auflage mit Sicherheit einiges anders machen. Eine Möglichkeit wäre in der Tat, den Fairplay-Gedanken auch und gerade beim Online-Schach zu betonen, gerne auch in Kooperation mit der DSJ.

Krennwurzn:
Ok – dann bräuchte man noch einen griffigen Slogan zum Fairplay – vielleicht in Zusammenhang mit der DSJ wie als Punkt in Ihrem Wahlprogramm angegeben. Bleiben wir noch ein wenig in unangenehmen Gefilden und starten mit den Punkten Compliance und Kommunikation. Da möchte ich kurz zum Thema Dr. Marcus Fenner nachfragen. Da gibt’s ja immer wieder heftig aufflammende Diskussionen über seine akademischen Titel und seine tatsächlich bei der FIDE nicht verzeichneten schachlichen Titel. Warum ist der DSB nicht in der Lage dieses natürlich teilweise lächerliche Miniproblem kommunikationstechnisch zu lösen?

Ullrich Krause:
Die von Ihnen erwähnte Debatte über die akademischen Titel unseres Geschäftsführers wurde durch Dritte an uns herangetragen. Wir haben Dr. Marcus Fenner schon mehrfach auch öffentlich unser volles Vertrauen ausgesprochen und ich tue das an dieser Stelle gerne noch einmal. Dem von Ihnen verlinkten Beitrag kann man entnehmen, dass unser Geschäftsführer an den FIDE-Seminaren (FIDE Arbiter und International Organizer) erfolgreich teilgenommen hat. Er hat übrigens auch die dazugehörigen Prüfungen bestanden. Dr. Fenner hat die beiden Titel allerdings nicht bei der FIDE beantragt und das auch nie behauptet. Warum diese in der Tat lächerliche Diskussion von einigen wenigen Personen immer wieder eröffnet wird, kann ich Ihnen nicht sagen.

Krennwurzn:
Die wichtigeren Problemfelder in puncto Compliance, Kommunikation sind natürlich die Nationalmannschaften (Programmpunkt Leistungssport). Da haben sich Beteiligte auf offener Bühne so manche Schlammschlacht geliefert und der DSB hat da meist keine gute Figur abgegeben – langsame Reaktion und dann auch noch falsch reagiert. So sehen es jedenfalls viele Kritiker. Der Streit Pähtz-Meier liegt schon einige Zeit zurück, aber der Verbandswechsel von Georg Meier ist immer noch am Tisch und bei Elisabeth Pähtz gibt es ja da noch die Causa mit dem offiziellen Lichess-Account und der Weigerung einiger Nationalspieler mit ihr in einer Mannschaft zu spielen.

Ullrich Krause:
In Ihrer Frage kommt ein Begriff vor, der von vielen Außenstehenden verwendet, aber häufig nicht richtig verstanden wird: „Der DSB“ besteht aus den Mitgliedsorganisationen, also im Wesentlichen aus den Landesverbänden, die wiederum aus den Vereinen bestehen. Aber ich nehme an, dass Sie das aus (seit der Ausgründung der DSJ) fünf Personen bestehende DSB-Präsidium meinen und ich möchte jetzt gerne der Reihe nach auf die von Ihnen angesprochenen Punkte eingehen.

Die Auseinandersetzung zwischen Elisabeth Pähtz und Georg Meier war von beiden Seiten keine Meisterleistung. Von der Geschichte rund um Elisabeths Lichess-Account habe ich schon länger nichts mehr gehört, weder auf einem offiziellen Kanal noch von den Nationalspielern. Elisabeth hat mir in einem persönlichen Gespräch mitgeteilt, dass sie sich in beiden Fällen falsch verhalten hat und sie hat Besserung gelobt. Das DSB-Präsidium sah in beiden Fällen keinen Handlungsbedarf in Richtung etwaiger Sanktionen gegenüber Elisabeth. Im Rahmen unserer Gespräche mit den Kaderspielern und der damit einhergehenden Neuausrichtung des Bereiches Leitungssport haben wir auch festgelegt, dass es einen Verhaltenskodex für die Kaderspieler geben wird, der uns zukünftig in die Lage versetzen wird, auf ein Fehlverhalten entsprechend zu reagieren, ohne dass wir quasi im luftleeren Raum agieren müssen, was das Ausmaß einer Sanktion angeht.

Zum Wunsch von Georg Meier, den deutschen Verband in Richtung Uruguay zu verlassen, möchte ich mich etwas ausführlicher äußern, weil ich nicht sicher bin, ob Ihnen und Ihren Lesern alle Details bekannt sind. Jeder Verbandswechsel beginnt mit einem Antrag der aufnehmenden Föderation an die abgebende und der damit einhergehenden Bitte, den Spieler bzw. die Spielerin freizugeben. Es fallen dann drei Gebühren für die aufnehmende Föderation an: Eine Bearbeitungsgebühr, eine Wechselgebühr und eine Entschädigungsgebühr, deren Höhe sich nach der ELO-Zahl richtet. Die ersten beiden Gebühren werden an die FIDE gezahlt, die dritte an die abgebende Föderation. Die ersten beiden Gebühren fallen in jedem Fall an, die dritte entfällt nach einer Frist von zwei Jahren. Für den Fall, dass die dritte Gebühr nicht gezahlt wird, darf der Spieler bzw. die Spielerin die neue Föderation also erst nach zwei Jahren vertreten – Einsätze in anderen Turnieren sind aber zulässig. Im Dezember 2020 gab es einige Änderungen im FIDE-Handbuch: Die Bearbeitungsgebühr beträgt nur noch 50 Euro und die Zwei-Jahres-Frist beginnt nicht mehr mit dem Tag der Antragstellung, sondern mit dem Tag des letzten Einsatzes des Spielers bzw. der Spielerin für die abgebende Föderation. Die Entschädigungsgebühr ist allerdings unverändert geblieben und die Empfehlung der FIDE beträgt im Fall eines Spielers mit einer ELO-Zahl zwischen 2.600 und 2.700 einen Betrag von 30.000 Euro. Beide Föderationen können sich aber auch auf einen anderen Betrag verständigen oder darauf, dass die Entschädigungsgebühr entfällt.

Georg Meier hat einen Antrag an das Präsidium gestellt, dass wir im Falle seines Wechsels nach Uruguay auf diesen Betrag verzichten sollten. Meine persönliche Meinung in solchen Fällen ist, dass man Reisende nicht aufhalten kann, wenn das Tischtuch vollständig zerschnitten ist. Im Fall von Georg Meier scheint mir das nach einigen Mails, die er mir im vergangenen Jahr geschickt hat und nach etlichen Tweets, die er danach abgesetzt hat, der Fall zu sein.

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Mit dieser Meinung war ich bei der entsprechenden Diskussion im DSB-Präsidium nicht allein. Der Bundesrechtsberater hatte uns allerdings darauf hingewiesen, dass man die Auffassung vertreten könnte, wir würden dem DSB mit dem Verzicht auf die Entschädigungsgebühr einen finanziellen Schaden in nicht unerheblicher Höhe zufügen. Falls uns jemand deshalb erfolgreich verklagen würde, müssten wir (d.h. die BGB-26-Vertreter des DSB) darüber hinaus privat haften, weil man aufgrund der durch den Bundesrechtsberater erfolgten juristischen Beratung nicht mehr von Fahrlässigkeit sprechen könnte. Ob eine solche Klage Aussicht auf Erfolg hätte, kann ich als juristischer Laie nicht beurteilen, aber der Bundesrechtsberater hat uns empfohlen, dieses Risiko nicht einzugehen und unsere Mitglieder über den Antrag von Georg Meier entscheiden zu lassen, also durch einen entsprechenden Antrag an den DSB-Kongress, damit die BGB-26-Vertreter des DSB auf keinen Fall haftbar gemacht werden können. Andreas Jagodzinsky – der im Dezember 2020 zurückgetretene DSB-Leistungssportreferent -, der Georg Meier in dieser Angelegenheit anwaltlich gegenüber dem DSB vertritt, hatte sich auch mit dieser Vorgehensweise einverstanden erklärt. Nach den oben erwähnten Änderungen am FIDE-Handbuch wäre Georg Meier allerdings schon Ende des Jahres und nicht erst in zwei Jahren für Uruguay spielberechtigt und Andreas Jagodzinsky hat uns mitgeteilt, dass deshalb auch kein Antrag an den Kongress gestellt wird. Bisher haben wir allerdings auch noch keine Anfrage der uruguayischen Föderation erhalten.

Ich bin mir sehr sicher, dass jeder der von Ihnen erwähnten Kritiker in diesem Fall genauso entschieden hätte und nicht das Risiko einer privaten Haftung in fünfstelliger Höhe eingegangen wäre.

Vermutlich ist hier wie an vielen anderen Stellen das Problem, dass die Hintergründe dieser Entscheidung nicht jedem dieser Kritiker bekannt sind. Das ist in der Tat ein Defizit unserer Kommunikation, das wir in der kommenden Wahlperiode in Angriff nehmen möchten, indem wir einen Pressesprecher installieren, der solche Zusammenhänge der interessierten Öffentlichkeit ausführlich erläutern kann. Ehrenamtlich ist es nämlich nicht zu leisten, alle Presseanfragen zu beantworten, die an einen Verband unserer Größenordnung gerichtet werden.

Krennwurzn:
Aber lassen wir die Vergangenheit jetzt hinter uns und wenden wir uns der Zukunft zu, denn in dieser wird sich unser Schachleben hoffentlich abspielen. Wie sehen Sie und der DSB den Neustart nach Corona und wie wollen Sie den Schwung durch das „Damengambit“ und den Onlineboom mitnehmen?

Ullrich Krause:
Wir haben in den letzten Monaten viele Interviewanfragen beantwortet, bei denen es genau um dieses Thema ging. Ich möchte an dieser Stelle auch noch einmal auf meine Mitteilung auf der DSB-Webseite vom Oktober 2020 hinweisen.

Die bereits seit Jahrzehnten bestehende Möglichkeit, online Schach zu spielen, ist ein deutliches Alleinstellungsmerkmal des Schachsports im Vergleich mit allen anderen Sportarten. Sehr viele Menschen haben in der Corona-Zeit angefangen, Schach zu spielen oder haben das Schachspiel nach einer längeren Pause wieder für sich entdeckt: Die Mitglieder- und Zugriffszahlen der Online-Schach-Server sprechen eine deutliche Sprache. Die großartige Netflix-Serie „Damengambit“ hat mit Sicherheit ihren Teil dazu beigetragen. Das bedeutet, dass der von allen Sportvereinen ersehnte Neustart nach Corona für den Schachsport unter speziellen Vorzeichen steht. Zusätzlich zu den schon vorhandenen Mitgliedern der Vereine werden voraussichtlich viele neue Schachspieler und Schachspielerinnen die Angebote unserer Vereine wahrnehmen und es liegt an den Vereinen, diese neuen Mitglieder zu integrieren. Das zählt zu den Standardaufgaben unserer Vereine, aber die Besonderheit besteht darin, dass es sich auch und vor allem um Erwachsene handeln wird. Alle Schachvereine sollten sich deshalb jetzt schon überlegen, inwieweit die vorhandenen Angebote auch für erwachsene Anfänger greifen, die man anders ansprechen muss als Kinder und Jugendliche und die vermutlich auch andere Ziele haben. Diese erwachsenen Anfänger sind nicht daran interessiert, möglichst schnell eine Wertungszahl zu erlangen und diese dann ebenso schnell zu verbessern. Es geht eher darum, in Ruhe eine Partie Schach zu spielen, also insbesondere ohne Uhr, und nach einem anstrengenden Arbeitstag die entschleunigenden Aspekte des Schachspiels zu genießen. Unsere dringende Empfehlung an alle Vereine ist deshalb, schon jetzt über alternative Angebote nachzudenken, möglicherweise sogar an einen zweiten Spielabend nur für erwachsene Anfänger, wenn das möglich ist.

Der DSB hat seinen Vereinen schon diverse Angebote in Form von Vorträgen und Diskussionsmöglichkeiten unterbreitet und wir setzen diese Reihe am 30. Mai mit dem nächsten Workshop fort. Ein Vorteil dieses langen Lockdowns ist es, dass Instrumente wie Videokonferenzen inzwischen allgemein akzeptiert sind, und dass man diese problemlos aufzeichnen kann. Wir haben diese Aufzeichnungen auf unserem YouTube-Kanal zur Verfügung gestellt.
Eine weitere von uns geplante Maßnahme ist die Einbindung der bekannten Schach-Streamer, deren Zugriffs- und Abonnentenzahlen in den letzten fünfzehn Monaten stark gestiegen sind. Idealerweise sollten diese Streamer dann auch die für uns selbstverständliche Botschaft verbreiten, dass Schach im Verein am schönsten ist.
Alles in allem sehen wir dem Neustart sehr optimistisch entgegen und wir gehen davon aus, dass sich der Rückgang bei den Mitgliederzahlen, den wir zum Jahresbeginn 2021 feststellen mussten, in den nächsten Jahren ins Gegenteil verkehrt und dass wir dann wieder eines der Ziele unseres Verbandsprogramms verfolgen können, nämlich die Mitgliederzahl auf mehr als 100.000 zu steigern.

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Krennwurzn:
100.000plus hat ein ehemaliger Kandidat als zu klein gedachtes Ziel gesehen und mit 1 Million eine utopisch erscheinende Zielzahl vorgegeben. Aber hat er nicht doch ein wenig Recht, dass wir uns etwas zu klein darstellen - gerade mit dem Blick welchen Boom das Damengambit und Corona ausgelöst haben und welche Zahlen im Internet möglich sind?

Ullrich Krause:
Wir haben auf dem Hauptausschuss im November 2019 das bereits erwähnte Verbandsprogramm verabschiedet, das seitdem die Richtung vorgibt, in die das Präsidium und die Referenten zusammen mit den Landesverbänden den Deutschen Schachbund steuern sollen. Auch wenn sich das Dokument für einen Außenstehenden vielleicht etwas sperrig anfühlt, war das in meinen Augen ein sehr wichtiger Schritt, um die Ziele, die wir gemeinsam verfolgen, endlich einmal nachverfolgbar abzubilden. Mein Vorgänger Herbert Bastian hatte ebenfalls die Idee, ein solches Programm zu etablieren, es ist ihm aber nicht gelungen, dieses durch unsere Gremien verabschieden zu lassen. Das Verbandsprogramm ist explizit als „lebendes Dokument“ konzipiert und kann jederzeit durch das Präsidium und die Referenten angepasst werden, wobei alle Änderungen durch unsere Mitgliedsverbände bestätigt werden müssen. Den aktuellen Stand des Programms kann man sich in der Kongressbroschüre anschauen.

Im Verbandsprogramm gibt es zu den aktuell 24 Themen neben den konkreten Zielen jeweils eine Vision, also ein übergeordnetes zeitunabhängiges Ziel, das streng genommen nicht erreicht werden kann, dass aber die Antriebsfeder für unser Handeln darstellen sollte. Im Fall des Themas „Mitgliederentwicklung“ lautet diese Vision: „Jeder Einwohner Deutschlands, der die Schachregeln beherrscht, ist Mitglied im Deutschen Schachbund.“ Diese Vision geht über die von Christian Kuhn genannte Zahl von 1.000.000 Mitgliedern sogar noch hinaus – aber um das noch einmal klarzustellen: Das ist die Antriebsfeder unseres Handelns und kein konkretes, in einem definierten Zeitraum erreichbares Ziel. Insofern gebe ich ihm recht: Wir können ruhig größer denken, auch wenn ich persönlich das Erreichen der Marke von 100.000 Mitgliedern als erstes Ziel in den kommenden zwei Jahren schon als sehr zufriedenstellend empfinden würde.

Ich bin nach wie vor überzeugt davon, dass die einfachste Möglichkeit, Mitglieder in einer signifikanten Größenordnung hinzuzugewinnen, das Schulschach ist. Ich glaube außerdem, dass dies eine sehr realistische Möglichkeit ist. Die Schachvereine, die mit Schulen in ihrer Umgebung intensiv kooperieren, werden von schachspielenden Kindern geradezu geflutet. Wenn im Verein dann noch ein entsprechendes Spiel- und Trainingsangebot für die Kinder und Jugendliche vorhanden ist, ist das stetige Wachstum des Vereins vorprogrammiert. Ich habe zu diesem Thema bei der Bundesvereinskonferenz in Berlin im März 2017 (also noch vor meiner Wahl zum DSB-Präsidenten) einen Vortrag gehalten: Schachverein und Schachschule. Das Internetschach mit den vielen Anfängern, die dort mit Schach in Berührung gekommen sind, ist natürlich auch eine sehr gute Option, neue Mitglieder zu akquirieren, aber dieser Weg ist meines Erachtens schwieriger und die Zahlen sind auch nicht vergleichbar mit denen des Schulschachs. Ich hoffe, dass wir uns in den kommenden Jahren gemeinsam mit der Deutschen Schachjugend dieses Themas annehmen können, um gemeinsam dafür zu sorgen, dass wir die genannte Zahl von 100.000 Mitgliedern möglichst bald erreichen.

Krennwurzn:
Ich lese in Ihrem Wahlprogramm: "Die Bereiche Leistungssport, Ausbildung, Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit können von ehrenamtlichen Funktionären naturgemäß nicht vollumfänglich abgedeckt werden." Diese Forderung könnte eins zu eins von mir stammen und ich bin mir sicher, dass ich auch nicht der Erfinder bin. Das scheint sonnenklar zu sein, aber da kommen wir zu Satzungen und liebgewonnenen Traditionen und da die Landesverbände durch eine Professionalisierung reale Macht verlieren würden, besteht die Gefahr, dass die Umsetzung dieser Reformpunkte nach dem St. Nimmerleinstag erfolgen könnte. Ohne Ehrenamt ist eine Randsportart wie Schach undenkbar - ohne Professionalisierung könnten wir langfristig auf die Verliererstraße kommen - wie löst man diesen Spagat möglichst verletzungsfrei auf?

Ullrich Krause:
Eine Bemerkung vorweg: Es handelt sich nicht um mein Wahlprogramm, sondern um das meines Teams, zu dem Boris Bruhn, Carsten Schmidt und Ralph Alt gehören. Wir haben uns gemeinsam darauf verständigt, dass eine gesunde Mischung aus Haupt- und Ehrenamt, also aus Mitarbeitern und Funktionären, vor allem in den von Ihnen genannten Bereichen sinnvoll ist. Andere Bereiche wie Frauenschach, Seniorenschach, Wertungen, Schiedsrichterwesen, Spielbetrieb etc. können auch rein ehrenamtlich bedient werden, aber Leistungssport, Ausbildung, Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit erfordern eine professionelle Unterstützung der Ehrenamtler. Ich möchte kurz begründen, warum das unserer Meinung nach so ist: Im Bereich Leistungssport haben wir es mit Profis zu tun, deshalb sollten auch auf Seiten des Deutschen Schachbundes Profis agieren. Dasselbe gilt für den Bereich Kommunikation, soweit die Kommunikation mit den Medien, also mit professionellen Journalisten betroffen ist, die interne Kommunikation in Richtung der Landesverbände bleibt natürlich in der Hand der Ehrenamtler. Die Anforderungen an die Öffentlichkeitsarbeit sind in den letzten Jahren drastisch angestiegen: Die Berichterstattung muss auf diversen Kanälen und mit einer rasanten Geschwindigkeit erfolgen, das ist rein ehrenamtlich schlicht und ergreifend nicht zu leisten. Im Bereich Ausbildung sollten einige Prozesse professionalisiert werden, insbesondere, was den Bereich der digitalen Ausbildungsinhalte angeht.

Es geht uns nicht darum, die ehrenamtlichen Posten abzuschaffen. Wir brauchen nach wie vor die entsprechenden Referenten und Kommissionen, um die Arbeit der Profis zu unterstützen. Ein Beispiel: Unsere Mitarbeiter arbeiten in der Regel von Montag bis Freitag, was bei schachlichen Ereignissen an Wochenenden häufig dazu führt, dass Beiträge erst verzögert auf unserer Webseite erscheinen, während für ehrenamtliche Helfer genau das Gegenteil gilt. Ein anderes Beispiel: Die Ausbildung auf Landesebene kann nicht von Berlin aus gesteuert werden, hier brauchen wir nach wie vor die ehrenamtlichen Referenten. Auch im Bereich Leistungssport ergibt es Sinn, dass ein ehrenamtlicher Referent als zusätzlicher Ansprechpartner für die Spieler und Spielerinnen agiert und seine Ideen und Impulse einbringt.

Ich bin optimistisch, dass die Landesverbände diesen Weg mitgehen werden, denn eines ist natürlich auch klar: Wir können nicht das gesamte uns zur Verfügung stehende Geld für Personal ausgeben, d.h. es wird auch zukünftig nicht ohne die vielen ehrenamtlichen Funktionäre gehen. Es geht bei dieser Idee aus unserem Wahlprogramm eher darum, eine Diskussion darüber zu beginnen, an welchen Stellen das Ehrenamt an seine Grenzen stößt.

Krennwurzn:
Wir haben bis jetzt noch nichts Internationales gehört – es scheint Schach-Deutschland ist nur auf sich selbst konzentriert. Daher noch zwei internationale Fragen.
1. Das Verhältnis zur FIDE und internationale deutsche Aktivitäten?
2. Etwas utopisch, aber wäre es nicht sinnvoll in den Bereichen Leistungssport und/oder Öffentlichkeitsarbeit verstärkter im DACH Raum zusammenzuarbeiten und damit Synergien zum gemeinsamen Wohle zu nutzen?

Ullrich Krause:
1. Im Verbandsprogramm werden auch die Ziele bzgl. internationaler Beziehungen beschrieben, von denen einige sogar schon erreicht wurden, zum Beispiel die Verstärkung des Einflusses in den FIDE-Kommissionen. Aufgrund von Corona liegen die Aktivitäten allerdings in der Tat etwas auf Eis. Ich hatte 2019 die Gelegenheit, am Rande des Grenke-Opens mit dem FIDE-Präsidenten Arkadij Dvorkovich zu sprechen und war ebenfalls 2019 zu Gast bei der französischen Jugendmeisterschaft und habe dort Gespräche mit Bachar Kouatly geführt, dem damaligen Präsidenten der französischen Föderation. Diese persönlichen Gespräche sind natürlich durch keine Videokonferenz und durch kein Telefongespräch zu ersetzen, von denen es aber während der durch die Pandemie bedingten Einschränkungen auch viele gab, auch und gerade durch unseren Geschäftsführer Dr. Marcus Fenner. Generell kann man sagen, dass das Verhältnis zur FIDE und zur ECU sehr gut ist und dass wir durchaus damit rechnen können, dass auch wieder große schachliche Events wie das Kandidatenturnier 2018 und der Grand Prix 2019 nach Deutschland vergeben werden. Vielleicht ergibt sich beim nächsten FIDE- bzw. ECU-Kongress die Gelegenheit, einige weitere Funktionsträger in den Gremien der internationalen Schachorganisationen zu platzieren. Der Vizepräsident Verbandsentwicklung Boris Bruhn ist bei der ECU im Bereich Schulschach im Einsatz und engagiert sich im Rahmen des Projektes „Chess in Prison“. Alles in allem sind wir also durchaus aktiv und wir werden wie im Verbandsprogramm beschrieben diese Aktivitäten auch noch ausbauen.

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2. Österreich und die Schweiz sind naturgemäß diejenigen Föderationen, mit denen der DSB am engsten zusammenarbeiten sollte. Es gibt auch gemeinsame Aktivitäten, wie zum Beispiel den Mädchen- und Frauenschachkongress in Salzburg im vergangenen Jahr. Ich kann mir durchaus vorstellen, diese Zusammenarbeit in ausgewählten Bereichen zu intensivieren und werde diesen Vorschlag in unseren Gremien zur Sprache bringen. Das wäre auch eine gute Gelegenheit, mit den neuen Präsidenten der beiden Föderationen ins Gespräch zu kommen – es gibt ja sowohl in Österreich als auch in der Schweiz einen Wechsel an der Spitze: In Österreich ist der Amtsinhaber Christian Hursky nicht mehr zur Wahl angetreten und in der Schweiz wird eine Woche nach dem DSB-Kongress ein neuer Präsident gewählt, weil der amtierende Präsident Peter Wyss nach sechs Jahren nicht noch einmal kandidieren darf. Ich hatte mit beiden angenehme Gespräche und gehe davon aus, dass das auch mit ihren Nachfolgern so sein wird.

Krennwurzn:
Der nächste ordentliche Bundeskongress des Deutschen Schachbundes mit den Wahlen findet am 12. Juni in Magdeburg statt. Weder die Kandidatur noch der Rückzug von Christian H. Kuhn war der DSB-Homepage eine Newsmeldung wert, obwohl beides via Pressemitteilung professionell kommuniziert wurde. Nun kann man dieses Schwarz-Weiß-Denken zwar schachspezifisch nennen, aber ist so ein Freund-Feind-Schema nicht pures Gift für das Zusammenleben nach den Wahlen?

Ullrich Krause:
Bevor ich ihre Frage beantworte, ein kleines Update: Der Kongress findet online statt, weil die aktuelle Corona-Verordnung in Sachsen-Anhalt bis zum 13. Juni Mitgliederversammlungen nicht erlaubt. Nun zu Ihrer Frage: Als Christian Kuhn seine Kandidatur auf der Webseite des Berliner Verbandes bekannt gegeben hatte, lagen uns bereits Bewerbungen für andere Posten vor, die wir zu dem Zeitpunkt auch nicht veröffentlicht hatten. Der Grund dafür ist einfach: Wir wollten alle Kandidaturen gesammelt zu einem späteren Zeitpunkt bekannt geben – das ist der von Ihnen angegebene Link. Der Rückzug von Christian Kuhn wurde auf seiner persönlichen Webseite veröffentlicht und in der Tat genauso wenig von uns veröffentlicht wie andere zu dem Zeitpunkt bekannte Rückzüge von Amtsinhabern, die nicht mehr kandidieren werden. Auch diese Informationen haben wir konsolidiert und auf der bereits erwähnten Webseite kürzlich bekannt gegeben. Es hätte aber wenig Sinn ergeben, jetzt eine zwischenzeitlich nicht mehr existierende Kandidatur dort zu veröffentlichen.
Persönlich empfinde ich eine Kandidatur für meinen Posten nicht als feindlichen Akt, sondern als ganz normalen demokratischen Vorgang. Ich habe mit dem Präsidentschaftskandidaten des Jahres 2019, Uwe Pfenning aus Baden, ein ganz normales Arbeitsverhältnis, auch wenn wir nicht immer einer Meinung sind. Und ich hatte sowohl nach der von Christian Kuhn angekündigten Kandidatur als auch nach seinem Rückzug mehrere sehr angenehme Gespräche mit Paul Meyer-Duncker, dem designierten Nachfolger von Christian Kuhn in Berlin.

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Krennwurzn:
Mit Ihnen und Frau Olga Birkholz bewerben sich zwei Personen um das Präsidentenamt und auch um den Posten für Breiten- und Freizeitsport stehen Wolfgang Fiedler und Sandra Schmidt zur Wahl. Und da wird schon ein Teil des Problems DSB sichtbar: die wirklich Mächtigen bleiben im Hintergrund und das sind die Landesverbandspräsidenten. Wenn Sie als Präsident gewählt werden, dann ist ein Drittel Ihre Anhängerschaft, ein Drittel offene Gegnerschaft und ein Drittel haben Sie gewählt, weil Sie denen etwas versprochen haben. Natürlich ist das in der Realität nicht so plakativ und auch die Verteilung kann anders sein, aber das Problem bleibt: der Präsident ist doch ein wenig eine „lame duck“ und ohne Hausmacht schnell dem Feuer ausgesetzt. Müsste da nicht eine Satzungsreform ansetzen?

Ullrich Krause:
Mit Boris Bruhn, Carsten Schmidt und mir kandidieren drei ehemalige Landespräsidenten und es ist gelebte Praxis, dass ein Landespräsident nach seiner Wahl ins Präsidium oder kurz vorher sein Amt auf Landesebene abgibt – die wenigen Ausnahmen bestätigen diese Regel. Insofern kann ich ihre erste Aussage, dass die Landesverbandspräsidenten im Hintergrund bleiben, nicht nachvollziehen. Die von Ihnen beschriebene Aufteilung der Stimmenverhältnisse kann ich ebenfalls nicht bestätigen. Es gibt immer Delegierte, die den amtierenden Präsidenten nicht unterstützen, aber von offener Gegnerschaft würde ich nicht sprechen. Es gibt auch die von Ihnen erwähnten Anhänger, aber ich habe bei den drei Wahlen, bei denen ich bisher angetreten bin, niemandem irgendetwas versprochen – dazu reichen die Befugnisse des Präsidenten auch nicht aus, der nur sehr wenige Dinge allein entscheiden kann. Es gab jeweils ein Wahlprogramm mit Zielen, die mein Team für die kommende Wahlperiode für richtig und wichtig hielt, die allerdings häufig auch von den tatsächlichen Ereignissen übersteuert wurden. Als Beispiele möchte ich die Trennung von Dr. Jordan und die dadurch notwendige Neuausrichtung der DSAM und des Gipfels, die Eigenständigkeit der DSJ und Corona nennen, das waren alles Themen, die niemand vorhersehen konnte, die aber einen großen Teil der uns zur Verfügung stehenden Zeit beansprucht haben.

Wir planen in der Tat eine Satzungsreform, die auf dem Kongress in zwei Jahren beschlossen werden soll. Dazu geistern auch schon einige Ideen durch die DSB-Gerüchteküche, die zum Teil aber auch von anderen Personen ins Spiel gebracht wurden. Wenn es nach mir ginge, bilden wir zeitnah nach dem Kongress ein Gremium aus Vertretern des Präsidiums, der Landesverbände und Referenten, die dieses wichtige Thema in Angriff nehmen. Ich denke, es ergibt Sinn, wie beim Thema DEWIS-MIVIS Experten hinzuzuziehen, die keine Position im DSB innehaben. Ob es uns dann am Ende gelingt, eine Struktur zu finden, in der alle zusammen an den gemeinsamen Zielen arbeiten, wird man sehen.

Krennwurzn:
Ich danke Ihnen für das Interview und wünsche Ihnen alles Gute für Wahl!

Joachim Gries mit Krennwurzn über den DSB
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„So the winner takes it all and the loser has to fall“ sangen ABBA schon in den 70er Jahren. Zwar fragte die Krennwurzn schon vor der Wahl bei Joachim Gries wegen eines Interviews an, erhielt aber eine Absage allerdings auch mit der Aussicht darauf nach der Wahl vielleicht doch eines zu machen. Da die Wahl – je nach Sichtweise knapp oder klar – 109 zu 79 für Herbert Bastian ausging, schätzte die Krennwurzn die Chancen auf ein Interview mit Joachim Gries sehr gering ein. Aber man sollte es nicht für möglich halten auch eine Krennwurzn kann sich irren und es entstand ein hochinteressantes Gespräch über den DSB und Verbandsprobleme auch im Allgemeinen. Wer auf das Waschen von Schmutzwäsche in der Öffentlichkeit hofft, dem kann ich nur empfehlen hier mit dem Lesen aufzuhören.

Krennwurzn:
Erlauben Sie zuerst eine persönliche Frage - Sie hatten am Anfang des Jahres gesundheitliche Probleme mit dem Herzen geht es Ihnen jetzt wieder gut und könnten Sie sich den Schachfreunden ein wenig vorstellen?

Joachim Gries:
Ich bin am 01.11.1950 geboren, verheiratet seit 9.2.1976 mit meiner Ehefrau Petra Gries und habe 11 Kinder (6 Söhne und 5 Töchter). Von Beruf bin ich Studienrat mit den Fächern Mathematik und Sport, bin im Alter von 21 Jahren erstmals in einen Schachclub eingetreten (Schachfreunde Friedberg/Hessen). Parallel dazu habe ich zunächst von meinem 13. – 21. Lebensjahr gefochten (war 1971 - 12. in der deutschen Hochschul-Rangliste und hatte damals berechtigte Hoffnungen noch auf den Olympiazug nach München zu springen). Musste meine Fechterkarriere aber 1971 bedingt durch eine Meniskusverletzung abrupt beenden und da ich mein Sportstudium nicht an den "Nagel hängen" wollte bin ich auf Volleyball umgestiegen, das ich damals bereits als Hobby regelmäßig spielte. Im Zuge der wachsenden Begeisterung für dieses Spiel landete ich dann bei der SG Rodheim (Rosbach vor der Höhe bei Friedberg(Hessen) und wir schafften innerhalb von 6 Jahren den "Durchmarsch" von der Kreisklasse bis in die Regionalliga. Dort spielten wir fast 10 Jahre in einer unveränderten Formation und schafften es 1982 - 1984 in der 2.Bundesliga zu spielen. Bereits damals hatte ich vielfältige weitere zusätzliche Aufgaben wahrgenommen

  1. Abteilungsleiter Volleyball in der SG Rodheim
  2. Vereinsvorsitzender in der SG Rodheim
  3. Schiedsrichterobmann im hessischen Volleyballverband und Ausbilder von SR
  4. Staffelleiter in der Regionalliga
  5. Bundesliga Schiedsrichter

Während all dieser Jahre habe ich u.a. auch noch Schach, quasi als Ausgleichssport, in Friedberg, Klein Karben und Oberursel gespielt. Der größte schachliche Erfolg war dabei der Aufstieg der Schachfreunde Friedberg mit denen ich damals in die Oberliga aufgestiegen bin.

1986 musste ich meine aktive Volleyballkarriere einstellen, da ich massiv an Asthma erkrankte und durch mehrere Knieoperationen alle meine Menisci eingebüßt hatte. Die Arthrose in den Kniegelenken nahm damals "galoppierende" Geschwindigkeit auf. Somit erfolgte folgerichtig/zwangsläufig der Wechsel zum Schachsport (ab ca. 1987), in dem neben aktiven Spielen in den Mannschaftskämpfen vor allem der Aufbau und die Betreuung von Schulschach_AG`s zu meinen neuen Aufgaben gehörte.
1989 wurde ich in Hessen zum Ausbildungsreferenten gewählt, ein Amt, das ich bis heute wahrnehme und in dem neben der Trainerausbildung, der SR-Ausbildung vor allem auch die Lehrerfortbildung einen breiten Raum einnahm. Ab 1997 wurde ich Mitglied in der Lehrkommission des DSB und arbeitete dort bis 2007 aktiv mit, obwohl ich in den Jahren 2001 - 2003 noch zusätzlich Präsident in Hessen war.
2007 übernahm ich das Amt des Ausbildungsreferenten auf DSB-Ebene und übernahm dort anschließend das Amt als DSB Vizepräsident Sport (2011 - 2015) und bis 2015 auch zeitweise die kommissarische Leitung des Ausbildungsreferates, weil der gewählte Ausbildungsreferent wegen beruflicher Überlastung leider nicht zur Verfügung stand.

Bis Mai 2015 war ich Vizepräsident im DSB und kandidierte dann am Bundeskongress gegen Herbert Bastian, eine Entscheidung, die ich nach ein paar Tagen Abstand durchaus ambivalent sehe:

  1. Einerseits habe ich mir viel Stress und Ärger erspart, insbesondere im Hinblick auf die finanzielle Situation des DSB. Die Durchführung/Einberufung eines außerordentlichen Kongresses im Herbst dieses Jahres, in dem ein komplett neuer Haushalt vorgelegt werden soll, weil der bisher vorgelegte "nicht ab(zu)stimmungsfähig" war wirft ein bezeichnendes Bild auf die Gesamtsituation im DSB. Meine Ehefrau ist überglücklich darüber, (obwohl sie meine Kandidatur unterstütze und sich der zusätzlichen zeitlichen Belastung bewusst war), dass ich nunmehr nicht mehr in dem bisherigen Maße mit Schachthemen gebunden bin. Insbesondere der teilweise aufgestaute Ärger, z.B. nach Präsidiumssitzungen den die Familie zumeist ertragen musste entfällt - mithin also ein massiver Zugewinn an Lebensqualität für mein/unser Familienleben.
  2. Andererseits habe ich gesehen, dass wir nur mit massiven Einschnitten das "finanzielle Desaster" das uns im DSB droht unbedingt angehen müssen. Dem neuen Präsidium sind durch die Forderung nach einem neuen Haushalt die bisherigen Defizite nachhaltig aufgezeigt worden und im Prinzip ist es gut, dass der alte und neue Präsident Entscheidungen der Vergangenheit nunmehr selbst korrigieren muss.

Meinen im Januar erlittenen Herzinfarkt habe ich sehr gut überstanden. Nach Aussage der Ärzte ist die "Pumpe" ohne Schädigung geblieben. Mein Blutdruck und mein Puls hat sich wieder auf ein einem Level eingependelt, das mich an meine Zweitligazeiten erinnert. Alles in allem fühle ich mich wie "neugeboren".

Krennwurzn:
Das ist erfreulich zu hören! Dennoch war die Schachwelt vor dem Kongress doch sehr überrascht über die Rücktritte so vieler Präsidiumsmitglieder und auch dass Sie nach Ihrer Wiedergenesung als Präsident kandidiert haben, sehen viele als Anzeichen dafür, dass es neben möglicherweisen persönlichen Gründen auch massive sachliche Auffassungsunterschiede im Präsidium gegeben haben muss. Können Sie uns da ein wenig Ihre Sicht der Dinge darlegen?

Joachim Gries:
Das Präsidium ist "explodiert", die Auffassungen gingen in vielen Themen quasi diametral auseinander. Es war folgerichtig, dass fast das komplette Präsidium die "Reißleine" zog. Persönliche Interessen haben hierbei sicherlich ebenfalls eine Rolle gespielt. Für mich, für die anderen Kollegen kann ich nicht sprechen und möchte auch keine weitere Vermutung äußern, entscheidend waren in meinem Rechenschaftsbericht zwei Dinge, einerseits die Finanzkrise mit dem BMI, die noch nicht beendet ist, denn die Subsidiaritätsprüfung steht noch aus und andererseits mein Gesundheitszustand (Stand: Mitte/Ende Februar - damals befand ich mich noch in der Reha und konnte noch nicht absehen wie sich meine Gesundheit entwickeln würde).
Die Gefahr, die uns durch die Subsidiaritätsprüfung droht ist nicht absehbar, insbesondere könnte ein Ergebnis zwischen Komplettstreichung aller Zuschüsse bis zu minimalen Veränderungen herauskommen. Wer allerdings berücksichtigt, dass unsere Personalquote knapp unter 50% liegt und zwei Mitarbeiterinnen in ca. 12 Monaten wieder ihre Arbeit auf der Geschäftsstelle in vollem Umfang aufnehmen werden und wir dann mit größter Wahrscheinlichkeit auf über 50% steigen werden, weiß, dass bei solchen Prozentwerten die Gewährung von BMI-Mitteln in größter Gefahr sind. Darüber hinaus hatten wir vor kurzer Zeit eine Beitragserhöhung um 2 € durchgeführt mit der wir eigentlich die Erfordernisse für die nahe Zukunft lösen wollten. So wie es sich jetzt darstellt (siehe Kongressbeschluss - Vorlage eines neuen überarbeiteten Haushaltes), zeigt, dass diverse Haushaltspositionen massiv überarbeitet werden müssen (Kürzungen! oder gar Streichungen!), das gilt insbesondere auch für den Personalbestand auf unserer Geschäftsstelle, obwohl gerade hier in den letzten 24 Monaten diverse MitarbeiterInnen eingestellt wurden.

Krennwurzn:
Subsidiaritätsprüfung und Personalquote klingen ein wenig "technisch" und dürfen den Nichtfunktionären eher unbekannt sein, können Sie das unseren Lesern noch kurz erläutern?

Joachim Gries:
Eine Subsidiaritätsprüfung ist ein Verfahren/Mittel, das dem BMI zur Verfügung steht, um einen Verband zu überprüfen. Prüfkriterien sind zunächst u.a. die Prüfung der Struktur, wie z.B. Personal (Wie viele Stellen?), Kosten (Wie teuer ist das Personal?), Buchungen (Welche Gebühren/Kosten/Investitionen fallen an?), usw., im zweiten Schritt wird überprüft in welchem Verhältnis steht der Kostenfaktor "Personal" zu dem Gesamthaushalt. In unserem konkreten Fall haben wir ca. 450.000 € Personalkosten bei einem Gesamtvolumen von ca. 900.000 €. Das entspricht somit einer Quote von ca. 50%. Grundsätzlich sieht es so aus:

  1. jeder Sportverband, der Mitglied im DOSB ist wird in "olympisch" und "nichtolympisch" eingestuft. Die NOV (Nichtolympischen Verbände) werden im Vergleich zu den olympischen Verbänden deutlich geringer mit finanziellen Mitteln durch das BMI bezuschusst als die olympischen. Der DOSB ist diejenige Stelle, die dem BMI vorschlägt in welcher Höhe Zuschüsse erfolgen sollen.
  2. Wie bekannt, hatten wir im letzten Jahr einen heftigen Streit darüber, ob Schach weiterhin Fördermittel für den Leistungssport bekommt. Es ging damals nicht darum, ob Schach als Sport anerkannt wird oder nicht. Leider wurde in der Öffentlichkeit diese saubere Trennung nicht immer so exakt vollzogen.
  3. Sicher ist, dass wir, (die Auseinandersetzungen und die Einschaltung des Finanzausschusses des Bundestages sind sicherlich jedem bekannt) die Zuschussthematik insofern für uns zunächst positiv beenden konnten, dass die ursprünglich vorgesehene Komplettstreichung der Fördermittel (135.000 €) durch intensive Verhandlungen und Gespräche in eine Kürzung auf nur 93.000 € mündete.
    Nach den letzten Informationen (Stand: 09.Mai2015) aus dem DOSB müssen wir mit einer weiteren Kürzung auf ca. 80.500 € rechnen, da der "Verteilungstopf" (2,17 Millionen €) konstant bleibt, aber bedingt durch die Aufnahme weiterer nichtolympischer Verbände, der Anteil für jeden Verband damit kleiner wird.
  4.  Das BVA (Bundesverwaltungsamt) hat uns in den letzten 4 Jahren insgesamt 2-mal geprüft. Die zweite Prüfung "Nachprüfung" wurde nötig, weil es eine gewisse Anzahl von "Anmerkungen" gab, die wir zunächst abarbeiten/umsetzen mussten. Ein Punkt hierbei war u.a. der komplette Rückkauf der Anteile der Wirtschaftsdienst GmbH.
    Festzustellen ist, dass wir alle Auflagen erfüllt haben und deshalb zunächst auch weiterhin förderwürdig blieben. Angemerkt wurde bereits damals, dass wir nach Ansicht des BVA einen nicht unbedingt niedrigen Personalbestand haben (im Vergleich zu unserem Jahresbudget und in Bezug auf die Anzahl unserer Mitglieder).

Im vergangenen Jahr, als die Komplettstreichung der BMI-Mittel im Raume stand und wir in intensiven Gesprächen mit dem BMI standen wurde seitens des BMI unverhohlen damit "gedroht", zeitnah (in 2015 - vorausgesetzt, wir bekommen wieder Fördermittel) eine Subsidiaritätsprüfung durchzuführen. Aus Fällen, die in der Vergangenheit anderen Sportverbänden widerfahren sind und auch aus den Gesprächen im letzten Jahr beim BMI ist diese Quote für den DSB sicherlich eine "herbe Hypothek", die nicht unbedingt hoffungsvoll in die Zukunft blicken lässt. Meine Einschätzung ist daher nicht unbedingt positiv, aber vielleicht haben wir auch einfach mal Glück!

Krennwurzn:
Die öffentlichen Kassen sind seit der Finanzkrise 2008 eher leer und nach dem nicht so optimalen Abschneiden bei der Sommerolympiade 2012 in London (für Deutschland gab es zu wenige Medaillen und für Österreich gar keine) wurde in vielen europäischen Ländern die Sportförderung kritisch hinterfragt und da Schach sowohl medial als auch im Spitzenbereich nicht liefern kann, erscheinen mir Kürzungen in erster Lesung einmal logisch. Blickt man dann aber tiefer und denkt an Einstein, der sagte Schach ist das Spiel, das die Verrückten gesund hält, und nimmt die pointierte Formulierung verrückt aus dem Spiel, dann bleibt doch die Erkenntnis, dass man vom Schach viel Positives ins praktische Leben mitnehmen kann. Kurz gefragt: Setzen wir mit unserer Spitzenschachorientierung nicht aufs falsche Pferd oder fallen wir als reiner Breitensportverband aus den Fördertöpfen?

Joachim Gries:
Die Entwicklung im olympischen Bereich ist gelinde gesagt "Unerträglich"! Warum formuliere ich dies so negativ? Antwort: Die olympischen Verbände schließen im Vorfeld der Olympiade mit dem BMI sogenannte "Zielvereinbarungen"/"Erwartungsverträge" ab, die ihre Berechtigung nur daraus ableiten, dass nach Ablauf der Olympiade das eingetretene Resultat jedes(r) AthletenIn evaluiert wird. Konkret bedeutet dies, dass die möglichen Medaillenränge in ein Punktesystem übertragen werden und dann festgestellt wird, ob die Erwartungen erfüllt wurden. Ein solches Verfahren ist zwar auf den ersten Blick transparent, aber auf den zweiten Blick entstehen bei dem kritischen Beobachter doch Bedenken:

  1. Die Sportler "opfern"/"investieren" extrem viel Zeit in ihren Sport (vielfach können sie keinen Beruf ausüben und leben von der Sporthilfe), um sich in der Weltspitze zu etablieren. Allerdings sind alle nur Menschen, d.h. Magenverstimmung, "mit dem linken Fuß zuerst aufgestanden", Wetterfühligkeit, besonderer Stress bei Olympiade, etc. sind Faktoren, die nicht planbar sind und demzufolge eigentlich auch entschuldbar sein müssten. Aber eine Entschuldigung für VERSAGEN gibt es formal gesehen nicht, denn das Nichterreichen der erwarteten und damit förderungswürdigen Platzierung führt zur Kürzung/Streichung der Zuschüsse.
  2. Wenn also die Spitzenverbände einem solchen "Druck" durch das BMI ausgesetzt sind, herausragende Platzierung mit ihren Sportlern erreichen zu müssen, ist es nur allzu verständlich, wenn die Verantwortlichen alles unternehmen, um eine maximale Leistung des Athleten zu ermöglichen und die Athleten noch zusätzlich mit der Drohung unter Druck setzen, welche Konsequenzen damit verbunden sind, wenn sie nicht die gewünschte Platzierung erreichen. Wie nahe wir uns in einer solchen Situation beim Doping befinden, kann wahrscheinlich fast jedermann ahnen/bzw. nachvollziehen.
  3. Wie paradox unsere Gesellschaft beim Thema Doping handelt lässt sich auch daran ermessen, dass einerseits ein Weltrekord/Olympiasieg quasi gefordert wird und andererseits das Erreichen eines solchen Titels mit Unterstützung durch Dopingmitteln mittlerweile nicht nur juristisch, sondern auch ethisch-moralisch in der Gesellschaft als verwerflich angesehen wird. "Gefeiert wird der Sieger - dann ist er Superstar, andernfalls, falls ihm Betrug nachgewiesen werden kann "Verräter an den Werten der Gesellschaft". Dazwischen scheint es in unserer Gesellschaft nichts mehr zu geben. Ein guter 6. Platz ist der berühmte "Blechplatz" und keiner weiteren Erwähnung würdig.

Alle Spitzensportler bewegen sich in einem Umfeld, das höchste psychische und physische Anforderungen stellt. Ein "Versagen" gehört nicht zum Vokabular, obwohl gerade dies uns die Chance eröffnen würde, sie die Spitzensportler etwas sympathischer und menschlicher wahrzunehmen. Leider verfahren viele Medien immer noch nach dem Prinzip "Bad News are good news!" und ein Platz "unter ferner liefen" ist nicht einmal eine Meldung wert. Versucht man Schach in diesem Problemfeld "Profi - Amateur" zu verorten wird schnell klar was in unserem Sport unbedingt geklärt werden muss. Seit Jahren "drückt" sich der DSB vor der Klärung der Frage: " Wann sehe ich einen Sportler als Amateur und wann als Profi an?"

Insofern müsste sich der Schachbundesliga e.V. und der DSB zusammensetzen und eine tragfähige Struktur/Profilizenz, etc. auf den Weg bringen. Die Förderung des Nachwuchs-Spitzenschachs, z.B. das "Schachjahr für Matthias Blübaum und Dennis Wagner" (übrigens eine Drittelfinanzierung zwischen DSB/Sponsor/Eltern) hat sich insofern bewährt, als die gesetzten Ziele nicht nur erreicht, sondern sogar teilweise überboten wurden. Eine Fortschreibung solcher Förderkonzepte ist anzustreben, da sie nicht nach dem "Gießkannenprinzip", sondern konkret an Einzelpersonen und mit einem überschaubaren Finanzaufwand umgesetzt werden.

Der Unterstützung von großen Turnieren, wie z.B. Dortmund, Baden-Baden stehe ich deutlich skeptischer gegenüber, z.B. deshalb, da die "Startgelder" für deutsche Nationalspieler bei solchen Turnieren die Fördermittel für das Schachjahr unserer Prinzen überstiegen. Insofern sehe ich die Investitionen in unsere Nachwuchsspieler mit einer höheren Priorität, als Möglichkeiten zu eröffnen, dass unsere Spitzenspieler gegen Weltklassespieler antreten können.

Fazit:
Die gleichzeitige Förderung des Spitzensportes und des Nachwuchsleistungssportes gehören unabdinglich zu den Aufgaben eines Sportverbandes. Der Breitensport, zu dem wir in unserem Verband fast 99% unserer Mitglieder zählen müssen, hat ein Anrecht darauf in seiner Sportentfaltung gleichberechtigt neben dem Spitzensport zu stehen. D.h. auch in diesem Segment müssen Finanzmittel bereitgestellt werden, so dass neben der Mitgliedergewinnung auch die Mitgliederbindung sichergestellt werden. Projekte zu diesen Themen gibt es unzählige, umso wichtiger ist es, diese Aktivitäten zu stützen und zu fördern. Es ist nicht nötig große Workshops oder Akademien zu organisieren, hilfreich und notwendig ist es unseren Vereinen Materialien an die Hand zu geben mit denen sie die Vereinsarbeit/die Alltagsarbeit besser und effektiver bewältigen können.

Krennwurzn:
Immer öfter hört man bei Schachfreunden, dass man "die da oben" ohnehin nicht wirklich braucht, es gibt so viele Möglichkeiten Schach zu spielen und Vereine und Verbände sind sowieso überholt und nicht mehr zeitgemäß beziehungsweise kommt auch die Aussage: pfeifen wir auf die Förderungen und Spitzenschach und zahlen uns den funktionierenden Rest (Mannschaftsmeisterschaften) einfach selbst.

Joachim Gries:
Diese provokante Aussage passt zu der großen Anzahl "der Nichtwähler" bei Wahlen im Bund oder in den Bundesländern. Es ist mittlerweile bei vielen Schachspielern in den Vereinen (an der Basis), tatsächlich so, dass "die da oben" als nicht unbedingt nötig angesehen werden. Vielfach ist dies dem Umstand geschuldet, dass Projekte und Themen aufgegriffen werden mit denen sich die Basis nicht identifizieren kann, bzw. überhaupt keinen Bezug dazu hat. Es wird sehr oft darüber geklagt, dass sich der Verband doch endlich um die Belange der Vereine kümmern möge. Diese Aussage lässt sich an vielen Regeländerungen der Vergangenheit exemplarisch nachvollziehen:

  1. Abschaffung der Hängepartien - Aufschrei der Schachspieler, "Das Schachspiel droht zu sterben"
  2. Abschaffung der "langen Bedenkzeit" -Die Qualität der Partien geht verloren!
  3. Abschaffung von Alkoholika, Zigaretten - Warum müssen wir dies mitmachen!
  4. Handyklingeln - Was soll so ein Unsinn!
  5. Mitbringverbot von Handy, Smartphone, etc. - Ich will doch gar nicht betrügen?
  6. Einführung der Fischerbedenkzeit - Wir haben nur mechanische Uhren, wollen die uns ruinieren?

Die Aufzählung ist sicher unvollständig. Es gibt noch viel mehr Themen, die für Irritationen sorgen und dazu beitragen, dass die Basis sich nicht mehr im Fokus der zuständigen Funktionäre fühlt. Umso wichtiger ist es für unsere Vereinen, die die wichtigste Rolle innehaben, denn sie sorgen und kümmern sich darum, dass neue Mitglieder geworben, vorhandene Mitglieder an den Verein gebunden werden, Nachwuchs gefördert wird und last but not least ein "VEREINSLEBEN" tatsächlich praktiziert wird, Die verantwortlichen Funktionäre dürfen dies niemals vergessen. Eine gute Verbandsentwicklung wird sich intensiv der Probleme und Aufgaben der Vereine stellen müssen, wie z.B. keine kostenfreie Nutzung mehr von Spielräumen (insbesondere in Ballungsräumen), kaum Nachwuchsspieler [weil es keine Trainer, bzw. Spieler gibt, die dies Aufgabe ausfüllen können], das Vereinsturnier (Vereinsmeisterschaft) kommt nicht mehr zu Stande, weil die meisten Spieler keine freien Spielabende haben (sie spielen meistens parallel in weiteren Vereinen mit), usw. Die Liste kann beliebig verlängert werden, besonders dann, wenn man zusätzlich die Internetangebote hinzufügt, die jedes weltweites Schachspiel "rund um die Uhr" ermöglichen. Der Begegnungscharakter, die persönliche Präsenz am Brett, das Gespräch, das "gemeinsame Bier", die gemeinsamen Vereinsabende treten deutlich in den Hintergrund. Wir entwickeln uns zunehmend in einem immer schnelleren Maße zu EINZELGÄNGERN, die sich vielleicht noch zu einem Mannschaftswettkampf treffen, aber spätestens danach wieder in alle Himmelsrichtungen auseinandergehen. Gemeinsame Partieanalysen am realen Brett finden nur noch selten statt. Verbandsentwicklung unter diesem Aspekt gesehen, muss bewirken, dass die Vereinsmitglieder wieder regelmäßig in den Verein kommen 

Fazit:
Wir müssen glaubhaft machen, dass wir uns für die Belange unserer Vereine interessieren und bei der Lösung von Problemen helfen wollen und KÖNNEN. Wir benötigen Vereinsberater, die langjährige Erfahrungen in der Vereinsorganisation erworben haben und sich den aktuellen Fragestellungen nicht verschließen.

2015JoachimGries

Krennwurzn:
Ein heißes Thema sind auch Einzelmeisterschaften und Spitzenturniere

Joachim Gries:
Was mich besonders bewegt, das habe ich auch in meinem mündlichen Rechenschaftsbericht vor dem Kongress ausgeführt, ist die Durchführung/Organisation unserer deutschen Meisterschaften. Wir haben seit Jahren eine sinkende Anzahl von Bewerbern für die Durchführung von deutschen Meisterschaften. In den letzten Jahren sind deshalb Herbert Bastian (Saarbrücken) Michael S. Langer und Michael Woltmann (Verden) im Langschach und ich (Gladenbach) im Schnellschach - Männer und Frauen- als Ausrichter eingesprungen. Dass ein solcher Zustand nicht zum Dauerzustand werden darf ist wahrscheinlich nachvollziehbar. Notwendig wäre an dieser Stelle deshalb eine Erhöhung des DSB-Zuschusses an die potentiellen Ausrichter. Leider ist eine solche Erhöhung in den letzten Jahren nur in unzureichender Höhe erfolgt. Wir liegen trotz leicht erhöhter DSB-Zuschüsse immer noch in einem Bereich von mindestens 10.000 € den der Ausrichter aufbringen muss. Kleine Vereine, die keinen Sponsor/Mäzen haben laufen Gefahr sich finanziell zu "übernehmen". Das kann nicht im Interesse des DSB liegen. Eine Gegenfinanzierung muss zwingend durch Umschichtung erfolgen.

Ich stand mit diesem "basisorientierten Ansatz" (Unterstützung unserer Vereine bei der Durchführung von deutschen Meisterschaften) ziemlich allein. Die Erhöhung der Zuschüsse für deutsche Meisterschaften fiel im Vergleich zur Unterstützung von Turnieren, wie z.B. Baden-Baden und Dortmund, sehr bescheiden aus.

Krennwurzn:
Da kann die Krennwurzn mal ganz unverschämt Ihre Boshaftigkeit ausleben: Ist nicht die Problematik jene, dass sowohl der Deutschen Meisterschaften und der Bundesliga Geld und Teilnehmer fehlen und man immer wieder sisyphosartig versucht Formate, die sich nachweislich am Markt bei den Schachspielern und -fans nicht durchsetzen, künstlich am Leben zu erhalten?

Joachim Gries:
Für die Organisation der Bundesliga möchte ich an dieser Stelle nicht sprechen, denn dies ist der Zuständigkeitsbereich des Bundesliga e.V. und die Vereine regeln und besprechen ihre Organisationsstruktur dort in regelmäßigen Abständen in ihren turnusmäßigen Treffen. Dort werden neue Organisationsformen diskutiert und thematisiert und nach entsprechendem Beschluss in der Praxis erprobt.
Zu den deutschen Meisterschaften habe ich bereits eine ganze Menge in meinem Rechenschaftsbericht in der Kongressbroschüre gesagt. Zusammenfassend kann ich festhalten:

  1. Die Bezuschussung für den Ausrichter ist zu niedrig
  2. Die Durchführung und Organisation unter den momentanen Rahmenbedingungen ist ländlich strukturierten Regionen vorbehalten. Ballungsräume kommen nur dann in Frage, wenn dem Ausrichter ein Sponsor zur Seite steht

Krennwurzn:
Kommen wir zum Schluss noch zum heftig diskutierten Thema FIDE

Joachim Gries:
Wie schon in anderen Bereichen auch war sich das Präsidium bezüglich FIDE-Kongress Tromsö (Iljumschinow vs. Kasparow) uneins. Ich vertrat damals, wie auch heute, die Position, dass beide Kandidaten nicht vom DSB wählbar waren und zwar deshalb, weil beide nicht nur dem Korruptionsverdacht ausgesetzt waren, sondern nachweislich auch mit Korruption gearbeitet haben. Ein Verband, der solche Kandidaten unterstützt rückt sich damit selbst in die Nähe der Korruption. Der DSB war und sollte auch weiterhin ein Verband sein in dem das Wort Korruption und seine damit verbundenen Aktivitäten geoutet sind.

Krennwurzn:
Da teile ich Ihre Ansicht, dass beide Lager nicht wählbar waren! Allerdings verstehe ich auch den Ansatz von Herbert Bastian dennoch in die Institutionen zu gehen, weil man mit dem Oppositionskurs der letzten Jahre genaugenommen nichts erreicht hat. Welche alternativen Möglichkeiten gäbe es noch - ein FIDE Austritt demokratischer Föderationen?

Joachim Gries:
Ob Herbert Bastians FIDE - Weg der richtige ist, wage ich zu bezweifeln. Das Argument, nur das Beste für das deutsche Schach im Auge zu haben, muss erst bewiesen werden. Die Nichtberücksichtigung deutscher SR bei der Schacholympiade in der Türkei (wegen Rechtsstreitigkeiten zwischen FIDE und den Unterstützern von Karpow) ist ein Beweis für "die harte Haltung gegenüber Kritikern". Auch die Forderung/Angebot an den DSB mit Zahlung einer Summe X die Beziehungen zwischen DSB und FIDE wieder in geordnete Bahnen zu lenken - ist kein Freundschaftsdienst und im Prinzip ein "NO GO".

Die Annäherung, die von Herbert Bastian vollzogen wurde - erscheint nicht wenigen Schachspielern in Deutschland als ein "Opfern deutscher Positionen - gegenüber der FIDE". Die Ausführungen zur Korruption möchte ich nicht wiederholen!

Die Position des DSB lässt sich auch in der NEUTRALEN Rolle manifestieren. Wir haben es nicht nötig auf "Schmusekurs" mit Präsidiumssitz in der FIDE zu äugen. Die geschäftlichen Beziehungen (Finanzen, ELO, Titel, etc.) laufen über das FIDE-Büro und sind absolut unabhängig von irgendwelchen Funktionen in der FIDE.
Die Kontakte in der ECU und im westlichen Europa sind seit Tromsö nicht mehr die besten und bedürfen der Verbesserung. Hier sind bilaterale Gespräche dringend notwendig (siehe Aussage Michael S. Langer bei ChessBase).

Der langfristige Aufbau eines Kandidaten ist in der Vergangenheit gescheitert. Alle Versuche Iljumschinow zu entmachten sind gescheitert. Ein Austritt aus der FIDE ist aber dennoch nicht nötig, denn die Chaoszustände in den 1990 - 2005-er Jahren sind überwunden. Die Infrastruktur funktioniert, der Präsident ist umstritten. Die Föderationen können aber ihren Aufgaben nachkommen.
Allerdings kann es passieren, dass Entscheidungen getroffen werden, z.B. die Vergabe der Blitz- und Schnellschachweltmeisterschaft nach Berlin 2015, ohne dass dies dem DSB-Präsidenten bekannt gegeben wurde, obwohl er zum gleichen Zeitpunkt in China weilte. Der DSB ist zwar nicht Ausrichter, aber es müsste eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein den zuständigen Präsidenten der betroffenen Föderation zu informieren, insbesondere dann, wenn er außerdem Vizepräsident der FIDE ist.

Ein Zusammenschluss, eine Kooperation mehrerer Föderationen zu einer Interessengemeinschaft ist denkbar, aber nicht außerhalb der FIDE. Das "Hochhalten demokratischer Strukturen" und die Unterstützung bedürftiger Mitglieder (ohne Korruptionsinteressen) kann ein Weg sein langfristig in der FIDE Veränderungen einzuleiten. Gegenseitiger Respekt, Vertrauen und Offenheit müssen Grundlage der angestrebten Kooperationen sein. Politisches Taktieren, Lavieren, diplomatisches Geplänkel sind kontraproduktiv.

Krennwurzn:
Sie sagten Sie sehen die Kandidatur jetzt ambivalent – wie ist Ihr persönliches Verhältnis zum Präsidenten heute?

Joachim Gries:
Mit Herbert Bastian verband mich eine langjährige persönliche Freundschaft, aber in den letzten Jahren und Monaten haben wir durchaus unterschiedliche Einschätzungen von Sachfragen entwickelt. Er stieß in der Vergangenheit eine Vielzahl von Ideen und Projekten an, die er mit viel Engagement und Kreativität vorantrieb, die den DSB zum Teil finanziell stark belasteten, vergaß aber leider dabei, dass es im DSB möglicherweise wichtigere "Baustellen" gab (deutsche Meisterschaften - ausgeglichenen Haushalt, etc.)

DOSB
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Montag, 10 Dezember 2012 14:48

Schachbund auch 2012 weiter abwärts

Neben seinem unangenehmen Inhalts weist dieser jährlich erscheinende Beitrag auch eine sehr erfreuliche Komponente auf: Der Hinweis auf die Statistiken des DOSB erfordert nicht den immensen Zeitaufwand anderer Artikel - in zehn MInuten ist alles erledigt....

Jährlich präsentiert der DOSB (Deutscher Olympischer Sportbund) seine Mitgliederstatistiken, und diese fallen auch 2012 alles andere als rosig für Schach aus: Der Deutsche Schachbund weist den üblichen Schwund an Mitgliedern, auf. Das Ergebnis ist schon deshalb ernüchternd, weil die Gesamtheit der Sportarten ständig zulegen kann (3,77% in 2012).

Vielleicht ist Schach out, vielleicht ist Schach doch kein Sport, vielleicht liegt es aber auch schlicht an unserem unprofessionellen Auftreten.

Doch bevor ich mich wiederhole, hier der Link zum Artikel aus dem Jahr 2010 „Schachbund weiter abwärts“, der nichts an Aktualität eingebüßt hat.

Die Statistiken finden sich auf der DOSB-Website zum Download.

 

Herr Präsident, bitte übernehmen Sie!  Eine Polemik von GM Hertneck
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Mit einem Paukenschlag endete in Bonn die Wahl zum Präsidenten des Deutschen Schachbunds. Nicht der vermeintliche Favorit Dr. Hans-Jürgen Weyer trug den Sieg davon, sondern der Herausforderer aus den Landesverbänden Herbert Bastian. Nun richten sich  nach mehrjähriger Krise des DSB alle Augen auf den „Neuen“ – wobei dieser dem DSB ja bereits seit Jahrzehnten in verschiedenen Funktionen verbunden ist. Besonders bemerkenswert: unser Präsident ist aktiver Schachspieler mit einer Elozahl von 2330, der selbst an unzähligen deutschen Meisterschaften teilgenommen hat, und somit die Idealbesetzung aus beiden Perspektiven (Funktionäre und Spieler) ist.
Ich möchte die Gelegenheit nutzen, meine Erwartungen an den Präsidenten zu beschreiben:



1. Nationalmannschaft.
Ich möchte, dass Deutschland wieder mit der stärkstmöglichen Mannschaft auf Schacholympiaden und Europameisterschaften antritt. Und dass die Kommunikation zwischen Spielern und Funktionären nicht abreißt, auch wenn es nicht immer leicht fällt.

2. Objektive Nominierungskriterien:
Ich möchte, dass ein Spieler wie Igor Khenkin, der mehrfach deutscher Meister wurde, und seit langem konstant über 2600 Elo spielt, bei der Nominierung der Nationalmannschaft nicht übergangen wird, nur weil er zu alt ist oder angeblich zu viele Remisen macht. Hier muss der Präsident auch eine Kontrollfunktion gegenüber dem Bundestrainer ausüben.

3. Deutsche Meisterschaft:
Zur überfälligen Aufwertung der Deutschen Meisterschaft der Herren sollten nur noch Spieler ab 2400 zum Turnier zugelassen werden (mit Wildcards für die besten Nachwuchsspieler). Der DSB muss das Turnier auch finanziell gut ausstatten, um die besten Spieler zur Teilnahme zu bewegen. Der Widerstand der Landesverbände muss durchbrochen werden, da der bestehende Modus nicht mehr zeitgemäß ist.

4. Bundesliga:
Die Bundesliga sollte endlich vom 30 Jahre lang praktizierten starren und für die Medien unattraktiven Modus des Wochenend-Hoppings abrücken, und nach dem Vorbild anderer Länder auf wenige Spieltermine reduzieren oder das Turnier sogar als durchgehende Veranstaltung an 9 Tagen nach Schweizer System durchführen. Ich weiß, dass ich hier beim Präsidenten an der falschen Adresse bin, weil ja der Bundesliga e.V. die Organisation  vor Jahren übernommen (gekidnappt?) hat. Aber vielleicht kommt ja doch noch mal Bewegung in die Diskussion.

5. Budget des DSB:
Ich fordere, dass auf dem nächsten Kongress eine deutliche Beitragserhöhung (25 bis 50%) beschlossen wird, damit der DSB und die Landesverbände wieder finanziell handlungsfähig werden. Vergleiche hierzu den genialen Artikel von Jörg Hickl „Schach – der Billigsport“. Das deutsche Schach wird im 21. Jahrhundert völlig verdient untergehen, wenn es nicht gelingt, den Verband angemessen zu finanzieren. Mehr muss man dazu nicht sagen.
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Bannerschachreisen3006. Sponsorengewinnung: Es gibt viele Aufgaben im DSB, daher sollte es auch viele Sponsoren geben. Der DSB muss daher seine Bemühungen verstärken, Gelder aus der Wirtschaft zu gewinnen. Hierzu sollte er im ersten Schritt offensiver auf die Firmen zutreten, die Werbung mit Schachmotiven machen. Es ist wirklich peinlich, dass in einem der reichsten Länder Europas sich bisher so wenig Schachsponsoren gefunden haben!

7. Öffentlichkeitsarbeit:
Der DSB muss endlich erkennen, dass eine seiner wichtigsten Aufgaben die Öffentlichkeitsarbeit ist. Die Homepage des DSB sollte daher einem Relaunch unterzogen und moderner und benutzerfreundlicher gestaltet werden. Außerdem sollten die besten Schachjournalisten angeworben werden, bezahlte Beiträge zu liefern. Die Darstellung des Schachs in der Öffentlichkeit sollte man den Profis überlassen. Es ist auch zu überlegen, ob der DSB und Chessbase auf diesem Gebiet enger zusammenarbeiten sollen.

8. Mitgliederentwicklung:
Meiner Meinung nach kann der negative Trend (der in den nächsten Jahren noch zunehmen dürfte) nur gestoppt werden, wenn die Schachvereine in die Schulen gehen und die interessierten Schüler in die Schachvereine. Bisher krankt auch dieses Modell daran, dass es mehr oder minder ehrenamtlich ist. Für die Jugendtrainer in den Vereinen sollte der DSB daher ein Förderprogramm (Bezuschussung von Training) auflegen.

9. Betrug beim Schach:
Der Deutsche Schachbund muss erkennen, dass das gefährlichste Doping nicht die Einnahme von Substanzen, sondern die Nutzung von Analyseprogrammen während der laufenden Partie ist. Handynutzung muss daher auf allen Turnieren in Deutschland verboten werden, und bei Verstoß empfindliche Strafen nach sich ziehen – ansonsten wird unser edler Schachsport schnell kaputt gemacht.

10. Überalterung im DSB und in den Landesverbänden:
Ein Neuanfang kann nur mit einer jungen und dynamischen Mannschaft gelingen. Funktionäre, die ihren Job seit 30 oder 40 Jahren ausüben, sollten sich genau jetzt aufs Altenteil zurückziehen, auch wenn es manchmal nicht leicht sein wird, die entstandenen Lücken zu füllem.

Ein Wort zum Schluss: ich weiß ich bin naiv und polemisch, ich habe meine Forderungen nicht genug durchdacht. Alle werden sie mal wieder über mich herfallen. Aber in der jetzigen Situation lohnt es sich einfach, auch mit provokanten Thesen einen Neuanfang zu unterstützen!

Michael S. Langer
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Heute folgt Teil 2 unseres Interviews mit Michale S. Langer. Im ersten Teil nahm präsentierte er die Meinung des Deutschen Schachbundes zu Image und Finanzen sowie Betrug im Schach, jetzt nimmt er Stellung zu dem heiß diskutierten Them des letzten Jahres Nationalmansnchaft/Bundestrainer und dem Frauenschach.

Nationalmannschaft/Bundestrainer

SW: Vor einiger Zeit verließ Schalke 04s Trainer Felix Magath den Verein, als es zu Differenzen mit den Spielern kam. So erlebt man Fußball und andere Sportarten ständig. Im Schach hingegen war es an der Mannschaft zu gehen – der Trainer blieb. Bitte definieren Sie Job und Aufgaben unseres Bundestrainers.
ML: Beide Bundestrainer, Uwe Bönsch und Bernd Vökler (originär ist er für unseren Nachwuchs zuständig) sind für die Betreuung und Ausbildung aller unserer Kaderspieler zuständig. Ein großer Teil ihrer Arbeit entfällt auf administrative Tätigkeiten. Die Stellenbeschreibungen beider Trainer sind mit dem Bundesinnenministerium abgestimmt und damit ein Mosaikstein unserer Förderung aus öffentlichen Zuwendungen.
Hier ein kurzer Überblick von Uwe Bönschs Kernaufgaben:
  • Koordinierung und Planung des Trainings und der Wettkämpfe der A/B/und C-Kaderspieler der Frauen und Männer sowie der Finanzplanung und Abrechnung
  • Delegationsleiter und Mannschaftsleiter bei der Schacholympiade, Mannschaftswelt- und Europameisterschaften, dem Mitropacup und Länderkämpfen der Frauen und Männer
  • Inhaltliche Planung, Organisation und Durchführung der A- Trainerausbildungen und A- Trainerweiterbildungen
  • Inhaltliche Planung und Durchführung von nationalen und internationalen Lehrgängen der FIDE Trainerakademie sowie Aufgaben als Direktor der Akademie und Mitarbeit in der Trainerkommission der Fide
SW: Wofür brauchen wir A-Trainer? Soweit ich das System verstanden habe liegen die Aufgaben des C-Trainers auf Vereins-, die des B-Trainers auf Landes- und des A-Trainers auf Bundesebene. Und da gibt es zwei Stellen. Derzeit haben wir aber mehr als 30 Lizenzierte?! Letztlich bilden wir aus, ohne eine Verwendung zu haben. Oder gibt es hier genug Bedarf?
ML: Die Unterscheidungen zwischen den einzelnen Ausbildungszielen sind in unseren Ordnungen fest geschrieben. Dass diese Ordnungen auf die Anforderungen des DOSB zugeschnitten sind und sein müssen, ist selbstredend.
Ein Ziel unseres gesamten Ausbildungswesens besteht in einer möglichst hohen Anzahl förderungsfähiger (Geldmittel der Sportbünde) Trainer. Darüber hinaus muss auch die Qualität der inhaltlichen (sowohl schachspezifisch als auch methodisch und didaktisch) Arbeit mit der jeweiligen Zielgruppe gewährleistet werden.
In Summe haben wir m.E. eher zu wenig ausgebildete Trainer und Betreuer.

SW: Über das Thema Nationalmannschaft wurde bereits in epischer Breite berichtet. Hier interessiert eigentlich nur noch ein Punkt: In Pressemeldungen des DSB hieß es schlichtweg, die Forderungen der Spieler konnten nicht erfüllt werden. Sie verglichen das Prozedere mit Tarifverhandlungen. Doch dort reagiert man auf Forderungen mit einem Angebot. Hat es ein solches jemals gegeben?
ML: Es hat vor jedem Großereignis ein Angebot des Deutschen Schachbundes bzw. genauer gesagt, der Wirtschaftsdienst GmbH an die Spieler gegeben. Im letzten Jahr wurde dieses dem im finanziellen Umfang denen der Vorjahre entsprechende Angebot abgelehnt. Seit dieser Ablehnung arbeiten Präsidiumsmitglieder des DSB gemeinsam mit der WD GmbH  verstärkt daran, den im Vorfeld von Khanty – Mansijsk genannten Forderungen der Spieler so weit wie möglich und dabei unsere eigenen Vorstellungen berücksichtigend gerecht zu werden.
Im Moment wird das Angebot für die Mannschafts-EM im November in Heraklion von der WD GmbH abschließend ausgearbeitet. Dieses Angebot wird ob der Tatsache dass wir zwei Sponsoren akquirieren konnten (ein Gesamtsponsor und ein weiteres Unternehmen, das den Fokus seiner Förderung auf den Spitzensport legen wird), eine deutliche finanzielle Verbesserung für die Spieler darstellen!

SW: Von Seiten des Schachbunds hörte ich vor langer Zeit, dass man junge Spieler so lange mit Turnierbeschickungen unterstützen würde, bis sie den Großmeistertitel erreicht hätten. Ab dann wären sie auf sich gestellt. Rückblickend würde ich dies als verantwortungsloses Handeln bezeichnen. Fördert man sie doch bei der Erlernung einer brotlosen Kunst (Sport, Wissenschaft oder wie auch immer). In kaum einem westeuropäischen Land sind die finanziellen Rahmenbedingungen für Schachprofis so schlecht wie in Deutschland. Ist das Eigennutz oder gibt es inzwischen eine Stelle, die junge Spieler entsprechend ehrlich berät, bzw. ihnen nahelegt, einem gut bürgerlichen Beruf nachzugehen?
ML: Sind die Rahmenbedingungen in anderen westeuropäischen Ländern tatsächlich (so viel) besser? Die meisten beschriebenen Probleme sind leider auch auf die meisten anderen Nationen übertragbar!
Zumindest im Bereich der Honorare bewegt sich der Deutsche Schachbund weltweit -und in diese Betrachtung beziehe ich auch unsere europäischen Nachbarn ein-  betrachtet, eher im oberen Segment.
Unstrittig ist aber, dass die Zahl der Veranstaltungen in Deutschland, die ob ihrer Preis- und Startgelder das Schachprofitum interessant und lukrativ abbilden würden, leider nur  überschaubar groß ist.
Der letzte Teil Ihrer Frage ist schwierig zu beantworten. In letzter Konsequenz muss jeder für sich selbst entscheiden, welchen Weg (Schachprofi oder eben doch „bürgerlich“) er / sie einschlägt.
balkosofa1SW: Und da es wieder einmal um das liebe Geld geht…. Viele Besucher des Blogs haben nicht die geringste Ahnung, was im Schach verdient wird, was zu Spekulationen über das Einkommen der Schach“profis“ führt). Gibt es Profitum im deutschen Schach oder wie definieren Sie einen Schachprofi? Wahrscheinlich kaum mir der offiziellen Schachbundversion Elo über 2300, wie beim Ramadacup oder weil ein Mensch nichts anderes macht, daraus aber kaum Einkommen generiert?!
ML: Ja! M.E. gibt es Profitum im deutschen Schach. Eine in jeder Hinsicht tragfähige Definition zur Frage „Was ist ein Schachprofi“ kann ich ob der sehr unterschiedlichen individuellen Ausgangssituationen und Sichtweisen nicht liefern.

SW: Ohnehin ist das Image der Topspieler oder derer, die vom Schach leben möchten, sehr mäßig. In polemischen Blogs sehen sie sich Bezeichnungen wie „Gierschlünde“ ausgesetzt und auch auf unserer Plattform waren derartige Tendenzen spürbar. Was in anderen Sportarten voll akzeptiert wird, ist im Schach unredlich?! Der Schachbund hat jedenfalls in der Vergangenheit kaum etwas unternommen, um seine Spitzenspieler in dieser Hinsicht zu unterstützen und so die Kluft zwischen Breiten- und Spitzensport immer größer werden lassen. Im Gegenteil, bei dem noch schwelenden Konflikt mit der Nationalmannschaft konnte man sich zeitweise des Eindrucks nicht erwehren, die Spieler wären ein notwendiges Übel.
ML: Zu allererst: Unsere SpitzenspielerInnen sind ein wichtiger Teil des Ganzen für eine insgesamt erfolgreiche Zusammenarbeit im deutschen Schach!
Beide Seiten, sowohl die Vertreter des DSB-Präsidiums als auch Spieler, haben in dem im vergangenen Jahr öffentlich ausgetragenen Konflikt Fehler gemacht, die dann und dies teilweise auch zu Recht in der Öffentlichkeit massiv kritisiert wurden. Ich hoffe, dass wir zukünftig entspannter miteinander den für mich nachvollziehbaren Wunsch nach einer besseren Bezahlung (wer möchte nicht so gut wie möglich bezahlt werden!?) im Rahmen des jeweils Machbaren bearbeiten und öffentlich kommunizieren.

Frauenschach

Wir stellten das Frauenschach auf den Prüfstand. In den letzten Jahrzehnten wurde verhältnismäßig viel Geld für die Förderung des Frauenschachs ausgegeben. Ihr Anteil am Gesamttopf liegt bei 41% bei einem Mitgliederanteil von unter 5%. Weder in der Breite noch in der Spitze konnten spürbare Ergebnisse erreicht werden. Die einzige deutsche Spielerin, die jemals nennenswert eine Elozahl über 2300 erreichte, ist Elisabeth Pähtz. Doch entstammt diese aus einer schachbegeisterten Familie, der Vater ist Großmeister. Sie hätte ihren Weg auch ohne bevorzugte Unterstützung gemacht. In unserem Forum traf die hohe Förderung  auf wenig Gegenliebe und die nichtschachspielende Bevölkerung reagiert zumeist mit Verwunderung auf den Artenschutz der Frauen. Sind wir hier nicht weit über das Ziel hinausgeschossen und reichen Jahrzehnte des Misserfolges nicht aus, um hier zu einer grundlegend anderen Einschätzung zu kommen?
ML: Ich bin der Ansicht, dass Frauen im gesamten Schachsport insbesondere  im Hinblick auf Mitgliedergewinnung eine der Zielgruppen der Zukunft sind.  Es muss unser gemeinsames Ziel sein, deutlich mehr Frauen und Mädchen an die Bretter und in unsere Vereine zu bringen. Um dieses Vorhaben zu realisieren ist es wichtig, die mehrheitlich vorgetragenen Wünsche und Motive Schach spielender Frauen (also auch den nach separat durchgeführten Wettkämpfen) zu berücksichtigen.
Unser zukünftiges Hauptaugenmerk muss auf  der Vermarktung auch des Frauenschachs liegen. Wir müssen die Erfolge von Frauen (unabhängig von ihrer ELO) stärker als bisher imagefördernd für das deutsche Schach einsetzen.
Dass dies insbesondere außerhalb der schachspezifischen Öffentlichkeit möglich ist, zeigt u.a. die Präsenz von Elisabeth Pähtz in den Medien.
Zur Förderung im Bereich Leistungssport: Eine Förderung der Frauen ist notwendig und prinzipiell richtig! Nicht desto Trotz muss immer wieder neu geprüft werden, wie finanzielle Mittel so adäquat wie möglich eingesetzt werden. Diesem Anspruch muss aus meiner Sicht unabhängig von der Thematik Frauenschach Rechnung getragen werden. Es muss also Jahr für Jahr unter Einbeziehung externer und interner Faktoren  abgewogen werden, wer in welchem Umfang gefördert wird. Natürlich würde ich mich darüber freuen, deutlich mehr Spielerinnen in höheren Regionen der Frauenweltrangliste zu finden.

SW: Natürlich ist Frau Pähtz ein Aushängeschild, aber ist ihr Werdegang auf Förderung zurückzuführen oder auf das großmeisterliche Umfeld? Lassen wir sie einfachhalber außer Acht.
Dass es jetzt möglich ist, mit gut 1400 DWZ (was ca. Platz 45.000 in Deutschland entspricht) an der Endrunde einer Deutschen Meisterschaft teilzunehmen, verwundert doch sehr. Es erinnerte mich etwas an einige meiner Schnellturniere, bei denen man versuchte, krampfhaft einen Damenpreis loszuwerden, sich jedoch keine Teilnehmerin fand. Was ist das messbare Ergebnis jahrzehntelanger Sonderförderung?
Das eine (die 1400) hängt mit dem anderen (der Förderung unserer Leistungsspitze) zumindest nicht direkt zusammen. Alle Teilnehmerinnen haben sich für die DEM qualifiziert und gehen damit zu Recht in Bonn an den Start. Wenn die Qualifikation mit einer DWZ von knapp über 1400 möglich ist, dann ist das eben so.
Und trotzdem::
Es wäre schöner, wenn es bei zukünftigen Teilnehmerfeldern unserer DEM´s  gelänge, den DWZ-Schnitt deutlich zu steigern!

SW: Herr Langer, wir danken für die Beantwortung unserer Fragen.
Michael S. Langer
Freigegeben in Blog
Jahrzehntelang war die Öffentlichkeitsarbeit des Deutschen Schachbundes kaum messbar. Zeitweise gelangten noch nicht einmal Ergebnisse der so wichtigen Schacholympiaden zu den Presseagenturen. Doch gibt es erste Anzeichen, dass sich daran etwas ändern könnte.
Unser Portal entwickelte sich in den letzten Monaten zu einer Plattform, auf der unliebsame Themen zur Sprache kamen, was bei verschiedenen Funktionären große Zustimmung fand.
Nun möchten wir auch den oftmals Hauptbetroffenen, den Deutschen Schachbund, zu den kontrovers diskutierten Themen Stellung nehmen lassen.

Den Anfang macht Michael S. (Sebastian) Langer, 44, Vizepräsident Finanzen des Deutschen Schachbundes und ebenfalls Präsident des Niedersächsischen Schachverbandes
(Aufgrund der Länge des Interviews erfolgt eine Aufteilung in zwei Blöcke. Wir starten mit „Image und Finanzen“ sowie „Betrug Im (Online-)Schach). In Teil 2 folgen „Nationalmannschaft und Bundestrainer“ und „Frauenschach“)
Guten Tag Herr Langer, vor wenigen Wochen standen Sie ChessBase für ein längeres Interview zur Verfügung. Wir möchten dieses nun durch Fragen erweitern, die in Zusammenhang mit unseren viel diskutierten Blogthemen stehen.

Image und Finanzen

SW: Schach als Spiel genießt in der Gesellschaft einen hohen Stellenwert – geschätzte 8 Millionen Deutsche sollen der Regeln kundig sein. Zu Zeiten des Kalten Krieges erreichten die Fernsehsendungen mit Helmut Pfleger eine Million Zuschauer! Viele Firmen nutzen Schach für Werbezwecke. Besteht hier nicht ein riesiges Potenzial?
ML: Leider ist der Deutsche Schachbund nicht der Inhaber der „Rechte“ am Schachspiel. Das bedeutet u. a., dass Großkampagnen, in denen Schach als positiv wirkendes Instrument genutzt wird, nicht die Zustimmung des DSB erfordern. Wenn wir mit Sponsoren verhandeln, müssen wir Ihnen also prinzipiell mehr als das positive Image unseres Spiels liefern (Erfolge, Sympathieträger, Chancen auf Amortisation ihrer Investition….).
Zur TV- und generell Medienpräsenz: Nicht nur Schach ist weitgehend vom Fernsehschirm verschwunden. Eigentlich gibt es dort nur noch Fußball, Boxen und Formel 1. Im Winter dann noch ein bisschen Biathlon (weil wir dort megaerfolgreich sind!?) und ein klein bisschen Skispringen (da waren wir vor noch nicht zu langer Zeit megaerfolgreich). In der von mir gelesenen Lokalzeitung gibt es im Sportteil Fußball, Fußball und zum Schluss noch mal Fußball.


SW: Der DSB sieht sich permanenter und oftmals berechtigter Kritik ausgesetzt. Doch scheint mir die ehrenamtliche Struktur nicht geeignet zu sein, um die Anforderungen zu erfüllen. Kaum einem Mitglied ist jedoch bekannt, wie der Schachbund sich finanziert und worin seine Aufgaben liegen.
ML: Der Deutsche Schachbund finanziert sich aus derzeit knapp 600.000,-- € Beitragsgeldern und ca. 150.000,--€ aus öffentlichen Zuwendungen. Die weiteren Einnahmen sind in erster Linie durchlaufende Posten. Die größte Ausgabenposition besteht in unseren Personalkosten (Sportdirektor Horst Metzing, Geschäftsführer DSJ Jörg Schulz, Büroleitung Louisa Nitsche, Mitarbeiter Finanzwesen Guido Feldmann, Teilzeitkraft im Sekretariat, Anja Liesecke und unsere bereits erwähnten zwei Bundestrainer), die für das Haushaltsjahr 2011 inkl. Nebenabgaben in Höhe von 352.000,-- € kalkuliert wurden. Es folgen der Leistungssport mit 119.000,-- € und der Zuschuss an die Deutsche Schachjugend in Höhe von 56.500,-- €.
Unmittelbar nach dem DSB-Kongress werde ich, wie schon in den Jahren zuvor den Jahresabschluss 2010 und die dann dort verabschiedeten Planzahlen für die nächsten Jahre (bis einschließlich 2013) auf www.schachbund.de veröffentlichen.
Zur Einnahmenseite muss ich noch anmerken, dass die Einnahmen aus Beitragsmitteln ob der zurückgehenden Mitgliederzahlen in den letzten Jahren rückläufig sind. Noch vor wenigen Jahren beliefen sich die eingehenden Mitgliedsbeiträge auf 640.000,-- €.


SW: Es gibt viele engagierte Mitarbeiter, die Energie und Zeit opfern, um ihren Aufgaben gerecht zu werden. Zum Teil bringen diese wohl noch mehr Geld mit als das sie kosten. Hier schmerzen öffentliche Angriffe oftmals sehr. Doch kann Schachpolitik auf ehrenamtlicher Basis langfristig funktionieren?
ML: Öffentliche (und intern) vorgetragene Angriffe ärgern mich dann, wenn sie unsachlich und pauschal sind. Mir (und den meisten anderen!?) würde es in diesen Fällen also nicht besser gehen, wenn wir bezahlt würden. Ich glaube schon, dass ein Großteil der Arbeit auch zukünftig ehrenamtlich geleistet werden kann. Ich befürworte aber, dass insbesondere imagefördernde Arbeiten (Öffentlichkeitsarbeit, Kontakte zu Sponsoren,…) ob der notwendigen Sicherung von Nachhaltigkeit im professionellen Bereich angesiedelt werden. In diesem Sektor sehe ich eines der schnellstmöglich zu behebenden Defizite in der Arbeit des Deutschen Schachbundes.
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SW: In dem Artikel „Schach – der Billigsport“ regten wir an, eine großangelegte Imagekampagne zu starten um langfristig Schach der breiten Bevölkerung näherzubringen und zu zeigen „Schach ist toll“ – wir haben ein Produkt, das sich verkaufen lässt und nicht im Hinterzimmer einer dunklen Kneipe verschwinden muss. Das geht jedoch nur mit einer professionellen Mannschaft. Die Startfinanzierung sollte über eine deutliche Beitragserhöhung sichergestellt werden. Außer den Vereinsbeiträgen (in denen auch die Verbandsabgaben enthalten sind) haben unsere Schachspieler nur geringe Aufwendungen für die Ausübung des Sportes aufzuwenden. Ist es in diesem Zusammenhang Ihnen nicht zuzumuten, etwas in einen funktionierenden Verband und die Zukunft zu investie
ML: Hier müssen wir alle einen Schritt zurück! Zuerst müssen wir sowohl innerhalb unserer Strukturen als auch in der Öffentlichkeit (nochmals) erkennbar herausarbeiten, dass wir in Deutschland einen herausragend flächendeckend organisierten Spielbetrieb, solide Haushaltsführungen, eine perfekte DWZ-Auswertung und in der Breite Turnierangebote „en masse“ vorweisen. Hiermit unterscheiden wir uns von mindestens 90 % der Schachwelt. Dieser Status Quo wurde weitgehend ehrenamtlich in den verschiedenen Organisationsebenen des deutschen Schachs aufgebaut und gepflegt. Ich betone diese Aspekte nicht, um nach Komplimenten zu fischen. Es ist mir wichtig, dass diese Basics auch zukünftig die Grundlage unserer Arbeit darstellen (müssen). Im zweiten Schritt müssen wir endlich unsere Defizite benennen (keine echte Weltklasse –Top Ten-, zu wenig lukrative Spielmöglichkeiten für unsere Spitze, zu wenig zielgerichtetes Marketing, Rückgang der Mitgliederzahlen, Vereinssterben,…), diese priorisieren und in erster Instanz abschließend die notwendigen to do´s  und Zuständigkeiten zum Abstellen dieser Defizite verbindlich vereinbaren. Wenn diese Vereinbarungen mit den derzeit vorhandenen finanziellen Mitteln  nicht realisiert werden können, muss dies  transparent abgebildet werden. (Erst) an dieser Stelle wäre es dann unsere gemeinsame Aufgabe, die ggf. notwendigen Gelder sowohl extern als auch intern (also aus Beitragsgeldern) zu akquirieren. Zum Stichwort „Gemeinsam“: Damit meine ich alle: Präsidium, Spieler, Länder, Vereine,……! Der Deutsche Schachbund muss sich unter Einbeziehung aller Ebenen seinen Aufgaben stellen. Das Präsidium des DSB muss erkennbar als Ideen- und Impulsgeber auftreten!


Betrug im (Online-)Schach

wird anscheinend in unserem multimedialen Zeitalter ein ernstzunehmendes Thema, über das der Schachwelt-Blog mehrfach berichtete. Jüngst verhängte der französische Verband drakonische Strafen von 3 bis 5 Jahren Sperre gegen eine Gruppe um Nationalspieler Feller.
Die mir bekannten Betrugsfälle im deutschen Schach mit denen der Schachbund bisher konfrontiert wurde, liegen lange zurück und  betrafen Clemens Allwermann und die jetzige Nummer 1, Arkadij Naiditsch. Die Strafen fielen mehr als moderat aus – im Fall Naiditsch verhängte man eine Sperre für ein Turnier, an dem er ohnehin nicht teilgenommen hätte, und soweit ich mich noch erinnern kann, wurde Allwermann nur auf Ebene des Bayerischen Schachbundes gesperrt. Können professionell aufgestellte Verbände leichter mit solchen Themen umgehen oder handelt es sich für den DSB dabei nur um Bagatelldelikte?
ML: Das Verhängen von Strafen ist im Deutschen Schachbund nicht einfach. Unsere (die des DSB) Mitglieder sind gemäß Satzung die Mitgliedsorganisationen und die Ehrenmitglieder. Die einzelnen Spieler sind nur mittelbar dem Deutschen Schachbund angeschlossen (eingetreten sind sie in ihren jeweiligen Verein). Es ist aus diesem Grund am ehesten möglich, etwaige Sanktionen in den eigenen Verantwortungsbereichen (also vom DSB ausgerichtete Meisterschaften, Mitgliedschaften in Kadern) vorzunehmen. Für alles über unseren Kernbereich Hinausgehende sind langwierige Verfahren (und ich finde dies prinzipiell auch richtig) einzuleiten.
Zur inhaltlichen Beurteilung: Das Thema Betrügen in all seinen Facetten ist m. E. eine der größten Gefahren, der unser Sport ausgesetzt ist. Ich hoffe, dass es gemeinsam mit Veranstaltern möglich ist, diese Bedrohung auf das erreichbare Minimum zu beschränken. Ebenso hoffe ich, dass diejenigen, die auf sportlichem Wege „ihre Punkte“ einfahren wollen, immer noch fast 100% der Schachszene darstellen!
Zur Frage des Umgangs mit diesem Thema: Eventuell verliefen Verfahren in einem professionell geführten Verband schneller!?
Unser Spieler des Jahres
Freigegeben in Blog
Donnerstag, 13 Januar 2011 03:31

Unser Spieler des Jahres

Nachdem Stefan Löffler zwischen den Jahren seine „Spieler des Jahres“ vorstellte, führte SCHACHWELT eine Kurzumfrage zu diesem Thema durch. Dabei erhoben wir keineswegs einen repräsentativen Anspruch. Und doch lieferten die rund 100 Stimmen einige interessante Erkenntnisse.

Hier das Ergebnis:
Klare Nummer 1 unserer Leser, wie sollte es nach dem Medienrummel auch anders sein, ist Magnus Carlsen. Fast jeden Vierten konnte der junge Norweger begeistern.

Auf Platz 2 finden wir den amtierenden Weltmeister Viswanathan Anand (16%). Der ruhig und zurückhaltend wirkende Inder verteidigte im Mai seinen Weltmeistertitel (SW war live dabei). Seinem Gegner, Wesselin Topalow (5%), bekannt für ein gewisses Hau-Ruck-Schach, haftet wohl noch immer die Toilettenaffäre des Jahres 2006 und die damit verbundene negative Presse in Deutschland (siehe Chessbase.de) an.

Aus deutscher Sicht sehr erfreulich der dritte Platz** Georg Meiers (14%), dem (ehemaligen?) zweiten Brett der Nationalmannschaft, der eine klare Position gegenüber dem Schachbund vertritt und breite Rückendeckung in der Schachbevölkerung erhält.
Ganz anders dagegen Arkadij Naiditsch (1%) - anscheinend hat sich Deutschlands Nummer 1 mit seinem offenen Brief zur unangenehmen Honorardiskussion die letzten Sympathien verscherzt. Ebenfalls nur eine Stimme bekam, für mich etwas überraschend, Wladimir Kramnik – ruhige Typen verschwinden anscheinend schnell aus dem Fokus der Medien.
Ansonsten finden wir diverse russische Namen in einem breiten Feld unter ferner liefen. Jungstar Anish Giri hatte ebenso wenig zu melden wie Stefan Löfflers Favorit Jan Nepomnjaschtschi, Neppi. Für mich ein Indiz, dass die breite Masse der Schachspieler nur an der absoluten (auch deutschen)  Spitze interessiert ist.

**Bedauerlicherweise müssen wir Georg Meier 10 Stimmen abziehen: Die Umfrage wurde durch denselben User manipuliert, der kontinuierlich unsere Blogbeiträge abwertet. Vielleicht hat ein Leser eine Idee, wie man sich solcher Personen erwehren kann. Zuschriften an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! erwünscht.