Europa fällt zurück

36 Medaillenplätze wurden bei den Kinder- und Jugendweltmeisterschaften U8 bis U18 vergeben: 17 davon gingen nach Asien, 16 nach Europa und 3 nach Nordamerika (alle drei übrigens an Kinder chinesischer Einwanderer). Nimmt man nur die ersten Plätze ging sogar nur jeder vierte Titel nach Europa, nämlich an Aram Hakobyan aus Armenien (U12), Lidia Tomnikowa aus Russland (U18) und Stavroula Tsolakidou aus Griechenland. Indien, Iran und China räumen bei solchen Wettbewerben schon fast traditionell ab. Und das ohne notwendigerweise die Besten zu schicken: Wei Yi, der mit 14 schon über 2600 rangiert, wird allenfalls noch eine U20-WM spielen. Aravindh, der mich im November in Chennai beeindruckte, als er 14jährig ein Open vor 20 GMs gewann, brach übrigens nach 6 aus 7 ein.  Auch wenn Asien gerade den absoluten WM-Titel an Norwegen verloren hat und die nächsten Weltklasseevents wieder in Europa steigen, ist unübersehbar, dass Europas Dominanz im Schach schwindet. 

Aus deutscher Sicht war der Event enttäuschend und das nicht nur für die beiden großen Medaillenhoffnungen Matthias Blübaum und Dennis Wagner in der U16. Nur einer von 23 mit einer Elozahl gestarten Burschen spielte besser als seine Elozahl. Von den Österreichern erspielte keiner seine Zahl. Bei den Mädchen sah es jeweils nur geringfügig besser aus.

Mit etwa 1800 Teilnehmern und Teilnehmerinnen über elf Runden ist es vermutlich das größte Schachturnier der Welt, größer als die Schacholympiade selbst wenn man da die Funktionäre zu den Aktiven dazurechnet, und es fand in Al-Ain, einer Oasenstadt in den Vereinigten Emiraten, wohl vorerst letztmals in dieser Form statt, weil es einfach zu groß und nicht mehr beherrschbar geworden ist.

 

 

 

 

 

 

Kommentare   

#1 Thomas Richter 2014-01-01 22:47
Um die Relevanz dieses Mega-Turniers ein bisschen zu relativieren:

- Auch “Europa” verzichtete auf die stärksten Spieler, jedenfalls Rapport, Dubov und Nyzhnyk. Generell ist etwas die Frage, welchen Stellenwert dieses Turnier für bereits relativ etablierte Spieler hat oder hätte (z.B. Giri und Caruana sind inzwischen zu alt, haben aber meines Wissens nie teilgenommen) – sie können da ja kaum etwas gewinnen aber riskieren eine gewisse Blamage ... . Auch daher:

- Wenn man sich http://en.wikipedia.org/wiki/World_Youth_Chess_Championship anschaut: bei weitem nicht jeder Jugend-Weltmeister wurde später ein Weltklassespieler. Bei der U18 zuletzt (nicht Arik Braun, 2006 sondern) mehr oder weniger Wojtaszek (2004), sicher Mamedyarov (2003), davor im Schnitt jeder Dritte (Jakovenko, Ponomariov, Svidler, Kramnik). Bei der U16 zuletzt Leko (1994!), davor Shirov, Dreev und Bareev.

- Elozahlen sind bei Jugendlichen aus verschiedenen Ländern z.T. relativ? Die deutschen Prinzen hatten die Chance, sich mit starken Gegnern zu messen (Opens, Bundesliga) und haben auch daher bereits eine hohe Elo und IM-Titel, Gegner aus anderen Ländern sind vielleicht vergleichsweise unterbewertet (Bluebaum verlor gegen zwei Kasachen, Wagner gegen einen Georgier und einen Vietnamesen). Was sonst noch eine Rolle spielte, ob sie mit dem (Erwartungs)Druck nicht zurecht kamen – dafür müsste man sich die Partien anschauen.

Laut Bericht von Klaus Deventer auf der Schachbund-Homepage gibt es das Turnier in dieser Form noch einmal nächstes (d.h. inzwischen dieses) Jahr in Südafrika "was höhere Kosten und damit weniger Teilnehmer erwarten lässt [wäre mir da nicht so sicher, Flüge sind dann vielleicht etwas teurer, Kosten vor Ort dagegen niedriger?],
und ab 2015 soll sie geteilt werden (in U8-U12 und U14-U18 nach meiner Erinnerung)."
#2 Darth Frank 2014-01-02 13:55
Das mit der Enttäuschung über das deutsche Abschneiden kommt meist aus überzogenen Erwartungen. Außer den Prinzen ist kein deutscher Nachwuchsspieler in der Weltspitze. Die Turniere hatten bis zu 215 Teilnehmer (U12), das erschwert eine Top-Platzierung zusätzlich. Man braucht viele Eisen im Feuer um einen Titel oder einen Sprung aufs Treppchen zu schaffen. Gerade an den „vielen Eisen“ mangelt es in der deutschen Nachwuchsförderung.

Die Konzentration der Förderung auf die Prinzen mag rational sein und bringt sicher mehr, als es mit der Gießkanne zu verteilen. Die Juniorprinzen und der DC-Kader sind dagegen eher Alibiveranstaltungen. Wenn die Prinzen aber rausgewachsen sind bleibt eine Lücke. In der Zwischenzeit bleiben einige aussichtsreiche U10er vernachlässigt. In den jungen Jahren hat man halt das Risiko, dass sich nicht alle zur Spitze weiterentwickeln. Ohne diese „Verschwendung“ unten kann man aber langfristig nichts Nachhaltiges erreichen. Das soll keine Kritik am DSB sein, bei ca. 120.000 Euro Leistungssportetat (für alles, beim A-Kader angefangen) kann man keine Wunder erwarten. Und eine Profilaufbahn kann man auch den Talentiertesten nicht guten Gewissens empfehlen…

zitiere Thomas Richter:

wäre mir da nicht so sicher, Flüge sind dann vielleicht etwas teurer, Kosten vor Ort dagegen niedriger?


Die Scheichs haben es sich etwas kosten lassen. Die Unterbringung war in einer Art Studentenwohnheim für 30 Euro / Tag. Das ist sonst gern doppelt so teuer. Die übliche kleine Zusatzabzocke mit überteuerten Bulletins und Souvenirs hatten die auch nicht nötig.

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