Feller&Co. gehen in Führung

Selten schafft es ein sportlicher Streitfall auf die juristische Ebene und gerade im Schach sind materielle Beweggründe als Auslöser eher zweitrangig. Allerdings scheint sich dies gerade zu ändern. Nach der letztjährigen Copyrightklage der Bulgaren gegen ChessBase könnte das Rybkathema demnächst die Justiz beschäftigen, und im bisher bedeutendsten Betrugsfall des französischen Schachverbandes zogen die mit hohen Sperren belegten Spieler (wir bericheteten mehrfach: Sebastien Feller gegen den französischen Verbandund ff.) jetzt vor den Kadi. Und dies mit Recht, zumindest auf Paragraphen-Ebene. Das Gericht setzte die Strafen aufgrund formaler Fehler außer Kraft, Sebastien Feller und Arnaud Hauchard sind ab sofort wieder spielberechtigt

Der Gang zur Justiz ist ein durchaus legitimer und verständlicher Schritt der französischen Spieler, wollen sie ihre Karrieren nicht kampflos beenden. Doch das Urteil kann die Schachwelt nicht befriedigen, denn anscheinend wurde der eigentliche Betrugsvorwurf gar nicht erst verhandelt (vielleicht auch von den Klägern auch nicht bestritten??). Interessant erscheint hierbei auch, dass auch nur zwei der drei Beschuldigten den Rechtsweg einschlugen. Der dritte im Bunde, IM Cyril Marzolo, akzeptierte das Urteil des Verbandes und bleibt dementsprechend gesperrt.

bannersr12013-web-anz400Nun ist es an der französischen Föderation zu prüfen, ob man gegen die angeblichen Betrügern in der nächsten Instanz vorgehen kann, oder ob sie aufgrund von Formalien straffrei ausgehen. Ein längerer Rechtstreit wäre wohl die Konsequenz. Der Verband erhielt in der Zwischenzeit einen neuen Präsidenten, der die Sache etwas emotionsloser sieht als sein Vorgänger. Bleibt zu hoffen, dass es nicht ausgeht wie das Schießen zu Hornberg.

Die Historie:

19. März 2011

Der französische Verband befindet Feller, Hauchard und Marzolo des Betruges für schuldig und spricht Strafen von 3-5Jahren aus.

Spieler und Präsidium gegen in Revision

19. Mai 2011

Die Revision führt zu einer Verschärfung der ursprünglichen Strafen: Bei Feller von drei auf fünf Jahre und Hauchard erhält zusätzlich zu bestehenden lebenslangen Sperre als Teamkapitän eine dreijährige als Spieler. Bei Marzolo bleibt es bei fünf Jahren.

25. Mai 2011

Das von den Spielern angerufene nationale französische Sportkommittee stellt sich hinter die Entscheidung des Verbands

27. Mai 2011

Antrag der Spieler auf einstweilige Verfügung um auf der französischen Mannschaftsmeisterschaft teilnehmen zu können, wird von Versailler Gericht abgelehnt.

29. Juni 2011

Das Gericht gibt dem Antrag Hauchards und Fellers statt und setzt die Strafen außer Kraft. Als Begründung wird ein formaler Fehler in den Regularien des Verbandes angegeben. Zudem war anscheinend das Präsidium nicht revisionsberechtigt, sondern der Antrag hätte von der Ethikkommission gestellt werden müssen. (Keine Haftung des Autors für Übersetzungsfehler..)

Eine genauere Darstellung der Geschichte ist auf Chessvibes nachzulesen (in englischer Sprache). Auf der Website der französischen Föderation findet man eine erste Stellungnahme.

Jörg Hickl

Großmeister, Schachtrainer, Schachreisen- und -seminarveranstalter.
Weitere Informationen im Trainingsbereich dieser Website
oder unter Schachreisen

Webseite: www.schachreisen.eu

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