Das Warten hat ein Ende: Boris Gelfand und Viswanathan Anand treffen sich in dieser Woche im schönen Moskau und beginnen am Freitag mit einem zwölfrundigen Match um die Weltmeisterschaft.
Zwölf Runden – das ist eigentlich nicht sehr viel, aber andererseits auch nicht sehr wenig. Zumindest, und das zeigte der WM-Kampf Anand vs Kramnik, ist es lang genug für einige Überraschungen und starke Züge (Se3!).
Wichtig ist ja immer, dass man als Spieler auch nach einer Niederlage noch einmal –wie Fußballer so sagen - zurückkommen kann ins Match. Doch genau das könnte schwierig sein bei dieser kurzen Distanz. (Allerdings nicht so schwierig wie beim Kandidatenfinale, in dem sich Gelfand gegen Grishuk in nur sechs Spielen für diesen WM-Kampf qualifizierte.)
Früher, als die Spieler noch Boris Spassky und Robert Fischer hießen, wurden glatt 24 Spiele angesetzt für so ein Match. Heutzutage scheint niemand mehr so lange zusehen zu wollen. Vielleicht war auch der Moskauer Spielsaal nur verfügbar bis zum 31.Mai? Schade ist es dennoch – 12 Runden sind eigentlich sehr kurz. Wie wäre es mit 17? -
Herausforderer Gelfand gilt gemeinhin als Außenseiter. Worauf gründet sich diese Einschätzung? Wenn wir in guter investigativer Tradition die DWZ-Liste studieren, finden wir unter Gelfand eine aktuelle DWZ von 1722. Wir vermuten, diese Zahl wird es ihm kaum erleichtern, gegen den amtierenden Weltmeister zu bestehen.
Zudem hat Olexandr Gelfand beim Tus Makkabi Wiesbaden seit einem Jahr kein Ligaspiel mehr bestritten – seine letzte Auswertung liegt schon ein Jahr zurück und war mit 4 von 6 möglichen Punkten (66%) in der Bezirksliga 8 (Hessen) zwar solide, jedoch nicht wirklich außergewöhnlich gut. Anand schaffte zwar nur 50%, doch das immerhin auch in der Bundesliga am ersten Brett.
Boris Gelfand bei der Olympiade in Dresden, 2008
(Photo: Frank Hoppe, vielen Dank!)
Doch blicken wir lieber auf den Gelfand, um den es hier wirklich geht – Boris Gelfand nämlich, den wir auch in Moskau sehen werden! Im Gegensatz zu Anand kam Boris Gelfand in der letzten Bundesliga-Saison bei keiner einzigen Mannschaft zum Einsatz. Ein schlechtes Zeichen?
Allerdings wissen wir natürlich, dass Boris Gelfand ein bärenstarker Spieler ist, der sich schon seit Jahren in der (mal engeren, mal erweiterten) Weltspitze hält. Er ist ein Mann der russischen Schachschule, und die ist ja immer für ein paar gut sortierte Punkte gut.
Aroniand – Gelfand, Dresden 2008: Schwarz am Zug hat eine gute Idee!
Anand dagegen, Weltmeister seit seinem Sieg gegen Kramnik in Bonn 2008, glänzte schon in jungen Jahren mit dem Blick fürs Taktische und beeindruckte schon früh damit, starke Züge in rasant kurzer Zeit zu finden. Der Inder hat sich nunmehr in Baden-Baden unter Führung von Teamchef Sven Noppes und als Teamkollege von Jan Gustafsson den letzten schachlichen Schliff geholt und konnte in der Bundesliga seinen universellen Stil vervollkommnen. Ein sympathischer Weltmeister!
Anand - Kramnik, Bremer Meisterschaften 2005:
mit welchem feinen Manöver widerlegte Weiß hier das ungenaue 17....De4?
Beide allerdings, Anand ebenso wie sein israelischer Herausforderer, präsentierten sich in den letzten Monaten eher mit durchwachsenen Ergebnissen. Doch was soll man da sagen - so ist eben der Modus (und das ist auch das Problem daran), und verdientermaßen spielen beide trotz ihrer aktuell mauen Ergebnisse nun den Weltmeistertitel unter sich aus.
Als Anand AnLand (i)Gelfand
Erstaunlich genug: die Namen der beiden Kontrahenten enden beide mit der eleganten Buchstabenkombination –and. Ob das ein Omen ist? Ein Vorzeichen? Doch wie sollen wir es deuten?
Anand – Gelfand – wir stellen fest: das -and erweist sich im modernen Schach zunehmend als Qualitätsmerkmal. Vielleicht werden von nun an nur noch jene Weltmeister, die das and in ihrem Namen tragen? Berechtigte Titelhoffnungen gäbe es dann nun nur noch für die folgenden Andidaten:
- Jan Timmand
- Anandtoli Karpov (den kennen wir schon als Weltmeister)
- Luke McShanand
- Dr John Nunnd
- Levon Aroniand
- Fabiano Caruanand
Schade, wird mancher denken, gibt es denn schon wieder gar keine deutschen Spieler in diesem Feld? Ja, doch, auch wir können auf einen Weltmeister hoffen:
- Daniel Fridmanand (ist ja bereits Europameister!)
- Rainer Buhmannand (ebenfalls)
- Janand Gustafsson (auch so)
- Herbert Bastianand (Präsident!)
Daniel Fridmanand - der zukünftiger Weltmeister? (Photo: Stefan64, danke!)
Diejenigen unserer Leser, die über einen Internetzugang verfügen, können dort täglich so dies und das rund um das Match auf der offiziellen Wettkampfseite verfolgen.
Es scheint auch Live-Kommentare zu geben – das ist wiederum sehr schön. Wir hoffen, sie sind nicht nur auf Russisch! Doch Chessbase meldet, und das ist gut so, dass es auch englischsprachige Kommentare geben wird. Auf der Seite der Hamburger fanden wir auch einen Hinweis auf den sehenswerten WM-Blog des Holländers Eric van Reem.
Zusammen mit den sehr ansehnlichen Standards, die der Weltcup im russischen Khanty-Mansiysk bei den Übertragungen gesetzt hat, können wir hoffnungsvoll sein, dass es neben der rein schachlichen Freude auch wieder ein Genuss sein wird für Augen und Ohren, wenn die beiden Finalisten ins Rennen gehen.
Da ist er, der stärkste Spieler der Welt!
Anders als beim WM-Kampf 1935 zwischen Euwe und Aljechin habe ich diesmal vor dem Match noch keine ganz großen Emotionen gespürt – um ehrlich zu sein: die anstehende Fußball-EM hat mich bisher rein emotional eigentlich mehr beschäftigt.
Doch das will ja nichts heißen – Freitag geht es los in Moskau, und mit den ersten Bildern, Zügen, Entscheidungen wird sich schon langsam der Fokus auf die Begegnung der beiden Top-Spieler richten. Freitag also – freuen wir uns drauf!
Schach-Welt.de, der Blog für die wahren Prognosen, fragt heute einfach mal rum bei seinen Lesern:
a) Ist der kommende WM-Kampf ein Aufreger?
b) Wer gewinnt, und wie hoch?
c) (Bonusfrage) Wird Deutschland Fußball-Europameister?
Kommentare
Aber hey - Gelfand hat sich sportlich qulifiziert und die meisten von uns spielen wohl auch deutlich schlechter als er. Warum sollte es also schon im Vorfeld entschieden sein? Ich freu mich drauf und finde es spannend!
A und/oder O muss offenbar sein. Demnach können sich Olaf Steffens und Thomas Richter noch Hoffnungen machen, Jörg Hickl und Peter Svidler haben dagegen Pech.
a) Die Spitzenpaarung des Städtekampfes Hamburg gegen Bremen ist wahrscheinlich aufregender.
b) Anand gewinnt 14:13.
c) Da müsste noch rasch Kasimdzhanov zur Spezialvorbereitung verpflichtet werden.
Ich erwarte einen spannenden Kampf: 2000 und 2008 wurde der WM-Kampf AUCH durch entspr. listenreiche Vorbereitung gewonnen. Mal schaun, wer welche Spezialvariante ausgräbt!! Davon hängt wohl definitiv der Ausgang des Kampfes ab.
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