b3 zu Ehren Bronsteins

Jobava spielt seine Eröffnung Jobava spielt seine Eröffnung tatasteelchess.com

Ich hatte bereits erwähnt, dass es in Runde sieben des Bronstein-Memorials turbulente Partien gab. Heute will ich zwei herausgreifen und ansatzweise kommentieren - fünf bzw. sechs Diagramme muss reichen. 1.b3 wie Bronstein, und zwar von Baadur (Jobava) und (IM Vitaliy) Bernadskiy [Es gab im Turnier noch zweimal 1.b3, aber das wurden dann doch vergleichsweise 'normale' Partien]. Soviel verrate ich vorab: einmal gewann Weiss, einmal Schwarz - und in beiden Fällen "sagt Houdini", dass das Ergebnis nicht unbedingt dem gesamten Partieverlauf entsprach. Und nun zur Sache:

Jobava-Dubov, Brett 1

1.b3 e5 2.Lb2 Sc6 3.e3 g6 4.h4

Jobava-Dubov 1

Hallo, da kommt der h-Bauer! In Wijk aan Zee (siehe Titelbild) spielte Jobava gegen Yu Yangyi ebenfalls b3, Lb2 und e3, aber nun das scheinbar bescheidene h3 mit der Idee g4 - denn der Gegner hatte sich mit d5, Lf5 und e6 aufgebaut. 4.-h5 5.Sf3 Lg7 6.c4 d6 7.d3 Sge7 8.Sbd2 a5 9.a3 0-0 Das ist nun eine relativ normale Stellung, die auch nach 1.c4 entstehen könnte - wer profitiert vom Intermezzo h4 h5 im 4. Zug? 10.Dc2 Tb8 11.Le2 Lg4 12.Pe4 Dd7 13.0-0-0

Jobava-Dubov 2

Heterogene Rochaden, wer profitiert davon? Mein laienhafter Eindruck ist, dass der weisse König (potentiell) luftiger steht. Schwarz legt auch sofort los - was er mit 10.-Tb8 bereits angedeutet und vielleicht ohnehin geplant hat: 13.-b5 14.cxb5 Txb5 15.d4 Tb6 um mit -Tfb8 Verstärkung zu holen, aber dazu kommt es nicht 16.Pc5 Df5 17.Ld3 Dc8 18.Pa4 Tb8 19.d5 Pa7 Mit ein bisschen Taktik konnte Weiss den Laden am Damen- (alias Königs-)Flügel zusammenhalten. 20.Lc4 c6 21.dxc6 Dxc6 22.e4 Pb5 23.Kb1 Tfc8 24.Ka2 So, der weisse König steht relativ sicher, der schwarze allerdings auch. 24.- Le6 25.Tc1 Lh6 26.Pg5 Lxc4 27.Dxc4 De8 28.Dd3 f6

Jobava-Dubov 3

Endlich eine (freiwillige) Schwächung am schwarzen Königsflügel - Jobava verzichtet auf 29.Txc8 Dxc8 30.Sf3 usw. und spielt stattdessen 29.f4!? fxg5 30.hxg5 Lf8?! Nach langem Rechnen bevorzugt Houdini hier 30.-Lg7 31.f5 gxf5 32.exf5 e4! 33.Dxe4 Lxb2 34.Kxb2 Txc1 35.Txc1 Df7 36.f6 Sd4! mit klarem schwarzem Vorteil. 31.fxe5 dxe5 32.Lxe5 Der b2-Läufer spielt mit! Das hat nur eine Figur gekostet. 32.-Txc1 33.Txc1

Jobava-Dubov 4

Und nun? Houdini plädiert für 33.-Td8 34.De2 Tc8 - mit schwarzem Vorteil, im Gegensatz zur Partie kommt der weisse Springer dann nicht nach c5, und die Dame nicht nach d5. 33.-Tc8 34.Sc5 Sc6 35.Sd7 Sxe5? Hier ging noch 35.-Lg7 was wahrscheinlich im Dauerschach endet, z.B. 36.Lxg7 Kxg7 37.Sf6 De5 38.Txc6 Sc3+ 39.Txc3 Dxc3 40.Dd7+ usw. 36.Dd5+ Df7 37.Dxf7+

Jobava-Dubov 5

1-0

Die zweite Partie ist womöglich noch kurioser oder dramatischer:

Bernadskiy-Sargissian, Brett 8

1.b3 Sf6 2.Lb2 e6 3.f4 b6 4.Sf3 Lb7 5.e3 g6 6.g4

Bernadskiy-Sargissian1

Es muss nicht immer der h-Bauer sein. Hier war noch nicht absehbar, welche Karriere der g-Bauer machen würde, und wie plötzlich sie enden würde. 6.-Lg7 7.Lg2 d6 8.De2 Sbd7 9.h4 doch noch (auch) der h-Bauer 9.-e5 10.h5 gxh5 11.g5 Se4 12.Th3 h6 13.Sc3 hxg5 14.Sxg5 Sxg5 15.fxg5 e4 16.Txh5 De7 17.Sd5 Lxd5 18.Lxg7 Tg8 19.Lc3 Se5 20.0-0-0 0-0-0

Bernadskiy-Sargissian2

Beide haben hier lang rochiert - noch ist nicht abzusehen, welche "Karriere" der weisse König machen wird. 21.Tg1 Kb7 22.Df2 De6 23.Df4 Sf3 24.Tgh1 a5? Schwarz übersieht, dass der Ld5 taktisch anfällig steht 25.Lf6 Ta8 26.Lh3 De8 27.g6! deswegen (siehe Kommentar zum 24. Zug) Dc6 28.g7 a4

Bernadskiy-Sargissian3

Dafür hat Schwarz nun Drohungen am königlichen Damenflügel, was tun als Weisser? 29.Lc3 So nicht - warum wird gleich klar. Houdini hat drei Varianten im Angebot:

1) 29.Ld7 Dxd7 (29.-Dc5 30.Lxa4 b5 31.Lxb5 Dxb5 23.c4) 30.Txd5  2) 29.b4 [ computertypisch, so bleibt die a-Linie geschlossen] Lxa2 30.b5 Dc4 31.d3 Db4 32.Dxe4+ Dxe4 33.dxe4 Le6 34.Lxe6 fxe6 - Lxa2 ist nicht erzwungen, ich zeige diese Variante vor allem, weil der schwarze e-Bauer hier verschwindet, während er später die Partie entscheidet 3) 29.Df5 Le6 30.Db5 Dxb5 31.Txb5 Lxh3 32.Txh3 axb3 33.axb3 Kc6 Jeweils ist das schwarze Gegenspiel neutralisiert, und der weisse g-Bauer bleibt ein Gewinnfaktor

29...axb3 30.axb3 Lxb3 31.cxb3 Pxd2

Bernadskiy-Sargissian4

Nun aber hat Schwarz jede Menge Gegenspiel - die zweite Figur darf Weiss keinesfalls nehmen, und für die erste hat Schwarz immerhin zwei Bauern. 32.Df6 Pxb3+ 33.Kd1 Dc4 34.Ke1 Dd3 35.Kf2 Ta2+ 36.Kg3 Dxe3+ 37.Kh4 Tf2 38.Tf5 Txf5 39.Lxf5 Df2+ 40.Kg5

Bernadskiy-Sargissian5

Mutig oder übermütig? Erinnerungen werden (bei mir) wach an einen eigenen Beitrag vor fast zwei Jahren. Damals erreichte der weisse König die gegnerische Grundreihe (und überlebte), diesmal ... ich habe ja bereits verraten, dass am Ende Schwarz gewinnt. Nach 40.Kh3 hatte er wohl nicht mehr als Dauerschach, schliesslich droht ja immer mal auch Lh7 von Weiss. 40.-Dg2+ 41.Lg4 Dxh1 (sofort 41.-Txg7 ist wohl genauer, dann behält Schwarz auch noch seinen f-Bauern) 42.Dxf7 Txg7+ 43.Lxg7 Pc5 44.Dd5+ Ka7 45.Da2+ Kb7 46.Dd5+ Ka7 47.Dc6 Will Weiss immer noch mehr als Remis? Er wird weniger bekommen. 47.-Dc1+ 48.Kg6 Kb8 49.Lf6 Pd3 50.De8+ Ka7 51.Ld7 Pb4 52.Le6 Dc6 53.Dh8? Weiss liess mehrere Chancen ungenutzt, den schwarzen e-Bauern zu entfernen - nun wird er partieentscheidend: 53.-e3 54.Dh4 Pd3 55.Lc4 e2 56.Lc3 e1D 57.Lxe1 Weg ist der e-Bauer, aber 57.-Dxc4

Bernadskiy-Sargissian6

0-1

 

 

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