Best Reporter Wettbewerb der ACP

Zu Anfang: Ich hatte ja versprochen, eine leicht kryptische Formulierung im letzten Artikel aufzulösen: "[Für neue Leser dieses Blogs - es gibt wohl ein paar, warum werde ich erst in einer Woche verraten ...]". Gemeint war zunächst mal das ACP Board - und vielleicht noch ein paar andere Leute im In- und Ausland die diesen Blog bisher noch nicht kannten. Es gab nämlich einen "Best reporter contest" für den ich mich angemeldet hatte, und das ACP Board ermittelt die drei Sieger und verkündet seine Entscheidung am 22.9., also eine Woche nach Veröffentlichung meines Beitrags. Aus dramaturgischen Gründen setze ich vorläufig keinen direkten Link und verrate das Ergebnis erst ganz unten. Dieser Artikel war ohnehin geplant, egal wie die Sache ausgeht.

Für mich eine neue Erfahrung: über einen Wettbewerb berichten bei dem ich selbst dabei war. Mitunter berichten Schachspieler über Turniere wo sie selbst mitspielten - da sind die Regeln klar definiert: es gewinnt, wer die meisten Punkte (bzw. eventuell den besten Tiebreak) hat. Dies ist eher vergleichbar mit beruflichen Erfahrungen meines Bruders: er ist Architekt, und da gibt es öfter mal Wettbewerbe. In dem Fall bleiben die Teilnehmer dem Preisgericht gegenüber anonym, und es gibt etwas detailliertere Regeln - zumindest wie gross das zur Verfügung stehende Grundstück ist undsoweiter. Und wer gewinnt, ist Ansichtssache des Preisgerichts - der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Was waren die Regeln beim ACP-Wettbewerb? Schlichtweg

"The ACP Board introduces the "Best reporter" contest. Everyone of you is invited to write about the event, using whatever format you prefer. It can be a single report or day by day coverage. It can be a professional website or just a blog/Facebook entry. It can be in English or any other language."

Ist das Ganze ein billiger Trick, um Berichterstattung zu generieren? So könnte man es aus meiner Sicht sehen für irgendein Open mit ein paar Grossmeistern der zweiten oder dritten Garnitur, aber Riga war ein Turnier der absoluten Weltklasse (zumindest wenn man diese etwas breiter definiert als Carlsen, Aronian, Kramnik und Anand). Ich kann nicht einschätzen, wieviele der Wettbewerbs-Teilnehmer ohnehin berichtet hätten (zu mir selbst s.u.) und wieviele mit ihren Beiträgen auch anderweitig Geld verdienen. Ich finde den Wettbewerb eine nette Idee, zumal er sich ausdrücklich auch an Amateure wie mich richtete. Mitgemacht haben am Ende 20 - einige mit mehreren Beiträgen - auf Englisch, Russisch, Spanisch, Italienisch, Ungarisch, Lettisch und vielleicht habe ich noch was übersehen. Ja, Deutsch habe ich noch nicht erwähnt, aber ich will zunächst aussen vor bleiben. Ich habe das nur überflogen (kann selbst auch nur Englisch sowie, hier irrelevant, Französisch und Niederländisch) - viele haben dieselben Partien und auch dieselben Fotos ausgewählt, in der Hinsicht war ich also nicht originell. Einige hatten originelle Fotos, wobei "originell" nicht unbedingt ein Kompliment ist sondern nur bedeutet "die sah man sonst nirgendwo". Ich möchte hier nur zwei Beiträge verlinken die aus meiner Sicht das Spektrum weitgehend abdecken: einer ist auf Russisch (aber erfordert keine Russischkenntnisse), der andere ist für mich einer der Favoriten.

Zum Wettbewerb äusserte sich Evgeny Surov, enfant terrible des russischen Schachjournalismus (Google übersetzt seinen Namen mit "Eugene Tough") der sehr gerne provoziert und polemisiert. Vorab hat er das auf Twitter angekündigt: "I've written a note about Sutovsky (critical). Should I publish or hold back? I'll do what you advise." Dann hat er das veröffentlicht. Das Ergebnis von Google Translate ist durchaus akzeptabel (ich habe aber auch noch eine andere Quelle für Artikel und Twitter-Zitat nebst auszugsweiser Übersetzung). Bis zu einem gewissen Grad hat er nicht ganz unrecht: Er definiert "Reporter" als jemand, der vor Ort in Riga dabei war und beklagt sich, dass offenbar niemand eingeladen wurde und auch niemand auf eigene Kosten anreiste. Zufällig - zumal ich Surovs Artikel zu dem Zeitpunkt nicht kannte - hatte ich gleich im ersten Satz erwähnt, dass ich in diesem Sinne kein Reporter bin. Allerdings ist es durchaus üblich und machbar, Schachturniere im Internet zu verfolgen und anschliessend darüber zu berichten. Vielleicht stimmt sogar, dass die Organisatoren den Wettbewerb "sanft einschlafen lassen wollten" - auf der Webseite stand am 14.9. immer noch nur "contact details will be provided September 12th". Wie ich mich doch anmeldete, behalte ich für mich. Dann bekamen sie aber doch Beiträge, und für deren zum Teil (aber nur zum Teil) mangelnde Qualität sind sie, anders als Surov suggeriert, nicht verantwortlich. Sie haben dann alles erwähnt und verlinkt, hätten sie denn einiges ignorieren sollen? Vielleicht gibt es nächstes Mal doch etwas detailliertere Regeln z.B. "mindestens 100 Worte" oder so. Surov beschwert sich auch, dass sein Beitrag auf chess-news.ru nicht auf der Liste steht. Er hat sich offenbar nicht angemeldet, und Siegchancen hätte er sicher nicht - da stehen die nackten Ergebnisse und sonst nichts.

Was mir nicht so gefällt - und nicht nur, weil es meine eigenen Chancen vermutlich nicht verbessert - ist, dass ACP die Leser zu Kommentaren auf ihrer Facebook-Seite aufforderte: "We'd appreciate hearing from you about the report you liked best". Wer liest schon alle Beiträge und kann alle Sprachen? Da geht es eher darum, wer die meisten Fans hat und diese mobilisieren kann!? Und Beiträge auf Englisch oder Russisch haben da wohl auch tendenziell bessere Karten. Ich gebe zu, dass ich in meinem eigenen bescheidenen Netzwerk etwas Reklame machte - ich bin mir ziemlich sicher, dass zumindest einige Konkurrenten da mehr Möglichkeiten haben und diese auch ausspielten. Selbst bin ich altmodisch und gar nicht auf Facebook, kann also nicht nachschauen was sich da tat. Dienstag morgen hatte offenbar noch gar niemand reagiert, so wichtig ist es vielleicht nicht.

Nach welchen Kriterien wird entschieden? Was mir einfallen würde ist Layout (betrifft alle), Originalität (für Blogbeiträge, reine Nachrichtenseiten haben da kaum Spielraum?) und Qualität der Partieanalysen. Was Originalität betrifft, sollte ich zumindest nicht Letzter werden? Angefangen beim Titel, da habe ich sonst nur zwei Ideen entdeckt: Alina l'Ami entschied sich für "Alexander the Great!", und Alexandra Kosteniuk - deren Beitrag mich sonst nicht gerade vom Hocker reisst - für "Why 16 Rapid Chess Experts ignored Friday the 13th Omen in Riga?". Reine Nachrichtenseiten müssen wohl konventionellere Titel wählen wie "ACP Rapid Cup" oder "Grischuk wins ACP Rapid Cup". Bei Partieanalysen kann ich mit anderen nicht mithalten, habe deshalb auch weitgehend darauf verzichtet. Andere haben da sicher mehr zu bieten, z.B. GM Ramirez auf Chessbase obwohl seine Analyse zu Svidler-Grischuk irgendwie unvollständig ist: erst schreibt er (und hat wohl Recht), dass Schwarz (Grischuk) mit dem Ergebnis der Eröffnung sehr zufrieden sein konnte und zu Recht einer Zugwiederholung auswich, dann dass Svidler klar besser stand - stimmt auch, aber warum? Was machte Grischuk zwischendurch falsch? Und am Ende kippte die Partie und Grischuk gewann. Immerhin war Ramirez etwas detaillierter und näher an der Wahrheit als - kein Teilnehmer im Wettbewerb - Mike Klein auf Chessvibes der den Eindruck erweckt, dass Grischuks Schwarzsieg souverän und jederzeit ungefährdet war.

Ansonsten: Spielt Unterstützung via Facebook eine (wichtige) Rolle? Spielen Name, eventuell Schachtitel des Autors/der Autorin und Bekanntheit der Webseite eine Rolle? Wenn ja, inwiefern und in welche Richtung - gibt es einen Promi-Bonus, oder haben Amateure im Zweifelsfall bessere Chancen als Profis? Im Gegensatz zu Architektur-Wettbewerben konnten die Teilnehmer ja nicht anonym bleiben. Wie gehen sie um mit Beiträgen in verschiedenen Sprachen? In den Biographien der ACP Board Mitglieder wird erwähnt, dass einige mehrere Sprachen beherrschen, allerdings nicht welche. Da ein Artikel nicht ganz ohne Bilder sein sollte, zeige ich (Quelle ebenda) noch das Jury-Mitglied, das meinen Beitrag vielleicht am besten verstehen und beurteilen kann:

vdberg

Kann "Mr. Wijk aan Zee" Jeroen van den Berg fliessend Deutsch?

Oder haben sie Beiträge in ihnen unbekannten Sprachen übersetzen lassen - wenn ja, von wem: professionelle Übersetzer, andere Menschen oder Google? Es war mir allerdings Recht, dass Autoren Beiträge in anderen Sprachen nicht selbst ins Englische oder Russische übersetzen mussten - ersteres kostet Zeit, letzteres kann ich nicht. Eher war für mich drin, den Beitrag (mit Sondergenehmigung von Jörg Hickl) gleich auf Englisch zu schreiben. Spielt Zeitpunkt der Veröffentlichung eine Rolle? Ich habe mich beeilt und war bereits Sonntag gegen Mitternacht fertig, z.B. Lennart Ootes brachte seinen erst Mittwoch. Der Beitrag ist für mich auch zumindest oberes Mittelfeld, obwohl er einen faktischen Fehler enthält (Tip: siehe Viertelfinale - es sei denn er korrigiert sich zwischenzeitlich, momentan Sonntag 22.9. 14:30 noch nicht der Fall). Ich weiss nicht, wieviel Punktabzug ich als Preis-Richter dafür geben würde. Geschmackssache ist allerdings, dass er als Insider (Webmaster des Turniers und der ACP) überhaupt teilnimmt - es sei denn, er sagte ausdrücklich, dass er nur erwähnt werden und nicht gewinnen will? Fazit trotz kritischer Anmerkungen und neugieriger Fragen: der Wettbewerb ist eine nette Idee.

Dann hat ein Leser noch angeregt, ein paar Worte aus ganz persönlicher Sicht zu schreiben "warum Du Dich beteiligt hast, was Deine Überlegungen für Deinen Artikel waren usw". "Vielleicht" hätte ich meinen Artikel ohnehin geschrieben, der Wettbewerb-Anreiz spielte durchaus eine Rolle. Es geht nicht nur um eventuell Geldpreis und internationale Anerkennung, sondern schon darum, dass der Artikel auf der Turnierseite verlinkt wird und damit vielleicht mehr Leser erreichen kann. Über irgendein Open irgendwo hätte ich aber auch dann nicht berichtet - es sei dann, da passieren interessante Dinge wie z.B. zwei drei Damenopfer. Überlegungen zum Artikel - tja, generell schreibe ich ohne (vorher) gross zu überlegen ... . Anders ausgedrückt: ich entwickle Ideen schon während des Turniers und schreibe hinterher drauflos, einige Ideen habe ich da bereits wieder vergessen oder verwende sie dann doch nicht. Vielleicht entsteht dann eine Art roter Faden, vielleicht auch nicht - das mag der Leser beurteilen, ebenso ob man unbedingt einen roten Faden braucht. Geht es etwas konkreter? OK, ich stelle mir zwei Fragen:

1) Was ist das Besondere an diesem Turnier? Wenn ich einen Aspekt herausheben kann, dann war es Shirovs Mehrfachrolle als Organisator, Spieler und Kommentator. Das habe ich einfliessen lassen, das reicht aber nicht als einziges Thema oder Leitmotiv.

2) Was kann ich besonders machen? Anders als andere, nicht unbedingt besser aber eben anders. Stichwort Originalität - Titel hatte ich bereits erwähnt. Das Einfall-Reinfall Konzept hatte ich schon einmal - damals ging es (hatte ich nun nicht mehr parat) vor allem um Reinfälle. Treue Leser wissen vielleicht auch, dass ich - wenn es sich anbietet - gerne Titel mit Alliterationen verwende, siehe hier und hier. In diesem Fall kamen so vor Einfällen noch Eindrücke. Ich versuche auch, ein paar Details einzubauen die man sonst nirgendwo findet - wobei ich nicht wusste was die Konkurrenz schreiben würde. Soweit ich es überblicken kann, bekamen die Leser der Schach-Welt zwei Infos exklusiv: die Tatsache, dass Nepomniachtchi nur Ersatzmann war und den Namen der Dame im Siegerfoto (Quelle für beides: Emil Sutovsky per email).

Bis hierher hatte ich das geschrieben, bevor das Ergebnis bekannt gegeben wurde. Nun setze ich doch noch den Link zum Wettbewerb und verrate kommentarlos, wer gewonnen hat: Erster wurde Chessbase/GM Ramirez. Der zweite Preis ging an die zwei Fotoberichte von WIM Julia Gromova auf der russischen Seite e3e5.com. Der dritte Preis wurde geteilt (und das Preisgeld von insgesamt 600$ aufgestockt), und zwar zwischen Chess Today/GM Golubev (ebenfalls zwei Berichte) und einem titellosen Spieler der für Schach-Welt berichtete.

Kommentare   

#1 Olaf Steffens 2013-09-24 19:14
Hallo Thomas,

habe ich den letzten Satz des Artikels richtig verstanden? Bist Du etwa der titellose Spieler, dem der geteilte dritte Preis zugesprochen wurde? :roll:

Dann mal herzlichen Glückwunsch - wir freuen uns, dass Du hier für unseren Blog berichtest, aus aller Welt, mit Hintergrund und Sachverstand/ Schachverstand!!

Und: viel Spaß mit dem Preis - aber nicht alles für Schach ausgeben, hörst Du!
#2 MiBu 2013-09-25 22:15
Na dann: "Thomas von Texel"s Top-Turnierbericht teilt den tritten Platz! Toll!!!
Okay, irgendwie scheint das doch zu viel der Alliteration, aber natürlich auch von mir tonnernder, nee, donnernder Applaus.

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