Bundesliga dahoam

Marco Bode und der ukrainische GM Zahar Efimenko Marco Bode und der ukrainische GM Zahar Efimenko OSt

Die Bayern kommen! Die Hansestadt Bremen zog die Köpfe ein, denn zwei süddeutsche Schachteams präsentierten sich heute bundesligamäßig an der Weser: einmal BCA Augsburg, respektabler Aufsteiger aus der Fuggerstadt, und dann das (neben dem FCB natürlich) Bayernteam der Herzen, die MSA Zugzwang München, geführt vom delmenhorststämmigen Markus Lammers, einem Sohn der Region, einem Butenbremer also, der es im Süden unter anderem zu IM-Ehren und zum Kapitänsamt bei der Münchner Schachakademie gebracht hat - Kompliment!

Viertes Team im Bunde war neben den ortsansässigen Werderanern der SV Mülheim Nord, etablierte Liga-Fachkraft aus dem Westen, und auch leicht favorisiert gegen Augsburg - am Ende aber stand ein wohl leistungsgerechtes Unentschieden für beide Teams zu Buche. Frühe Führung für Mülheim mit einem schwungvollen Sieg des mehrfachen Deutschen Meisters Daniel Fridman (ich bin ein großer Fan!), dann Remis Remis Remis, und schließlich der Ausgleich durch Nikola Nestorovic gegen den jungen Holländer Liam Vrolijk - 4 : 4!

Liga 1
Daniel Fridman setzt matt! - nur wenige Züge später. So müsste man Schach spielen können, aber wie bloß lernt man das? (Bild: Chess24)

Die Werderaner waren noch aus dem Vorjahr gewarnt - dort hatte Zugzwang München unter der schon damals bewährten Leitung von --> Markus Lammers den Grün-Weißen ein hübsches 4 - 4 abgeknöpft und war dabei dem Sieg verdächtig nahe gekommen. Heuer, wie man im Süden ja sagt, will es für die Bajuwaren noch nicht so richtig funken, leider steht man tief im Süden der Tabelle, und heute zumindest hat sich daran nicht viel geändert.

Die acht Hansestädter (von den sieben allerdings aus ganz Europa angereist kamen, und der achte aus dem schönen Osnabrück) - die acht Sportbremer also taten sich für längere Zeit schwer, und als parteiischer Zuschauer musste man schon ein wenig die Tatsachen ins Gute verbiegen, um optimistisch auf einen günstigen Ausgang für Werder hoffen zu können.

Markus Lammers
         Markus Lammers: Rückkehr in die alte Heimat!

Dann aber fuhr Team Hansestadt doch noch einige Punkte ein, vielleicht fühlte sich Zugzwang nördlich des berüchtigten Weißwurst-Äquators doch ein wenig unwohl. Romain Edouard gewann mit einem schmucken Benoni, Wouter Spoelman stellte sich beinahe Orang-Utan-mäßig auf (wobei sein b-Bauer jedoch nur bis b3 vorging) - er eroberte erst Material und dann die Partie zum 3 - 1 Zwischenstand, nachdem zuvor Eichler - Babula und Mons - Fressinet Remis ausgingen.

Zugzwang hielt den Ball noch lange im Spiel, letztlich endete die Begegnung indes hoch mit 7 - 1 für Werder bei weiteren Siegen von Zbynek Hracek, Tomi Nybäck, Martin Zumsande und Zahar Efimenko in seiner schon 5.? oder 10.?, nein, sogar 16.! Spielzeit beim SVW.
Kopf hoch aber, Ihr Münchener, und viel Glück in den kommenden Spielen - kann noch alles werden mit den Punkten, ganz wie in den letzten Jahren! Und mit Leon Mons an Eins kann man eigentlich gar nicht absteigen.

Zahar
             Fußball-Großmeister Marco Bode (30 Jahre bei Werder)
ehrt den ukrainischen Großmeister Zahar Efimenko (15 Jahre bei Werder!)

Mons
                GM Laurent Fressinet wehrt sich gegen GM-Schreck Leon Mons.

Tja, und das war es dann auch schon für heute in Bremen. Schön wäre es, wenn man als Zuschauer die eine oder andere ELO-Gutschrift erhalten könnte, alleine für das Dabeisein und Zugucken, vielleicht auch fürs Daumendrücken. Es würde den Anreiz für Schach-Besucher enorm erhöhen, tatsächlich einmal zu den Turnierorten zu pilgern und den HeroInnen ihres Sports über die Schulter und bei ihren Abenteuern zuzusehen. Im Stadion unseres Vertrauens, Heim für gut 40.000 Gäste, wenn die Fußballer kommen, waren anwesend heute: eine relativ leicht überschaubare Anzahl von Besuchern beim einzigen Heimspiel der Saison 2018/2019.

"Die Schach-Bundesliga, außerhalb der Schachszene weiß so gut wie niemand von ihrer Existenz. Selbst viele Schachspieler kennen die Liga nicht und noch weniger interessieren sich für sie."
         (Ilja Schneider, Unsere Bundesliga soll schöner werden, Schachblog, www.zeit.de)

Warum ist das Zuschauerinteresse (ja nicht nur in Bremen) so verhalten - und ab/ bis wann kann man überhaupt noch von Zuschauer-Interesse sprechen?

- Am Eintrittspreis sollte es nicht liegen, bei Werder liegt er bei 5,-€ und ermäßigt 3,-€ - wer in grün-weißem Outfit kommt, kann sogar umsonst eintreten (gilt jedoch nicht für Trikots des VfL Wolfsburg)

- Werbung wird in bescheidenem Umfang gemacht, wir werben auf der Seite des Bremer Landesschachbundes, auf unserer eigenen Webseite, auch im Weserkurier und auf Postern werden die Spiele angekündigt, und natürlich in den zahlreichen Schachmedien (print und online). Wer will, kann es mitbekommen.

 Bundesliga Plakat Februar 2019

Wenn wir mit Werder III oder Werderzwo im Norden unterwegs sind oder mit dem Werder-Pokalteam über Land fahren, kommt überraschend oft dennoch immer gerne mal die Frage von Spielern der anderen Vereine, in welcher Liga denn unsere Erste eigentlich spielt. Die Antwort ist dann (seit 20 Jahren, sozusagen) "Bundesliga", doch nun gut, vielleicht hat das einfach keine Relevanz in unserem Sport, keine Bedeutung, kein Flair - aber kann es denn sein, dass die "höheren Ligen" im Schach und die Mannschaften, die sich dort tummeln, nur so wenige interessieren? Ein erstaunliches Phänomen.

- Liegt es vielleicht an der Live-Übertragung der Partien, aller Partien, auf dem schönen Portal der Schachbundesliga? Die Hürde, nun doch mal bei Wind und Wetter aufzubrechen und sich zum Spielort zu begeben, ist sicherlich höher, wenn die Partien (alle!) fast zeitgleich, ohne viel Mühe und erst recht ohne einen Kostenbeitrag auch fix mal im Internet angesehen werden können - und sei es auch nur mal so, nebenbei. Wirklich, wer läuft dann noch in den Turniersaal?

Auch wenn das Live-Übertragen natürlich modern, attraktiv und einfach state-of-the-art bei jedem ordentlichen Schachturnier ist, vielleicht bringt es die Veranstaltung vor Ort dann doch um den einen oder anderen interessierte(n) Zuschauer(in). Für die Atmosphäre im Spielsaal ist das, so kann man vermuten, nicht immer nur gut. Schade, schade - und was war nochmal der Vorteil des aufwendigen Übertragens?

- Weitere Hypothesen - ist der Liga-Modus überholt? Sollte Bundesliga als Schnellschachturnier gespielt werden, mit Blitzentscheid bei unentschiedenen Partien? Muss Magnus Carlsen an allen Bundesligaspielen gleichzeitig teilnehmen, um Zuschauer anzuziehen? Kommen Besucher wirklich nur dann, wenn parallel zu Ligaspielen noch Simultanspiel und Blitzturnier angeboten werden? Und wie wäre es - wie auch von Ilja angeregt - mit dem freien und nicht meldelistengebunden Aufstellen der Mannschaften, ähnlich wie in den Niederlanden. Auch könnte man für den ersten Teil der Partien die gute (?) alte Zeitnotphase wiederbeleben, und bis zum 40. Zug ohne Inkrement spielen. Brächte das an der Oberfläche wieder mehr Leben, Wahnsinn und Show in die Partien?

- Noch weitere Fragen: ist die Anzahl der ZuschauerInnen denn überhaupt ein Kriterium? Sollten wir uns als Nischensport verstehen und damit glücklich sein? Reicht es nicht auch aus, wenn nur diskret (und sogar zahlreich!) im Internet zugeschaut wird, und im analogen Spielsaal sitzen nur noch die Teams, ein Schiedsrichter und natürlich jemand, der für alle Kaffee kocht? Gehört die Zukunft der ProLeague und den Berlin Bears (schon wieder mit Leon Mons!!)?

- Warum gibt es eigentlich immer so viele Fragen - und ist das immer alles eigentlich so wichtig? Sollten wir (ernstgemeint) zum Wohle der Welt nicht lieber Elefanten retten, Wale, Giraffen, den brasilianischen Urwald, die Weltmeere und den Hambacher Forst, gegen den C02-lastigen extensiven Flugverkehr kämpfen und  endlich für das Ende der Massentierhaltung?
Ich jedenfalls gehe nun erstmal ins Bett, denn huch!, morgen muss der Zuschauer der heutigen Spiele im Weserstadion ein, zwei oder sogar drei Ligen unter der Bundesliga schon wieder selber am Brett sitzen und das Nachdenken simulieren. Und das allein, wie jeder weiß, ist schwer genug - immerhin kann man auf Kaffee hoffen.

Glück auf darum allen Leserinnen und Lesern, und ein gutes Händchen morgen in den Ligaspielen!

 

Olaf Steffens

Olaf Steffens, Diplom-Handelslehrer, unterrichtet an einer Bremer Berufsschule. FIDE-Meister seit 1997, ELO um die 2200, aufgewachsen in Schleswig-Holstein. Spielte für den Schleswiger Schachverein von 1919 (moinmoin!), den MTV Leck (hoch an der dänischen Grenze!), den Lübecker Schachverein, die Bremer Schachgesellschaft und nun für Werder Bremen.

Seit 2012 Manager des Schachbundesliga-Teams des SV Werder Bremen.

Größte Erfolge:
Landesmeister von Schleswig-Holstein 1994, Erster Deutscher Amateur-Meister 2002, 5.Platz beim letztenTravemünder Open 2013, und Sieger des Bremer Hans-Wild-Turniers 2018.

Größte Misserfolge:
Werd´ ich hier lieber nicht sagen!

Größte Leidenschaften:
früh in der Partie irgendetwas mit Randbauern und/ oder g-Bauern auszuprobieren und die Partie trotzdem nicht zu verlieren – klappt aber nicht immer.

Kommentare   

#1 Krennwurzn 2019-02-03 13:33
Anspruch "stärkste Liga der Welt" und Wirklichkeit "Topspieler im Kader aber selten am Brett" ist ein Problem.

Gravierender ist, dass die höheren Ligen in allen Ländern "Söldnertruppen" sind und keine vereinsbindende Wirkung haben - weder nach innen noch nach außen.

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