Caro-Kann unter Beschuss

Eines der schwierigsten Unterfangen im Schachspiel dürfte es sein, einen eingefleischten Caro-Kann Anhänger aus der Reserve zu locken. Egal ob man nun eine positionelle oder eine eher taktische Herangehensweise dagegen wählt, der betuchte 1. ...c6 Spieler baut sich seelenruhig gemäß der Caro-Kann-Schemata auf und der Weißspieler kann sich dann sämtliche Zähne an dieser Verteidigung ausbeißen.

Das dürfte auch der Grund dafür sein, dass es auf dem Schachbuchmarkt deutlich mehr pro Caro-Kann Bücher gibt als dagegen, bzw. fällt mir auf Anhieb keines ein, dass ein probates Mittel gegen Caro-Kann aufzeigt.

Einen ernsthaften und auch sehr seriösen Versuch macht jetzt der ukrainische GM Alexey Bezgodov (ELO 2494):

Alexei Bezgodov

The Extreme Caro-Kann
Attacking Black with 3.f3
272 Seiten, kartoniert, 1. Auflage 2014.

Erhältlich bei Schach Niggemann 

Im Zentrum des Geschehens steht die Fantasy-Variante 1.e4 c6 2.d4 d5 3.f3.

Dieser Zug beinhaltet ein Gambit und steht in deutlicher Verwandtschaft mit dem Diemer-Duhm-Gambit.

Der Autor hat das vorhandene Material in 8 Kapiteln unterteilt: Seltene Erwiderungen, die Fianchetto Variante 3. …g6, Semi-Französisch mittels 3. …e6, 3. …Db6, das Abspiel 3. …e5, die Hauptvariante 3. …dxe4, wichtige Partien und Übungsaufgaben. Insgesamt analysiert der Autor 68 Partien, bindet diese in seinen theoretischen Überblick mit ein und in den abschließenden Übungsaufgaben (51) werden typische Mittelsspielstellungen aufs Korn genommen.

Sehr gut gefallen haben mir die zahlreichen verbalen Erklärungen und auch die Querverweise auf vergleichbare Literatur, bzw. die vorhandene, offizielle Theorie. Außerdem ist mir positiv aufgefallen, dass Bezgodov nicht nur das Material gesammelt und bewertet hat, sondern dass er auch sehr viele eigene Ideen und Vorschläge in das Buch mit aufgenommen hat. Ich habe natürlich viele Varianten genauer unter die Lupe genommen und versucht, irgendwo Fehler oder Unzulänglichkeiten auszumachen, vergebens. Zum Beispiel verbessert der Autor eine wichtige Hauptvariante aus Lars Schandorffs Caro-Kann (Grandmaster Preparation):

1.e4 c6 2.d4 d5 3.f3 dxe4 4.fxe4 e5 5.Sf3 Lg4 und nun nicht 6.Lc4 wie bei Schandorff sondern der neue Zug 6.c3 Sd7 7.Ld3! Ld6 (auch Jovanka Houska bricht hier in ihrem „Play the Caro-Kann“ mit der Bemerkung ab, Schwarz könne hier um das Feld e5 kämpfen?! ) 8.0-0 Sgf6 9.Sbd2 0-0 10.Sc4 Lc7 11.Lg5 Te8 12.Dc2! Lxf3 13.Txf3 b5 14.Se3 Lb6 15.Sg4 exd4 16.c4 mit mehr als einiger Kompensation für den Bauern.

Auch in den anderen Abspielen hat Bezgodov gut recherchiert und die kritischen Abspiele sehr genau analysiert. Zumindest ist mir mit meinen vorhandenen Mitteln (Engines, Datenbanken, Bücher) nichts Gegenteiliges aufgefallen.

Zu den entstehenden Stellungen kann ich nur sagen: Nichts für schwache Nerven! Hochtaktisch, kompliziert und fern jeder Schablone. Also alles Sachen, die ein Caro-Kann Spieler hasst!

Zusammenfassend ein sehr gutes und ehrliches Eröffnungsbuch mit seriösen, tiefgreifenden Analysen. Dazu gesellen sich viele ungespielte Neuerungen und Ideen die aus diesem System eine nicht zu unterschätzende Waffe gegen Caro-Kann darstellen.

Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von Schach Niggemann überlassen.

Kommentare   

#1 Schmidt 2014-02-16 12:44
Ich bin mir sicher, die Caro-Kann-Spieler dieser Welt quälen sich bereits durch schlaflose Nächte... "Caro-Kann unter Beschuss"!? "Extreme Caro-Kann"!?
Wer noch seine Nerven behalten hat und sich nicht von reißerischen Buch-/Blogtiteln Angst einjagen lässt, denkt darüber nach, wie man dieses Buch angemessen hätte betiteln können: "Neue Ideen für Weiß in der Fantasy-Variante". Black is okay.

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