Chess 960

In diesem Text sollen die Spiele „klassisches Schach“ und „Schach 960“ einander gegenübergestellt werden. Es soll schon höchst objektiv versucht werden, was die objektiven Vorzüge dieser oder jener Variante sind beziehungsweise was die wohl deutlich in der Überzahl befindlichen Verfechter des klassischen Schachs – oder ist es etwa nur ein Mangel an Turnierangeboten des Schach 960? – so überzeugt festhalten lässt an dieser „einzig wahren“ Schachvariante.

Man macht natürlich kein Hehl daraus, dass man es persönlich für eine sehr lohnenswerte Alternative hält, weiter gehend vielleicht sogar eine mögliche Ablösung des klassischen Schachs absehend, wobei man an dieser Stelle durchaus weit mehr als nur den einen oder anderen Leser entsetzt aufschreien hört --- und folglich diesen Text gleich mal beiseite schieben lässt. „Ich unterstütze doch keine Bastard Varianten des Schachs. Wenn schon, spiele ich mal Tandem. Das macht MIR Spaß.“

Nicht selten diese oder ähnliche Worte vernehmend, soll es hier , als durchaus Praktizierender des klassischen Schachs --  und nicht nur dies, sondern es eigentlich mit annehmbarem Erfolg und durchaus einiger Leidenschaft tut – zunächst mal eine nüchterne Analyse geben, was diese Varianten auszeichnet oder besonders macht.

1)   Das klassische Schach

Was könnte man nun über das klassische Schach sagen, was der Leser nicht schon längst wüsste? Zunächst einmal ist allein schon der Begriff „klassisches Schach“ für einen wahren Schachspieler bereits ein klein wenig eine Beleidigung oder Herabwürdigung. „Wieso der Zusatz „klassisch“? Das Spiel heißt Schach, wird seit vielen Hundert Jahren so gespielt  und ist das einzig vernünftige auf Erden, alles andere ist Humbug.“ Klassisch deutet also bereits an, dass es irgendetwas anderes gibt, etwas, nennen wir es „modernes“, und was sollen wir bloß mit all diesem modernen Zeugs?

Woran haben wir uns also alle als Schachspieler gewöhnt, und, trotz aller Gewöhnung, niemals weder in Frage gestellt geschweige denn über Alternativen nachgedacht? Wenn man heute ein Turnier spielt, so ein richtiges Turnier, womöglich dazu eine Reise tut, dann ziemt es sich, für einen richtigen Schachspieler, seinen Computer und seine geballte Software dabei zu haben inklusive der eigens angelegten Datenbanken und mit seiner höchst persönlichen Arbeitsweise, welche man sogar heute in Kursen ausarbeiten kann, um möglichst ökonomisch und effizient herauszubekommen, wo sich die Schwachstelle eines bevorstehenden Gegners befinden könnten oder überhaupt, mit welcher Eröffnungsunterspezialvariante man vielleicht einen gar hochkarätigen Gegner aufs Glatteis locken kann, auf welchem dieser hoffentlich bald einkracht.

schachseminareanzeigeSo ist wohl jeder vermutlich stolz, wenn es ihm gelingt, in den 18 Stunden nach Bekanntwerden des kommenden Gegners, daheim die in Bälde anstehende Partie möglichst haargenau und originalgetreu in der Vorbereitung auf dem Brett gehabt zu haben, und dies, wenn denn machbar, mindestens einen Zug weiter als der Gegenüber und, noch viel wichtiger, mit einem von Houdini ausgewiesenen Vorteil, dessen technische Verwertung man  zwar nicht exakt bestimmen kann, aber doch im Wesentlichen die anstehenden Motive kennt, die einem den Punkt bescheren werden oder, falls  man denn Schwarz hätte, den Gegner alsbald überzeugen, dass die Fortsetzung der Bemühungen, angesichts der Ausgeglichenheit der Lage, aussichtslos ist und er doch bitte schön mit Remis übereinkommen möge.

All dies scheinen Dinge der modernen Praxis zu sein, mit welchen man höchst persönlich übrigens schon lange vor  der Erfindung sowohl von Datenbanken als auch sonstiger Schachsoftware als auch des Schach960 so absolut rein gar nichts am Hut haben wollte. Dennoch muss man sich ja den Zeichen der Zeit fügen, ihnen folgen, sich mit ihnen arrangieren,  auf irgendeine Art, um nicht permanent von den Gegenspielern vorgeführt zu werden oder einfach nur einen kontinuierlichen Abbau der eigenen Wertzahl beobachten zu müssen – oder halt das geliebte Spiel beizeiten aufgeben. Das heißt: man ist gezwungen, sich ein wenig mit „Eröffnungstheorie“ zu beschäftigen, ob man nun will oder nicht – oder, als einzige Alternative, sich mit meist minderwertigen Stellungen abfinden.

Die Abneigung gegen Vorbereitung betrifft anscheinend dennoch die weitaus in der Minderheit befindliche Anzahl der sich als „echte Schachspieler“ bezeichnenden, also derer, die von höheren Ehren träumen. Diese wenigen beschäftigen sich dann in ihrer speziellen Art der Vorbereitung, wenn überhaupt mit etwas, mit der Fragestellung: „Wie kann ich nur der Vorbereitung des Gegners aus dem Wege gehen?“ Dies ist natürlich die anerkannte Attitude der Faulen, denn diese „Arbeit“ kann man sogar am Brett erledigen: „Er rechnet bestimmt mit Caro-Kann. Also spiele ich heute Sizilianisch.“ Ein spontaner Gedanke – und die Stunden der Vorbereitung des Gegners sind für die Katz. Einziger Nachteil: man befindet sich vielleicht selbst auf ungewohntem Terrain.

Falls man sich aber auf die eigene Hauptvariante und damit die Vorbereitung einlässt, so kann man überzeugt sein, hat der sich vorbereitende Gegner einen ganz festen und weiter oben beschriebenen Fahrplan ausgearbeitet, mit welchem er einen aufs Kreuz legen möchte. Und bitte, wer außer Carlsen oder Ivanchuk, wüsste nicht von Schwächen im eigenen Eröffnungsrepertoire und fühlte sich, den beiden gleich, in der Lage, diese  OTB („over the board“) zu lösen,?

Was also einen wahren Schachspieler auszuzeichnen scheint ist, sich auf heimischem Terrain sicher und geborgen zu fühlen und dieses Terrain so schnell wie möglich zu erreichen und es niemals wieder zu verlassen. Man sucht nicht etwa neue Stellungsbilder sondern man sucht sehr speziell nach Mustern, die, sobald erkannt, einem das Denken abnehmen oder zumindest erleichtern. Am liebsten würde man vielleicht,  falls es denn möglich wäre, ein und dieselbe Partie drei, vier Mal spielen und gar nicht mehr denken müssen – gerne auch öfter, sofern das Ergebnis passt. Entzieht man diesem Spielertyp den festen Boden, so fühlt er sich unsicher, ängstlich, vielleicht sogar verloren – im doppelten Wortsinne.

Natürlich, so wird jeder richtige Schachspieler einwenden, gibt es a) noch immer genügend Stellungen, in denen die Entscheidungsfindung harte Arbeit erfordert, gibt es b) diese eine Partie, die man immer wieder spielt, mit immer dem gleichen, erfreulichen Ausgang nicht, gibt es noch immer so viele Fallstricke und Neuigkeiten, die einem eine jede weitere Partie als wahres Abenteuer erscheinen lassen, hat man c) mit dem Gedächtnis zu kämpfen, welches einen hier oder da im Stich lässt und den „richtigen“, eigentlich längst zuvor zu Hause – mit Engines und Datenbanken, versteht sich – ausgearbeiteten Zug in dem Moment vergessen lässt und es ihn partout nicht in die Erinnerung zurückzuholen gelingt, und hat man d) doch gerade in letzter Zeit vermehrt gesehen, wie die Weltelite auch schon im Frühstadium der Partie Neuerungen aufs Brett zaubert und e) ist doch unser so heiß und innig geliebtes Spiel doch noch immer so unendlich kompliziert und hat uns f) nicht gerade in den letzten 10 Jahren vermehrt der Computer vorführen können, wie unendlich weit wir selbst von einer endgültigen Wahrheit entfernt liegen und wie nahe man ihr, mit wohl bald 1 Milliarde berechneter Stellungen pro Sekunde, in einer fernen Zukunft als Mensch vielleicht kommen kann? Da ist doch noch lange kein Ende in Sicht?

Und doch sollen hier durchaus die Schattenseiten etwas mehr betont werden: warum nur, meint man, sich derartigen Einschränkungen aussetzen zu müssen, als Betreiber dieses Spiels? Sicher gilt für jeden Einzelnen: „Ja, die Stellung kenne ich, hatte ich schon vor 10 Jahren mal, da weiß ich wie man es spielt und kenne die Motive. Und das hat X (Weltklasse) gegen Y (erweiterte Weltklasse) 1996 gespielt und damals schon nachgewiesen, dass Weiß in dem Endspiel einen klaren Vorteil hat.“ Und man fühlt sich so richtig toll, vor allem, wenn man dies im Dialog – vielleicht direkt nach einer Partie, gegen einen Ranghöheren, nachdem man ihm das Remis abgeknöpft hat – verbreiten kann und vielleicht den Kiebitzen ein ungläubiges Staunen abringen und diese sich zuflüstern lassen : „Wow, was der Mann so alles weiß. Das muss ja ein toller Schachspieler sein.“ Es macht einen stolz und man hat das gewünschte Ergebnis herausgeholt. Man fühlt ich wohl, es macht Spaß, wie sollte man das leugnen? Dennoch bleibt die Frage: Was hat man in Wirklichkeit geleistet? Wissen angeeignet, angehäuft sogar, Wissen abgerufen. Mit (möglichst) wenig Aufwand am Brett – ja doch, aber viel zu Hause, ok – zum Erfolg.

Wie würde diese so heil und gewohnt erscheinende Schachwelt nur ausschauen, wenn einem dieses entzogen wäre, wenn das konkrete Wissen nichts mehr wert wäre, aber nicht etwa einseitig, sondern auf einen Schlag beidseitig? Jeder Einzelne hätte die Sorge, plötzlich ohne Netz und doppelten Boden agieren zu müssen, sich den gefährlichen Fahrwassern, mit Minen durchsetzt, im Sturm dazu, hilflos aussetzen zu müssen, jeder für sich würde vielleicht befürchten, müssen, schon frühzeitig einen gänzlich falschen Plan zu verfolgen, alsbald in hilfloser Stellung kapitulieren zu müssen, nur könnte er sich möglicherweise auch damit beruhigen, dass es dem Gegner nicht anders erginge, dennoch gäbe es sicher (anfangs) eine gefühlte Unsicherheit. All dies ist nämlich beim...

2)   Schach 960

...der Fall. In diesem Spiel muss man nun wirklich schöpferisch tätig werden, hier muss man ab dem ersten Zug versuchen, eine Lösung zu finden, hier genügt es nicht mehr, ein irgendwo gespeichertes Wissen abzurufen, hier ist mehr erforderlich als reine Kenntnisse einer Variante gefolgt von unwiderstehlicher Technik, hier ist man auf sich allein gestellt: finde in dieser Stellung den besten Zug, den Zug, der mit einem Plan verbunden ist, den nur du allein hier und heute und in dieser Stellung am Brett ausgeheckt ist, der vielleicht einzigartig in der Schachgeschichte ist, der die Figuren und Bauern so in Einklang bringt, dass sie den Gegner einschnüren auf eine Art, wie es noch nie da gewesen ist, die einen Mattangriff einleiten in einer Form,  wie es die Welt noch nicht gesehen hat.

Hier gibt es quasi gar keine Eröffnungstheorie, zumindest nicht konkrete, die einem die Vorschrift machen möchte, dass dies der richtige Zug sei und der von einem selbst gewählte zwar schon, und dies vor langer Zeit mal, ausprobiert wurde, dass sich aber herausgestellt hat, dass Schwarz hier einfach keine Ergebnisse holt und dass die Stellung demzufolge schlecht ist. 

Selbst wenn man nämlich im Schach 960 in einer ganz bestimmten Grundstellung herausgefunden hätte, dass ein bestimmter Aufbau sich absolut nicht empfiehlt, so hätte es fast gar keine Bedeutung, da man diese Stellung nämlich in den nächsten drei Jahren nicht aufs Brett bekäme und falls sie denn doch aufträte, man die Schattenseiten dieses Aufbaus längst vergessen hätte – falls man denn selbst oder der Gegner  überhaupt auf den Gedanken käme, sich auf diesen einzulassen.

Die an dieser Stelle in gewisser Weise betriebene Werbung für das Spiel soll hier keineswegs verhohlen werden. Da man selbst jede Gelegenheit wahrnimmt, um ein Turnier zu spielen, hat man natürlich hier oder da auch schon ein paar Erfahrungen gesammelt, und möchte gerne ein wenig aus der Praxis plaudern.

So stellt man beispielsweise fest, dass es an vielen Brettern oftmals -- nach einer ordentlich Anzahl von Zügen – nach einer ganz normalen Schachstellung aussieht. Man könnte also nicht mehr sagen, ob diese Stellung nun aus einer Schach 960 Grundstellung (von denen die klassische eine von 960 ist) entstanden ist, oder ob sie aus der uns so vertrauten Grundstellung entstanden ist.

Weiteres Philosophieren fördert zunächst die Fragestellung zutage, ob dies zur Ursache hat, dass die Figuren in diesen Positionen, in denen sie sich dann befinden wirklich am besten stehen oder ob der Führer der Steine lediglich sie dorthin geführt hat, um endlich, endlich auf vertrautem Terrain zu landen? Die Antwort? Bleibt hier zunächst offen.

Ganz sicher gibt es jedoch Charaktere, die, sobald mit der einzigen „problematischen“ Regel, nämlich der Rochaderegel, einmal vertraut geworden, so bald als möglich selbige anstreben. Sobald nämlich der König und der Turm wenigstens die vertrauten Plätze eingenommen haben (denn dort LANDEN sie immer, egal, wo sie sich vorher befanden; bei der c-Rochade, wie es heißt, der Turm auf d1, der König auf c1, bei der g-Rochade der Turm auf f1 und der König auf g1), fühlt man a) den eigenen König halbwegs sicher und b) sich selbst, da nämlich wenigstens zwei Figuren schon mal so stehen, wie man es gewohnt ist.

Diese Veranlagung führt natürlich dazu, dass sich schon früher auf dem Brett vertraute(re) Stellungsbilder ergeben (können).

Klar gibt es die andere Ausprägung des Spielertyps ebenfalls. Dieser, der sich so ungern Vorschriften machen lässt und noch mehr das El Dorado genießt, welches sich ihm hier bietet: endlich mal kann man seiner Kreativität völlig freien Lauf lassen, ohne nachher festzustellen, dass diesen Versuch schon längst irgendjemand vor einem gestartet hat – und kläglich gescheitert ist, wie einem nämlich entweder der Gegner am Brett beweist oder spätestens bei der „Heimnacharbeit“ die Datenbank verrät.

Für diesen Spielertyp mag die „Überführung“ in eine vertraute Stellung gar kein erstrebenswertes Ziel sein, im Gegenteil, können die Strukturen, Königsstellung, Figurenverteilung und Aufstellung, Bauernskelett, Angriffsmotive bis tief ins Mittelspiel, gar ins Endspiel hinein, einzigartig bleiben.

Insofern gäbe es absolut keine klare Antwort auf die Frage, ab wann denn eine Schach 960 Stellung von einer klassischen, aus dieser einen, so endlos ausgearbeiteten, beinahe schon tristen, entstandenen nicht mehr zu unterscheiden sei. Dies hinge nämlich nicht allein von den Spielertypen ab – wie oben bereits ausgeführt – sondern zusätzlich von der tatsächlich beim Würfeln entstandenen Ausgangsstellung.

Falls man hier noch ein Beispiel hören möchte: eine in der Ecke platzierte Dame beispielsweise, wie einige praktische Beobachtungen ergaben, bleibt oftmals sehr lange in der Ecke stehen. Irgendwie mag man die kleinen Züge mit ihr nicht (anders als in der klassischen Grundstellung, wo Dd1-c2, Dd1-d2, Dd1-e2 als absolut „normal“ angesehen werden), und lange Züge mit ihr sind wohl oftmals ausgeschlossen beziehungsweise erscheinen sie nicht ratsam, möglicherweise, da, aufgrund ihrer Eindimensionalität (wohin sollte sie aus der Ecke schon ziehen?) vorhersehbar und insofern meist unterbunden.

Möglich also, dass eine Grundstellung mit einer Dame auf einem Eckfeld eine viel längere „Überführungsdauer“ hätte. Möglich aber zugleich, dass dies nur deshalb der Fall ist, da die Spieler noch nicht mit derartigen Positionen verständig umzugehen wissen.

Kurzum: es bietet sich eine gigantische, unerahnte Vielfalt des Schachs, an Motiven, an Manövern, an Angriffsmöglichkeiten, an Eröffnungszügen, an Verteidigungen, an frühzeitigen Überfällen – denn niemand könnte leugnen, dass nicht das Schäfermatt oder das Seekadettenmatt einmal in der eigenen Karriere eine besondere Faszination ausübte – oder überhaupt an ungewöhnlichen Zügen, die auf den ersten Blick so wenig vertraut scheinen, aber bei genauerem Hinsehen eine tiefe Idee zutage treten lassen.  Und immer, immer, immer wird es mit den gleichen, uns doch ans Herz gewachsenen, eigenen 16 Steinen geschehen, die immer das gleiche Aussehen und immer die gleiche Gangart behalten.  Urplötzlich nur wären sie zu ganz anderen Dingen fähig, wie beispielsweise die Springer, die doch stets, wie wir gelernt haben, nach f3 und c3 gehören, weil sie von dort aus den maximalen Einfluss  aufs Zentrum haben, wie man, fast schon gähnend, einem Anfänger bekannt gibt, dabei könnten sie doch so viel mehr, einmal frei gelassen, entbunden von ihrer faden Ausgangstellung schön brav zwischen Turm und Läufer eingekesselt, wobei ja der Springer diejenige Figur ist, die sich am wenigsten einkesseln lässt...

Es bleibt Schach, ohne jeden Zweifel. Nur ist es ein Schach losgelöst von den so starren Vorschriften, die man, bereits laut Dr. Siegbert  Tarrasch vor bald 150 Jahren, doch zunächst zu erlernen und beherzigen hätte,  ehe man eine einzige Figur anfasst.

3)   Gegenüberstellung

Nun, die Gegenüberstellung hat ja bei der Präsentation der beiden Spiele bereits im Wesentlichen stattgefunden.

Hier noch einmal zusammengefasst: das eine, das klassische Spiel, ist mehr und mehr zum Wissensspiel geworden.  Fragt man Spitzenspieler heute, wie sie ihre Elozahl anheben können, wie sie Fortschritte erzielen können, woran sie arbeiten müssten, um besser zu werden, erfolgreicher, so hört man sicher mehr und mehr diese Antwort: „Ich muss an meinem Eröffnungsrepertoire arbeiten.“ Die Motive sind bekannt, die Bauernstrukturen beherrscht man, taktisch ist man „on top“, strategisch einwandfrei, auch die Technik stimmt so weit, das hat man sich alles längst angeeignet. Nun ist nur noch die Frage: wie bekomme ich eine vorteilhafte Stellung? Es geht fast nur auf diesem Wege: Eröffnungen studieren, die neuesten Partien und Trends kennen, „state of the art“ in seinen Spezialvarianten sein – und am besten noch die eine oder andere Überraschung parat halten, die man in Heimarbeit entdeckt hat und die man sich für die eine ganz wichtige Partie aufhebt.

Das andere, das Schach 960, ist ein Geschicklichkeitsspiel, ein reines Geschicklichkeitsspiel, bei welchem man mit konkretem Eröffnungsstudium und demnach reiner Wissensaneignung so gut wie gar nichts erreichen kann. Man braucht alles, was einen guten Schachspieler – vorher wie nachher – auszeichnet. Außer dem gigantischen Wissensapparat.

Was hat derjenige denn (selbst) geleistet, der in einer klassischen Schachpartie ‚in der Vorbereitung die Schwachstelle des Gegners gefunden hat, der sich akribisch eingearbeitet hat in die Stellung, der alle Vorbildpartien studiert hat, zunächst des Gegners zu dieser Stellung, dann die der besten Spieler, die sie auf dem Brett hatten? Er hat den Meister vielleicht besiegt, nur hat er in dem Moment lediglich Wissen angehäuft – und es am Brett abgerufen. Je mehr er (oder: jeder) davon verfügt, desto besser wird er spielen. Mehr Wissen = höheres Rating, so lautet die schlichte Formel, gerade heutzutage, da die Datenbanken in Sekunden die besten Fortsetzungen mitsamt Ergebnissen heraussuchen.

Dem gegenüber steht ein Spiel, wo man sich nicht auf dieses Wissen berufen kann. Wissen gibt es eigentlich nicht, es gibt nur grundlegendes Verständnis oder auch, konkreter gesagt, eigene, kreative, Planfassung, Antizipation, Motiverkennung, Strukturerkennung, strategisches Verständnis und nicht zuletzt exakte Variantenberechnung in dieser ganz speziell vorher nicht bekannten, vielleicht nie dagewesenen Stellung.

Wissensspiel gegenüber Geschicklichkeitsspiel: Welches hätte da den höheren Stellenwert?

4)   Der Nachwuchs

Ganz wichtig erscheint einem prinzipiell die Entwicklung des Schachs. Wie kann man diesen doch so wunderbaren Sport erhalten, wie kann man dem Spiel vielleicht eine höhere Verbreitung verschaffen, wie kann man neue Kräfte nachziehen, wie kann man allgemein die Aufmerksamkeit in der Bevölkerung erhöhen? Es können nicht die Betreiber des Spiels tun, nicht die, die schon seit Jahrzehnten dabei sind, die auf ihrem Level spielen, mal besser, mal schlechter, und sich über die 50 DWZ Punkte freuen oder den 60 verlorenen nachtrauern. Nein, all dies sind eingefleischte Mitglieder, sie betreiben das Spiel so oder so, mal hört einer auf, sicher, aber dafür kommt auch einer zurück, der die verloren geglaubte Liebe wieder entdeckte.

Nein, entscheidend ist zum Erhalt des Spiels die Gewinnung von Nachwuchs. Da darf man sehr wohl anmerken, dass unsere Zeit dies nicht ganz einfach macht. Zu einfach und schnell sind andere Spiele verfügbar und erlernbar, kann man Erfolgserlebnisse erzeugen, tun dies die Konsolen- und Spielehersteller, und der Computer erst bietet ohnehin schon eine so bunt erscheinende Vielfalt, dass man, Hand aufs Herz, nicht einmal für sich selbst garantierten könnte, je bei diesem Spiel Schach gelandet zu sein, wenn in der eigenen Jugend derart viele Möglichkeiten zur Verfügung gestanden hätten.

Das Problem bei der Heranführung von Jugendlichen, überhaupt von Neueinsteigern, ist es also, sie bei der Stange zu halten. Der Weg zu den Erfolgserlebnissen ist weit und steinig. Jeder – denn, wenn man herumfragt, so stellt man fest, dass so gut wie jeder die Regeln kennt – war irgendwann mal begeistert vom Anblick dieses Brettes und dieser Figuren und wollte – möglichst schnell – hinter die Geheimnisse kommen. Nur geht es eben nicht schnell. Man lässt sich vielleicht die Mattsetzung mit Turm plus König gegen den König erklären, versteht sie vielleicht sogar, beherrscht sie, nur fragt man sich zugleich, wie jemals eine derartige Stellung entstanden sein sollte, bei dieser Vielzahl an Figuren und Möglichkeiten?

Man könnte nun auch sehr ausgiebig über diese allgemeine Nachwuchsproblematik referieren, nur sollte dies ja hier gar nicht Thema werden. Wenn, ginge es um die Unterscheidung bei der Nachwuchsgewinnung für diese oder jene Spielart. Und hier eine durchaus wichtige Beobachtung: Kinder sind diesem Spiel gegenüber meist sehr fröhlich-freundlich-begeistert, jedenfalls aufgeschlossen. Das sollte man durchaus beachten als gewichtiges Argument. Was könnte nun diese spontane und intuitive Anziehungskraft auslösen?

Hierbei stößt man auf folgende Überlegung: den Kindern ist diese starre und immergleiche Ausgangsstellung irgendwie wirklich langweilig.  Es drängt sich doch auf, dass man irgendetwas anderes, schönes mit diesen Figuren anfangen kann als sie nur auf diese Felder zu stellen und sich dann vom Trainer erklären zu lassen, dass erst die Springer und dann die Läufer und dass sie doch ja keine zwei Mal mit einer Figur ziehen und dass sie diesen Zug machen MÜSSEN und jenen auf gar keinen Fall DÜRFEN. Da fühlt man sich so eingeschränkt, so reglementiert, so angeödet, sofern man einen Fehler nämlich wiederholt nur, weil man sich auf der Suche nach einem Ausbruch aus diesem so eng geschnürten Korsett befindet.

Falls also die Figuren irgendwie anders stehen würden, würde man als Kind als Erstes mal seinem Trainer eine Nase drehen: „Ätsch, du mit deinen immer so klugen Lehren, jetzt entscheide ICH, wohin mein Springer geht und wie viele Bauern ich vorrücke auf welcher Seite des Brettes, und immer habe ich eine Absicht und eine Idee dahinter, von der du mir auf einmal absolut gar nicht mehr erklären kannst, was daran falsch sein soll.“

Den Kindern macht es also Spaß, dafür kann man fast garantieren, weil es diesen Ausbruch aus den festen Gefügen ermöglicht. Somit könnte man doch recht fest davon ausgehen, dass man eine größere Chance hätte, neue hinzuzugewinnen oder die einmal beigetretenen länger oder gar für immer dabei zu behalten?

5)   Das stärkste Gegenargument: zugleich das stärkste Pro

Ein ganz wichtiges, angetroffenes Gegenargument war dieses: „Die Ranglisten bleiben doch eh immer gleich. Der Elo-Favorit gewinnt das Turnier, egal, ob im klassischen Schach oder im Schach 960. Wozu sollten wir es denn also spielen? Meine eigenen Chancen werden nicht besser, nur weil wir die Grundstellung auswürfeln und einen Zufallsparameter vorsätzlich einführen.“

Diesem Argument kann man nur so begegnen: falls sich die Ranglisten tatsächlich 1:1 übertragen ließen, so wäre es zunächst ja offensichtlich gar kein Problem, diese Schachvariante zu spielen. Man hätte nichts zu fürchten, keinen Absturz und keine Blamage, genau so wenig, wie man sich einen plötzlichen Leistungssprung erwarten kann, nur, weil man endlich mal das Glück auf seine Seite gezogen hat. Es ist eben Schach und wer das Spiel besser beherrscht, hat die besseren Chancen. So ist es und so war es schon immer. So war es sogar auf eine Art beabsichtigt. Man wollte sozusagen das ultimative Geschicklichkeitsspiel erfinden, auf dem sich Menschen mit den exakt gleichen Voraussetzungen messen können.

Nur: inwiefern wäre davon das Vergnügen eingeschränkt, dass es, egal, ob diese oder jene Version gespielt würde, immer die gleichen Spieler vorne landen würden, die anderen gleichen am Tabellenende? Hätte man davon etwa für weniger Unterhaltung gesorgt, für weniger Genugtuung bei der Ausübung? Hier nun ein klares Veto: das Vergnügen könnte sogar höher gewesen sein, selbst wenn man bei de Siegerehrung wieder nur dem Großmeister Spalier stehen muss und ihm artig den Applaus spenden. Er war halt besser. Ich muss weiter üben. Oder fehlt mir gar das erforderliche Talent?

Das Gewicht dieses Gegenarguments ist also sehr bescheiden, im Gegenteil, man könnte es als „aufgewogen“ bezeichnen.

6)   Warum schreckt man intuitiv zurück?

Das intuitive Zurückschrecken vorm Schach 960 ist weiter oben schon angesprochen: man hat Angst, sich blamieren zu können. Egal, wie gut oder schlecht man eine bestimmte Stellung im klassischen Schach bisher behandelt haben mag: immerhin kannte man sie und hat sie angestrebt. Dieses Gefühl verleiht einem Sicherheit. Die Grundstellung ist aufgebaut, nun legt man los. Der Bauer vor, e2-e4. Und egal, ob Sizilianisch, Französisch oder Italienisch aufs Brett kommt: immer hat man eine Zugabfolge,  die man so runterspulen kann. Auf einige Varianten freut man sich regelrecht, weil man die Erfahrung gemacht hat, dass man da sogar gegen gute Gegner hin und wieder gepunktet hat, vor anderen sorgt man sich, aber doch hat man immer eine Idee. Man meint, sich (irgendwie) auszukennen.

Bei einer Schach 960 beliebigen Grundstellung wäre einem dieses Sicherheitsgefühl entzogen. Wohin nur mit dem in der Ecke stehenden Springer und soll ich nun meine Flügelbauern aufziehen, weil sich die Läufer dahinter befinden oder soll ich doch lieber die Zentrumsbauern vorrücken, wo sich bereits ein Turm dahinter befindet? Nichts und niemand, auf was man sich stützen kann, keine Vorkenntnisse, die man abrufen könnte. Das verschafft einem eine Unsicherheit, gegen die man nur schwerlich etwas tun kann. Abgesehen davon: kaum ist es einem gelungen, eine eigene Idee zu entwickeln, schon stellt man fest – aufgrund einer bisher unbekannten Art der Überforderung --, dass der Gegner entweder mit dessen eigenen Zügen das Vorhaben torpediert oder gar, fast noch häufiger, einen mit dessen Plänen zu Reaktionen zwingt, die der Ausführung des eigenen Plans im Wege stehen oder sie unmöglich machen. Nun wird es aber richtig kompliziert!

Ein sehr häufiges Gegenargument ist übrigens dieses hier: „Ich kenne ja die Regeln gar nicht.“ Sicher würde man es gerne als „faule Ausrede“ abtun. Nur hilft einem das überhaupt nicht. Denn: gesagt ist gesagt und gedacht ist gedacht und so empfunden ist so empfunden. Der Mensch spielt es einfach nicht und ihm ist jede faule Ausrede grad recht. Nun muss er nicht weiter nachdenken und etwa neue Argumente zusammen kratzen. „Kenn ich nicht, spiele ich nicht.“ Ein bisschen ist es wie das Sprichwort: „Was der Bauer nicht kennt, isst er nicht.“

Es bietet sich natürlich an, gegen diese Scheu etwas zu tun, eine Stellung auszuwürfeln und ihn zum Nachdenken und Ziehen auffordern. Vielleicht würde er es sogar für dieses eine Mal tun. Nur ist es denkbar, dass er gleich die erste Partie – und wen wunderte es – sang- und klanglos verlöre. Nun hätte er ein neues Gegenargument gefunden. Möglich sogar, dass das Unterbewusstsein ihm diesen kleinen Streich gespielt hat: „Nein, das spiele ich nicht, weil ich es nicht kenne und nicht kann. Uupps, die erste Partie gleich verloren.  Siehste, wusste ich doch: es macht keinen Spaß.“ Er hat also, aus Abneigung, ohne sie näher begründen zu können, gleich mal verloren, um sich die Gegenargumente selbst zu liefern.

Eine Unterstellung ist es, dass Befürworter dieses Spieles nur zu faul zum Lernen seien beziehungsweise dass sie die Hoffnung hegten, dass man mit ein bisschen untergejubeltem Würfelglück vielleicht auch mal einen 2600er aufs Kreuz legen kann. Überhaupt scheint es so zu sein, dass man es etwas mehr für ein Würfelspiel hält und dies dem wahrhaftigen Schachspieler verpönt ist. Wozu Glückselemente künstlich hinzufügen? Wir haben sie mühevoll entfernt, damit auch ja immer... ja, warum eigentlich? Damit auch ja immer der Elofavorit den 1. Platz wegschnappt? Vielleicht würde ja objektiv gesehen – zwecks der doch sicher angestrebten größeren Verbreitung –, ein wenig mehr Zufall dem Spiel guttun, nur muss man fast ohne Bedauern sagen, dass es mit der Einführung des Schach 960 nicht gelingen dürfte.

Denn, so lautete auch hier ein aufgeschnapptes Gegenargument, dass sich ja doch, falls man die Startrangliste und die Endtabelle miteinander vergliche, die Elohöheren mit der gleichen Verlässlichkeit auf dem Siegerpodest wieder fänden wie in der herkömmlichen Version unseres Spieles.  Nun, dies kann man schlichtweg nicht als Gegenargument akzeptieren. Die Abneigung ist da und wer sich für ausreichend rational hält (und das tut man doch als Schachspieler?), zaubert blitzartig irgendein Argument aus dem Hut. Und, einmal einen derartigen Gedanken ausgeheckt, fühlt man sich ihm verpflichtet.

Dennoch trifft man natürlich bei den hier und da persönlich angestellten Umfragen ebenso spontan auf Befürworter oder, in der etwa gleichen Frequenz, auf solche, die das Spiel bereits gespielt hätten und es ihnen durchaus Freude bereitet hätte. Nun hat man persönlich das „Hauptgegenargument“ gefunden: der gemeine Mensch setzt sich einfach weniger mit Innovationen auseinander. Was er stattdessen tut: ein wenig – mit Verlaub – das, was alle Anderen auch tun. Sie reagieren auf die vorhandenen Angebote. Dort ist ein Turnier, hier ist ein Turnier, hier spiele ich online, da live im Schachclub. Und was wird dort angeboten? Klassisches Schach.

Dies führt direktemang zu dem tatsächlich aus der eigenen Beobachtung kombiniert mit bemühtem sinnvollen Nachdenken zu dem wirklich als hauptsächlich erachteten Gegenargument: es geht darum, wie man überhaupt anfängt.  Hierzu im Folgenden:

7)   Die kleinen Umsetzungsprobleme: ein paar Möglichkeiten zum Finden einer Ausgangsstellung

Falls man denn nun auf ein gewisses Wohlwollen trifft, so weiß man also noch lange nicht, wie man anfangen soll. Fällt diese Stellung nun vom Himmel? Woher nehmen, wenn nicht klauen?

Hier kann man zunächst ein paar Vorschläge unterbreiten, die allesamt ohne besondere Vorkenntnisse oder Mühen durchführbar sind, die dennoch von jedermann sicher erst einmal akzeptiert und hingenommen würden, sofern man einfach nur mal rasch eine freie Partie Schach 960 zu spielen gedächte.

Vorschlag 1 (und mit den Kindern hin und wieder praktiziert, stets mit einer gewissen Gaudi verbunden): Einer hält sich die Augen zu, ein anderer tippt mit den Fingern nacheinander auf die verfügbaren Ausgangsfelder, mit der entsprechenden Figur in der Hand. Ratsam (eigentlich erforderlich, sonst führte es nur zu ungewollten Komplikationen) ist es dabei, zunächst die Läuferfelder zu finden.

Man beginnt also damit, einen Läufer in die Hand zu nehmen und über die schwarzen Felder zu tippen, möglichst, ohne sie dabei zu berühren, denn das Geräusch könnte verraten, wo sich der Finger gerade befindet. Man deutet also nur auf die Felder in einem gewissen Rhythmus. Der mit den verschlossenen Augen sagt irgendwann „Stopp“. Damit wäre das Ausgangsfeld gefunden.

Im Anschluss wird der zweite Läufer genommen und über die weißen Felder getippt, bis zum „Stopp“. Nun sind die Läufer platziert. Für die Mathematiker könnte man dabei zugleich die Anzahl der möglichen Stellungen mitberechnen (auf dass man mit der Methode auch ja alle 960 „erwischt“): hier sind es 4 Mal 4 Möglichkeiten aus (4 Felder für den ersten Läufer, danach 4 mögliche Felder für den zweiten Läufer). Das ergibt 16, somit gibt es 16 voneinander abweichende Läuferpositionen.

Nun sind noch 6 Felder frei. Über diese tippt der eine nun, mit einem Springer in der Hand, um diesen zu platzierenDer andere bestimmt mit dem „Stopp“ das Ausgangsfeld. Danach folgt der andere Springer. Hier sieht es nun so aus, als ob es 6 *5 = 30 Möglichkeiten gibt. Dies täuscht aber, da es bei den Springern gleichgültig ist, mit welchem man anfängt. Daher dividiert sich diese Zahl durch 2. 30 : 2 = 15. Es gibt also 15 verschiedene Springerpositionen. Nun hätte man bisher 16 * 15 = 240 verschiedene Grundstellungen für die Läufer UND Springer.

Zuletzt wird die Dame platziert, für welche nun noch 4 Felder zur Verfügung stehen. Das ergibt nun die ominösen 4 * 240 = 960.

Denn: für die verbleibenden Turm, Turm, König bleibt immer nur die eine, von Regel her definierte, Möglichkeit: der König wird auf das mittlere der drei freien Felder platziert, die Türme flankieren ihn, damit das Rochaderecht erhalten (und verständlich) bleibt. Dies zumindest Bobby Fischers Idee, die sich so weit „durchgesetzt“ hat.

Dies eine Methode (natürlich auch zu zweit durchführbar, wobei ohne Zeugen eben derjenige mit den nicht verschlossenen Augen die Chance hätte, sich eine Ausgangsstellung „zurechtzulegen“, ohne dabei überführt werden zu können), die ohne jegliches Zusatzmittel durchführbar ist. Deshalb an erster Stelle genannt. Egal, wo man sich befindet: eine Partie Schach 960 ließe sich immer durchführen.

Vorschlag 2:

Der Vorteil bei diesem, dass beide (alle) es sehenden Auges tun können, der winzige Nachteil, dass man zusätzlich ein Utensil benötigt. Hier wäre es ein Zettel und ein Stift und ein wenig Geschick oder eine Schere (falls man nicht schon 8 Zettel vorbereitet hätte, die sogar wiederverwendbar sind). Man schreibt also alle Reihen – a bis h – auf und teilt diese 8 Einzelzettel ab (mit Geschick oder Schere). Nun muss man für die Läufer eine Trennung von Schwarz und Weiß vornehmen (a, c, e, g auf einen Haufen und b, d, f, h auf den anderen). Nun zieht man, je einen Zettel hier und einen dort. Somit hat man die Läuferpositionen.

Die restlichen 6 Zettel kommen auf einen Haufen und man zieht nacheinander Springer, Springer, Dame. Der Mathematik hätte man damit genauso Genüge getan (und alle 960 Möglichkeiten mit gleicher Wahrscheinlichkeit zugänglich gemacht) und man könnte direkt loslegen. Wie gesagt, für eine hoffentlich nicht gar so ferne Zukunft, wäre es denkbar, sich diese 8 kleinen vorgedruckten Zettel mit a bis h im Portemonnaie aufzubewahren und sich somit sämtliche Umstände komplett zu ersparen.

Für Variante 3 benötigte man einen Würfel. Man würfelt nun mit Halbierungen die Läuferpositionen aus (ebenfalls schon häufiger praktiziert). Falls man eine 1 bis 3 würfelt, ist es a oder c, falls eine 4 bis 6 ist es e oder g. Es war eine 3, also steht der Läufer auf a oder c, der nächste Versuch bestimmt die endgültige Position. 1 bis 3 ist a, 4 bis 6 ist c. Wiederholung dieses Teils für den andersfarbigen Läufer. Mit 4 Würfen hat man also garantiert diese beiden Figuren „zufällig“ aufgestellt.

Nun sind 6 Felder offen, dafür eignet sich ein Würfel. Von links nach rechts ist es die 1 bis 6, auf welcher der erste Springer platziert wird. Danach sind 5 Felder frei und hier kann man mit dem Würfel für nichts garantieren: ein Feld und damit eine gewürfelte Augenzahl liegen brach. Wenn man diese also würfelt (vermutlich eine 6 und dafür gibt es ja spezielle „Künstler“), so MUSS der Wurf wiederholt werden. Dies könnte also in der Theorie quasi endlos dauern, das der Nachteil dieser Variante. Jedoch dürfte es nach ein, zwei, manchmal drei oder vier Versuchen erledigt sein.

Vorschlag 4:

Es gibt bereits spezielle Uhren, die es einem ermöglichen, einen Zufallsgenerator anzuwerfen und eine Ausgangsstellung anzuzeigen. Falls diese eine weitere Verbreitung fänden (nun, in einem Schachclub genügte zunächst eine einzige), so wäre dieses Problem recht bald komplett erledigt.

Vorschlag 5:

Es gibt bereits Apps für das Handy, die eine Zufallsstellung „auswürfeln“. Runterladen und loslegen  (zum Beispiel bei http://www.androidpit.de/de/android/market/apps/app/com.os.chess960/Schach-960-Generator).

8)   Ein wichtiger Aspekt: womit beschäftigt man sich in der Analyse, Vorbereitung, Heimarbeit denn dann?

Hier muss man ja, als offensichtlich Werbung betreibender, selbst zugeben, dass es nicht ganz einfach wird. Sicher kann man seine gespielten Partien mit einiger Übung und Erfahrung oder, sofern es dann dazu käme, in richtigen Turnieren per Mitschrift, ansonsten aus dem Gedächtnis, zu Hause aufstellen, durchspielen, sich auf Fehlersuche begeben oder sich an der eigens gefundenen tollen Kombination ergötzen. Man kann regelrecht Analysen anfertigen, womöglich sogar eine Feinheit in der Eröffnung entdecken, die einem einen anständigen Vorteil schon frühzeitig beschert hätte, um sie dann ... äh, ja , richtig, wozu eigentlich?

Man hätte vielleicht diese Feinheit entdeckt, sicher, man wäre auch stolz auf sich und sein gewachsenes Spielverständnis, keine Frage, man würde sogar den tollen Trick seinem Schachfreund oder der gesamten ersten Mannschaft vorführen können, sicher, nur könnte man genau so sicher vorhersagen, dass man unter dem rein praktischen Aspekt nichts damit anfangen könnte. Denn: diese Stellung wird man in den nächsten dreieinhalb Jahren mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr aufs Brett bekommen – und wenn es denn danach doch geschähe, hätte man diese Feinheit garantiert längst vergessen – falls man die Stellung überhaupt wiedererkannt hätte.

Die weiter gehende Frage lautete dann natürlich, ob man sich überhaupt auf die Suche begeben würde? Nun, derartige Fragen müsste die Zukunft klären, sofern dieses Spiel denn die rosige, eigens vorhergesagte, nein, eigentlich beflügelte  Zukunft hätte, aber doch hätte man offen gestanden selbst Zweifel daran. Würde man tatsächlich versuchen, eine einzige der 960 möglichen Stellungen zu Hause in einer Art „Vorbereitung“ gut zu verstehen, zu können, zu kennen, um dann, nach deren Studium auf die nächste überzugehen, immer in der Hoffnung, irgendwann mal davon gezielt und speziell zu profitieren?

Hierzu zumindest ein intuitives Umfrageergebnis: alle bisher befragten und bei Schach960 angetroffenen – also in gewisser Weise Verfechter des Spiels – haben, so versicherten sie, noch niemals die Stellung 518 zugelost bekommen. Die 518, so muss man wissen, ist die eine (auch von Bobby Fischer nicht verwehrte) von uns nur allzu gut bekannte, die Grundstellung des klassischen Schachs nämlich. Nun wären ja, falls sie denn einmal herauskäme, eigentlich alle wieder gleichauf, bis zu dem Tage, wo der so herbeigesehnte Nachwuchs, ausschließlich über Schach 960 rekrutierte und ebenfalls ausschließlich diese Spielvariante ausübende, groß wäre und einem plötzlich bei einem Schach960 Turnier genau in dieser Ausgangsstellung Gegenübersitzende zwar das Schmunzeln bemerken würde, beim Aufbauen der Figuren,  aber ihm keineswegs dessen Ursache bewusst wäre – und er nach 20 Zügen, trotz des ihm ausgewiesenen Elo-Vorteils, Schachmatt wäre, ohne, dass der Mattsetzende mehr als eine Minute verbraucht hätte, und er dann, vermutlich mit dem noch immer nicht unterdrückten bald in Lachen übergehenden Schmunzeln, aufgeklärt würde: „Diese Stellung haben WIR früher ausschließlich gespielt.“ , und er dafür nur ungläubiges Staunen ernten würde. Ja, ja, die Zukunftsvisionen...

Man traf bereits die Frage an, ob es denn eventuell eines Tages spezielle Schach960 Kombinationsbücher auf dem Markt zu finde gäbe? Tatsächlich ist denkbar, dass neue Motive auftauchen, bereits (oder: vor allem) im Frühstadium der Partien, bei welchen die ungewöhnlichen, nie dagewesenen Figurenkonstellationen dafür sorgen, dass eines auftaucht, welches ganz offensichtlich (Beispiel: ein Läufer auf a1, ein Bauer auf b2: geht nicht im klassischen Schach) zuvor nie vorgekommen sein kann. Auch und fast selbstverständlich könnte es Stellungen geben, die gewissermaßen einer „Eröffnungsfalle“ gleichkommen (nur eben mit der Einschränkung, dass man es zwar goutieren kann, verstehen kann, mit der Zunge schnalzen vielleicht, bedauerlicherweise aber vermutlich nie selbst anwenden, weil es einfach nicht vorkommt, diese Stellung). Förderte diese Schlussfolgerung zutage: ja, es könnte spezielle Bücher geben.

Die Zukunftsvision wäre ja eigentlich sogar die, dass es eines Tages mal heißt, dass es unfassbar viele Bücher über nur eine sehr spezielle (die 518) gab und ansonsten NUR noch Bücher über das Schach 960, welches durch seine Vielfalt einfach zwangsläufig das klassische Schach hat ablösen müssen. „Speziell“ wären also nur die Bücher, die wir bisher in der Hand hielten.

Eine endgültige und zugleich befriedigende Antwort findet man persönlich auf die eingangs gestellte Frage also auch nicht. Vermutlich sollten sich Lehrbücher zunächst ebenso mit den elementaren Fragen beschäftigen. Dies sind die Prinzipien der Eröffnung (welche unbeeinflusst bleiben, nur eben kein so arg enges Korsett schnüren), Bauernstrukturen, Felderschwächen, offene Linien, Läuferpaar, Abwicklungen, Mattsetzungen und was es noch so alles gibt, sowie natürlich die elementaren Endspiele, die ebenso unverändert wichtig bleiben. Es findet sich also schon so Einiges, was gegenüber der klassischen Ausbildung unverändert bleibt. Konkretes Eröffnungsstudium jedoch (was nach eigener Schätzung und Beobachtung jedoch bei gereiften Spielern, vielleicht ab Elo 2000 etwa, durchaus bis zu 90% der derzeitigen Arbeit an der eigenen Weiterentwicklung ausmacht) entfällt fast vollständig. Durchaus ein negativer Aspekt, der jedoch weit aus mehr als aufgewogen wird von den zahlreichen Vorteilen. Außerdem müsste die Entwicklung erst einmal zeigen, wie sich die Beschäftigung mit dem neuen Spiel ausrichtet, sofern es denn zu einer weiteren Etablierung (oder möglichen Wachablösung) käme.

9)   Wie spielt man ein richtiges Turnier?

Nun, die bisher mitgespielten Turniere wurden stets nach dem gleichen Muster ausgetragen: irgendwann wird eine Stellung per Zufallsgenerator bestimmt, die Spieler begeben sich an die Bretter (dies geschieht wohl zuerst), dann verliest der Turnierleiter die Figurenpositionen, meist unter einigem Gelächter („Ach, die schon wieder“ oder „Hatten wir die nicht letztes Mal schon?“ oder „“), die werden, unter anhaltendem Gelächter, aufgebaut, und man legt los. Nur wie eigentlich?

Hier ergab eine Umfrage, dass es wohl die klügste Idee sei, auf den Spitzenspieler des Turnieres zu warten, wie er beginnt – und es ihm gleich zu tun. An dieser Stelle taucht bereits das erste kleine Problem auf. Man hat also die Chance, sich einen kleinen Vorteil zu verschaffen durch den Effekt des Abschauens?! Dies wäre ein doch erheblicher Unterschied zum klassischen Schach, wo man zwar ebenfalls dem besten Spieler über die Schulter schauen könnte, nur weiß man längst, wo die eigenen Erkenntnislücken in dessen Eröffnungswahl und Spezialvariante sind, so dass es garantiert nicht zu einem „Vorteil“ gereichen würde. Denkbar vor allem, dass er sich und der Gegner zugleich exakt auf diese Variante vorbereitet haben, also sie in der Heimarbeit vor der Partie zu Hause auf dem Brett hatten (dieser oder jener oder halt beide). Wo sollte man nun demgegenüber einen „Vorteil“ herausschlagen?

Nein, das Abschauen funktionierte nur im Schach 960. Man kann schauen, wie er, der Spitzenmann seine Figuren zu entwickeln gedenkt, wohin er rochieren könnte und so weiter. Nun stellt sich hier die Frage, ob man, seitens der Veranstalter, a) diesen Effekt überhaupt haben möchte und b) ob man ihn nicht vermeiden könnte?

Zu a) scheint mir recht klar, dass es ein ungewollter Effekt ist, den man lieber nicht hätte. Es gab ihn früher nicht (obwohl es scherzhaft manchmal so gesagt wurde, in Mannschaftskämpfen, an zwei benachbarten Brettern, bei denen die eine Mannschaft mit einem 1:1 zufrieden wäre: der eine könnte immer den Zug des Gegenübers kopieren, der andere wartet auf den Antwortzug – und spielt dann denselben; es funktioniert tatsächlich; auch das Ablaufen lassen der Uhr müsste im Idealfall keinen Nutzen bringen für die Partei, die der Symmetrie entweichen möchte), nun ist er aufgetaucht: was tun?

Hier wäre der einfache Vorschlag: an jedem Brett wird die Grundstellung einzeln und individuell ausgewürfelt. Warum nicht? Das wäre der Fischer-Gedanke, nur konsequent zu Ende gedacht. Alle starten in jeder Partie von verschiedenen Positionen aus. Sicher wäre dies zugleich sehr witzig. Überall, schon zu Partiebeginn, verschiedene Stellungen, so weit das Auge reicht?

Fürderhin gäbe es natürlich die Idee von Mannschaftskämpfen. Falls es einmal (und hoffentlich recht bald) eingeführt würde, so wäre auch hier der konsequente Gedanke, dass alle Bretter aus verschiedenen Stellungen starten. Damit könnte man vermeiden, dass man, dieser von dort oder jener von da, abschaut oder sich orientiert an dem, was einer der Gegenspieler oder einer der Mannschaftskameraden tut, wo und wie und wodurch sich vielleicht eine Partie oder Position günstig entwickelt, wo ein Problem auftaucht, welches man lieber vermeiden würde oder, gegebenenfalls, dem eigenen Gegner stellen könnte. Weiterhin aber, und vielleicht noch wichtiger, könnte man eine noch größere Vielfalt an Stellungen bestaunen im Verlaufe eines Kampfes, würde man nicht, wie früher, wieder einmal konstatieren können, dass der eine Mannschaftskamerad, natürlich, wie ihm zueigen , wie stets unvorbereitet in die Partie ging und ein weiteres Mal gegen die Sämisch-Variante im Königsinder kein Konzept findet, oder wie der andere in der immergleichen Ausgangsstellung seines geliebten Drachen ein weiteres Mal mit den bekannten Motiven durchdringt.

Rundherum also könnte es für viel hinzugewonnene Unterhaltung sorgen und für durchaus weit spannendere Kampfverläufe. Wie vielleicht nicht ganz hierhergehörig, aber doch nicht völlig unpassend, wurde ja an anderer Stelle bereits (vielfach) dafür plädiert, Mannschaftskämpfe nicht immer nach der gleichen starren Brettreihenfolge auszutragen, meist mit der Nummer 1 (vom Ranking) hier gegen die Nummer 1 dort, und die Nummer 8 gegen die Nummer 8, sondern, am liebsten alle Spieler in einen Hut und zufällige Paarungen ziehen (natürlich die Mannschaften in getrennte Hüte), so dass vielleicht mal die 8 gegen die 1 oder die 3 gegen die 5 kommt. Sofern zeitglich mit Schach 960 eingeführt: man hätte mit Sicherheit eine ganze Menge an Spaß und Unterhaltung, Spannung zudem, hinzugewonnen.

10)                    Ein paar Motive

Damit nicht alles so arg trocken bleibt, sollen hier ruhig mal ein paar Motive vorgestellt werden, die vielleicht die etwas veränderte Herangehensweise, aus den vielen neu geborenen möglichen Figurenaufstellungen, aufzeigen – und damit das Spiel für die vielen Argwöhnischen zugänglicher machen.

10

In dieser Ausgangsstellung gibt es ein paar ganz lustige Dinge festzustellen.  Beispielsweise ist es gar nicht so einfach, eine Figurenkoordination hinzubekommen. Die Figuren stehen sich in gewisser Weise im Weg. Eine kürzlich vom Autoren (mit Schwarz) gespielte Partie begann (nicht völlig unlogisch) mit 1. e2-e4 (Doppelschritt des Damenbauern!) 1. ... e7-e5 2. Sh1-g3.

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Elzoido238 – MemoryLost (Online Partie, 2013).

Schwarz am Zuge.

 

Hier bereits eine der kritischen Fragen, die man aber durchaus häufiger antreffen kann (wie man mit wenig Übung schon feststellen kann): wie geht man mit Eckspringern um? Das Kuriosum: der Springer von g3 aus bestreicht die Felder (vor allem auf die aktiven, in der gegnerischen Bretthälfte liegenden lohnt es, Ausschau zu halten; das gilt auch im klassischen Schach) f5 und h5. Insbesondere das Feld f5 hat – wie jeder sicher mal leidvoll, mal freudvoll erfahren durfte oder musste – eine besondere Bedeutung im Königsangriff, sofern der König, wie so oft, sich auf g8 befindet. Lieber mag man also keinen dort dulden. Hier würde der Springer von f5 aus sogar direkt einen Bauern attackieren, und zwar jenen auf g7.

Nun könnte man ja, nach dem altbekannten Motto „Wie du mir, so ich dir“ebenfalls seinen Springer nach g6 stellen, mit der Aussicht, ihn auf f4 (oder gegebenenfalls h4) zu platzieren. Was wäre der Effekt, den man aber ebenso schon kennt unter dem Motto „Wenn zwei das Gleiche tun, so ist es noch lange nicht das Gleiche.“. Und, wie jeder sicher schon einmal erlebt hat, ist es nur bis zu einem gewissen Zeitpunkt möglich, die Züge des Gegners zu kopieren. Meist setzt Weiß sich unweigerlich durch und der altbekannte (insbesondere für solche Fragen) Problemkomponist Sam Loyd hatte einst dieses Problem gelöst: in wie viel Zügen ist Schwarz im günstigsten Falle Schachmatt, sofern er sich verpflichtet, alle Züge zu kopieren? Heraus kamen derer vier von Weiß, gegenüber dreien von Schwarz (klassische Ausgangsstellung: 1. d2-d4 d7-d5 2. Dd1-d3 Dd8-d6 3. Dd3-h3 Dd6-h6 4. Dh3*c8# und hier entfällt per Regel die Chance, es dem Weißen gleich zu tun).

Also: empfiehlt sich hier das Nachahmen? Eher weniger, so die Antwort. Auf 2. ... Sh8-g6 folgte 3. Sg3-f5. Da nun der Bauer g7 attackiert wäre, und man aus Erfahrung weiß, dass es nicht ratsam ist, sich auf einen Schlagabtausch, beginnend mit 3. ... Sg6-f4 (genau dabei gewinnt nämlich meist der Anziehende) einzulassen, müsste man stattdessen mit 3. ... Sd8-e6 den Bauern g7 decken. Danach käme 4. g2-g3, und der schwarze Springer würde sein Traumfeld nicht erreichen, während man Mühe hätte, den weißen loszuwerden. Selbstverständlich hätte man hier noch lange nichts (weder so, noch so) Entscheidendes erreicht, das möchte man gar nicht zum Ausdruck bringen, aber der Weiße hätte von Anfang an vielleicht eine leichte Initiative.

Alternativ, zuvor diesem Problem bereits ein paar Gedanken gewidmet, fiel die Wahl des Schwarzspielers auf den Zug 2. ... g7-g6.

Damit wäre sozusagen der zweiten Teil des kleinen Kuriosums aufgedeckt: zwar ist nun dem weißen Springer das aktive Feld f5 verwehrt, nur hat man zugleich dem eigenen Eckspringer das „ideale Entwicklungsfeld“ g6 verbaut. Wohin soll der denn nun?

Dies führt direkt zu einem weiteren Teil der ins philosophische übergehenden Erwägungen zu dieser speziellen Stellung:  wohin überhaupt mit den ganzen Figuren, wie kann man sie koordinieren? Mit dem Zug g7-g6 hat man den eigenen Springer eingesperrt (wobei Weiß nun auch nicht gerade zum Jubeln ist nach dem Zug g7-g6, denn: was leistet nun der Springer auf g3?). Der schwarze Springer h8 könnte zwar nach f7 „entwickelt“ werden, jedoch würde er da den weißfeldrigen Läufer g8 blockieren. Den würde man am liebsten vorher rausbringen, nur wohin könnte der? Sicher, so könnte man auf den ersten Blick meine, kann er doch nach e6? Bedauerlicherweise ist aber das Feld e6 ausgerechnet der einzig gesicherte Bestimmungsort für den Springer auf d8. Dieser steht, schon nach Philidor, ideal hinter einem (Zentral-)Bauern platziert. Somit ist die Karriere der beiden schwarzen Leichtfiguren am (eigenen) linken Flügel (den darf man im Schach 960 unter keinen Umständen -- oder halt bestenfalls irreführend -- „Königsflügel“ nennen) alles andere als rosig.

Wobei man nun getrost auf den anderen Flügel schauen darf: was tut man mit dem Läufer auf b8? Es drängt sich sicher direkt der Zug c7-c6 (für Weiß c2-c3) auf, dem man kaum wiederstehen konnte.  Nur: falls man diesen Läufer denn nach c7 (c2) entwickelt hätte, vielleicht gar im Bestreben, die c-Rochade auszuführen (wie sie „professionell“ heißt), also den Turm nach d8 zu bringen, in der nach wie vor gültigen guten Absicht, die Türme zu verbinden), so wäre direkt der Bauer a7 schutzlos, und zugleich (mindestens indirekt) unter Beschuss des Läufers auf g1 (indirekt, falls sich ein Springer auf e3 befände, wobei dieser gar nicht mal so ungünstig nach c4 weiterreisen könnte).

Zugleich darf man hierbei erwähnen, dass c7 zwar ein ganz hübsches Entwicklungsfeld für den Läufer ist, dass er aber dort noch lange nicht offensiv zum Glänzen gebracht werden kann.

Abschließend kann man über diese Ausgangstellung sagen, dass es offensichtlich ab und an mal Positionen gibt, in denen die Entfaltung der Kräfte dauern kann, die direkte Konfrontation derselben, die richtigen Kampfhandlungen, also zunächst einmal in weiterer Ferne liegen können und gut vorbereitet werden müssen, was durchaus für beide Parteien gelten kann.

Hier nun ein (weiteres) Partiefragment:

MemoryLost vs. tsnt  (online Partie 2013)

Glücklicherweise findet man ab und an mal einen Server, auf welchem Schach 960 gespielt werden kann. Es sei jedem angeraten, es einfach mal zu probieren.

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1. e2-e4 b7-b6 2. c2-c4 e7-e6 3. d2-d4 g7-g6 4. b2-b3 Lf8-g7 5. g2-g3 c7-c6 6. Lf1-g2 (endlich eine Figur gezogen!) 6. ... Sc8-e7 Sicher drängt sich in einer derartigen Stellung ...

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... die kurze Rochade auf. 7. 0-0. Nur wagt man hier, zu behaupten, dass es mehr als ein Schablonezug ist. Dennoch: Teil 1 der Überführung in eine klassische Schachstellung, von einer 960er nicht zu unterscheidenden, ist damit erfolgt. Der Turm steht nun auf f1, wie „gewohnt“, der König bleibt auf g1. Nun stehen die Springer, die Dame und vielleicht der Läufer a1 nicht völlig normal, aber doch zugleich nicht schlecht.

Was an dieser Partie auffällt – und dem Autoren schon zuvor, damit vielleicht ein (weiteres) kleines Geheimnis preisgebend – ist, dass die Zentrumsbesetzung für viele Spieler außer Kraft gesetzt zu sein scheint, nur weil Schach 960 gespielt wird. Hier kurz erwähnt: dem ist (logischerweise) nicht so. Das Zentrum hat, das alberne Wortspiel sei gestattet, zentrale Bedeutung.

7. ... d7-d5

Schwarz möchte ebenfalls Zentrumseinfluss gewinnen. Ein, so darf man ruhig sagen, typischer und angebrachter Zentrumsgegenstoß. Vom Motiv und vom Prinzip her bekannt, nur lange nicht mit bekannten Folgen, denn: diese Stellung gab es sicher noch nie.

8. c4xd5 c6xd5 9. e4-e5 f7-f6 10. f2-f4

Noch immer werden fast ausschließlich Bauern gezogen, ohne, dass man es als Fehler bezeichnen könnte oder sie gar unlogisch erscheinen würden, wobei hier sicher ein ganz objektives Urteil noch aussteht (falls je eines gefällt würde). Im Gegensatz zu dem anderen Grundstellungsbeispiel jedoch scheinen hier die Figuren bereits zu harmonieren, ohne dass man sie gezogen hätte. Alle finden wunderbare Plätze, egal, ob sie diese gleich oder später einzunehmen gedenken. Klarerweise tun sie das bei Weiß ein klein bisschen leichter. Wozu so ein Raumvorteil doch alles gut sein kann?

10. ... 0-0 Auch Schwarz hält die Zeit für gekommen, die kurze Rochade auszuführen. Ein weiterer Baustein zur Überführung in eine vertraute Stellung.

11. Se1-f3 Se7-f5 12. Db1-d3

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Immer mehr Figuren landen auf Feldern, wo man sie auch durchaus in einer Partie klassischen Schachs wiederfinden würde. In dieser Stellung würde man sich beinahe nur noch wundern – so man denn nicht wüsste, um welche Schachform es sich handelte -- , wie ein Springer nach c1 gekommen ist, was er dort soll, und natürlich über die beiden Läufer auf den Eckfeldern, die man nur, aus der klassischen Ausgangsstellung, in Anwandlungen von Sinnlosigkeit, dorthin hätte bewegt haben können. Ansonsten ist nach 12 Zügen schon fast alles vertraut. Und: außer einer leichten verursachten Irritation der drei genannten Figuren hätte dies im Übrigen keinerlei Einfluss auf zukünftige Entscheidungsfindungen, welche man nun, völlig analog zu einer klassischen Partie, zu treffen hätte.

12. ... h7-h5 13. Sc1-e2 (auch dieses kleine Springerpositionsproblem damit behoben; es bleiben nur die falsch oder ungewohnt stehenden Läufer in den Ecken). 13. ... La8-c6 14. La1-b2 Somit auch dieses Problem behoben. Hier stellt sich wohl kaum die Frage, ob man nun eine vertraute Stellung angestrebt hat, seine Zugwahl daran orientiert hat? Die Antwort lautete nämlich unmissverständlich: Nein! Die Züge waren einfach nur logisch, die Figuren erfüllen so alle ihre Aufgaben und neutralisieren sich in gewisser Weise.

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Nach der erfolgten Überleitung in eine klassische Schachstellung wäre dieser Job hier an sich erledigt. Der geübte Retroanalytiker würde vielleicht an dieser Stelle – bei allem Respekt vor Nimzowitschs Erkenntnissen der Überdeckung -- fragen, warum um alles in der Welt der Weiße seinen Turm nicht direkt nach c1 gezogen hat, sondern erst einmal nach d1? Dafür gäbe es keinen – außer dem Nimzowitsch zu verdankenden, dabei diesen überinterpretierend – sinnvollen Grund, wobei ein Mangel an Spielstärke natürlich immer anerkannt werden dürfte.

Zusammengefasst dennoch (über diese Partiephase und damit verallgemeinernde Tendenzen erkennend) sei gesagt, dass dieses Beispiel doch allerbestens aufzeigt, dass jegliche Scheu unbegründet ist. Weiterhin könnte man konstatieren, dass man eine derartige Stellung sicher bereits vielfach gesehen hat, die Motive kennt, sie vielleicht selbst schon auf dem Brett hatte (in ihrer Bauart), dass man aber, im Gegensatz zum klassischen Schach von keiner der beiden Seiten erwarten dürfte, dass sie sich etwa in Heimarbeit darauf vorbereitet hätten. Dies wohl ein Ding der Unmöglichkeit. Das bedeutet in der Summe, dass man durchaus das geliebte Spiel praktiziert, aber eben den Wissensaspekt eliminiert hat. Darüber möge jeder für sich befinden, ob ihm eher dieses oder eher jenes wünschenswert erscheint.

Der Vollständigkeit halber, und sicher eine gewisse geweckte Neugier befriedigend, hier der Schluss der Partie (bis zu dem bösen Fehler):

14. ... a7-a6 15. Se2-c3 Se8-c7 16. Tf1-e1 b6-b5 17. b3-b4 a7-a5 18. a2-a3 a5-a4 19. Td1-c1 (endlich auch der Turm wohl platziert) 19. ... Lc6-e8 20. Sc3-d1 Sc7-a8 (selbst wenn etwas befremdlich anmutend: die Zukunft dieses Springers ausgesprochen rosig, winkt doch das Feld c4, wo ihn keine 10 Ochsen wegbekommen können) 21. Tc1-c2 Sa8-b6 22. Sd1-f2 (auch dieser Springer mit den schönsten Perspektiven: zementiert zwar das Feld c4, von zwei Bauer gestützt und von keinem einzigen angreifbar, aber doch damit eine Lücke auf c5 hinterlassend, ein El Dorado für einen Springer, so man denn einen hat und eine Route für ihn findet...)

22. ... Sb6-c4 23. Lb2-c1 Sf5-h6 24. Dd3-e2 (macht den Weg frei für den Springer) 24. ... Db8-b6 (für jeden, der noch Fragen bezüglich der vorherigen Damenstellung hat: auf b6 ist nun wirklich Standard...) 25. Sf2-d3 f6xe5 26. Sd3xe5 (ein wenig aus der Not geboren) 26. ... Sh6-f5 27. De2-f2

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Durch beiderseitiges nicht ungeschicktes Lavieren ist eine Stellung entstanden, die weiterhin im Gleichgewicht sein sollte (wobei wohl Weiß doch ein kleines Übergewicht behielte? Immerhin gibt es das Angriffsziel e6 und vielleicht langfristig den Plan, g3-g4 durchzusetzen.).  Ohne jegliche Notwenigkeit bewegt nun Schwarz den Springer, den Weiß selbst mit Hilfe der 10 Ochsen nicht hinfort bekommen hätte. Damit verlässt er den Pfad der Tugend – wohl noch kein entscheidender Fehler, doch...

 

27. ... Sc4-d6 28. Sf3-g5

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... doch der zweite folgt sogleich.

 

28. ...Lg7xe5?  und nach 29. d4xe5 war die Partie erledigt. Der Damentausch ist unvermeidlich, und danach geht der weiße Springer von g5 aus in den „Pacman-Mode“. Er frisst e6 und danach einen der Türme, was den Partieausgang sicherstellt. Kurz darauf erfolgte die Kapitulation und damit das 1:0.

 

Ein paar weitere Erkenntnisse, nur kurz angefügt, damit man erkennen kann, dass es schon Spaß machen kann, sich mit dem Spiel auch so zu beschäftigen – denn, so betont man stets, eine Art Wiedererkennungseffekt ist gegenüber ständig nur Neues zu suchen und vielleicht zu finden, mehr als herzlich willkommen. Als Beispiele seien genannt:

Es scheint eine Art eingebauter Reflex bei einem jeden Schachspieler zu sein – klar, die so genannte „Erfahrung“ --, dass man den ersten Zug ohne großes Nachdenken ausführt. Man weiß eh, was man spielt, mit Weiß, wie immer Sg1-f3 oder e2-e4, was sollte da ein Nachdenken bewirken? Mit Schwarz kann es nur passieren, dass der Gegner einem mit 1. g2-g4, 1. b2-b4 oder 1. Sg1-h3 den Wind aus den Segeln nimmt“, denn gegen jeden anderen Zug ist der erste Zug eigentlich nur Formsache, die Bedenkzeit besser für wichtigere Situationen aufgespart.

Dieser Reflex ist aber nach eigener Einschätzung nach Möglichkeit zu unterdrücken. Die Ausgangsstellung hat gegenüber jeder anderen Stellung kaum einen geringeren Stellenwert, was die Komplexität in Richtung Entscheidungsfindung, Planfassung etc. angeht. Denkbar sogar, dass es noch ein wenig lohnender ist, über sie nachzudenken, diese ganz spezielle Ausgangsstellung. Denn: es werden hier bereits Weichen gestellt. Wie könnte man die Figuren koordinieren, wie besetzt man das Zentrum, welchen Züge, die man selbst ins Auge fasst, würde man wie begegnen, sofern sie denn der Gegner ausführte, wo könnte sich eine Schwachstelle in der gegnerischen Stellung befinden (wie es „klassisch“ beispielsweise der Punkt f7 ist)? Selbst wenn es ganz offensichtlich noch nicht zu konkreten Kampfhandlungen kommt und konkrete Variantenberechnung weitest gehend überflüssig ist, so gibt es doch eine ganze Menge interessanter Dinge zu entdecken und ist es nach eigener Auffassung längst nicht so zufällig, wie es scheinen mag, wie sich eine 960-Partie entwickelt. Den Grundstein für eine Entwicklung in eine eigene, selbst gesteuerte und zugleich hoffentlich erfreuliche Richtung kann man mit ordentlichem Nachdenken über den ersten Zug (gerne auch: die ersten Züge) legen.

Um abschließend noch einen beobachteten Effekt vorzustellen: die Rochade wird teils ein wenig überschätzt, wobei andererseits oftmals zu beobachten ist, dass beide Seiten sie hinauszögern, länger, als sie es in einer „herkömmlichen“ Partie tun würde (wo der Rochadezug meist natürlich einstudiert ist und zur bekannten Zugabfolge einfach dazugehört). Wie auch immer und warum es so oder so geschieht (und wie es sich in dieser Hinsicht, vielleicht einbezüglich dieser Worte, nun entwickeln wird), kann man doch einen allgemeineren Gedanken zum Thema Rochade im Schach 960 anbieten:

Sofern der König im Zentrum steht (demnach auf der e- oder d-Linie), so hat die Rochade wohl exakt die gleiche Bedeutung wie im klassischen Schach. Er steht im Zentrum, es bleibt dabei, dass die Zentrumsbesetzung einen hohen Stellenwert hat, demnach werden sicher häufig die Zentrumsbauern aufgezogen, möglicherweise dort, da es gegenseitig geschieht, werden sich Bauernabtäusche ergeben, damit Linien- und Diagonalenöffnungen, was dem König oft genug zum Verhängnis wird – sofern man ihn nicht rechtzeitig aus diesem Zentrum entfernt, an einen viel sichereren Ort wie c1 oder g1.

Falls der König jedoch auf einem Läuferfeld steht, so spürt man ja bereits ohne diese Erwähnung, vor allem aber durch den Effekt, dass er bei der (allgemein dennoch als „unsicherer“ angesehen) langen Rochade (in Zukunft nur noch: c-Rochade, da „lang“ oder „kurz“ im Schach 960 seine Gültigkeit vollständig einbüßt) ohnehin auf einem Läuferfeld landet, welches weiterhin recht zentrumsnah liegt (wonach oftmals noch der sichernde Zug Kc1-b1 bzw. Kc8-b8 freiwillig angeschlossen wird), dass er dort bereits deutlich weniger gefährdet ist. Hier bleibt das nach wie vor gültige Ideal der Turmverbindung auf der Grundlinie das die Rochade motivierende Kriterium, jedoch ist dieses genauso einfach durch einen schlichten Königszug der Bauart Kc1-c2 oder Kc1-b2 zu erzielen (da ja der eine Turm Regel bedingt stets diesseits, der andere jenseits des Königs steht). 

Diese Züge macht man irgendwie (nach bisheriger Beobachtung) nicht so gerne. Königszüge – außer der Rochade – sind im Frühstadium einer Partie irgendwie verpönt, dies der wohl dafür ausgemachte Grund (und wäre somit ein Beweis, wie stark in der Jugend antrainierte Effekte ihre Wirksamkeit behalten, selbst wenn durch andere Umstände objektiv außer Kraft gesetzt). Ein weiterer Grund für diese Abneigung scheint aber darin zu bestehen: man möchte den Gegner am liebsten mit einer plötzlichen Rochade, die ja durch die Bewegung ZWEIER Figuren, gelegentlich sogar über größere Distanzen, für mehr Aufhebens auf dem Brett sorgen können.

Hierzu ein kleines Beispiel:

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Bei der Berliner Schnellschachmeisterschaft im Schach 960 im Jahre 2012 kam es im Duell zwischen René Stern und Dirk Paulsen in einem Moment zu einer derartigen Stellung. Der Schwarze, Paulsen also, der träumende Autor, hatte sich in einer mit dieser vergleichbaren (hier fehlt längst durch verblassende Erinnerung jegliche Exaktheit) Stellung vom Eindringen seines Turmes auf h2 den baldigen Sieg erträumt. René Stern aber spielte, absolut regelkonform aber doch zur größten Überraschung des Gegners den Zug g-Rochade.

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Der Turm, der soeben noch im Verein mit dem ihn Führenden von einer Partie entscheidenden Rolle träumte, konnte brav, mit eingezogenem Schwanz, wieder abziehen – was brächte schon eine Turmverdopplung? -- und die Partie wurde kurz darauf als Remis vereinbart.

11)                    Ein Abschlussaspekt: rechtzeitig anfangen, denn die Zukunft des Schachs ist keineswegs gewiss oder gesichert.

Tja, also in letzter Zeit hat einen persönlich nicht nur und nicht erst seit Bekanntwerden des Schach 960 der Gedanke beschäftigt, wie es um die Zukunft des Schachs allgemein bestellt ist. Sicher gibt es immer wieder positive Ansätze, welche diese Zukunft zumindest unter Erhalt der Mitgliederzahlen zu versprechen scheint, andererseits vermeldet beispielsweise der Deutsche Schachbund schon seit einigen Jahren schwindende Mitgliederzahlen. Demnach steht also kein Boom in Aussicht, wie man schlussfolgern könnte, denn Bemühungen gab es stets – und doch wuchsen die Zahlen nicht, jedenfalls nicht beständig.

Man hat ja persönlich an anderer Stelle bereits ein paar Gründe genannt, die nach eigener Ansicht einem erheblichen Anwuchs im Wege stehen. Als wichtigster sei genannt: eine zu hohe Vorhersehbarkeit des Ausgangs einer Schachpartie, eines Schachturnieres. Immer wieder, so stellt man fest, setzt sich der Ranghöhere, in der einzelnen Partie, der Ranghöchste im gesamten Turnier durch. Ein Außenseiter, der so ab 400 Punkte unter dem Topfavoriten liegt, darf im günstigsten Fall auf die Ehre eines direkten Aufeinandertreffens hoffen. Auf eine Überrumpelung des Gegners oder gar auf die Einnahme des Platzes auf dem höchsten Podestplatz hofft er zu weit mehr als 99.99% vergeblich (womit diese Hoffnung zur Illusion verkommt).

Dies bedeutet nicht nur, dass man vergebens hofft (oder gar, realitätsfern, Illusionen hegt), sondern dass man sich möglicherweise – gleich das komplette Startgeld klemmt. Wieso soll ich denn, so sagt man sich, dessen Taschen vollstopfen ausschließlich auf diese direkte Begegnung hoffen (was mir dann eh schon, zwar Ehre, aber dafür zu teuer wäre), wenn sie denn zustande kommt aber mich abfertigen lassen und bei der Bitte um eine Analyse lediglich die kalte Schulter zu sehen bekäme anstatt ein paar Einblicke in großmeisterliches Denken, meinem eigenen gegenübergestellt?

Es bedeutet also, dass sich sicher weiterhin viele Schachspieler zu Turnieren einfinden mögen – was einer ganz anderen Illusion, nämlich jener der gesicherten Zukunft des Schachs Vorschub leistet --, dass aber vielleicht eine noch viel höhere Anzahl ihnen fernbleibt. „Ich weiß doch eh, wer gewinnt.“ Dies bedeutet nicht, dass Schach 960, wie oben erörtert, einen Zufallsaspekt hinzufügt, der dieser Vorhersagbarkeit entscheidende Abstriche leistet, lediglich, dass man, so oder so, nicht für die Zukunft des Spiels garantieren kann.

Weiterhin und weiter oben angeführt kann keine Sportart existieren, in der kein Nachwuchs herangezogen wird. Hierfür nun gibt es die oben genannten, guten Gründe, dass es mit dem Alternativspiel Schach 960 viel leichter gelingen könnte.

Kommentare   

#1 take5 2013-06-13 15:47
(Der nachfolgende Text wurde ursprünglich nicht für den Blog verfasst und ist daher etwas länger als ein üblicher Kommentar. Ich muss ihn in zwei Einträge splitten.)

Lieber Dirk,
ich habe Dein ausführliches Plädoyer für Schach960 mit Interesse gelesen und stimme Dir in der generellen Tendenz zu. In der Tat ist das sogenannte klassische Schach zu wissenslastig geworden, um noch allein selig zu machen. Im Grunde ist es mehr die äußere Hülle, die noch die Bezeichnung „klassisch“ rechtfertigt. Nimmt man dagegen Maßstäbe wie Kreativität und ursprüngliche Spielfreude, dann ist Schach960 den klassischen Idealen viel näher als das Mainstream-Schach.

Du hast ja selbst schon angedeutet, dass es im Grunde ein längerer historischer Prozess ist, in dem sich entscheidet, was aus den beiden Schachvarianten – und es könnten noch andere hinzukommen – wird, ob es einen Ablösungsprozess zugunsten von Schach960 geben wird oder nicht. Ich schätze die Chancen für die weitere Popularisierung von Schach960 als gar nicht so schlecht ein, und sie wären aktuell natürlich noch viel besser, wenn Hans-Walter Schmitt mit den Chess Classic Mainz hätte weitermachen können, denn gerade in der Einführungsphase braucht es solche starken Anstöße, die im übrigen gezeigt haben, dass es auf Meister- und Großmeisterebene durchaus viel Zuspruch für Schach960 gibt.

Die Tatsache, dass die FIDE (ausgerechnet die!) die Schach960-Regeln in ihr Handbuch aufgenommen hat, zeigt, welche Wirkung die Aktivitäten der Frankfurter Chess Tigers schon gehabt haben. Vielleicht ist es nur noch ein kleiner Schritt, bis die FIDE auch tatsächlich Wettbewerbe ausschreibt. Übrigens hat der internationale Fernschachbund, die ICCF, kürzlich sogar einen Schach960-Weltpokal gestartet, an dem jeder teilnehmen kann (jetzt schon der 2. Durchgang, da das erste Pokalturnier schon vorm Finale steht, an dem ich teilnehmen werde). Um einen starken Anreiz zu schaffen, qualifiziert sich der Weltpokalsieger direkt für ein „normales“ WM-Finale.

Es passiert also durchaus einiges, wobei die Zeit für Schach960 läuft.

Bei aller Begeisterung fürs Fischerschach habe ich allerdings auch Einwände:
1.) Nicht alle per Zufall zugelosten Stellungen gefallen mir (ganz unabhängig davon, ob im Nahschach oder Fernschach). Als abschreckendstes Beispiel fallen mir Stellungen ein, in denen alle Läufer auf den Eckfeldern stehen. Das mag vielleicht sehr subjektiv klingen, aber ich neige zu der Ansicht, dass solche Stellungen, die in der Regel fast zwangsläufig zu symmetrischen Fianchettos auf beiden Seiten führen, also z.B. 1.b3 b6 oder 1.g3 g6 weniger Potential haben als die klassische Ausgangsstellung, die schon etwas sehr Harmonisches hat und – unabhängig von aller Theorie – reichhaltige Perspektiven bietet.
2,) Nicht alle Ausgangsstellungen geben Schwarz wohl die gleichen Chancen auf Ausgleich bzw. auf vollwertiges Spiel. Diese These kann ich zwar nicht ohne weiteres belegen, da sie umfangreiche Analysen erfordert, aber es ist ein ernsthafter Einwand von Spielern, die sich näher damit befasst haben. Es gibt wahrscheinlich Stellungen, die etwas mehr in der Remisbreite sind als andere. Hier könnte die Farbverteilung als Problem empfunden werden. (Beim ICCF-Weltpokal spielt jeder gegen jeden 2 farbvertauschte Partien, was aber andere Nachteile hat, da der Gegner die Züge kopieren kann. Außerdem spielt hier jedes Gegnerpaar eine andere Ausgangsstellung, was mir auch nicht ideal erscheint; aber dies ließe sich leicht ändern.)
3.) Schach960 in Reinkultur führt zu einer gewissen Aufsplitterung. Während sich bisher alle auf eine einzige Ausgangsstellung bezogen, wird es nun auf einmal eine unüberschaubare Zahl von Ausgangsstellungen, wo ich nicht mehr ohne weiteres vergleichen kann, wie andere (außer meinen Turnierteilnehmern) mit derselben Stellung umgegangen sind. Dies ist nicht der allerwichtigste Einwand, aber ich könhnte mir vorstellen, dass es andere Möglichkeiten gibt, die zugleich auch Pkt. 1 und 2 berücksichtigen.
So wäre es beispielsweise möglich, dass eine gewählte Spielerkommission Schach960-erfahrener GMs bzw. Experten sich auf eine überschaubare Zahl von verschiedenen Ausgangstellungen – meinetwegen zwischen 12 als Minimum und 64 als Maximum – für eine gewisse Zeitperiode einigt. Im Lichte der Erfahrungen werden dann alle Jahre mal diese und jene Ausgangsstellungen aus dem Pool ausgetauscht. Dies wären immer noch genügend Stellungen, um eine monströs anwachsende Eröffnungstheorie zu vermeiden, aber andererseits käme es häufiger als beim reinen Schach960 zu gleichen Stellungen, um überhaupt soetwas wie einen Erkenntnisfortschritt in der Behandlung von komplexen Stellungstypen festzustellen und diskutieren zu können.

- Fortsetzung folgt -
#2 take5 2013-06-13 16:09
Part 2
...
4.) Wenn mich nicht alles täuscht, dann sind es überproportional viele gute Spieler, die an Schach960 Gefallen finden. Die Masse schwächerer Spieler argumentiert häufig: Warum soll ich mich darauf einlassen, wo ich ja noch nicht einmal die normale Ausgangsstellung verstehe und keine vernünftige Eröffnung zustandebringe. Für diese Spieler ist das wiederholte Einüben bestimmter Stellungsmuster subjektiv wichtig, um nicht die Orientierung zu verlieren und systematisch an ihrer Verbesserung zu arbeiten. Man müsste eventuell völlig andere Trainingsprogramme entwerfen, um hier weiterzuhelfen. Ohne dies wird es kaum gelingen, bei der Masse heutiger Spieler breite Zustimmung zu finden. Interessanterweise müsste man dann wahrscheinlich auch die allgemeine Eröffnungstheorie etwas überarbeiten, denn die klassische Zentrumslehre greift nicht mehr in gleichem Maße, es gibt mehr Ausnahmen von der Regel. Es liegt auf der Hand, dass sich hier bessere Spieler noch stärker durchsetzen als im traditionellen Schach, denn sie laufen nicht mehr Gefahr in vorbereitete Varianten hineinzulaufen und können ihre entscheidenden Vorteile besser ausspielen. (Dabei setze ich natürlich voraus, dass der „bessere“ Spieler nicht deshalb schon vorher besser war, weil er mehr Eröffnungswissen hatte.)

5.) Die meisten Schach960-Teilnehmer von Turnieren sehen das Fischerschach eher als Ergänzung und Abwechslung, aber nicht als vollwertigen Ersatz für das traditionelle Schach. Ich vermute, das wird auch weiterhin so sein. Die Zahl der Spieler, die nur noch Fischerschach spielen wollen, wird nur langsam wachsen, aber es gibt sie immerhin.

6.) Fischerschach – im Fernschach – mit Computerunterstützung (unvermeidlich, da unkontrollierbar) ist leider viel öder, als ich zunächst dachte, denn das nimmt vieles von dem Zauber quasi „jungfräulicher“ Stellungen. Insbesondere neigen die Engines in vielen Stellungen zu Symmetrie-Stellungen, und – entscheidendes Argument! – es ist gar nicht so einfach, sie darin zu widerlegen. Deshalb glaube ich nicht (und erwähne dies, um nicht missverstanden zu werden) an die große Zukunft von Schach960 im Fernschach, d.h. der Unterschied zum traditionellen Schach ist hier weit geringer als im Nahschach.
Soweit also mal ein paar Gedanken von mir, in denen Du hoffentlich auch ein erwünschtes Feedback zu Deinen eigenen Überlegungen wiederfindest.

Abschließend hänge ich eine aktuell noch laufende Fernpartie an, um einen Eindruck zu vermitteln, wie Schach960 mit Computerunterstützung rüberkommt (merkt man sicherlich beim Nachspielen, wobei der Gegner auch über Houdini & Co. verfügt und dies seine einzige Niederlage in der Zwischenrunden sein wird).

(1) Nickel,Arno - Pichushkin,Vladimir Alekseevich
WC/960–01/sf.03 ICCF, 15.11.2012 (Position # 667)



Es sieht witzigerweise so aus, als sei die lange Rochade beiderseits schon ausgeführt, aber der Schein trügt. Wenn der d-Turm wegzieht, könnte man noch lang rochieren. Für die kurze Rochade müssen mehr Figuren aus dem Weg.
1.d4 g5 2.g4 d5 3.e3 Sg6 4.Sg3 Sc6 5.Df1 e6 6.c4 Sce7 7.Sc3 a5?!
Zu optimistisch, falls Schwarz daran dachte seinen Turm über a6 ins Spiel zu bringen (siehe 15...Ta6) und seinen König auf c8 zu belassen. In der Folge kommt es heterogenen Königsstellungen (Rochade kann man im Falle von Schwarz nicht sagen). Die sind aber günstiger für Weiß, wie sich zeigen wird.
8.cxd5 Sxd5 9.Sxd5 exd5 10.De2 Se7 11.Ld2 Ld7 12.0–0 f5 13.gxf5 Sxf5 14.Tac1 Se7 15.e4 Ta6 16.e5 Kb8 17.Tc5 a4 18.Tfc1 Tc8 19.b4 axb3 20.axb3 Ta7 Ende des Strohfeuers in der a-Linie. 21.Le3 h6 22.Lg2



22...c6? Schwarz steht schon bedenklich passiv und unter Druck, aber das schwächt die schwarzen Felder zu sehr. 22...b6 war zäher. Er dachte wahrscheinlich nur an b3-b4-b5, was er vermutlich noch hätte aushalten können. Aber...
23.T5c2 Sg6 24.Ta2 Sf4 25.Dd2 Txa2 26.Dxa2 Df7

https://shop.strato.de/WebRoot/Store14/Shops/64079634/MediaGallery///Nickel-Pichushkin_03,mgt.JPG

27.Ld2! Dieser Läufer wird bald ein Riese.
27...Sxg2 28.Ta1 Le6 29.Kxg2 Kc7 30.Lb4 Kd7 31.De2 Ke8 32.Ta7 Td8 33.Lc5 Lg7 34.Dh5 Td7 35.Ta8+ Td8 36.Dxf7+ Lxf7 37.Txd8+ Kxd8 38.Sf5 Lh8 39.Sxh6 Le6 40.Kg3 Lg7 41.Sg4 b6 42.Lxb6+ Ke8 43.f4 gxf4+ 44.Kxf4 Kf7 45.Kg5 Lf8 46.Lc5 Lxc5 47.dxc5 d4 48.Kf4 d3 49.Sf2 d2 50.Ke3 Kg6 51.Kxd2 Kf5 52.Sd3 Lxb3 53.Kc3 Ld5 54.Kd4 Lh1 55.h4 Lf3 56.Sb4 Ke6 57.Sxc6 Lxc6 58.h5

https://shop.strato.de/WebRoot/Store14/Shops/64079634/MediaGallery/Nickel-Pichushkin_04.JPG

Ich erwarte die Aufgabe eigentlich schon seit längerem, aber die momentane Schluss-Stellung hat ja auch was ,-)

Herzlich, Arno
#3 Schmidt 2013-06-20 15:41
Ich weiß nicht, ob ich der Grundthese dieses Textes zustimme, dass das "klassische Schach" an einem Overkill an Eröffnungstheorie krankt. Es spricht m.E. sogar viel dafür, dass die PC-Datenbanken und -Engines dazu beigetragen haben, die Bedeutung des Eröffnungswissen relativ zu verringern. In den 70ern und 80ern konnte Karpov sicher sein, dass ihm sein Heer an erstklassigen Sekundanten einen Wissensvorsprung in der Eröffnungstheorie garantierte. Heute ist ein großer Teil des Eröffnungswissens "demokratisiert", d.h. es muss auf professioneller Ebene schon ein gigantischer Aufwand getrieben werden, um aus Eröffnungen überhaupt noch erkennbare Vorteile mitzunehmen. Der Trend führt daher dazu, dass eher ruhigere bzw. unbekannte Stellungen angestrebt werden und sich der Hauptaspekt des Spiels auf Mittel- und Endspiel verlegt. Wie gesagt, das ist die absehbare langfristige Entwicklung, natürlich bleibt es nach wie vor wichtig, ein fundiertes Eröffnungswissen zu haben, um nicht gleich in den ersten Zügen unterzugehen.
Insgesamt deuten die Super-GM-Turniere der letzten Jahre jedenfalls darauf hin, dass das klassische Schach noch lange nicht ausgereizt ist. Es gibt wissenschaftliche Untersuchungen dazu, dass in der Weltspitze die Remisquote ab- und die Länge der Partien zunimmt. Schon Anfang des vergangenen Jahrhunderts hat man sich Sorgen darüber gemacht, dass Schach den "Remistod" stirbt, aber auch 2013 ist davon weit und breit nichts zu sehen. Computerengines zeigen uns, dass wir noch weit von "fehlerfreiem" Spiel entfernt sind und insofern werden auch in Zukunft Partien von einer Seite entschieden werden können.
Insofern: Schach960 gerne, aber doch eher als willkommene Abwechslung denn als Ersatz.
#4 Friedrich 2013-06-20 21:49
@Krennwurzen
"Und wer sagt uns, dass in den 959 anderen Anfangsstellungen nicht ein erlernbares Matt in 17 versteckt ist.....?"

Houdini. Bis 23 kann man sowas schnell evaluieren. Und Ich wette 2 Kästen Hefeweizen, dass es sowas nicht gibt..
Sollte es mal regelmäßig 960er Turniere geben, kann es sich zeigen, dass man Regeln modifizieren muss, oder gar spezielle Aufstellungen streicht.
Kann sein dass die Gewinnverteilungen variieren. Also spielt man bei wichtigen Events Doppelrunden. Ansonsten mitteln sich Glück und Pech mit der Zeit raus.

"Die prinzipiellen Probleme werden durch 960er nicht wirklich gelöst."
Nein, aber die praktischen!
+1 #5 Krennwurzn 2013-06-21 00:09
zitiere Friedrich:
Houdini. Bis 23 kann man sowas schnell evaluieren. Und Ich wette 2 Kästen Hefeweizen, dass es sowas nicht gibt..

Ich bezweifele stark, dass eine aktuelle Engine aus der Anfangsstellung ein Matt (17-23) errechnen kann.

zitiere Friedrich:
"Die prinzipiellen Probleme werden durch 960er nicht wirklich gelöst."

Nein, aber die praktischen!

Nein auch die praktischen nicht, denn einen guten Schachspieler machen nicht nur Eröffnungskenntnisse aus, sondern viel mehr. Ganz ehrlich gesagt - ich verliere gegen Spieler mit +400 Elo im normalen Schach und wohl auch im 960er Schach beinahe jede Partie. Und ich kann mir keinen Schachspieler vorstellen, der 400 Elo mehr hat als ich und dies nur seinen Eröffnungskenntnissen zu verdanken hat.

Unter doppelten Anführungszeichen ganz provokant:

""Irgendwie lässt mich der Gedanke nicht los, dass 960er Schach eine praktische "Ausrede" für jene darstellt, die glauben hochtalentiert zu sein, aber den Beweis durch fehlenden Arbeitswillen nicht erbringen wollen/können. Oder dem Irrtum unterliegen, dass Intelligenz sie automatisch zu Experten für alles macht!""

Zugegeben extrem provokant - aber Spitzensport heißt auch verdammt viel Arbeit - siehe u.a Interviews mit Gelfand, usw...
Und warum hat sich Fischer fit gehalten, Kasparov große Trainingslager abgehalten ... die Typen sind/waren doch solche Genies - die hätten das dann doch gar nicht notwendig gehabt ;-)
#6 Schmidt 2013-06-21 09:45
Noch ein Gedanke: Die Vorstellung, Schach960 wäre immun gegen Eröffnungstheorie, ist ziemlich naiv. Es gibt im klassischen Schach tausende Stellungen, über die eine Masse an theoretischer Literatur existiert. Sollte Schach960 wirklich professionell werden, ist es da anzunehmen, dass die Spieler sich den Stellungen bar jeden Wissens annehmen würden? Wohl kaum. Wer weiß, ob man nicht vom Regen in die Traufe kommt? Die Schachverlage reiben sich schon die Hände: 959 neue Eröffnungsfallen etc...
#7 Roggenossi 2013-06-23 14:39
Betreffend eines etwaigen #17 in einer Chess960-Ausgangsstellung : Das erfordert "effektive" 33 Halbzüge an Rechentiefe, die ja in Einzelzügen gezählt bzw. angegeben wird. Das kling zwar viel, ist aber machbar.

In einem aktuellen Computerschachpositing (Talkchess.com) findet man einen Testlauf aus der klassischen Grundstellung, wo Tiefe 30 nach rund 12,5 Minuten erzielt wurde. Dazu lief Houdini allerdings auf einem Computer mit 12 Prozessorkernen. Das läßt erwarten, daß 33 Plies rund 1h40:00 benötigen.

Hierbei kann jedoch sowohl sein, daß ein #17 so es denn existiert, durch Extensions schon auf geringerer Tiefe gefunden wird, oder umgekehrt: Aufgrund von Pruning und Reductions erst bei größerer Tiefe gefunden werden kann, falls überhaupt.

Aber #17 ist ja nur ein plakatives Beispiel. Es wären schon Ausgangsstellungen "untersuchungswürdig", wo z.B. Houdini auf 30 Plies eine Unausgewogenheit jenseits plus/minus 1,50 oder so ermittelt.

Eine Wiederholung der jeweiligen Stellung mit Seitenwechsel scheint in der Tat angebracht.

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