Cordoba in Polen

Um einen Österreicher glücklich zu machen, braucht man nur das Wort „Cordoba“ zu sagen – so oder ähnlich lautet ein Bonmot vom Kaiser Franz Beckenbauer höchst persönlich. Und tatsächlich auch viele Jahre danach werden wir Ösis beinahe immer noch „narrisch“ wenn dieses Wort fällt, denn wir haben nicht nur besser gespielt, waren nicht die „sentimentalen“ Gewinner – nein wir haben das Unmögliche geschafft: wir haben die Deutschen nach 90 Minuten tatsächlich geschlagen!

Was ist daran so speziell, dass sich so viele damit beschäftigt haben und auch die schrägsten Kabarettisten des Landes Stermann & Grissemann sich diesem Thema nicht verschließen konnten? Eigentlich ganz einfach: der kleine Bruder konnte dem größeren ein Bein stellen oder ganz klassisch David gegen Goliath.

Auch im Schach waren und sind uns die Deutschen überlegen, mit der Nationalmannschaft gelangen ihnen viele Erfolge – darunter der gar nicht so lange zurückliegende sensationelle Gewinn der Mannschaftseuropameisterschaft. Ebenso findet man in der Weltrangliste Österreicher erst hinter den Deutschen. Markus Ragger ist sogar der erste und einzige Österreicher, der die Elomarke von 2600 jemals überschritten hat – also es schaut nicht wirklich toll aus für die Alpenrepublik.

Aber bei der Einzel-EM im polnischen Legnica tauchte es wieder auf dieses kleine süße Cordobagefühl und da der Weg vom Patrioten zum Idioten nur ein sehr kurzer ist, jubelte die Krennwurzn bei der Durchsicht der Resultate euporisch: „I wer’ narrisch“, um gleich nachzufragen: ist das denn überhaupt noch möglich?

2013EM 1

Herausragend und verlässlich sind in letzter Zeit die Leistungen von GM Markus Ragger, der am Weg ist, sich in die erweiterte Weltspitze zu spielen – auch wenn die Krennwurzn diesbezüglich berufsskeptisch ist, aber ich hätte kein Problem damit, sollte ich mich da irren! Jedenfalls gelang es ihm mit einer Eloleistung von 2724 und dem 18. Rang sich zum zweiten Mal in Serie für den World Cup zu qualifizieren. Auch der Bundestrainer GM David Shengelia spielte groß auf und konnte nach einem Remis gegen GM Vachier-Lagrave (2718) in der Folgerunde sogar GM Areshchenko (2709) schlagen, was zu in diesen Tagen nicht unerwarteten Verdächtigungen führte – aber lassen wir dieses Thema einfach einmal ruhen.

Ein ebenso hervorragendes Turnier spielte IM Robert Kreisl, der in der 4. Runde mit GM Cheparinov ebenfalls einen 2700er schlug und seine Leistung mit seiner ersten Großmeisternorm krönte. Verwundert es noch jemand, dass da sogar ein Freund auf Facebook gratulationshalber schrieb: „Ivanovstyle“

2013EM 3

Nicht unerwähnt lassen möchte ich den 15jährigen Martin Christian Huber (2176) der gegen wesentlich stärkere mit Titel versehene Gegnerschaft 4,5 Punkte und eine Eloleistung von 2346 schaffte und ein Versprechen für die Zukunft ist.

Mit den Rängen 18, 89 und 93 schafften es drei Österreicher unter die Top 100 von den insgesamt 286 Teilnehmern zu kommen. Und wo – Cordoba – sind die Deutschen?

2013EM 2

Da schmerzt der Krennwurzn ja schon der Finger vom Runterscrollen bis auf Rang 79 wo mit IM Bluebaum der einzige unter den Top 100 platzierte Deutsche auftaucht. Er und IM Donchenko sind zudem die einzigen mit Elozugewinnen und auch die beste Eloleistung von 2539 ist als eher mager zu bezeichnen, wenn man bedenkt, dass drei Österreicher Eloleistungen über 2650 erbracht haben! Cordoba, Cordoba ... jubelt die Krennwurzn vor sich hin und wird immer „narrischer“.

Aber Halt, Stopp!! War nicht Cordoba ein Pyrrhussieg für den österreichischen Fußball? Überdeckte er nicht das Verschlafen von modernen Entwicklungen? Sicherlich kamen dann noch ein paar schöne Erfolge und WM-Qualifikationen, aber dann kam der Absturz von Weltranglistenplatz 17 auf 105 und wenn man von dort nach unten scrollt, da hilft nicht einmal mehr das Wort Cordoba um die Krennwurzn glücklich zu machen!

Krennwurzn

Anonymer aber dennoch vielen bekannter kritischer Schachösterreicher! Ironisch, sarkastisch und dennoch im Reallife ein netter Mensch - so lautet meine Selbstüberschätzung! Natürlich darf jeder wissen wer die Krennwurzn ist und man darf es auch weitererzählen, aber man sollte es nicht schreiben, denn die Krennwurzn hat so eine abkindliche Freude damit „anonym“ zu sein – lassen wir ihr doch bitte diese Illusion!

Motto: Erfreue Dich am Spiel, nicht an der Ratingzahl! Das Leben ist hart, aber ungerecht (raunzender Ösi)!
 

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Kommentare   

#1 Schachorganisator 2013-05-17 20:26
Ja, von den deutschen GM muss man wirklich enttäuscht sein. Nur Handke und Krämer blieben überhaupt über 50%.
Mit Naiditsch, Khenkin und Gustafsson fehlten zwar 3 Nationalkader, aber das kann das insgesamt schlechte Abschneiden kaum erklären.
Da können wir ja froh sein, dass sich die "Nachwuchsgarde" zumindest tlw. ganz gut in Szene setzten.
#2 Frank Hoppe 2013-05-18 07:27
Huch, mein Vereinskollege Martin Gebigke hat genauso viele Punkte gemacht wie unser Nationalspieler Daniel Fridman.
#3 Thomas Richter 2013-05-18 11:37
@Frank Hoppe: Dazu muss man aber wissen, dass Fridman nach 8 Runden ausgestiegen ist (laut Schach-Ticker gesundheitlich angeschlagen). Ausserdam hatte Gebigke nach anfangs 0/3 deutlich leichtere Gegner.
#4 Schachorganisator 2013-05-18 20:55
Ja, GM Fridmann hat nur 8 Runden gespielt und 4 Punkte geholt.
Allerdings hat er entsprechend der Gegnerschaft trotzdem 19 ELO-Punkte verloren.
Martin Gebicke hat seine 4 Punkte in 11 Partien geholt, allerdings nur 2 ELO-Punkte eingebüßt.

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