Damenopfer (Teil 1)

Akiba Rubinstein Akiba Rubinstein Deutsche Schachzeitung 1908

Auf die Idee für diesen Beitrag kam ich nachdem ich an einem Tag gleich zweimal Damenopfer im Internet erwähnte: erst Karjakins Damenopfer im Armaggedon gegen Grischuk und abends im Kommentar auf Chessvibes zur vorletzten Runde in Zürich: "Today had two exchange sacrifices and a rook sacrifice by Kramnik to force perpetual check in the end. If tomorrow's games have two queen sacrifices and finish with draws, will people still complain?" Tags darauf waren die Remishasser dann zufrieden: Kramnik patzte gegen Anand, und Gelfand verlor gegen Caruana ein Endspiel das trotz Minusbauer womöglich remis war. Aber das nur nebenbei.
Sinn der Sache ist keinesfalls das Thema Damenopfer systematisch und quasi wissenschaftlich zu behandeln, sondern nur ein paar mehr oder weniger bekannte und mehr oder weniger alte Beispiele zu bringen. Ob es Teil 2 gibt weiss ich noch nicht - das liegt an Euch oder Ihnen, denn am Ende ist der Leser am Zug!

Legen wir los - wie das Titelfoto schon vermuten lässt ist das erste Beispiel etwas älteren Datums, relativ bekannt aber immer wieder schön anzusehen. Vishy Anand kannte es auch und hat Aronian in Wijk aan Zee mit ähnlichen Motiven besiegt, wenn auch ohne Damenopfer.

Rotlewi-Rubinstein, Lodz 1907

Rotlewi-Rubinstein

22.-Txc3!! 23.gxh4 Td2!! 24.Dxd2 Lxe4+ 25.Dg2 Th3! 0-1 Frohe Weihnachten (die Partie wurde am 26.12.1907 gespielt).
Rubinstein ist übrigens Gelfands Lieblingsspieler. Auf das Kandidatenturnier freue mich ja schon länger, und nicht nur wegen einem jungen Norweger sondern auch wegen Spielern meines Alters - wobei es Gelfand schwer fallen dürfte seinen Vize-WM-Titel zu verteidigen, aber wer weiss das schon? Fussball ist auf dem Platz, und Schach am Brett.

Sagte ich Kandidatenturnier? Sagte ich Zürich? Passt das irgendwie zusammen?

Averbakh-Kotov, Zürich 1953

Averbakh-Kotov

30.-Dxh3+ 31.Kxh3 Th6+ 32.Kg4 Sf6+ 33.Kf5 Sd7 34.Tg5 Tf8+ 35.Kg4 Sf6+ 36.Kf5 Sg8+ 37.Kg4 Sf6+ 38.Kf5 Sxd5+ 39.Kg4 Sf6+ 40.Kf5 Sg8+ Warum die ganzen Zugwiederholungen? Nun, auch heutzutage will man so vielleicht die Zeitkontrolle erreichen - aber damals hatte es noch einen anderen Grund: die Partie wurde hier abgebrochen, und Kotov konnte nun ganz in Ruhe analysieren (auch mit fremder Hilfe, allerdings ohne Engines). 41.g4 Lxg5 42.Kxg5 Tf7 43.Lh4 Tg6+ 44.Kh5 Tfg7 45.Lg5 Txg5+ 46.Kh4 Sf6 47.Sg3 Txg3 48.Dxd6 T3g6 49.Db8+ Tg8 0-1

Averbakh-Kotov2

Weiss kann zwar das Matt verhindern (50.Dxg8+) aber hat danach - inzwischen - eine Figur weniger.
Auch das war noch vor meiner Zeit; diese Partie wurde von Frits Fritschy auf Chessvibes erwähnt (der heisst wirklich so, auch wenn ich lange dachte das sei ein Pseudonym wie Harry Houdini oder Rudi Rybka). Nun noch zwei gelungene Beispiele jüngeren Datums, und dann ... das verrate ich noch nicht. Eigentlich wäre es ja nett wenn zwischen den Beispielen jeweils 64 Jahre liegen würde, aber so habe ich nicht recherchiert.

Ganguly-Spoelman, Wijk aan Zee B 2011

Ganguly-Spoelman

22.Lxf6 Lxd6 23.Txg7+ Kh8 24.Sg5 Lxh2+ 25.Kh1 1-0
Die Chessbomb-Liveübertragung nannte 22.Lxf6 anfangs einen schweren Fehler (dunkelroter Zug) da Weiss nur Dauerschach habe - die Keule 24.Sg5 hatte Houdini (in der Suchtiefe) nicht antizipiert.

Ein alter Bekannter darf nicht fehlen:

Bosboom-Punt, Amsterdam Science Park Open 2012

Bosboom-Punt

18.hxg6 fxg6 Houdini - der schon vorher die weisse Partieanlage kritisierte - meint dass Schwarz hier die Dame schlagen konnte mit gewissem Vorteil (-0.5) aber die Variante habe ich mir nicht angeschaut. Der Rest ist relativ forciert: 19.Sxg4 Sxc3 20.Sh6+ Kg7 21.Lxc3+ Tf6 22.Sg4 Kg8 23.gxf6 Lf8 24.Ke2 Dd6 25.Tag1 Te8 26.Txh7 Kxh7 27.f7 Te5 28.Lxe5 1-0

Ich hatte meine Blogkollegen um Hilfe gebeten (Beiträge aus eigener Praxis?) aber niemand hatte was Passendes, Krennwurzn dafür eine Anekdote vom Aschach-Open 1996:

Beim(2570)-Balinov(2385), Aschach 1996

Beim-Balinov

Der nominell bessere Spieler verwaltete schon einige Zeit eine Mehrqualität, aber inzwischen hat Schwarz Gegenspiel. Hier hätte nur 46.Dh8 Vorteil bewahrt - Idee 47.Dg7+ Kh5 48.Dxh7+ Sxh7 49.Txh7+ Kg4 50.Th4 matt. Daher ist 46.-Sd7 erzwungen, und dann 47.Dc8 Sf6 48.Dxe6 Txe6 und der Rest ist Technik. Stattdessen kam 46.Df8+ Kh5 47.Dxf6?!?! Txf4+! 48.gxf4 Dxf6 49.Kf3?! (49.Txh7+ Kg4 50.Td7 war zäher) 49.-h6 50. Tg2 g5 51. Tgc2 g4+ 52. Kg2 Dd4 0-1 Prosit Neujahr! Diese Partie wurde am 31.12.1996 gespielt.
Aus Krennwurzns email: "Ich war damals als Augenzeuge vor Ort nach 47. Dxf6 begann Balinov nachzudenken, Beim stand dann auf und ging schon gutgelaunt spazieren - einige auch starke Spieler gratulierten ihm schon zu dem schönen Zug (inkl. Rang 2od3). Einige fanden es befremdlich und unsportlich, dass Balinov nicht aufgab (damals gab es ja noch keine so starken Handys) und als er dann nach über einen halben Stunde Txf4!! spielte, wurde es den ersten klar, dass der schwarze König aus dem Mattnetz entschlüpfen kann."

Da musste ich an eine eigene Jugendsünde denken - ist schon so lange her dass ich mich weder an den Gegner noch an das Jahr noch an die genaue Stellung erinnern kann, es stand etwa so:

Richter - ?, Mannschaftskampf Eppertshausen - Gross-Zimmern, Verbandsklasse Starkenburg (Hessen) 19xx

Richters Jugendsuende

Natürlich steht Weiss besser (Schwarz hätte lieber einen Minusbauern akzeptieren sollen statt kurz davor den auf h4 zu fressen), aber hier spielte ich das brilliante Df5???!! - mit einem weissen König auf a1 hätte es funktioniert! An dem Sonntagmorgen wären wir alle vielleicht besser im Bett geblieben, bei dem Mannschaftskampf ging alles schief was schief gehen konnte - erst wegen Autoproblemen 45 Minuten Verspätung und dann kippten mehrere Partien - Endergebnis 1-7 gegen einen etwa gleichwertigen Gegner.

Es dauerte gut 25 Jahre bis ich die Chance zu einem korrekten Damenopfer bekam - nicht allzu spektakulär aber das Beste was ich selbst bieten kann:

Richter-Zijm, En Passant Club, 18.2.2013

Richter-Zijm1
28.Tc7 De8
(Houdini will hier 28.-Tb1!? sehen, aber das hatte ich, Elo 1950, nicht gesehen und mein Gegner, Elo 1486, auch nicht) 29.d5 exd5? 30.exd5 und nun hoffte ich dass er 30.-Td7 spielt um mit 31.Txd7 Dxd7 32.Dxe7! zu glänzen. Sofort 31.Dxe7 ist noch spektakulärer, aber das macht man nur wenn man sich VÖLLIG sicher ist oder wenn es keine einfachere Alternative gibt! Stattdesseb kam 30.-Tbd6 31.Dxe7 Dxe7 32.Tc8+ 1-0 (gilt das auch als Damenopfer?).

Wie anfangs angekündigt, jetzt ist der Leser am Zug. Wer hat Beispiele aus eigener Praxis bzw. von Clubkollegen, Freunden oder Bekannten? Gerne unbekannte Beispiele - Vereinsmeisterschaft, Mannschaftskämpfe der Zweiten Bundesliga und darunter, Brett 42 oder 128 in irgendeinem Open, was auch immer. Per Kommentar wird es vielleicht unübersichtlich, lieber per email an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! .

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