Das Gesetz hat seine eigenen Pokale

Ein Pokal! Oder doch ein Samovar? Ein Pokal! Oder doch ein Samovar? Benito Bonito, Wikicommons

Früher ging es bei Schachturnieren ja noch so richtig stilvoll zu: bei der Siegerehrung erhielten die besten Spieler einen schmucken Pokal, und wer keine Trophäe mehr abbekam, der konnte immerhin noch auf eine ehrenvolle Urkunde hoffen.

Heute ist das alles ein wenig schnöder geworden – bei einigen Veranstaltungen gibt es als einzig bleibende Erinnerung nur noch den Umschlag, in dem das Preisgeld übergeben wird.

Doch sei´s drum, wie die Bayern sagen – die Zeiten ändern sich, und überhaupt ist ja auch gar nicht überall Platz für einen Pokal, und was halten die Gäste davon, wenn jemand in der ganzen Wohnung überall seine Pokale und Urkunden präsentiert? Dezent zumindest ist das nicht.

Den größten Pokal meiner Laufbahn hätte ich in den Achtzigern Jahren um ein Haar in Kropp gewonnen: im Stechen beim Schnellturnier ging es um den ersten Preis – doch war das nicht wirklich ein Pokal, sondern ein imposanter Samowar, ein riesiges Teil für Teetrinker, edel und metallen! Doch leider verlor ich das Stechen, und mein Regal blieb weiter leer und staubbedeckt. 

bowie sichert sich den pokal

Auch so manche Haustiere wissen Pokalerfolge zu würdigen

Später, ab und an, konnte ich dann aber doch mal den einen oder anderen Pokal in meinen vier Wänden aufstellen. In Schleswig-Holstein dachte man sich damals zu den Landesmeisterschaften immer wieder neue Kreationen aus, aus Glas oder edlem Hochglanzmetall, um die vorderen Plätze der Turniergruppen zu ehren.

Auch gab es damals, in den 1990er Jahren, handgemalte Urkunden mit landestypischen Motiven – sehr schön und elegant, und so sehr handgemacht, dass in der Zeit zwischen der letzten Runde und der Siegerehrung immer noch flugs in jede der vielen Urkunden mit geschwungenen Schriftzügen die Namen und Punktestände eingetragen wurden. Beeindruckend – ich weiß nicht, ob es so etwas heute noch gibt.

(Ein Beispiel für festlichen Pokal- und Urkundenreichtum ist indes auch heute noch das herbstliche Open in Bad Harzburg - dort lauert eine schöner Kelch auf den Turniersieger, und es gibt allerlei bunte Urkunden für die Besten jeder Wertungsgruppe.)


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 So war das damals mit den Urkunden in Schleswig-Holstein

In Völklingen spielte ich zu Beginn des neuen Jahrtausends einmal ein Turnier, in dem es ebenfalls einen tollen Wanderpokal, ein veritables Wahnsinnsteil, zu gewinnen gab. Aus turniertaktischen Gründen hatten sich fast alle Spieler mit einer DWZ über 2000 zur Sicherheit in der Seniorengruppe angemeldet, so dass ich als einziger Spieler mit dieser Spielstärke im Open verblieb und dort am Ende auch gewann.

Was passierte? Ein riesenhafter Pokal wurde aus dem Keller des Völklinger Rathauses in den ersten Stock gewuchtet, zur Siegerehrung aufgestellt … und dann aus Sicherheitsgründen sogleich wieder in den Keller transportiert. Nach dem Überwinden von zwei Etagen war die jährliche Wanderung des Wanderpokals schon wieder beendet. Zu Recht, zu Unrecht? Aber man weiß ja nie - manchmal werden Wanderpokale tatsächlich im nächsten Jahr nicht mehr zurückgebracht.  

Dem Turniersieger blieb nur eine eher symbolische und deutlich kleinere Trophäe, die ich vom Saarland nach Bremen locker mit nach Hause nehmen konnte – sehr nett auch, aber weniger beeindruckend als dieser Vierzehn-Ender von Wanderpokal. Schade!

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Um ehrlich zu sein - so ein Pokal reizt ja schon ein bisschen. Ist es nicht auch irgendwie schön, mit so einer Trophäe als Zeichen des Sieges nach Hause gehen zu können?

Hinzu kommt, dass mich meine Frau vor einiger Zeit ansprach und feststellte, dass ich ja schon lange keinen neuen Pokal mehr gewonnen hätte. Mein Einwand, dass wir in dieser postmodernen Zeit über Pokale als Symbole des Sieges und vielleicht sogar der Männlichkeit (aber Vorsicht, Sexismus?) eigentlich schon hinweg sind und die Menschheit solcherlei eigentlich gar nicht mehr braucht, ließ sie indes nicht gelten.

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Frank Hoppe, aus Funk und Fernsehen bekannter Webmaster der Deutschen Schachbundes,
   mit einer Sammlung
seiner schönsten und wertvollsten Pokale.  (Foto: Frank Hoppe!)

Was blieb mir also anderes übrig, als mich zum Dähnepokal, dem Wettbewerb des Bremer Landesschachbundes anzumelden, auf der verzweifelten Suche nach einer neuen Auszeichnung? -

Das Bundesland Bremen erstreckt sich als Flächenstaat über mehrere Kilometer von Norden nach Süden und darüber hinaus von Westen nach Osten die Weser entlang.
Kein Wunder also, dass um den Dähnepokal in einem komplexen Austragungsmodus gerungen wird – zunächst in vier regionalen Vorturnieren mit K.-O.-Partien, dem dann ein Halbfinale und ein Finale mit den vier Vorrundensiegern folgt, ganz ähnlich der Fußballweltmeisterschaft 1982 in Spanien.
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Herbst in der Hansestadt Bremen. Es könnte aber auch Sommer sein - der sieht hier ganz ähnlich aus.

Der Landesschachbund Bremen lässt die Teilnehmer unter einem strengen Zeit-Regiment antreten: die ersten Züge müssen ohne Zeitzugabe binnen knapp kalkulierter 60 Minuten zustande gebracht werden, und für den Rest der Partie werden dann noch einmal 30 weitere Minuten gewährt. Doch ist dieser Modus im ganzen Lande akzeptiert, denn er lässt noch Zeit für Entscheidungspartien im Falle eines Unentschiedens, ohne dass man allzu spät ins Bett kommt.

In Herbst des letzten Jahres also warf ich meinen Hut in der Findorfer Vorrunde in den Ring und qualifizierte mich dort trotz einiger sehr widriger Stellungen für das Halbfinale auf Landesebene.

Mit einigem Glück überstand ich auch dort die Partie gegen Peter Issing (Bremer SG), so dass ich nun heute abend zusammen mit dem gefährlichen David Höffer vom SK Delmenhorst im Finale um den Bremer Dähne-Pokal stehe.

David ist, wenngleich jung an Jahren, schon ein alter Fuchs, der mit seinem Verein bereits ein Jahr in der Bundesliga verbracht hat und dabei seine Punkte gegen respektable Gegner erkämpft hat.
Ich dagegen … habe bei der Bundesliga immerhin schon so manches Mal zugeschaut. Aber ob das reicht, um gegen den aufstrebenden Nachwuchs zu bestehen?

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Nur schwerlich kann man erahnen, womit einen der Gegner wieder überraschen wird


Gespielt wird ab circa 18 Uhr im Herzen von Bremen, und Michael Woltmann, 1.Vorsitzender der Bremer SG und in Personalunion zugleich Referent für Öffentlichkeitsarbeit im Landesschachbund, hat sich dafür etwas Besonderes einfallen lassen.

So wird das Finale live in alle Welt übertragen, ganz so wie vor kurzem die Mondlandung der Amerikaner oder die Moskauer WM-Kämpfe zwischen Anand und Gelfand im vergangenen Jahr. Wer also mal reinschauen möchte … hier ist der Link, ermöglicht durch eine Kooperation mit Andreas Burblies und dem SV Werder Bremen.


Darüber hinaus ist alleine der Austragungsort schon ein Erlebnis. Auf verschlungenen Wegen konnte Michael Kontakt aufnehmen mit der Familie von Carl Carls, seines Zeichens Bankdirektor und deutscher Schachmeister 1934, der hier in Bremen lebte und wirkte und dabei über Jahrzehnte Mitglied der Bremer Schachgesellschaft war.

Den Schachmeister Carl Carls kennt hier in der Hansestadt natürlich (fast) jedes Kind, nicht zuletzt auch wegen seiner Liebe zum Eröffnungszug 1.c2-c4!, dem sich gerne die sogenannte Bremer Partie anschließt.

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       Altmeister Carl Carls, und sein Tisch mitsamt seiner Schachuhr

Das Arbeitszimmer von Bankdirektor Carls ist heute noch immer so erhalten wie vor 60 Jahren, beinahe unverändert steht es da mit allen Möbeln und Utensilien. Und in ebendiesem Raume findet heute abend das Finale statt – eine inspirierte Idee, und ein würdevolles Ambiente.

Internet-Übertragung und ein mehr als stilvoller Turniersaal – eine tolle Initiative von Michael Woltmann und seiner Bremer SG, der Lob und Anerkennung gebührt. Das findet man nicht alle Tage, und darum (und nicht so sehr, weil ich selber teilnehme!) möchte ich darüber hier im Blog berichten.

Die Frage stellt sich natürlich, ob man als Spieler in so einem stimmungsvollen Umfeld mit 1.g2-g4 eröffnen darf, ohne des Raumes verwiesen zu werden, oder gar mit dem iljaschneiderhaften 1.e2-e4, Sb8-c6!?, was mein Gegner David ja durchaus gerne mal spielt. Was hätte Schachmeister Carls dazu gesagt?

Aber nun gut, geht´s raus und spielt´s Schach, wie man in Bremen sagt, und David und ich werden unter den Augen der (Schach-) Weltöffentlichkeit unser Bestes geben. Ich werde versuchen, ihn mit Slawisch-Abtausch zu überrumpeln, oder falls ich Schwarz habe, vielleicht mit dem berühmten Englund-Gambit?

Und dann mal sehen – der Pokal hat seine eigenen Gesetze!

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 Die Jugend lauert schon am Brett. Rechtzeitiges Aufwachen 
                               ist ein wichtiges Kriterium für den Pokalerfolg!   Foto: Bremer SG

Olaf Steffens

Olaf Steffens, Diplom-Handelslehrer, unterrichtet an einer Bremer Berufsschule. FIDE-Meister seit 1997, ELO um die 2200, aufgewachsen in Schleswig-Holstein. Spielte für den Schleswiger Schachverein von 1919 (moinmoin!), den MTV Leck (hoch an der dänischen Grenze!), den Lübecker Schachverein, die Bremer Schachgesellschaft und nun für Werder Bremen.

Seit 2012 Manager des Schachbundesliga-Teams des SV Werder Bremen.

Größte Erfolge:
Landesmeister von Schleswig-Holstein 1994, Erster Deutscher Amateur-Meister 2002, 5.Platz beim letztenTravemünder Open 2013, und Sieger des Bremer Hans-Wild-Turniers 2018.

Größte Misserfolge:
Werd´ ich hier lieber nicht sagen!

Größte Leidenschaften:
früh in der Partie irgendetwas mit Randbauern und/ oder g-Bauern auszuprobieren und die Partie trotzdem nicht zu verlieren – klappt aber nicht immer.

Kommentare   

#1 Umumba 2013-01-31 16:38
Na, ob man mit 28 noch zum aufstrebenden Nachwuchs zu zählen ist? :-|
#2 Holger Hebbinghaus 2013-01-31 18:55
@Umumba: Relativ gesehen kannst du dich zum aufstrebenden Nachwuchs zählen.
@Olaf: Bei dem Austragungsort hättest du eigentlich zu 1.c4 greifen müssen (aber wenigstens hast du deinen Fehler 5 Züge später erkannt). :lol:
#3 Woltmann 2013-02-01 10:10
Hey Olaf! Herzlichen Glückwunsch und Danke für diese von Euch beiden unterhaltsam geführte Partie.
Bilder und so findet man hier: http://bremersg.de/aktuelles/
#4 Northsea 2013-02-01 13:27
Hi Olaf! Super! Herzlichen Glückwunsch!
Du standst in der Turnierpartie ja schon sowas
von auf Gewinn,aber irgendwie hast du es
verzockt. 26. d5! war eine schöne Möglichkeit den
schwarzfeldrigen Läufer zu aktivieren
oder auch 29. Dd1 statt Tf1 und am Schlimmsten:
31. Ka3 schmeisst einen halben Punkt zum Fester raus,
denn Kb1 gewinnt ja locker, da Lb5: nicht möglich ist
wegen Tg1+ und Lf6:
Warst wohl arg in Zeitnot denk ich mal.
Lustige Eröffnung mit b4 und a3, so wie man es von dir
gewohnt ist :-)
(nicht umbedingt b4/a3, aber das die Eröffnung
"lustig", "konventionsbrechend", "schräg" ist)
Bye,
Northsea
#5 Gerhard 2013-02-01 14:22
Vergnüglich zu lesen.
Auf einem der Fotos siehst Du ja richtig "gefährlich" aus, Olaf. :-)
Naja, wer zu b4 und g4 greift, der ist ja auch gefährlich. Da wird so mancher, der eine "normale" Partie spielen will, schnell aus dem Gleis geworfen...
Und wo bleiben die Breakpartien..Keiner mitgeschrieben???
#6 Max Bouaraba 2013-02-01 22:06
@Northsea: geht nach 31.Kb1 nicht auch einfach Txb5?! Was ein Grauen :lol:
#7 Northsea 2013-02-01 23:35
@Max nach 31.Kb1 Tb5: folgt 32.axb5 Dd4: 33. Td1
nebst Td7: und Weiß hat wieder eine Mehrfigur.
#8 Max Bouaraba 2013-02-02 00:24
also nach Td1-Df2 nebst Dxh2 ist der Fisch bei dem König aber noch lange nicht gegrillt. Eine gar noch bessere, der Partie angemessenere, weil wahnwitzigere Variante spuckt mein PC aus: Nach Kb1 geht sogar sofort Dxd4-Sxd4 und jetzt nicht etwa Txb3 sondern sogar noch in aller Seelenruhe Lxa4 mit Verwicklungen, aber auf Gewinn spielt da nur noch schwarz :) Krasse Partie anyway...
#9 Northsea 2013-02-02 09:44
hey max, nach 33....Df2 34.Td7: ist f7 3x angegriffen
und nur zweimal verteidigt. Demnach würde ich nach
deinem Dh2: locker mit Lf7:+ aus der Hüfte schießen. 8)

Und was 31.Kb1 Dd4: 32. Sd4: La4: angeht:
Houdini 3 gibt als Hauptvariante an:
33. Db2 Tb2:+ 34. Kb2: Kg7 35. Tf4 Te8 36. Sf5+ Kg6
37. Sd6 +- (1.79). :-)

Aber vielleicht ist dein Schachprogramm ja besser
als Houdini 3 (Elo 3335) :lol:
+1 #10 Olaf Steffens 2013-02-02 11:05
Moin Northsea, hi Max,

Ihr zeigt echte Schach-Leidenschaft, das ist beeindruckend! Kb1 sieht irgendwie gut aus, aber ich hab´s in der Partie am Ende nicht mehr geblickt, weil auch die Zeit schon fast weggetickt war.
David war super, wie er da noch rumgefummelt hat die ganze Zeit, und es wurde ja auch belohnt. Ich hatte Glück, dass mich Tg1 und Dg3 noch so eben rettete .. aber weit berechnet war das alles nicht mehr.

@Michael Woltmann: Danke für den Link zur BSG, da sind die Partie und Bilder ja echt prima zu sehen!
#11 Max Bouaraba 2013-02-03 23:56
:) +-1,79 hört sich aus Computersicht bestimmt gut an, ich sehe bloß nicht wie man das gewinnen soll. Ich habe irgend eine alte Fritzversion, nix dolles. Bei mir spuckt die in der zweiten Variante nach Kxb2 nicht Kg7 aus sondern Ld7, Txf6 und jetzt Kg7. Die Gewinnversuche danach sehen ziemlich kläglich aus :) trotz dann immer noch +-1,00

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