Diese Seite drucken

Deutsche Meisterschaft: Die Karawane zieht weiter

Corona-Krise 2020, keine neuen (Schach-) Veranstaltungen mehr, alles abgesagt!

Wenn man schon nichts Neues mehr spielen darf, was liegt da näher, als einfach ein altes Turnier noch einmal auszutragen? Gedacht, gemacht - und die Landesverbände des DSB (leider ohne DSJ) einigten sich nun im Rahmen einer Telefonkonferenz auf die Deutsche Meisterschaft 2014 im schönen Verden an der Aller. Dieses historische Turnier wird nun ohne Rücksicht auf Kosten, Mühen und den spektakulär hohen Kaffeekonsum erneut gespielt - bis es wieder weitergehen kann mit der auf Eis gelegten Saison 2019/2020 und den aktuellen Meisterschaften in Land und Bund.

Darum: Verden 2014? - Wir sind (noch einmal) mit dabei!

***************************************************

DEM 2014: Die Karawane zieht weiter

27.11.2014 02:20
Schon zwei Drittel des Turniers sind vorüber

Dennis Wagner zieht mit an die Spitze

Fridman, immer wieder Fridman – der Mülheimer Großmeister nahm heute eine Art Ruhetag und sicherte sich mit einer entspannten Zugwiederholung gegen Igor Khenkin ein schnelles Remis.

GM Siebrecht gegen das Computerprogramm Deep Schachbund

Da horchten die Verfolger links und rechts natürlich auf, und am meisten spitzte wohl Dennis Wagner die Ohren – gegen die ambitionierte Spielanlage von Sebastian Siebrecht entwickelte er alsbald einigen grünfeld-indischen Schwung und ließ seine Belegschaft mutig gegen die weiße Königsstellung anrennen. Am Ende stand Siebrechts König entblößt da, und weder Tricks noch Schwindeleien erschienen mehr aussichtsreich – eine flotte Partie von Dennis Wagner!

Vorsicht ist geboten - Rasmus Svane lauert im Verfolgerfeld!

Nun ist es nur noch ein Hauch von Feinwertung, der die beiden Meister trennt, und auf der Zielgeraden ist die Meisterschaft damit wieder völlig offen. Mit 4,5 Punkten direkt dahinter haben sich Igor Khenkin und ebenfalls Vitaly Kunin positioniert, der sich mit einem Sieg gegen Klaus Bischoff, den Grandseigneur des deutschen Turnierschachs, wieder nach oben arbeitete. Für morgen hat die Turnierleitung daher ganz passgenau die Paarungen Kunin – Fridman und Wagner – Khenkin erdacht, und der Wettlauf um viel Preisgeld und noch mehr Ehre (oder ist es umgekehrt?) geht damit in die nächste Runde.

TV people are in the house  (Foto: Michael Woltmann, danke!)

Auch heute war das Fernsehen wieder mit vor Ort. Diesmal kam SAT 1 regional zu Besuch und unterhielt sich ein bisschen mit, Moment, mit wem war es noch? Natürlich, Matthias Blübaum!, und auch einige Impressionen zu ihm, seinem Trainer Matthias Krallmann und dem weiteren sportlichen Umfeld wurden eingefangen.

Die Fernsehteams sind immer lange vor Ort, und oft entstehen dann sehr schöne, aber für den langen Besuch doch nur recht kurze Beiträge. Es ist fast ähnlich wie beim Schach(sport) – auch da wird sehr viel und sehr lange nachgedacht, und dann kommt (bei mir zumindest) ein einziger kleiner Zug dabei heraus, und der ist mitunter auch noch schlecht!

Da macht es das Fernsehen schon besser, und es ist eine ungewohnte Aufwertung, hier so viele Journalisten aus Funk und Fernsehen begrüßen zu können.

Nur eine im Raum Bremen gut bekannte Tageszeitung hat es irgendwie noch nicht so richtig bis nach Verden geschafft. Rundenberichte hätten sie von den Organisatoren frei Haus erhalten, doch Platz im großen Sportteil ist dann doch eher nur für die Fußball-Bezirksklasse Nord. Einen würdigen Abschlussbericht zur (hey!) Deutschen Schach-Meisterschaft wird es aber auch dort geben.

Ein ansprechendes Porträt von Matthias Blübaum und ein wenig auch Dennis Wagner, in dem die Redakteure von Radio Bremen das etwas strapazierte Wort Schachprinzen geschickt umgehen, wurde heute abend im RB TV ausgestrahlt. Ein Blick lohnt – außer man ist irgendwo mit einer mauen Inter … net .. verbin .. dung. Dann dauert das Laden und Ansehen vielleicht ein klein wenig länger.

Einige mutige Teilnehmer spielten heute eine Motto-Runde zum Thema „Was ist denn das für eine Eröffnung?“. Vielfach wurden sensationelle Züge aufs Brett gezaubert, die man so noch nicht gesehen hatte, inspiriert ersonnen von Spielern oder Schachprogrammen, und wären wir nicht auf einer Deutschen Meisterschaft, man hätte argwöhnen können, ob man solche Züge denn überhaupt wagen dürfe. (Immerhin war ja auch das Fernsehen im Raum!)

Da ich selber von Eröffnungen noch viel weniger verstehe als von Endspielen, hier nur ein kurzer unkommentierter Strauß der spektakulärsten Motive. Aus Rechtsgründen weisen wir allerdings darauf hin: eventuelle eigene Versuche unserer Leser mit derlei Abspielen erfolgen auf eigene Gefahr! Eine Schadenersatzklage gegen den Deutschen Schachbund über beispielsweise 68.000,- € ist nicht aussichtsreich!

Maskottchen und Verpflegung bei Olaf Steffens, hinten sein Gegner Oliver Müller
Meister Müller, rechts im Bild     (Foto: Michael Woltmann)

Ein weiteres Mal war das Getränkeangebot im Saal wieder sehr erbaulich. Kaffee, Tee, Wasser, Apfelsaft, genug für viele Stunden Schach, da freut man sich.

Gerne hätte ich in all diesen Dingen noch deutlich länger geschwelgt, doch mein alter Lokalrivale Oliver Müller von Werder Bremen putzte mich schon nach knapp vier Stunden vom Brett, so dass wir in die urige Kegelbahn zur Analyse umsiedeln mussten. Glück auf! Nein, Gut Holz!, aber ist eigentlich auch egal, denn zu diesem Zeitpunkt war der Punkt ja schon vergeben und sicher in Olivers Händen. Immerhin, der Punkt blieb in der Hansestadt Bremen, doch hatte ich ein wenig und ganz im Stillen gehofft, meine sehr unheilvolle Serie mit FM Müller diesmal nicht fortsetzen zu müssen.

Schachspieler geben auch anderen Sportarten eine Chance: schön war es im Schwimmbad!

Um für die schwere Partie auch körperlich fit zu sein, bin ich heute morgen sogar noch mit dem Auto zum Schwimmbad gefahren -und auch geschwommen.

Man kennt das ja, Sport treiben, elastisch bleiben, durchtrainiert wie Vladimir Kramnik, alles sehr gut, so machen es die Profis. Doch auch mein erhoffter Trumpf durch diesen Extra-Einsatz am Morgen brachte mir keinerlei Gewinn. Denn gewieft wie er ist, ist Oliver einfach mitgekommen zum Schwimmen und neutralisierte dadurch ganz locker meinen erhofften Fitness-Vorsprung. Schade auch.

Nicht nur beim Schach wird ein Verlust streng bestraft

Ein einziges Mal habe ich in meinem Leben Remis gespielt gegen den großartigen Vize-Weltmeister der Blinden und Sehbehinderten, vor zehn Jahren schon oder zwölf, und danach? Eine große Rochade, wie es scheint, eine Null in Magdeburg, eine Null in Bremen, und tja, auch heute wieder, obwohl ich schon so wohl fühlte. Doch bei so etwas täuscht man sich gerne, vor allem gegen SF Müller.

Glückwunsch an Oli –Du warst einfach besser!

Und nun? Für heute endet unsere kleine Tageschronik, und wir vertagen uns auf morgen. Gute Nacht in nah und fern!

dem2014.schachbund.de

Olaf Steffens

Olaf Steffens

Olaf Steffens ist FIDE-Meister, wohnt in Bremen und spielt dort für den SV Werder II in der Oberliga Nord-West. Obwohl das Schachspiel eigentlich viel zu schwierig für ihn ist, versucht er es immer wieder und schreibt darüber zusammen mit anderen auf www.schach-welt.de.

Während der Deutschen Einzel-Meisterschaft 2014 schreibt er für den Deutschen Schachbund.

Olaf Steffens

Olaf Steffens, Diplom-Handelslehrer, unterrichtet an einer Bremer Berufsschule. FIDE-Meister seit 1997, ELO um die 2200, aufgewachsen in Schleswig-Holstein. Spielte für den Schleswiger Schachverein von 1919 (moinmoin!), den MTV Leck (hoch an der dänischen Grenze!), den Lübecker Schachverein, die Bremer Schachgesellschaft und nun für Werder Bremen.

Seit 2012 Manager des Schachbundesliga-Teams des SV Werder Bremen.

Größte Erfolge:
Landesmeister von Schleswig-Holstein 1994, Erster Deutscher Amateur-Meister 2002, 5.Platz beim letztenTravemünder Open 2013, und Sieger des Bremer Hans-Wild-Turniers 2018.

Größte Misserfolge:
Werd´ ich hier lieber nicht sagen!

Größte Leidenschaften:
früh in der Partie irgendetwas mit Randbauern und/ oder g-Bauern auszuprobieren und die Partie trotzdem nicht zu verlieren – klappt aber nicht immer.

Die Teilnahme an unserer Kommentarfunktion ist nur registrierten Mitgliedern möglich.
Login und Registrierung finden Sie in der rechten Spalte.