DEM 2014: Die Nacht der Endspielversteher

Corona-Krise 2020, keine neuen (Schach-) Veranstaltungen mehr, alles abgesagt!

Wenn man schon nichts Neues mehr spielen darf, was liegt da näher, als einfach ein altes Turnier noch einmal auszutragen? Gedacht, gemacht - und die Landesverbände des DSB (leider ohne DSJ) einigten sich nun im Rahmen einer Telefonkonferenz auf die Deutsche Meisterschaft 2014 im schönen Verden an der Aller. Dieses historische Turnier wird nun ohne Rücksicht auf Kosten, Mühen und den spektakulär hohen Kaffeekonsum erneut gespielt - bis es wieder weitergehen kann mit der auf Eis gelegten Saison 2019/2020 und den aktuellen Meisterschaften in Land und Bund.

Darum: Verden 2014? - Wir sind (noch einmal) mit dabei!

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DEM 2014: Die Nacht der Endspielversteher

26.11.2014 13:19
Rolf Hundack bahnt ein Endspiel ein

Meisterschaft geht in die zweite Hälfte

Viele schöne Züge wurden heute wieder gemacht bei den Deutschen Meisterschaften in Verden. Starke obendrein, so erwartet man das ja auch auf so einem Turnier, und in beachtlicher Anzahl. Nach der ersten Zeitkontrolle um 19 Uhr arbeitete man auf vielen Brettern noch weiter, eingehend behakten sich die Spieler und gingen in die gefürchtete fünfte Stunde. Und auch danach waren immer noch viele am Werk und prüften gegenseitig ihre Endspielkenntnisse:

Langwierige Vorteilsverwertung: Igor Khenkin - Gerlef Meins

- Läufer und Mehrbauer gegen Läufer der gleichen Farbe (Igor Khenkin – Gerlef Meins 1 : 0)

- Nochmal Läufer und Mehrbauer gegen Läufer der gleichen Farbe, Oliver Müller – Matthias Krallmann 1:0)

- Gemeines Läuferpaar gegen Springerpaar und Mehrbauer (Vince Keymer – Reinhold Müller, 1 : 0)

Ullrich Krause ahnt nichts Gutes

- Zwei Türme, Dame und Freibauer gegen zwei Türme, Dame und zwei Bauern mehr
(Ullrich Krause – Martin Breutigam, 0 : 1)

Internationaler Martin (IM)

- Turm und wenige Bauern gegen Turm und etwas mehr Bauern (Sebastian Zehnter – Tobias Jugelt, 0 : 1)

Großmeister unter sich: Matthias Blübaum und Rainer Buhmann

- Nicht so guter Läufer gegen agilen Springer (Matthias Blübaum – Rainer Buhmann, 0,5 : 0,5)

- Turm und einige Bauern gegen Turm, Springer und nicht so viele Bauern (Spartak Grigorian – Hauke Reddmann 0,5 : 0,5)

Rüdiger Kürsten und David Höffer

- Zwei Leichtfiguren gegen zwei andere Leichtfiguren und etwas schwächere Felder (Rolf Hundack – Joachim Asendorf 1 : 0)

- Turm und Läufer gegen (fies) Turm und Läufer der anderen Farbe (Rüdiger Kürsten - David Höffer, 1 : 0)

Viele interessante Konstellationen also – da kommt viel Arbeit auf Karsten Müller und Frank Lamprecht zu, die Hamburger Endspielexperten, wenn das wieder alles aufgearbeitet werden soll für eine Neuauflage ihres hinreißenden Standardwerkes „Grundlagen der Schachendspiele“.

Vielleicht gab es ja sogar eine theoretische Feinheit in einer der Partien? Oder eine späte Neuerung? Mit Grüßen nach Hamburg sei hier vor allem Keymer – Müller für eine nähere Betrachtung empfohlen.

Lev Gutman 1982 (Foto: Gerhard Hund, danke!)

Schwierig, schwierig also alles, und ich kann von Glück sagen, dass mich Altmeister Lev Gutman schon bald nach dem 20.Zug in die Niederlage entlassen hat, als das Brett noch ziemlich voll war.

Kein Endspiel darum bei mir, nur ein gutgemeintes Bauernopfer, das das Ende des Spiels bedeutete, und umso mehr Zeit hatten wir darum für eine ausgiebige Analyse nach der Partie - das soll ja ganz gut sein, um irgendwann mal besser zu werden beim Schach.

Und es ist eine Freude, sich mit Lev Gutman noch einmal durch die Partie zu bewegen. Lev ist ein leidenschaftlicher Kämpfer, und war als Sekundant an der Seite Korchnois mit dabei, als Schachgeschichte geschrieben wurde. Sehr, sehr beeindruckend.

Willi Skibbe unterwegs in Sachen Bank (oder so)

Die letzten Partien des Tages endeten nach guten sechs Stunden, so dass die Interessierte noch rechtzeitig a) zum Abendbrot eilen, b) die späten Tore von Manchester City sehen und c) ich noch eine Blitzpartie spielen konnte, und das auch noch mit Spartak Grigorian und Willi Skibbe, die beide recht eigenartige Eröffnungen wählten (1.d2-d4, d7-d6?, und 1.g2-g3!?).

So ein bisschen Blitzen, das ist wie Bolzen auf dem Fußballplatz – es geht um nichts, man kann die Figuren mal irgendwo reinhauen, und falls das gar nicht geht, ist es auch nicht weiter schlimm. Das alles macht den Kopf frei, für die mentale Stärkung während einer Meisterschaft. Wichtig ist das, denn wie wir heute erfuhren, ist für morgen um 15 Uhr ja schon wieder die nächste Runde angesetzt- da kennen die Turnierleiter ja nichts!

Schon seit über zwölf Monaten Deutscher Meister: Klaus Bischoff

Die Meisterschaft selber stand heute so ein bisschen auf der Stelle – überall wurde manövriert an den vorderen Brettern, man fuhrwerkte herum, und am Ende kam dann meistens doch nur ein Remis dabei heraus.

Nun ist so ein Unentschieden ja oft das logische Ergebnis, auch im Sinne der Brüderlichkeit, doch es hilft meist nicht, wenn man den Sprung an die Tabellenspitze plant. (Nur Niederlagen sind in dieser Hinsicht noch weniger hilfreich.) Der amtierende Deutsche Meister Klaus Bischoff hat dagegen zu einem Zwischenspurt angesetzt und holte gegen Thilo Kabisch den zweiten Punkt in Folge.

Ein Präsident, ein Graf, und weiter hinten ein Stern

Wir stellen daher nur spröde fest, dass Daniels Fridman (die heutige Doping-Probe ergab unter anderem, dass er offiziell wirklich so heißt – mit einem „s“ am Ende des Vornamens. Hübsch, eigentlich!), dass Daniels Fridman also weiterhin dem Feld voranschreitet und seinen halben Punkt Vorsprung durch ein Unentschieden mit Dennis Wagner behaupten konnte. Direkt hinter ihm folgen Sebastian Siebrecht (remis), Rasmus Svane (remis), Rainer Buhmann (rrremis!) und Matthias Blübaum (kein Sieg, keine Niederlage).

Im Reich der Führenden gewann allein Igor Khenkin ein langes zähes Endspiel, und das ist ja oft eine Kunst, die ein Großmeister mindestens so gut beherrschen muss wie den rauschend geführten Mattangriff, der es in die Schachspalten schafft. Das Tagesgeschäft aber – meist solide, kleinschrittige Fortschrittspartien, und am Ende dann irgendwie ein knapper Punkt. So wachsen Turniererfolge heran.

Khenkin hat sich dadurch für einen Besuch bei Daniels Fridman empfohlen und kommt zur morgigen Runde am Spitzenbrett vorbei. Ob er auch gleich dableiben wird? Beide waren bereits ein- oder mehrere Male Deutsche Meister – freuen wir uns auf eine anregende Partie!

Und sonst so?

Marcel Harff beim Interview mit dem NDR

Das Fernsehen war heute zu Besuch, das Bremer Regionalmagazin Buten und Binnen (Drinnen und Draußen) blieb für einige Stunden und drehte mit den drei jungen Schachkünstlern Matthias Blübaum, Rasmus Svane und Prinz Dennis, die für den Beitrag etwas Fußball spielen mussten (Sport!) und am Gartenschach Züge absolvierten (auch Sport!).

Die Kameras rollten später auch in den Turniersaal, unter allergrößter Ruhe natürlich, und weil gleichzeitig auch der NDR zu Besuch war, sah man überall Mikrophone und Reporter und Radio-Equipment. Was muss das für ein toller Sport sein, der so ein Medieninteresse hervorruft!

Doch wirklich, irgendwie liegt Schach in der Luft im Augenblick, die Öffentlichkeit ist hellhörig geworden durch den WM-Kampf von Magnus Carlsen und Vishy Anand, und die schöne Tabellenführung von Werder Bremen in der Schach-Bundesliga. Liegt es da nicht nahe, dass nun die Journalisten kommen? Ich möchte mir das jedenfalls ein wenig einbilden.

Der Bremer Fernsehbericht wird am Mittwoch abend um 19:30 Uhr im Radio Bremen TV ausgestrahlt (3.Programm), und sobald wir einen Link für die internationale Leserschaft haben, werden wir ihn hier selbstverständlich darbieten.Hier ist bereits eine kleine Vorschau, allerdings auf einen Beitrag im Sportblitz um 18:06 Uhr. (Sport! Wir sind Sport!)

Bis dahin aber – Radio hören, Zeitung lesen, und am Nachmittag wieder dabei sein bei der DEM. Op nach Veern!

Nachtrag Frank Hoppe: Thorsten Iffland vom NDR hat einige Stimmen eingefangen und uns den nachfolgenden Link geschickt. Auch unser Autor kommt zu Wort. Unbedingt anhören!
NDR.de

dem2014.schachbund.de

Olaf Steffens

Olaf Steffens

Olaf Steffens ist FIDE-Meister, wohnt in Bremen und spielt dort für den SV Werder II in der Oberliga Nord-West. Obwohl das Schachspiel eigentlich viel zu schwierig für ihn ist, versucht er es immer wieder und schreibt darüber zusammen mit anderen auf www.schach-welt.de.

Während der Deutschen Einzel-Meisterschaft 2014 schreibt er für den Deutschen Schachbund.

Olaf Steffens

Olaf Steffens, Diplom-Handelslehrer, unterrichtet an einer Bremer Berufsschule. FIDE-Meister seit 1997, ELO um die 2200, aufgewachsen in Schleswig-Holstein. Spielte für den Schleswiger Schachverein von 1919 (moinmoin!), den MTV Leck (hoch an der dänischen Grenze!), den Lübecker Schachverein, die Bremer Schachgesellschaft und nun für Werder Bremen.

Seit 2012 Manager des Schachbundesliga-Teams des SV Werder Bremen.

Größte Erfolge:
Landesmeister von Schleswig-Holstein 1994, Erster Deutscher Amateur-Meister 2002, 5.Platz beim letztenTravemünder Open 2013, und Sieger des Bremer Hans-Wild-Turniers 2018.

Größte Misserfolge:
Werd´ ich hier lieber nicht sagen!

Größte Leidenschaften:
früh in der Partie irgendetwas mit Randbauern und/ oder g-Bauern auszuprobieren und die Partie trotzdem nicht zu verlieren – klappt aber nicht immer.

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