DEM 2014: Fridman weiterhin unschlagbar

Stern - Fridman: Keine Geschenke Stern - Fridman: Keine Geschenke OSt

Spannendes Rennen um die weiteren Plätze

Vor kurzem reiste GM René Stern aus der Hauptstadt nach Verden, um als Meister seines Landesverbandes die Berliner Farben in der Norddeutschen Tiefebene hochzuhalten. Nach einem durchwachsenen Start in den Wettbewerb und einigen harten Runden im tristen Niemandsland des Feldes reiste René Stern ein weiteres Mal - aus den mittleren Höhen der Tabelle langsam immer höher im Klassement, Tisch um Tisch, und heute fand er sich tatsächlich am Spitzenbrett wieder.

Dort wartete auch diesmal wieder der schon seit gestern als neuer Deutscher Meister feststehende Daniel Fridman, denn Brett Eins war hier in Verden sein Wohnzimmer - und Hobbykeller, Terrasse und Kochecke war es mittlerweile wahrscheinlich auch schon, denn hier saß er neun Runden lang, das ist Kontinuität. Morgen wird der Abschied schwerfallen! Vielleicht darf Fridman das Spitzenbrett ja aber auch mit nach Hause nehmen. Die Gespräche mit dem Niedersächsischen Landesverband laufen.

René Stern aber, auch er schien sich sichtbar wohl zu fühlen am Top Board. Und wie der Berliner vom SK König Tegel nun einmal so ist, zeigte er dem Deutschen Meister gegenüber weder Ehrfurcht noch Demut, sondern lieferte ihm einen schneidigen Kampf und ließ ihn noch einmal arbeiten, ehe nach 57 Zügen ein Remis vereinbart wurde. Gut gekämpft, Löwen!

Goldene Turnierregeln

Vize!

Das Titelrennen war ja schon nach der achten Turnierrunde entschieden, und selbst die allergrößten Dennis-Wagner-Follower mussten eingestehen, dass ein Punkt Rückstand und Fridmans bessere Feinwertung nicht mehr einzuholen waren - jedenfalls nicht innerhalb einer weiteren, letzten Partie.

Dennis Wagner und der Rest der Teilnehmer konnte daher nur noch Trost suchen in einer passablen Platzierung auf den Rängen. Und das ist ja auch schon etwas - von Platz zwei bis runter zu Position acht winkten immerhin noch sehr beachtliche Geldpreise.

Die goldene Turnierregel "Letzte Runde siegen, dann kannst Du auch was kriegen" wurde in vorbildlicher Manier von (Schach-)Prinz Dennis umgesetzt - man sieht, die stete Förderung durch den DSB trägt gute Früchte, in enger Kombination natürlich mit dem exzellenten schachlichen Blick des Hockenheimers. Es waren indes lange siebzig Züge und einige konkrete Berechnungen im Springerendspiel zu überstehen, ehe er Felix Graf den vollen Punkt abgeluchst hatte. Deutscher Vizemeister 2014: Dennis Wagner. Chapeau!

Wagner, Fridman, Kunin - die drei stärksten deutschen Spieler! (Foto: Andreas Burblies)

Die goldene Regeln las natürlich auch Vitaly Kunin vor der Runde noch einmal nach, und so hatte Hagen Poetsch mit den schwarzen Steinen einen sehr sehr schweren Stand. Mehr und mehr sah er sich von Kunins manövrierenden Figuren eingeengt, die bald hierhin und bald dorthin drohten.

Kunin spielte mit viel Umsicht eine bestens vorgetragene Partie zu Ende und sicherte sich damit den starken dritten Platz. Ebenfalls Gratulation dazu!

Einer jünger als der andere - Dmitrij Kollars und Rasmus Svane

Die weiteren Preisränge belegten Matthias Blübaum und Igor Khenkin (beide 6 Punkte) vor Rainer Buhmann und René Stern (ebenfalls 6 Punkte!). Und der achte Rang? Hätte man wetten müssen vor dem Turnier auf einen Spieler seiner Wahl, der es auf den achten Platz schaffen würde, wären sicherlich viele Namen genannt worden. Unsicher ist, ob auch jemand auf Dmitrij Kollars getippt hätte, den jungen Delmenhorster Spieler (und Ex-Werderaner!), doch in der Tat - Rang acht ging an ihn!

Zwar versuchte Rasmus Svane noch viele Stunden lang, ihn mit nicht ganz uneigennützigen Gewinnversuchen von dieser Position zu verdrängen, jedoch es war vergebens, und äußerlich cool und innerlich unbeeindruckt brachte Dmitrij den halben Punkt in Sicherheit und tja, ein schönes Preisgeld nimmt er ebenfalls mit nach Hause. Goldene Turnierregeln vermitteln eben immer nur eine grobe Annäherung an die Wahrheit. Manchmal reicht am Ende auch ein Remis.

Am Ende des 44-köpfigen Feldes fand sich am Ende der Ravensburger Vadim Reimche wieder. NIemand liebt den letzten Platz, doch einen trifft es immer, der quasi stellvertretend für alle anderen den etwas unangenehmen letzten Platz belegen muss. Auch ich war davon nicht sehr weit entfernt und kann nur von Glück sagen, dass Vadim mich in der Nachtschicht-Runden am Sonntag noch aus einer schon verlorenen Stellung mit einem vollen Punkt davonkommen ließ.

Und so war es in einigen von Vadims Partien, die er bis zur letzten Runde immer wieder mit viel Sportsgeist und unbeirrtem Turniermut anging - hier ein Bauernopfer, dort ein strenger Angriffszug, doch so ist es eben manchmal - es läuft dann einfach nicht. Ein Remis wäre mindestens verdient gewesen, sicher auch in mehreren Partien, und (siehe oben) ganz bestimmt gegen mich.

So blieb für Vadim letztlich kein Punkt und ein mit viel Herz erspielter massiver letzter Tabellenplatz. Er hatte unter allen Teilnehmern die vermutlich härteste Turnierwoche - die Neun Tage von Verden. Mit diesem geduldig ausgehaltenen Ergebnis nimmt er immerhin den anderen Schachspielern in Deutschland ein klein wenig die Sorge, selber auch mal dort ganz unten im Keller der Tabelle zu landen. Vadim hat´s erlebt, und er hat es auch durchgehalten!  Und wer weiß, wozu es gut ist - der Ravensburger zeigte hier in Verden sehr sehr gutes sportsmanship - und es kommen sicher bald wieder bessere Tage und neue Erfolge für ihn.

ELO, wem ELO gebührt

Haben ihre Normen schon gesammelt: GM Buhmann und IM Jugelt

Die ELO- Zahlen lügen nicht, jedenfalls nicht auf mittlere Sicht. Zwar ist es oft traurig, gleichwohl muss man wohl schon glauben, was die ELO-Liste über die eigene Spielstärke verrät. Auch wenn sich jemand eine Norm erspielt, kommt das nicht ungefähr und verdient Respekt, und so war es Bundesturnierleiter Ralph Alt eine Ehre, anlässlich der Siegerehrung auch die Erfüllung einer, zweier ... nein, von drei Normen im Verdener Turnier zu verkünden.

Da waren einmal die beiden jungen Männer, die einmal mehr eine erfolgreiche Prinzen-Prüfung abgelegt hatten, Dennis Wagner und Matthias Blübaum - beide absolvierten mit ihren ausgezeichneten Tabellenrängen die Anforderungen für eine GM-Norm. Wenn das mal nichts ist!

(Nun hatte Matthias bereits vor kurzem in Bad Wiessee die für den großen Titel erforderliche dritte Norm erreicht, doch man weiß ja nie, und sicher ist sicher. Falls die Verdener Norm für ihn aber nicht mehr nutzbringend sein sollte - es gibt sicher einige, die sich sehr darüber freuen würden. So eine Norm ist doch sicher ein handelbares Gut. Wäre doch viel besser, als wenn sie einfach so verfällt.)

Auch der schon erwähnte Dmitrij Kollars focht mit seinen zahlreichen Gegnern intensive Duelle aus, und in bemerkenswert abgeklärter Manier holte er dabei 5,5 hochkarätige Punkte. Für den Turnierleiter war dies (neben anderen Kriterien) Anlass genug, eine IM-Norm auszurufen und das Turnier für Dmitrij noch mehr als ohnehin schon zu einem großen Erfolg zu machen.

Nun kann man den Austragungsmodus der Deutschen Meisterschaften durchaus kritisch sehen (so erst heute aus berufenem Munde hier), indes kann er so miserabel ja vielleicht doch nicht sein, solange noch Titelträger in ausreichender Anzahl anwesend sind und Normen wie in dieser Woche eingefahren werden.

Viele der deutschen Spitzenspieler bleiben dem Turnier regelmäßig fern, aber vielleicht liegt es auch gar nicht so sehr am Turniermodus? Falls es gelänge, das Preisgeld in höhere Sphären zu bewegen, würde mit einiger Sicherheit auch das Interesse der stärkeren Titelträger wachsen - unabhängig davon, ob man ein Rundenturnier mit zehn oder zwölf Teilnehmern austrägen möchte, oder wie in der jetzigen Form ein größeres Schweizer System-Turnier.

Der Modus selber ist vielleicht gar nicht in erster Linie das Problem.

Die Perle von Verden

Ja, das war es eigentlich schon, und von weiteren Preisen können wir nicht mehr berichten. Allerdings, eine Ehrung gab es noch!, denn im Laufe der Woche hatte sich Claus-Dieter Meyer als langjähriger A-Trainer des SV Werder die Partien des Turniers genau angesehen und die in seinen Augen gelungenste Spielführung für den Schönheitspreis empfohlen.

Als beste, erhabenste und auszeichnungswürdigste Begegnung wählte er das spannende Match zwischen Christoph Schild und ... (er ist wirklich überall!) .. Daniel Fridman aus, eine Partie der zweiten Runde mit vielen Tricks und einigen Finessen. Schon früh entschloss sich Weiß dort zu 4.g2-g4, und man merkt bereits den vielen Pfeffer, der dadurch in die weiteren Stellungsbilder kommt. Beide Spieler erhielten dafür den Schönheitspreis. Viel Spaß beim Nachspielen!

Wir freuen uns, eine ausführliche Analyse dieser Partie von Claus-Dieter "C.D." Meyer an dieser Stelle noch einmal wiederzugeben!

Schönheitspreis für Daniel Fridman

 

Fotos, Fotos, Fotos

 Olaf Steffens und Vadim Reimche
Olaf Steffens und Vadim Reimche (Foto: Andreas Burblies

Wir beenden die Berichterstattung mit ein paar in loser Folge eingefangenen Bildern aus dem Turniersaal.

Vorher aber noch einen herzlichen Dank an alle LeserInnen, die die neun Turniertage von Verden auch hier in den Artikeln wacker miterlebten und sich mit einiger Nervenstärke alles immer bis zum Ende durchgelesen haben. Ich freue mich über die vielen positiven Rückmeldungen und hoffe, dass die meist zu sehr später/ früher Stunde entstandenen Rundenberichte ein Bild von der Stimmung rund um die Deutsche Meisterschaft in Verden zeichnen konnte.

Zu meinem Bedauern bleibt festzustellen, dass Weltmeister Magnus Carlsen entgegen mancher Andeutung nicht mehr in das Turnier eingestiegen ist. Möglich wäre es gewesen, denn die WM in Sotschi endete ja schon am letzten Wochenende. Vermutlich hat Magnus einfach geahnt, dass Daniel Fridman in Verden einfach der Bessere sein würde!

dem2014.schachbund.de

Olaf Steffens

Olaf Steffens

Olaf Steffens ist FIDE-Meister, wohnt in Bremen und spielt dort für den SV Werder II in der Oberliga Nord-West. Obwohl das Schachspiel eigentlich viel zu schwierig für ihn ist, versucht er es immer wieder und schreibt darüber zusammen mit anderen auf www.schach-welt.de.

Während der Deutschen Einzel-Meisterschaft 2014 schreibt er für den Deutschen Schachbund.

Olaf Steffens

Olaf Steffens, Diplom-Handelslehrer, unterrichtet an einer Bremer Berufsschule. FIDE-Meister seit 1997, ELO um die 2200, aufgewachsen in Schleswig-Holstein. Spielte für den Schleswiger Schachverein von 1919 (moinmoin!), den MTV Leck (hoch an der dänischen Grenze!), den Lübecker Schachverein, die Bremer Schachgesellschaft und nun für Werder Bremen.

Seit 2012 Manager des Schachbundesliga-Teams des SV Werder Bremen.

Größte Erfolge:
Landesmeister von Schleswig-Holstein 1994, Erster Deutscher Amateur-Meister 2002, 5.Platz beim letztenTravemünder Open 2013, und Sieger des Bremer Hans-Wild-Turniers 2018.

Größte Misserfolge:
Werd´ ich hier lieber nicht sagen!

Größte Leidenschaften:
früh in der Partie irgendetwas mit Randbauern und/ oder g-Bauern auszuprobieren und die Partie trotzdem nicht zu verlieren – klappt aber nicht immer.

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