Nein es kommt jetzt kein Beweinen, dass die bösen Ratingagenturen das schöne Österreich und das noch schönere Oberösterreich herabgestuft haben.
Es geht um Schach und die immer wieder lochnesshaftig wiederkehrende Diskussion über Stärken und Schwächen von Ratingsystemen. Jetzt brauchen Sie, lieber Leser aber auch keine Angst vor langen mathematischen bzw. statistischen Abhandlungen zu haben, denn ich möchte die Aufmerksamkeit nur auf die grundlegenden Problematik lenken, denn diese wird leicht vergessen, sobald die Diskussion sich tief in Detailprobleme verliert.
Als Beispiel möchte ich einen kleinen Exkurs zu der immergrünen Diskussion, welche nun die „gerechteste“ Zweitwertung beim Schweizer System sei, wagen. Hier wird schon seit Jahrzehnten ohne Ergebnis gestritten – ja manche sprachen sogar schon von „Gelddiebstahl“ und vergessen ganz, dass das Schweizer System ein abgekürztes Verfahren ist, dass mit weniger Ressourcen – vor allem weniger zur Verfügung stehender Zeit – ein sportlich und statistisch vertretbares Ergebnis ermöglichen soll.
Vereinfacht gesagt: das Schweizer System ist per se schon ungerecht – wen interessiert da noch die Gerechtigkeit einer Zweitwertung!
Aber uns zeigt das schön die Problematik von „Abschätzungsprozessen“ und wie schnell man sobald man wieder festen Boden – in unserem Fall konkrete mathematische Formeln für die Zweitwertungsberechnung – unter den Beinen hat, vergisst, dass man eigentlich auf dem schwankenden Schiff der Statistik unterwegs ist.
Klar wir lieben das Exakte: 1+1=2 lernten wir in der Schule und unterstrichen das Ergebnis noch doppelt. Die gleiche Vorgehensweise übertrugen wir dann auf den Chemieunterricht, denn HCI + NaOH = H2O + NaCl ! Zu spät erkannten oder lernten wir, dass dieses Gleichheitszeichen eigentlich ein Reaktionspfeil oder in diesem konkreten Fall ein Gleichgewichtspfeil ist und alles nicht so exakt und endgültig ist. Aber wer würde dann mit Genuss in ein Salzstangerl beißen, wenn ihm dabei klar würde, dass in seinem Mund nun Salzsäure und Natronlauge entstehen ... sagen wir hier mal könnten!
Dann kommen wir zur Statistik und da sich bereits unser ganzes Schulleben das „ist gleich“ als ein in Stein eingemeißelt Ergebnis bewährt hat, stellen wir uns gar nicht mehr die Frage, ob es etwas anderes als „ist gleich“ geben könnte.
Zur Vervollständigung der Allgemeinbildung lernen wir dann zwar noch, dass es die Heisenbergsche Unschärferelation – man kann nicht Ort und Geschwindigkeit eines Teilchens gleichzeitig messen – gibt. Liebe Physiker, bitte nicht aufschreien, es geht weder darum die Unschärferelation zu verstehen noch sie richtig zu zitieren, es geht simpel darum einen Nobelpreisträger zu kennen und die Erkenntnis, dass bei den ganz kleinen Teilchen sich nicht alles so verhält wie ... naja lassen wir das, das reicht schon!
Und mit diesem Grundwissen ausgestattet sollten wir dann an unseren heiligen ELO zweifeln – ja sogar ernsthaft daran glauben, dass diese nicht „ist gleich“ sind? Dass die etwas schwammiges, schwer fassbares zu beschreiben versuchen und damit zwangsweise selbst nicht „ist gleich“ sein können!
Haben wir doch von Anfang an gelernt Dinge zu kategorisieren, zu reihen, zu bewerten: in der Schule mit Noten, der Like-Button für Beiträge, das Geld für Leistung und Erfolg, usw. und es hat sich als praktisch und lebensnah erwiesen und da der „ist gleich Stempel“ fest in unseren Gehirnen implementiert ist, stellt man sich schon aus reiner Bequemlichkeit nicht die Frage ob ein Gut in Schule A nicht doch besser sein könnte als ein Sehr gut in Schule B – ob ein Beitrag, den weniger liken möglicherweise doch besser ist?
Unsere Fixierung auf „ist gleich“ ist aber auch sehr praktisch für die Ratingagenturen, denn so können sie uns Errungenschaften verkaufen, die wir gar nicht wirklich benötigen: kürzere Wertungsperioden, Schnellschach- und Blitzelo, Serverelo und das natürlich alles mehrfach berechnet auf internationaler und nationaler Ebene – aber halt, wenn ein „ist gleich“ wirklich ein „ist gleich“ sein sollte, warum hat ein Spieler verschiedene Elozahl in verschiedenen Ländern und warum ist die nationale Zahl eine andere als die internationale? 1+1=2 das gilt doch in allen Ländern ...
Könnte doch die Aussage eines Professors auch für unsere geliebten Elo stimmen, der im Zusammenhang mit Ergebnissen, die statistischen Gesetzen unterliegen, sagte:
Den wahren Wert kennt nur der liebe Gott, der Mensch erkennt ihn nicht einmal dann, wenn er ihn zufällig exakt trifft!
Kommentare
Sicher ist es im Schach auch nicht möglich, jeden Spieler exakt zu jedem Zeitpunkt mit einer seinen Fähigkeiten entsprechenden Zahl zu belegen, geschweige denn, eine optimale Vorhersage für die kommende Partie zu treffen, unter Einbeziehung der gegnerischen Zahl.
Ebenso wenig ist es möglich, in einem Schweizer System Turnier für absolute Gerechtigkeit zu sorgen. Dies schließt das glänzend beschriebene, aber dennoch eben vereinfachte System zur Entscheidungsfindung aus, sowie zugleich das Schachspiel selber auch, da es nicht möglich ist, in diesem Spiel sämtliche Glücksfaktoren zu eliminieren. Wie ein anderer, ein Vorgänger des Herrn Heisenberg, in diesem Zusammenhang einige Jahrhunderte vorher schon meinte (vielleicht irrtümlich, wie Heisenberg mit seiner Theorie herausgearbeitet haben könnte), nämlich Pierre Simon Laplace, dass es, falls man alle Paramter kennte und diese in eine geschickte Formel packen würde, man möglicherweise den Ausgang eines (scheinbaren) Zufallsexperiments exakt berechnen könnte.
Es geht also nicht darum, etwas "exakt" zu berechnen und, wie im Text erwähnt, gottgleich für Gerechtigkeit zu sorgen, sonderen darum, ein Modell zu entwerfen, welches allseits akzeptiert wird. Dies ist der entscheidende Punkt. Ein ALLSEITS AKZEPTIERTES MODELL.
Nun ist es in aller Regel so, dass irgendwann jemand negativ betroffen ist von einer bestimmten Regel. Ich persönlich gebe gerne zu, dass es mir auch nicht ganz recht war, als ich in einem Turnier bei Wertungsgleichheit (und Punktgleichheit natürlich) hinter einem anderen Spieler einging, da dieser die bessere Sonneborn-Berger Wertung aufwies. Nur war es eben alles andere als "reiner Egoismus", dass mir dies übel aufstieß, da ich lange vorher bereits über die Unsinnigkeit der Sonneborn-Berger Wertung gesprochen und geschrieben habe. Sie ist unsinnig und wird niemals, auch nicht im reinen Rundenturnier, von mir als gerecht hingenommen. Gerechter wäre es, wie ich oftmals vertreten habe, sofern eine Rangliste hermüsste (und man nicht schreiben dürfte 2.-3. Platz), den Platz auszuwürfeln.
Im Schweizer System gibt es nun mal die Wertung, die einen Sinn ergibt: bei zwei punktgleichen stellt sich die Frage, wer seine Punkte gegen die im Turnier erfolgreichere Gegnerschaft erzielt hat. Konsequenterweise müsste man bei Wertungsgleichheit fragen, welche Gegnerschaft die gleiche Punktzahl gegen die bessere Gegnerschaft erzielt hat (was der verfeinerten Buchholz entspricht). Falls man dies nicht tut, sorgt man für Ungerechtigkeit ohne jede Notwendigkeit.
Im Elo-System -- ist es Zufall, dass Krennwurzns Artikel gerade erscheint in dem Moment, als hier von mir eine Serie über ein verbessertes System für die Maßzahlen vorgestellt wird? -- gibt es eine Menge gelungener Ansätze. Einiges ist verbesserungswürdig. Dass es Mängel gibt, ist allseits anerkannt. Dass sich davon Betroffenen eben nur im Moment der Betroffenheit melden (oder sie erkennen) ist leider dem oben angegebenen Egoismus zu verdanken. Zugleich haben diese Beschwerden weit weniger Gewicht, da jeder erkennt, dass sich der Beschwerdende NUR DESHALB beschwert, weil er gerade negativ betroffen war. Jedoch kann man auch gründlich darüber nachdenken und versuchen, objektive Mängel aufzuspüren.
Puh, das war ja eigentlich ein eigener Artikel...
Interessanterweise bieten viele Programme die Anzahl der Schwarzpartien als Wertung nicht einmal an.
Generell bekommt man in Opens die "extra" Partie mit Weiss oder Schwarz in der ersten Runde - den deutlich schwächeren Gegner sollte bzw. "muss" (wenn man ganz vorne mitspielen will) man aber mit beiden Farben besiegen. Aeroflot ist eine Ausnahme, da gibt es gar keine "leichten" Gegner (deshalb vielleicht Farbverteilung als erster Tiebreak).
Ausserdam kann man Farbverteilung gar nicht selbst beeinflussen, Buchholz bis zu einem gewissen Grad schon: Wer immer vorne dabei ist bekommt stärkere Gegner und eine bessere Buchholz als ein Konkurrent der (absichtlich oder nicht) Schweizer Gambit spielt und das Feld dann von hinten aufrollt. Ein kleiner Buchholz-Unterschied ist natürlich nicht aussagekräftig, z.B. wenn die Schlussrunden-Partie an Brett 37 den Sieger bestimmt. Wenn man Platz und Preisgeld gar nicht teilen kann ist ein Tiebreak am Brett (Schnell- oder Blitzschach, notfalls Armaggedon) sicher das kleinste Uebel.
Kann es meiner Meinung nicht einmal theoretisch geben, da jedes System diverse Schwächen haben muss und jeder diese anders bewertet.
Es ist wie der Traum vom Perpetuum mobile - Sorry!
In der Rolle des "Advocatus Diaboli" kann man sich selbst natürlich sehr gefallen.
Übrigens erscheint es mir, dass eigentlich alle Schachspieler recht zufrieden sind mit dem Schweizer System im Allgemeinen. Man möchte ja nicht einmal für die Elimination aller Glücksfaktoren sorgen, da jeder weiß, dass er auch positiv davon betroffen sein könnte. Es gibt also sehr wohl gute Lösungen, sogar in der Praxis, mit der sich (fast) alle einverstanden erklären, trotz des Wissens, nicht für ultimative Gerechtigkeit sorgen zu können.
Eine immer genauere Berechnung der Einzelwerte ändert nichts an der Gültigkeit der Heisenbergschen Unschärferelation – dh. man kann sie nicht wegrechnen – sie ist einfach da.
Gleiches gilt für das Schweizersystem – das praktisch sehr gut funktioniert und seit vielen Jahren zu Recht und zur Zufriedenheit der Schachspieler eingesetzt wird.
Nach Dr. Model’s Formel (Rundenzahl=0,2*Teilnehme r + 1,4*Preisgeldränge) müsste man bei einem Turnier mit 100 Teilnehmern und 10 Preisgeldrängen also 34 Runden spielen, um die Preisgeldränge statistisch gerecht auszuspielen. Bei den üblichen gespielten 7 Runden wird aber gerade nur die untere Schranke erreicht, um den Sieger ähnlich einem ko-Turnier zu ermitteln. Dh. die Ränge 2-10 sind sowieso schon einem Zufall ausgesetzt. Kein Zweitwertungsmodel der Welt kann diese systembedingte „Unschärfe“ wegrechnen, denn diese ist schon da, bevor überhaupt eine Zweit-, Dritt- oder Sonstwas-Wertung ins Spiel kommt.
Genau wegen dieser allseits anerkannten Unzulägnlichkeiten muss es eben dieses ALLSEITS AKZEPTIERTE MODELL geben. Es steht in den Regeln, wie gelost wird, wer in welcher Runde nach welchen Kriterien welche Farbe gegen welchen Gegner zu haben hat -- dies ist längst allerorten akzeptiert. Das Programm macht es so, so ist es halt (ganz anders als zu Zeiten händischer Auslosungen). Selbst wenn hier oder da mal jemand murren sollte -- dieses Phänomen ist längst erörtert und bekannt (er hat ein unbefriedigendes Los erhalten; es ist eine Form von Egoismus und nichts Objektives; gerade ich hatte jüngst bei einem Schnellturnier in der 1. Runde gegen einen schwächeren Gegner Remis gespielt, aber einer der Hauptkonkurrenten -- wir waren Platz 2 und 3 der Setzliste -- hatte gar verloren. Nun wurde ich mit Schwarz gegen ihn gepaart; ich wurde nach unten gelost, gegen den stärksten Gegner; natürlich habe ich mich NICHT beschwert sondern einfach gewonnen
Genauso muss bei der Berechnung der Preisränge ein System her, welches alle hinnehmen können, selbst wenn jedem klar ist, dass es weiterhin einem Würfelspiel gleicht (Beispiel: die Streichwertung; ist sie gerecht?). DIes muss nur einer gewissen Logik und Konsequenz folgen. Hier ist mein persönliches Votum eindeutig: die verfeinerte Buchholz. Die vorgeschlagene Anzahl der Schwarzpariten empfinde ich als untergeordnetes Kriterium und vor allem wäre die Frage, an welcher Stelle es einzusetzen wäre. Unstreitig sollte sein, dass ein Spieler, der gegen alle Konkurrenten von oben gespielt hat gegenüber einem anderen, der die gleiche Punktzahl gegen Spieler aus dem Mittelfeld oder der erweiterten Spitze geholt hat, ein besseres Turnier gespielt hat und deshalb -- nach Wertung -- vorne liegen sollte. Danach die Anzahl der Schwarzpartie? Für mich unsinnig. Es muss die verfeinerte Buchholz her, konsequenterweise. Die Sonneborn-Berger hat (auch im Rundenturnier) keinerlei Bedeutung.
Die Argumentation - ja ich weiß, dass es zufällig ist, aber die verfeinerte Buchholzwertung macht das dann weniger zufällig - kann ich konsequenterweise logisch nicht nachvollziehen - Sorry das klingt für mich esoterisch und nicht naturwissenschaftlich!
Drastisch gesprochen kommt mir die Diskussion so vor, wie wenn man diskutieren würde, ob man die Lottozahlen in gezogener Reihenfolge, auf- oder absteigend oder aber nach der Häufigkeit der gezogenen Zahlen etc. sortiert veröffentlichen sollte. Und man damit dem Zufall ein wenig das Zufällige nehmen möchte.
Im Schweizer System gibt es, bevor man Lose zieht, einige Kriterien, die man anwenden kann und die in gewisser Weise eine sportliche Lösung darstellen. Diese sind von mir angeführt. So-Be gehört nich dazu. Für welche plädiert Ihr, alternativ eine noch nicht vorgestellte? Selbst wenn allseits anerkannt, dass es Zufall ist, so gibt es doch immerhin eine gute Chance, dass die von mir vorgeschlagene (auch weithin angewandte) ALLSEITS AKZEPTIERT wird.
Die einzige Alternative zu einem x-rundigen Schweizer System wäre die Sortierung der Spieler nach einem Ordungsmerkmal (DWZ / ELO) und die Aufteilung in Gruppen von maximal (x+1) Spielern.
Wenn diese Form bei den Spielern beliebter wäre als das allseits akzeptierte Schweizer System, müssten viele Open anders aussehen.
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