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Deutsche Meisterschaft in Verden: Gute Nacht Freunde

Deutsche Meisterschaft in Verden: Gute Nacht Freunde OSt

Corona-Krise 2020, keine neuen (Schach-) Veranstaltungen mehr, alles abgesagt!

Wenn man schon nichts Neues mehr spielen darf, was liegt da näher, als einfach ein altes Turnier noch einmal auszutragen? Gedacht, gemacht - und die Landesverbände des DSB (leider ohne DSJ) einigten sich nun im Rahmen einer Telefonkonferenz auf die Deutsche Meisterschaft 2014 im schönen Verden an der Aller. Dieses historische Turnier wird nun ohne Rücksicht auf Kosten, Mühen und den spektakulär hohen Kaffeekonsum erneut gespielt - bis es wieder weitergehen kann mit der auf Eis gelegten Saison 2019/2020 und den aktuellen Meisterschaften in Land und Bund.

Darum: Verden 2014? - Wir sind (noch einmal) mit dabei!

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Verden wartet auf Weltmeister Carlsen

Kommt er, oder kommt er nicht? Noch ist nicht sicher, ob Magnus Carlsen, der alte, aktuelle und vielleicht sogar zukünftige Weltmeister sein Versprechen wahr machen wird und nach dem Ende des WM-Kampfes mit dem Fernbus aus Sotschi direkt zu den Deutschen Meisterschaften nach Verden reist. "Mich reizt die norddeutsche Tiefebene", so der Weltmeister, der schon in der heutigen vierten Runde in den Wettbewerb einsteigen könnte, um seine Chancen im Titelrennen zu wahren.

Die Konkurrenz hier in Verden ist natürlich vorgewarnt - und leicht dürfte es nicht werden für Carlsen, denn Daniel Fridman gewinnt Partie um Partie und hat bereits jetzt drei Punkte Vorsprung auf den norwegischen Weltmeister. Spielen wird er heute gegen den anderen Drei-Punkte-Mann Matthias Blübaum. Direkt hinter dem Führungduo tummeln sich mit Dennis Wagner, Vitaly Kunin und Sebastian Siebrecht drei Titelträger - auch an diesen dreien müsste Carlsen sich erst einmal vorbeiarbeiten auf dem Weg zur Deutschen Meisterschaft. Ebenfalls zweieinhalb mit beachtlicher Souveränität erarbeitete Punkte haben Thilo Kabisch und Sebastian Zehnter - sie trotzten gestern sowohl Dennis Wagner und dem wiederum hartnäckig auf Gewinn spielenden Vitaly Kunin zwei wichtige halbe Punkte ab.

Dennis Wagner und ein spielstarker Zuschauer aus der Region

Manchem wird es aufgefallen sein, dass die gestrige Runde entgegen aller Ankündigung erst um 19 Uhr eröffnet wurde. Kurzfristig hatte sich herausgestellt, dass der große Saal des Hotels direkt neben dem kleinen Saal der Schachmeisterschaft für einen sonntäglichen Tanznachmittag vergeben worden war - ummta, ummta, ummta, und von dieser schönen Wendung und dem Fauxpas des Hotels kurzfristig überrascht, beschloss die Turnierleitung, zur Wahrung der Turnierruhe den Rundenbeginn um vier Stunden zu verschieben. Und tatsächlich, um kurz nach 19 Uhr schwang noch einmal "Gute Nacht, Freude, es wird Zeit für mich zu gehen" durch die Luft, und danach - Stille. Die Partien konnten beginnen.

Leider müssen in dieser Welt oft die Leisen den Lauten weichen - die Tanzwütigen hätten ja eigentlich auch anerkennend sagen könnten, Mensch, Mensch, eine deutsche Schach-Meisterschaft gleich nebenan! Und viele kleine und große Meister direkt hinter dieser dünnen Wand! Da wollen wir mal ein bisschen vorsichtig sein und ganz leise tanzen heute! Doch so kam es nicht, und statt dessen und wie immer waren es die freundlichen Schachsportler, die sich fügten und in die Abendstunden wechselten, sehr zum Missvergnügen des aus einiger Ferne anreisenden Gerlef Meins, den die Nachricht der Spielverlegung nicht mehr rechtzeitig erreichte. Aber vier Stunden Kurzurlaub in Verden - das ist doch vielleicht auch ganz schön? Wir empfehlen hiermit noch einmal das John Lennon-Denkmal, und natürlich das Pferdemuseum. Für den Werderaner endete der Tag zum Glück versöhnlich mit einem Remis gegen GM Rainer Buhmann. Das lange Warten wurde also belohnt, sozusagen. Alles wird gut.

Der späte Rundenbeginn war vermutlich von Vorteil für diejenigen Naturen unter uns, die eher den Eulen als den Lerchen zuzuordnen sind. Alle Eulen und Nachtschwärmer in dem 44-köpfigen Feldes hatten sicherlich bessere Chancen, die bis um 01 Uhr und länger andauernden Partien wacker zu überstehen. Die braven Lerchen natürlich, freundliche Frühaufsteher, werden möglicherweise spät um elfe an ihr Limit gekommen sein. Oder um zwölfe. Oder noch später. Einfach war es nicht, und in der Tat, als um halb eins immer noch gespielt wurde an drei Brettern, da war das Ergebnis sicher auch eine Frage der guten Kondition.

Die Spitzenpaarungen nach Mitternacht

Als spielstarke Eulen erwiesen sich in der Verdener Night Lounge Sergej Kalinitschew, der in der Geisterstunde Matthias Krallmann Gespenster sehen ließ und am Ende einen entscheidenden Bauern gewann, und ebenso Daniel Fridman. In einer komplexen Position mit reichlich weit vorgerückten Freibauern und einem mutig mäandernden Monarchen gelang es ihm nach Mitternacht, Tomislav Bodrozic (einer Lerche, eventuell)  noch einen vollen Punkt abzunehmen.

So sollst Du Schachpartien vorbereiten

Hoffen wir also nach all der Mühsal durch die nächtlich angesetzten Partien, dass die Hotelleitung, warum eigentlich auch nicht, die heutige Kaffeeration im Turniersaal verdoppelt. Oder verdreifacht. Kännchen für alle!

So, und nun? Nun geht die Runde gleich los, und aus Verden darum schöne Grüße in die Welt, an alle interessierten ZuschauerInnen, und an Weltmeister Carlsen. Magnus, am Busbahnhof noch ein paar Kilometer Richtung Autobahn, dann kommt der Niedersachsenhof. Wir spielen gleich rechts, wenn man reinkommt!

dem2014.schachbund.de

Olaf Steffens

Olaf Steffens

Olaf Steffens ist FIDE-Meister, wohnt in Bremen und spielt dort für den SV Werder II in der Oberliga Nord-West. Obwohl das Schachspiel eigentlich viel zu schwierig für ihn ist, versucht er es immer wieder und schreibt darüber zusammen mit anderen auf www.schach-welt.de.

Während der Deutschen Einzel-Meisterschaft 2014 schreibt er für den Deutschen Schachbund.

Olaf Steffens

Olaf Steffens, Diplom-Handelslehrer, unterrichtet an einer Bremer Berufsschule. FIDE-Meister seit 1997, ELO um die 2200, aufgewachsen in Schleswig-Holstein. Spielte für den Schleswiger Schachverein von 1919 (moinmoin!), den MTV Leck (hoch an der dänischen Grenze!), den Lübecker Schachverein, die Bremer Schachgesellschaft und nun für Werder Bremen.

Seit 2012 Manager des Schachbundesliga-Teams des SV Werder Bremen.

Größte Erfolge:
Landesmeister von Schleswig-Holstein 1994, Erster Deutscher Amateur-Meister 2002, 5.Platz beim letztenTravemünder Open 2013, und Sieger des Bremer Hans-Wild-Turniers 2018.

Größte Misserfolge:
Werd´ ich hier lieber nicht sagen!

Größte Leidenschaften:
früh in der Partie irgendetwas mit Randbauern und/ oder g-Bauern auszuprobieren und die Partie trotzdem nicht zu verlieren – klappt aber nicht immer.

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