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Die Religion siegt, die Spieler verlieren

GM Ghaem Maghami GM Ghaem Maghami Stefan64

Es gibt diese Situationen, deren Ergebnis keinen zufriedenstellt und einfach nicht zufriedenstellen kann. Dabei ist es oftmals schwierig zu erkennen, was überhaupt schief lief. So auch im vorliegenden Fall der iranischen Nummer 1, Großmeister Ehsan Ghaem Maghami. Er wurde beim gerade zu Ende gegangenen Corsican circuit vom Turnier ausgeschlossen,, nachdem er sich weigerte gegen einen israelischen Fidemeister zu spielen.

 

Schaut man genauer hin, differenziert sich das Bild. In der vierten Runde loste man die beiden Spieler gegeneinander. Maghami bat die Veranstalter, die Paarungen zu ändern. Dies ist bei anderen Turnieren Praxis und widerspricht nicht den FIDE-Regeln. Die Turnierleitung weigerte sich und so kam es, wie es kommen musste, der Israelische Spieler gewann kampflos. Daraufhin entschloss sich die Turnierleitung GM Ghaem Maghami aus dem Turnier auszuschließen. Wer hat jetzt einen Fehler gemacht?

 

Die politische Lage zwischen vielen arabischen Ländern, vor allem Iran und Palästina, und Israel hat sich seit Jahren nicht verbessert. Ein unglücklicher Zustand, an dem sich aber auf absehbare Zeit nichts ändern wird. Iranische Spieler sind von ihrem Land verpflichtet, nicht gegen israelische Spieler anzutreten. Was sollte Ghaem Maghami also besser machen? Kein Schach mehr spielen? Auch gegen Israelis spielen und sich somit in seiner Heimat in große Gefahr bringen? Nicht an Turnieren teilnehmen, bei denen Israelische Spieler mitspielen? Alles Möglichkeiten, aber keine davon sonderlich praxistauglich. Der Israelische Spieler hat mit der sache eigentlich wenig zu tun. Er will spielen und das gegen Spieler aller Länder. Er geht ans Brett und nur wegen seiner Religion bzw. seiner Staatsangehörigkeit sitzt auf der anderen Seite auf einmal niemand mehr – nicht sein Problem!

 

Und da kommen wir schon zur Turnierleitung. Die FIDE-Regeln sehen vor, dass Paarungen geändert werden dürfen. Warum hat man dies nicht getan? Ich war nicht vor Ort und kenne somit nicht die genauen Umstände, aber für mich ist kein Grund ersichtlich dies nicht zu tun. Gut, nun mag es Situationen geben, in denen es nicht möglich ist die Paarungen zu ändern. Aber warum muss der Spieler dann aus dem Turnier ausgeschlossen werden? Wem ist damit geholfen? Der Iraner muss nach Hause. Das Turnier verliert einen, in diesem Fall sogar wichtigen, Teilnehmer.

GM Ghaem Maghami stellte nach der Entscheidung fest, er habe persönlich nichts gegen irgendeinen israelischen Spieler. Zudem hätte er sehr gerne das Turnier weitergespielt. In dem Turnier nahmen insgesamt fünf Israelis und zwei Iraner teil. Das eingetretene Szenario war demnach sehr wahrscheinlich. Im Nachhinein stellte der Turnierleiter fest, hätte von den Schwierigkeiten vorher gewusst, hätte er den Iranern empfohlen nicht teilzunehmen.

MTV_LueneburgGM Ghaem Maghami wird am 11.11. in Hamburg landen, erst ein kleines Simultan im Elbe-Einkaufszentrum spielen und dann am 12.11. an dem von mir organisierten Schachevent "10 gegen Lüneburg" (siehe auch Banner rechts) teilnehmen. Aufgrund dessen stand ich in letzter Zeit häufiger in Kontakt mit ihm. Er ist, aus meiner Sicht niemand, den man als Fundamentalisten bezeichnen kann. Weltoffen und sehr höflich wären die ersten beiden Worte, die mir zu ihm einfielen. Aber trotzdem muss er um seine Sicherheit fürchten, wenn er gegen einen Israeli spielt und dann in sein Land zurückkehrt. Ich kann seine Entscheidung verstehen, Sie auch? Was denken Sie über das Verhalten von GM Ghaem Maghami? Hätten Sie genau so gehandelt? Wer hat in dieser Geschichte den Fehler gemacht? Oder ist es mal wieder die „große“ Politik, die die Schuld trägt, und müssen wir somit hoffen, dass eines fernen Tages eine Entspannung in der Beziehung der beteiligten Länder  eintritt?
JC

 

Kommentar Jörg Hickl:

Religion bildete schon häufiger die Grundlage für Diskussionen auf Schachturnieren. Ich erinnere mich gut an häufiger auftretende Auseinandersetzungen auf Mannschafts(europa)meisterschaften, bei denen israelische Delegationen nicht am Sabbat spielen wollten. Vereinzelt kam es zu Rundenverlegungen. Verweigerte der Veranstalter diese, spielte man trotzdem…

Eine Lex Samuel Reshewsky schuf man beim Open in Lugano in den 80er Jahren. Für den großen amerikanischen Star wurden seine Freitags- und Samstagsrunde um einige Stunden verlegt. Zu einem Härtetest kam es hier nie, da die Gegner es hinnahmen.

Immer waren bei diesen Vorfällen Einzelpersonen betroffen, die keinerlei Repressalien zu befürchten hatten. Im Fall Maghami ist das anders.

Natürlich hätte man es bei einem Verlust der einzelnen Partien belassen können, vielleicht ist den Spielern aber mit dem Ausschluss mehr gedient. Immerhin machten die Organisatoren damit klar, dass im Turnierschach und generell im Sport staatliche Einflussnahme nicht toleriert werden kann.

Jonathan Carlstedt

Seit Juni 2011 bin ich Internationaler Meister, seit Januar 2011 habe ich 100 Elopunkte verloren. Seit Juni 2010 habe ich mein Abitur in der Tasche, seit August 2011 betreibe ich eine Schachschule in Lüneburg. Beruflich bin ich also Schachspieler, Trainer, Organisator (siehe links oben), Journalist und Autor. Hauptberuflich macht mir Schach Spaß. Alles was Sie nie über mich wissen wollten, werden Sie in diesem Blog erfahren. Viel Spaß beim Lesen!

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