Anders sieht es aus, wenn sich der türkische Kandidat Ali Nihat Yacizi durchsetzt, wie Metzing schildert: „Wenn Ali gewählt wird, möchte er Angebote für das ECU-Büro einholen und das beste Gebot dann auswählen. Natürlich vermute ich, dass ein entsprechendes Angebot aus der Türkei erfolgt, so dass spätestens im Herbst 2011 die Verlagerung des ECU-Büros aus Berlin vorgenommen wird.“ Für die Türkei wäre das ECU-Büro ein weiterer Vorposten auf dem Weg in die EU. Für den DSB wäre die Abwanderung der ECU nicht nur ein symbolischer Verlust. Er ist in Berlin quasi Untermieter der ECU. Mit dem internationalen Sportverband wird die Miete großzügig gering gehalten. Alleine hat der DSB mit einer deftigen Erhöhung zu rechnen. Hat von Weizsäcker das bedacht und gibt er sich bessere Wahlchancen als Metzing, wollte der SCHACHWELT-Blog wissen? Beides habe für seine Kandidatur keine Rolle gespielt, schreibt er. Wer hat von Weizsäcker überhaupt ins Spiel gebracht? Kasparow habe ihn angerufen und gebeten, sagt der DSB-Präsident selbst. Wenn das so ist, wer hat Kasparow auf von Weizsäcker gebracht? Alles deutet auf Frederic Friedel. Der Chessbase-Mitgründer und der Münchner VWL-Professor verstehen sich ausgezeichnet. Von Weizsäckers soll eine Alternative zum zu Iljumschinows Lager zählenden Ali Nihat Yacizi darstellen und unter den europäischen Verbänden eine zweite Front bilden im größeren Kampf um die FIDE-Präsidentschaft, der wiederum einem größeren Ziel dient, nämlich Kasparows Mühen um Demokratie in Russland und Kampf gegen den Kreml, dessen bisheriger Kandidat Iljumschinow gestürzt werden soll.
Von Weizsäcker hat seine Mitstreiter Short, Ivan Sokolov und Johann Hjartason kaum selbst gefunden, sondern, was man in der Politik ungerne eingesteht, mit angetragen bekommen. Prominente Namen, gewiss, aber keiner der Großmeister hat sich als Organisator oder in seinem nationalen Verband besondere Meriten verdient. Metzing wäre für die europäischen Verbände ein berechenbarer, kenntnisreicher und pragmatischer Kompromisskandidat gewesen, jedenfalls ein Kandidat mit Chancen. Wie von Weizsäcker und sein Team eingeschätzt werden, ist schwerer zu sagen.
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