Fairplay im Schach (1)

Fairplay im Schach (1) Werner100359

Gedanken über Fairness im Schach (1)

Immer wieder ist zu beobachten, dass es zu Streitfällen kommt. Zugleich geschieht es selbstverständlich von Spielern, die sich persönlich für höchst fair halten und denen so etwas eigentlich nie geschieht, die zugleich ihr Gerechtigkeitsempfinden loben, die bei jedem eigens beobachteten -- aber nicht selbst beteiligten -- Fall empört mit den Fingern auf den von ihnen als Verursacher des Streits ausgemachten Übeltäter deuten und ihn in die Kategorie „unsportlich“ einstufen, nur um beim nächsten Turnier selbst in einen vielleicht sogar ähnlichen Fall verwickelt zu werden, der ihnen, durch die eigene Beteiligung und den stets einfließenden eigenen Ehrgeiz womöglich den Blick verklären, wie sie noch von außen unlängst die vergleichbare Sachlage beurteilt hatten.

jhis200Das Problem, welches hier ausgemacht ist und sehr generell, aber schon länger, einem als einzige Schlussfolgerung aus der Fülle der Beobachtungen blieb, ist diese: es hilft kein Regelwerk, um das zu verhindern, und das vorhanden Regelwerk hilft auch nicht im geringsten, mit diesen Fällen im Einzelnen klar zu kommen, nein, ganz im Gegenteil, meint man hier, als Autor, dass es sogar schadhaft wirkt, überhaupt den Versuch zu starten, dem Irrglauben nachzugehen, dass man, mit einer bemühten Verallgemeinerung, Herr werden kann über die so zahlreichen Facetten des Spiels selbst und auch der Ausprägungen, die so bald übergehen können in „das war aber unfair“ oder auch das Gegenteil davon, „das war aber sehr sportlich“. Jeder Fall ist individuell, und dies sehr speziell der Anlass, sich hier an einen derartigen Text heranzumachen.

Hier werden ein paar fast wahllose Beispiele gegeben, die deshalb angebracht werden, da sie nämlich genau zwei Vorteile haben: a) sie liegen nicht lange zurück und sind deshalb noch sehr genau in Erinnerung und b) sie wurden selbst beobachtet und man vertraut einzig dieser Beobachtung und nicht etwa Berichten von Beteiligten, die dann meist den einen Sinn haben: die eigene Fairness herauszustellen, die Unmöglichkeit des Verhaltens des Gegenübers oder aber, falls von einem Unbeteiligten kolportiert, dieser die Geschichte genau deshalb erzählt, sie für interessant hält, weil er nicht etwa auf den Pfaden der Objektivität zu wandeln gedenkt sondern ebenfalls eine Ungeheuerlichkeit im Verhalten eines Einzelnen aufzeigen möchte.

Fall 1: ein Großmeisterremis?!

Im jüngst von mir am Ende gewonnenen Schnellturnier beim SK Präsident kam es in meiner Partie gegen Jakov Meister zu einer recht dramatischen Partie. Er hatte mir bereits in der Eröffnung, im von mir so geliebten und noch immer mit Erfolg angewandten Aljechin, einen mir völlig unbekannten Zug vorgesetzt.

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Meister – Paulsen, Open des SK Präsident, 6. Runde, 8.12.2012, Schwarz am Zuge

Auf die haarsträubenden Verwicklungen ließ ich mich hier ein mit der Zugfolge 1. ... Sd5xc3 2. Df3xb7 Dd8xd4. Keine Ahnung, was der Computer dazu sagt, aber ich meinte nach der Partie, dass ich ein paar Mal einen recht klaren Gewinn für ihn gesehen hatte, worauf er ein wenig empört war. Natürlich sollte man Sc3: gerade in einer Schnellpartie nicht spielen, weil davon auszugehen ist, dass genau dieser Zug dem Gegner bekannt ist.

Ich rechnete am Brett, spürte, dass er es sicher kennen musste, und ließ mich dennoch auf die haarsträubenden Verwicklungen ein, die mich temporär einen Turm kosteten, die aber BEIDE Könige in Mattgefahren brachten Wie durch ein Wunder gelang es uns beiden, dort schadensfrei hindurchzukommen. Er machte zwar immer weiter Druck, aber es gab keinen entscheidenden Vorteil. Allmählich war sogar das materielle Gleichgewicht wiederhergestellt. Noch immer bedrohten seine Dame und seine Läufer meinen König, aber es gab kein Matt. Seine präzisen Züge brachten ihm dennoch diesen Vorteil ein: ein Endspiel, in welchem er einen Bauern mehr besaß UND das Läuferpaar.

Keine Frage, dass diese Stellung für ihn gewonnen war. Die Uhr zeigte bei beiden um die 2 Minuten Restbedenkzeit an, also genug Zeit, den Vorteil zu verwerten. Großmeister Meister machte seine Züge weiterhin mit großem Bedacht, während ich, geleitet von der allmählichen Gewissheit des unvermeidlichen Ausganges, eine gewisse Gleichgültigkeit an den Tag legte. Eine einzige Drohung war mir geblieben. Es war jene, irgendwann einmal durch einen Zufall meinen Springer gegen seinen mit meinem Läufer gleichfarbigen abzutauschen, so dass ungleiche Läufer übrig blieben. Auf die Uhr schaute ich bereits überhaupt nicht mehr, dass sollte, wenn jemals irgendetwas, dann seine Sorge sein.

Plötzlich gelang mir durch ein Springerschach der ersehnte Abtausch. Möglich, dass mein Gegner dies sogar gesehen und eingeplant hatte, drohte doch sein König an seinen freien a-Bauern zu laufen und meinen Läufer zu erobern?! Nur entdeckte ich sofort den Rettungszug: ich musste einen zweiten Bauern geben, damit seinen König vom Marsch ablenken und es gelang mir, mit meinem König den Weg abzuschneiden und an seine nun insgesamt beiden Mehr- und Freibauern am Damenflügel zu laufen. Am Königsflügel gab es je zwei Bauern, g- und h, die auf der jeweiligen Läuferfarbe festgelegt waren. Die Stellung musste nun also Remis sein, da er am Damenflügel c und a hatte, diese aber blockiert waren, und am Königsflügel gab es gar nichts zu holen.

Nun fiel mein Blick erstmals auf die Uhr. Was stellte ich fest? Er hatte noch 12 Sekunden, ich hingegen noch satte 55. Da habe ich mit dem schnellen Ziehen, durch die Todesverachtung ausgelöst, einiges herausgeholt. Auch dem Großmeister fiel nun dieser Umstand ins Auge. Ein kurzer, ausgetauschter Blick zwischen uns, und das Remis war per Händedruck besiegelt.

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Die Schlussstellung aus der Partie Meister – Paulsen. 1/2:1/2.

Nun war dies für mich persönlich nicht besonders spektakulär, nein, im Gegenteil, eher selbstverständlich, wenn überhaupt begleitet von der Freude, dass es mir gelungen war, diese Kloake zum Remis zu retten und damit meinen halben Punkt Vorsprung auf meinen Gegner zu wahren (er hatte bereits zuvor ein Remis abgegeben, hatte nun 5/6, ich 5.5/6).

Am Montag las ich aber im Bericht über dieses Turnier, dass es sich hier um eine sehr sportliche Geste meinerseits gehandelt hätte. Nun hat mich dies zwar gefreut – woran sich bis jetzt nichts geändert hat --, nur gab es mir den Anlass, darüber ein wenig zu philosophieren, vielleicht gar jenen, mich an diesen Text hier zu setzen, aber zugleich über ein paar Vergleichsfälle nachzudenken.

Diese Partie war nie und nimmer für mich mit schachlichen Mitteln zu gewinnen, im Gegenteil, war der Remisschluss ein insgesamt glücklicher.

Fall 2: Suchen Sie den Unterschied!

Am Mittwochabend hingegen spielte ich das Schnellturnier bei den Schachfreunden. In der letzten Runde bekam ich es mit Mark Müller zu tun, einem soliden 2000er. Er spielte die Partie zwar ab einem gewissen Zeitpunkt sehr stark, nur verbrauchte er Unmengen an Bedenkzeit. Es war eine durchgehend komplizierte Stellung entstanden, aber so ziemlich gegen Ende fand ich eine Abwicklung über mehrere Züge, dir mir ein Turmendspiel mit gleichen Bauern sicherte, nämlich jeweils zwei. Ich drohte nämlich bereits, in Nachteil zu geraten. Als das Endspiel entstanden war, hatte er weniger als eine Minute auf der Uhr, ich weit über 5, vielleicht sogar 7 oder 8. Verblieben waren sein g und c Bauer und bei mir g und h. Er kam nicht einmal auf die Idee, Remis anzubieten und hat auch nach der Partie kein Wort gesagt, also keines, was Richtung Unfairness ging.

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Mark Müller – Dirk Paulsen, Sfr Berlin Schnellturnier, 12.12.12, letzte Runde.

banner-seminarturnier300-anDies die Stellung, auf welche ich mich einließ in der Gewissheit, hier keinen Nachteil zu haben und die Stellung auf Sieg spielen zu dürfen. Nach 1. ... Tc6 2. Tb4 stand sein Turm auch passiv. Er lief mit dem König zum c-Bauern, ich an seinen g-Bauern, so wurde es zwar kompliziert, vielleicht auch objektiv Remis, aber es blieb eine spielbare Stellung mit Chancen für beide.

Natürlich hätte es sogar zum Remis für ihn gereicht -- rein von der Stellung her --  wenn er sich von seinem c-Bauern getrennt hätte und mit dem König am Königsflügel geblieben wäre. Aber selbst wenn er dies getan hätte, so gebe ich unumwunden zu, hätte ich die Partie niemals Remis gegeben. Meine Bauern standen in der Ausgangsstellung g7 und h7 und ich hätte jede Menge kleinerer Fortschritte erzielen können und die theoretische Remisstellung wäre mir vollkommen schnuppe gewesen. Ihm war das sicher auch klar, aber möglich noch viel mehr, dass ihm bei der Kürze der Restbedenkzeit dieser Gedanke nicht einmal kam. Er ging mit dem König rüber zum c-Bauern, ich mit meinem an seinen g-Bauern, er verbrauchte weitere Bedenkzeit. Obwohl die Stellung vielleicht sogar kurz vor Schluss noch immer Remis war bei präzisem Spiel war uns beiden klar, dass sie niemals zu halten wäre und an mich ging. Er hat dann auch noch einen Fehler gemacht - nicht verwunderlich -- und direkt aufgegeben, ziemlich zeitgleich mit der ZÜ.

Ich will damit nur sagen, dass es kleine Nuancen in der STELLUNG geben kann, die ein unterschiedliches Vorgehen aufdrängen. Es gibt sogar Fälle, da die Historie IN DER PARTIE eine Rolle spielt bei der Beurteilung von Fairness und Unfairness. Sogar ist dies teils der Fall bei meiner Partie gegen Mark Müller. Meine Wahl zu der Remisabwicklung fiel DESHALB so aus, da mir bereits dort klar war, dass es der einfachste Weg zum Sieg war. Komplizieren auf Teufel komm raus hätte nur die unangenehme Möglichkeit eines plötzlichen Schachmatts für ihn -- denn es gab schon Varianten, wo ich plötzlich Matt gewesen wäre vor der Abwicklung --  auf den Plan gerufen. Dem bin ich aus dem Weg gegangen und habe ihm das auch nach der Partie so gesagt, was er natürlich sofort verstand und akzeptierte.  Ich wickle zum Remis ab, um den Sieg sicher zu haben. Wenn man dies historisch einfließen lässt in die Beurteilung, fällt jene anders aus. Also: wenn er nun am nächsten Tage erzählen sollte, dass er von Paulsen in klarer Remisstellung über die Zeit gehoben wurde, dann wäre dies nur Teil der Wahrheit. Zur Remisstellung kam es NUR, weil der Sieg DAMIT gewiss war. Und dies alles andere als ein Einzelfall.

Zur Fortsetzung: Fairplay (2)

Kommentare   

#1 Guido Montag 2012-12-18 12:52
Wieder ein sehr schöner, kurzer und knackiger Beitrag von DP, der vor allem durch seine prägnanten Satzbauten besticht.
Zum Inhaltlichen würde ich mich gerne etwas später äußern, wenn ich ebendiesen etwas besser verdaut habe.
:-)
-3 #2 MiBu 2012-12-18 22:50
Hm, nun ja, nach längerer Pause mal wieder ein Beitrag von D.P., in dem der Autor wie gewohnt ungehemmt seinem Narzissmus frönt, diesmal noch verziert durch unsinnige SCHREIEREI in Großbuchstaben.
+1 #3 Krennwurzn 2012-12-19 00:08
Ganz böse könnte man zu den beiden Fällen sagen:

1. Man ist fair, wenn man trotzdem "gewinnt" (gegen einen Stärkeren)
2. Gegen einen Schwächeren gewinnt man - wozu sollte man fair sein?

Objektiv ist die Schlußstellung 1 natürlich totremis und das zweite Remisendspiel für uns Menschen nicht so trivial herunterzublitzen und wann ist was für wen nun wirklich trivial?
Ehrlich gesagt kann ich im Fall 1 keine Fairness (an)erkennen und im Fall 2 keine Unfairness!

Bleibt vielleicht nur FAIRNESS ist Zufall, Laune und ein wenig auch Schmuckwerk zum Weitererzählen an kalten Winterabenden ...
+1 #4 Dirk Paulsen 2012-12-19 09:55
Die Beispiele sind sehr zahlreich. Wie man sieht, genügen bereits zwei, um daraus einen ganzen Artikel zu machen. Jörg hat entschieden, ihn zu teilen, das erkennt man an der (1) hinter der Überschrift, wenn man sie gut interpretiert Die anderen beiden Beispiele mögen ein wenig mehr erhellen können, worum es mir geht.
Die Krennwurzn hat gut erkannt, dass Position 1 totremis ist. Ich war stolz darauf und sehr zufrieden damit. Fakt ist aber -- hier vielleicht das ausstehende Beispiel 3 anschaulich --, dass es Spieler gibt, die einen derartigen Zeitvorteil ohne größere Bedenken in einen vollen Punkt umwandeln. Man müsste ja nun die Frage stellen: was wäre bei 4, 3, 2, 1 verbliebenen Sekunden auf Gegners Uhr? Ab wann kommt der Moment, dass man sich einfach sagt: "Nein, wenn er SOOOO viel Zeit verbraucht, dann ist er eben selber Schuld." und sich nachher noch den einprägsamen Satz vermummelt "die Uhr ist auch eine Figur", und diese hat er eingestellt -- das kann einen Punkt kosten.
Die graduellen Unterschiede in den vielen Stellungen sind sehr schwer, an einzelnen Beispielen aufzuzeigen. Hier wurde der Versuch unternommen. Sobald man aber die Situation auf der Uhr mit einbezieht, wird es unendlich kompliziert. Es gäbe hunderte von Beispielen und Fällen, alle gar lohnenswert zum aufzeichnen und darüber nachdenken. Nur: wer machte sich diese Mühe? Und: wer läse das Ganze nach der Niederschrift?
#5 Dirk Paulsen 2012-12-19 09:56
"vermummelt" ist Rechner Phantasie. Es sollte ein "vormurmeln" werden -- kannte er, der tumbe Rechner, noch nicht.
-1 #6 Thomas Richter 2012-12-19 12:25
Das erste Diagramm hatte ich vor langer Zeit mal so ähnlich auf dem Brett, aber mit umgekehrten Vorzeichen. In der ersten Runde eines Schnellturniers in Frankfurt-Höchst (später nach Mainz umgezogen und noch viel stärker besetzt) spielte ich gegen einen IM. Das war wohl meine erste Partie überhaupt gegen so einen Gegner (allzu viele gab es in den 25-30 Jahren seither auch nicht).

Ich verlor schnell einen Bauern, konnte die Stellung dann aber zusammenhalten und irgendwie in ein Endspiel mit ungleichfarbigen Läufern abwickeln - wohl mit Hilfe des Gegners der die Partie bereits abgehakt hatte. Das kostete natürlich Bedenkzeit, es stand dann etwa so:

Weiss Kh3, Lf7, Bh5 und 5 Minuten
Schwarz Kc3, Ld6, Bb4, h6 und 20 Minuten.

Diese Stellung spielte der IM "auf Gewinn"; ich bat ihn mehrfach (zunächst freundlich, später weniger freundlich) auf derlei Unsinn zu verzichten. Beim Gehacke half auch noch dass die Uhr von ihm aus rechts stand, also konnte er seine Züge plus Uhr drücken schneller ausführen als ich meine. Dann sagte ein mir unbekannter Zuschauer dass ich remis claimen kann (ob der sich einmischen durfte? wohl eher nicht ...). Auf die Idee die Uhr abzustellen und dann einen Schiedsrichter zu suchen kam ich nicht, das hätte er wohl als Aufgabe interpretiert, sonst hätte er zumindest das vorschlagen können. Also rief ich mehrfach laut "Turnierleiter!!" womit ich sicher andere Spieler störte deren Partien noch nicht entschieden waren. Dann kam jemand, schaute sich das noch einige Zeit an und gab die Partie dann remis - was wäre eigentlich wenn vorher mein Blättchen fällt?

Ich hatte sogar erwogen "wenn er den Punkt so dringend will oder braucht, soll er ihn bekommen". Aber wie macht man das dann? Fünf Minuten über den nächsten Zug grübeln, den b-Bauern durchlaufen lassen oder den Läufer hergeben???
+1 #7 Michael Schwerteck 2012-12-19 12:44
Ehrlich gesagt sehe ich nicht, was die aufgeführten Beispiele mit Fairplay zu tun haben.
In Fall 1 könnte Weiß problemlos nach FIDE-Regel 10.2 (gilt auch im Schnellschach) beim Schiedsrichter Remis reklamieren. Um sich die überflüssige Prozedur zu ersparen, kann man natürlich auch gleich Remis vereinbaren.
In Fall 2 ist die Stellung zwar objektiv remis, aber es gibt schon noch gewisse Ideen, die man probieren kann. Also eindeutig kein Fall von 10.2, sondern man darf selbstverständlich weiterspielen. Die Historie der Partie hat damit absolut gar nichts zu tun.
+2 #8 Krennwurzn 2012-12-19 12:50
Zitat:
10.2 Wenn der Spieler, der am Zuge ist, weniger als zwei Minuten Restbedenkzeit hat, darf er, bevor sein Fallblättchen gefallen ist, remis beantragen. Er ruft den Schiedsrichter herbei und darf die Uhren anhalten (siehe Artikel 6.12.b).
So steht das in den FIDE-Regeln - die gelten auch beim Schnellschach, nur bei Blitzschach gilt § 10 nicht - ist auch nicht wirklich sinnvoll - ebenso gilt dieser nicht bei Bedenkzeiten mit Aufschlag (Inkrement)! Da muss/darf ausgespielt werden.
+1 #9 Michael Schwerteck 2012-12-19 13:05
@ Thomas Richter: Nimm's nicht persönlich, aber Dein Fall ist wirklich haarsträubend. Da hast Du alles falsch gemacht, was man falsch machen kann, befindest Dich aber (leider) in guter Gesellschaft. Völlige Ignoranz der FIDE-Regeln ist selbst unter erfahrenen und starken Spielern extrem verbreitet. Herrgott im Himmel, wie schwer kann es sein, sich einmal im Leben ein paar wenige Artikel im Regelwerk duchzulesen?

Die richtige, nicht allzu komplizierte Vorgehensweise sieht wie folgt aus: Abwarten, bis man weniger als zwei Minuten hat, Uhr anhalten (!), Schiri holen. Diesem erklären, aus welchem Grund man Remis reklamiert. Wenn der Schiri halbwegs kompetent ist (leider auch nicht immer der Fall), lässt er ein paar Züge weiterspielen. Wenn man ihm zeigt, dass man den Läufer immer auf der richtigen Diagonale hält, wird er die Partie alsbald remis geben. Alles geht also seinen friedlichen, geordneten Gang und es gibt überhaupt keinen Grund, den Gegner zu beschimpfen oder im Turniersaal herumzubrüllen.
#10 Losso 2012-12-19 13:17
@Mattovsky: Ähnlich haarsträubend verläuft auch nahezu immer die Reklamation einer dreifachen Stellungswiederholung. Auch unter Profis.
#11 Thomas Richter 2012-12-19 14:25
@Mattovsky: Natürlich habe ich mich nicht korrekt verhalten (ob mein Gegner sich fair verhalten hat sei dahingestellt), ich war eben "grün". Damals war ich vielleicht 16 Jahre alt, hatte Elo ca. 1800 und es war mein erstes derartiges Turnier oder zumindest das erste Mal dass derlei Regelkenntnis geholfen hätte. Wie angedeutet, zumindest hätte mein durchaus erfahrener Gegner sagen können wie ich korrekt Remis reklamiere. Sprachprobleme waren es wohl eher nicht, er war zwar Osteuropäer sprach aber einigermassen Deutsch. Generell lernt man derlei Regeln wohl erst wenn/nachdem man (als Beteiligter oder Zuschauer) einen Streitfall erlebte, oder wenn sie in einem Schach-Blog thematisiert werden?

Kompetenz der Schiedsrichter ist auch so eine Sache, zumindest kann man sich nicht darauf verlassen (später in Mainz sicher kein Thema, aber das war eines ihrer ersten Turniere). Was wenn er Uhr anhalten als Aufgabe interpretiert?
Noch ein Fall aus meiner Praxis (insgesamt hätte ich genug für einen oder mehrere eigene Blogbeiträge): In einem Blitzturnier setze ich matt und quasi gleichzeitig fällt mein Blättchen, wer hat gewonnen? Unmöglich zu rekonstruieren was zuerst kam, vielleicht hatte ich beim Loslassen der Figur noch eine (halbe) Sekunde, nicht genug um die Uhr zu drücken. Mein Gegner reklamierte jedenfalls erst danach. Der Schiedsrichter des D-Finales gab ihm den Punkt, der Hauptschiedsrichter (zuständig für GMs im A-Finale) bestätigte nach Ablauf des Turniers diese Entscheidung. Das kostete mich - zu dem Zeitpunkt einige Runden vor Schluss bereits absehbar - für meine Verhältnisse viel Preisgeld, ca. 50 bis 100 Euro, während mein Gegner irgendwo im Mittelfeld rumdümpelte.
Haben der/die Schiedsrichter richtig entschieden? Einige Titelträger sahen es anders und haben mich bei der nächsten Auflage ein Jahr später noch darauf angesprochen. Hat mein Gegner sich fair verhalten? Vielleicht hätte man sich salomonisch auf remis einigen können ... . Für ihn selbst ging es nur um die goldene Ananas, aber vielleicht hat er Freunden oder Vereinskollegen geholfen die - wie ich - um Preisgeld kämpften. Sollte die Turniersituation überhaupt eine Rolle spielen? Für mich in dem Fall schon - wenn nichts auf dem Spiel gestanden hätte dann hätte ich weniger energisch und ausdauernd protestiert ... .
+1 #12 Michael Schwerteck 2012-12-19 15:23
Uhranhalten vor einer Reklamation als Aufgabe zu interpretieren, diesen Vogel hat meines Wissens noch keiner abgeschossen, aber generell stimmt es leider, dass die mangelnde Kompetenz vieler Schiedsrichter erschreckend ist. Sie werden relativ selten gebraucht, aber wenn sie gebraucht werden, machen sie mehr falsch als richtig.

Wir kommen ein bisschen von Thema Fairplay ab, aber von mir aus kann ich Thomas' kleinen Fall lösen:
Matt beendet sofort die Partie; ob man es hinterher noch schafft, vor dem Blättchenfall die Uhr zu drücken, ist egal. So weit es wohl bekannt. Im Blitzschach gilt außerdem die Reklamationspflicht. Entscheidend ist nicht, wann das Blättchen tatsächlich gefallen ist, sondern wann dies reklamiert wurde (dafür muss die Uhr angehalten werden!). Wenn der Gegner also erst nach Ausführung des Mattzugs (d.h. Loslassen der Figur) reklamiert, ist es auf jeden Fall zu spät. Die Frage, was zuerst kam, Blättchenfall oder Matt, spielt also gar keine Rolle. Selbst wenn 20 Zeugen übereinstimmend aussagen, dass die Klappe schon vorher gefallen war, ist es egal. Fazit: Einmal mehr haben die Schiedsrichter falsch entschieden. Seufz.
+1 #13 Gerhard 2012-12-19 16:37
Lieber Herr Paulsen,
ich frage mich immer, ob es sinnvoll ist, allzu „juristisch“ spitzfindig zu sein. Diese zwei Fälle unterscheiden sich m.E. nur graduell ! In beiden Fällen ist ein einfaches Remis auf dem Brett. Auch im Zweiten, da muß ich Ihnen, Herr Paulsen, widersprechen!
Was aber in beiden Fällen ziemlich gleich ist:

Der Elostärkere wünscht weiterzuspielen, WEIL er ein paar Elo mehr hat.

Dies ist offenbar Legitimation genug. Im ersteren Fall ist es völlig unsinnig, dies zu tun – man würde nur auf Zeit verlieren (dies haben allerdings einige GMs in ähnlicher Lage so praktiziert, aus Wut darüber, dem anderen ein Remis zu geben oder anzubieten, haben sie lieber verloren).
Also bot ihr Gegner Remis an, schickte sich ins Remis. Daß sie, Herr Paulsen, auf Zeit hätten weiterspielen konnten, das wäre ein Affront gegen das Spiel selbst, aber es wäre ihnen frei gestanden. Also – aus Gründen der Würde – machten Sie Remis!

Im 2ten Fall hätten Sie sofort Remis gemacht, wenn nicht ein 2000er ein Remis geboten hätte, sondern ein veritabler Großmeister. Aber der 2000er, der es geschafft hatte, eine Fast-Mattstellung und dann eine Remisstellung gegen sie zu erreichen, hat es nicht verdient! Er hätte es auch nicht verdient, wenn er seinen c-Bauern in Stich gelassen hätte. Sie sagen ja selbst:“… Aber selbst wenn er dies getan hätte, so gebe ich unumwunden zu, hätte ich die Partie niemals Remis gegeben“.
Also spielte doch so etwas wie ein Standesdünkel eine Rolle - oder liege ich da falsch?
Ein 2000er KANN dieses Endspiel verteidigen, ein 1400er womöglich nicht.
Oder spielte einfach das Testosteron, angesichts eines mögl. Turniersiegs, eine Rolle, sodaß man sich nicht groß über Unfairness und unsachgemässes Verhalten unterhalten muß?! Schach ist nun mal ein Sport!
Ich sage im übrigen NICHT, daß ich mich im 2. Fall NICHT auch so verhalten hätte! Ich hätte es womöglich auch versucht – aber ich wäre dabei in Graden unfair gewesen, das ist sicher.

Ungeachtet meiner Anmerkungen: Ein interessanter und guter Artikel.
+1 #14 Friedrich 2012-12-19 18:38
Ich finde diesen Beitrag in mehrfacher Hinsicht hervorragend. Eigentlich hat er mit Schach und dem FIDE Regelwerk wenig zu tun. Je nach Sachlage, Historie und Rolle kann man bezüglich eines Gedankens wie dem des Fairplay zu sehr unterschiedlichen Bewertungen kommen.
Angeregt durch das Bild kam mir sofort das böse Faul Zidanes gegen Materazzi in den Sinn. Materazzi wollte provozieren, Zidane ist darauf reingefallen, der Schiedsrichter musste die rote Karte zeigen. Letztlich erreichte Materazzi durch extrem unsportliches Verhalten (das wäre die Historie) dass sein Gegner die Contenance und letztlich das Spiel verlor.
+1 #15 Gerald Fix 2012-12-20 09:15
@ #12 Mattovsky

Das ist so eine Sache, was allgemein bekannt ist, wenn es um Partieende und Blättchenfall geht.

Ich war vor etlichen Jahren mit einer Jugendmannschaft bei einer deutschen Meisterschaft auf Rügen. Gleichzeitig fand dort die deutsche Einzelmeisterschaft statt. Bei einem gemeinsamen Blitzturnier gelang es einer meiner Spielerinnen, einen Meisterspieler Patt zu setzen - in dem Moment fiel ihr Blättchen. Der Meisterspieler hat so lange rumgenervt, dass er gewonnen habe, bis es sogar dem Mädchen zu blöde wurde. Er habe recht, und sie ihre Ruhe.
+1 #16 Dirk Paulsen 2012-12-20 11:05
@Gerhard: es ist die große Frage, ob der wesentlich bessere Spieler überhaupt in so eine Lage geraten würde. Falls er es denn täte, so gibt es durchaus die Berechtigung, aus ihr Kapital zu schlagen. Allerdings: ich nehme sehr wohl an, dass der Großmeister, falls es ihm denn doch einmal passieren sollte, nicht etwa Remis reklamieren würde -- wie vielleicht der eine oder andere schwächere Spieler -- sondern stattdessen die knappe Bedenkzeit gut einteilen, möglichst rasch zu erkennen gäbe, dass er sehr wohl wüsste, wie man sich aufzubauen hätte, und man insofern vielleicht doch bald die Bemühungen einstellen würde. Nach der beschriebenen Partiefortsetzung, einschließlich des weiter größeren Zeitverbrauchs, stand der Partieausgang bald außer Frage. Dennoch haben Sie, lieber Gerhard schon irgendwie recht, dass es meist der eloschwerere ist, der den Gewinn anstrebt und der geringer eingestufte, der sich eher leicht überreden lässt, ins Remis einzuwilligen, da er ja bereits ein vorzeigbares Erfolgserlebnis hat.

Dass es viele andere Beispiele gibt, möchte ich gerne in einer Fortsetzung der Serie zeigen. Mir sind bereits etliche weitere Beispiele eingefallen, die ich gerne -- vermutlich einzeln -- in den nächsten Tagen/Wochen zu Papier bringen und hier zur Diskussion stellen werde. Die vielen Kommentare haben mich jedenfalls in dem Sinne bestätigt, dass es ein spannendes Thema ist, mit dem jeder so seine Erfahrungen hat und welches anregt, um sich damit eingehender zu beschäftigen.
#17 Thomas Richter 2012-12-20 22:54
Auch wenn die Diskussion inzwischen bei Teil 2 weiter tobt passt das wohl besser hier: Auch wenn ich mich selbst mehrfach über Schiedsrichter geärgert habe (der erwähnte Fall war nicht der einzige) würde ich sie nicht pauschal verurteilen:
1) Fair play ist im Prinzip wenn man den Schiedsrichter gar nicht braucht. Oft (Vereinsmeisterschaft, Mannschaftskämpfe unterer Spielklassen) gibt es ja gar keinen (neutralen) Schiedsrichter.
2) Viele Schiedsrichter sind ehrenamtlich, es ist nicht unbedingt ihre Schuld wenn sie unzureichend qualifiziert sind, und Menschen machen eben auch mal Fehler.
3) "wenn sie gebraucht werden, machen sie mehr falsch als richtig" [Mattovsky] - worauf beruht diese "Statistik"? Es fällt vielleicht nur eher auf wenn sie Fehler machen? Das gilt ähnlich auch für Fussball-Schiedsrichter. Nur da ist es inherent dass sie oft eingreifen müssen, und dass ihre Urteile (falsche aber auch richtige) eine Partie entscheiden können.

Zum zweiten Diagramm: Ich habe es mehrfach erlebt, dass einige hundert Punkte bessere Spieler in vergleichbaren Stellungen gegen mich remis akzeptierten, manchmal mit den Worten "das hast Du Dir erkämpft". Prominentester war Robert Rabiega - das erwähne ich nicht um mich damit zu brüsten (die Partie war ziemlich kurios), nur um einen Namen zu nennen den das Publikum und speziell Dirk Paulsen wohl kennen. Allerdings war das in der Vorrunde des Travemünde-Blitz wo er nicht unbedingt jeden halben Punkt brauchte.
Natürlich darf der stärkere (oder auch der schwächere) Spieler weiterspielen. Im Beitrag von Dirk Paulsen wundert mich nur "Zur Remisstellung kam es NUR, weil der Sieg DAMIT gewiss war" etwas. Warum war der Sieg gewiss? Weil der Gegner _garantiert_ noch einen Fehler macht, oder weil Zeitüberschreitung auch ohne Fehler nicht zu vermeiden war?
#18 Gerhard 2012-12-20 23:23
Eine richtige Schlußfrage, Thomas!
#19 Dirk Paulsen 2012-12-21 09:13
@Thomas Richter: Robert Rabiega kenne ich nicht nur sehr gut, sondern habe auch speziell mit ihm ausgesprochen viel über dieses Thema gesprochen. Man muss jeden Fall und jede Stellung genau anschauen, dies das Credo an dieser Stelle. Eine "vergleichbare Stellung" mag es gewesen sein, aber könnten Sie diese vielleicht genau zeigen? Ich habe Robert beispielsweise in einem wichtigen Blitzturnier -- der Norddeutschen Blitzmeisterschaft; er war aber noch recht jung -- mehrfach Stellungen auf Sieg spielen sehen, die ähnlichen Charakter hatten. Um ein Beispiel herauszupicken -- ich habe auch darüber häufig mit ihm gesprochen -- gab es zwei Turmendspiele mit der Konstellation zwei gegen zwei Bauern am gleichen Flügel, ohne jede nennbare Schwäche. Er hatte den Zeitvorteil und war ohnehin der schnellste, und hat die Partie gewonnen. Der "Lohn" damals: ein Turniersieg.
In Ihrem Fall müsste ich also zunächst die Stellung sehen, aber selbst wenn sie eine mit meiner vergleichbaren Charakter hätte -- und die Stellung Müller - Paulsen ist keinesfalls tot remis, hier gibt es noch Spiel und Chancen, für beide Seiten -- höre ich nur heraus, dass der Turniersieg für ihn mit dem Remis nicht in Zweifel geriet, da die Qualifikation für das Finale, so nehme ich an, bereits gesichert war.

Die Stellung, die ich gegen Mark Müller hatte, bot Chancen für beide Seiten. Da ich leider den exakten Fortgang nicht mehr in Erinnerung habe, kann ich es nur versuchen, verbal zu beschreiben. Dies ist im Text geschehen. Er hatte einen Plan, der zwar möglicherweise das Remis sicherte, ihm vielleicht sogar eine Chance auf den Sieg überließ, der aber entweder schlecht ausgeführt oder allgemein nicht ganz richtig war, ohne Zweifel aber blieb es dabei, dass jeder Zug ihm Mühe bereitete, also nicht einfach von der Hand ging, es also Stellungsprobleme gab. Dass diese in einer Verluststellung mündeten, war nicht zwangsläufig und dies behaupte ich auch gar nicht. Immerhin aber bewiese es so viel, dass die Stellungsprobleme (oder eben die beiderseitigen Chancen) so groß waren, dass man in jedem einzelnen Zug fehlgreifen konnte -- welches Schicksal ihm widerfahren ist.

Die zahlreichen Facette des Lebens sind zwar wunderschön, nur zugleich gibt die Sprache es nicht her, für jeden unterschiedlich gespürten, erlebten, gesehenen Fall ein eigenes Wort, einen Begriff, vielleicht eine Redewendung oder einen ganzen Satz dafür zu finden. Dies eine sehr allgemeine Behauptung und könnte direkt zu einem philosophischen Exkurs über die Sprache führen. Dieser soll hier entfallen, aber doch immerhin so viel angemerkt werden, dass es sehr wohl diese Nuancierung gibt, dass eine Stellung ausgeglichen oder Remis ist.

Es gibt sehr viele ausgeglichene Stellungen, bei welchen kein Mensch auf der Welt auf die Idee kommen würde, sie als "Remis" zu bezeichnen. Es gibt ein paar theoretische Remisstellungen, von denen man sich gerne auch die Technik zeigen lassen kann. Manche haben nämlich einzige Wege, und es ist absolut legal, sich diesen Weg zeigen zu lassen. Bestes Beispiel immer wieder: Turm gegen Turm plus Bauer. Auch bei diesen theoretischen Remisstellungen gibt es bereits so viele Unterschiede, kleinste Feinheiten, und zahlreiche, in der Praxis erlebte kuriose Fälle. Eines ist aber gewiss: wenn man sich über die Kenntnis und das Verständnis der Stellung informiert hat -- sprich: man hat ein paar Züge gemacht, die ganz normalen Züge, auch König gegen König plus Bauer gehört dazu -- und sieht, dass der Gegner dieses beherrscht, dann würde es direkt in Umsportlichkeit übergehen, sofern man nun die Stellung zwei bis drei Mal, auf Umwegen, wiederholt, um sich den Remisweg sozusagen ein zweites Mal zeigen zu lassen.

Meine Formulierung war insofern vielleicht unglücklich, nur geht recht deutlich aus dem Zusammenhang hervor, was gemeint war und wie es zu verstehen war (zumal es ja sogar im Diagramm festgehalten ist, man sich also rein optisch gepaart mit dem eigenen ausgeprägten Schachverständnis damit vertraut machen kann). Was ich meinte ist dies: "ich ließ mich auf die ziemlich ausgeglichene Stellung ein, weil ich damit den Sieg ziemlich sicher stellen konnte".

Es war ja in dem Moment nicht nur mir, sondern auch meinem Gegner bewusst, der mir übrigens am nächsten Tag eine Mail zukommen ließ, dass er nicht das kleinste Bisschen Unsportlichkeit dabei empfunden hätte. Eher meinte er, dass es eigentlich nicht nötig gewesen wäre, dies überhaupt zu einem "Fall" zu machen.
#20 Thomas Richter 2012-12-21 13:04
Die Stellung gegen Rabiega genau zu rekonstruieren ist zuviel verlangt - das war irgendwann im letzten Jahrtausend! Ich weiss nicht mehr wer remis angeboten hat, war aber durchaus etwas überrascht dass er auf weitere Gewinnversuche verzichtet hat. Angenehm überrascht da es (meine Einschätzung) auf Stellung nicht mehr zu gewinnen war, aber durchaus auf Zeit - d.h. nicht vereinfacht genug für Regel 10.2.

Die Qualifikation fürs Finale hatte er da noch nicht sicher (es war vielleicht die vierte von fünfzehn Partien in der Vorrunde), sie war aber wohl absehbar Formsache: er hatte allenfalls einen Konkurrenten, und zwei kommen ins A-Finale. Diese Turniersituation hat wohl eine Rolle gespielt - in anderen von mir angedeuteten Fällen wurde ich vielleicht 12. und mein nominell stärkerer Gegner 6. ohne Chancen auf Preisgeld. Ob die Turniersituation eventuell mangelndes Fair play (immer Ansichtssache!) rechtfertigt, ich würde sagen eher nicht.

Bei den Stellungen gibt es ein weites Spektrum: Am einen Ende war ich mal Augenzeuge wie ein Vereinskollege im Blitz Turm und 3 Sekunden gegen Turm und 10 Sekunden verlor nachdem der Gegner remis ablehnte, natürlich auf Zeit. Der Gegner hat ihm dann ein Bier ausgegeben und sich so quasi entschuldigt, er "brauchte" eben den vollen Punkt. Selbst war ich mal (als Ersatzmann ins Team gerutscht) kurz nach der Wiedervereinigung bei der Norddeutschen Blitzmannschaftsmeistersc haft dabei wo zwei "Kulturen" aufeinander prallten: im Westen war derlei ziemlich verpönt, in der DDR anscheinend üblich und akzeptabel denn "die Uhr gehört zur Partie".

Turm und Bauer gegen Turm habe ich selbst mal gegen einen nominell stärkeren Spieler weitergespielt, in der "Schnellschachphase" einer Normalpartie - ich hatte mehr Zeit und habe am Ende auf Stellung gewonnen. Da war ich mir zum einen nicht sicher ob es wirklich remis war (das war es objektiv), zum anderen absolut sicher dass mein Gegner unter umgekehrten Vorzeichen auch remis abgelehnt hätte.

Ganz am anderen Ende des Spektrums ist Turm und Läufer gegen Turm, das versuchen auch GMs gegeneinander oft maximal 50 Züge lang - und obwohl es objektiv remis ist gewinnt der Spieler mit Materialvorteil in der Praxis vielleicht jede zweite Partie.

Bei Müller-Paulsen würde ich mit dem König zum c-Bauern laufen tendenziell als möglichen aber riskanten Gewinnversuch interpretieren, das ging dann eben schief.

Noch eine Anekdote von einem niederländischen Blitzturnier: da machte Korchnoi einen illegalen Zug (Dh5-f6), der Gegner (FM vom ausrichtenden Verein) überlegte nach eigener Aussage ca. 10 Sekunden ob er reklamieren soll und verzichtete dann darauf - er wollte keinen Aerger zumal Korchnoi damals für denselben Verein spielte ... . Ob der regelwidrige Zug Absicht war werden wir nie erfahren, andererseits hat Korchnoi den Ruf (bei anderen Gelegenheiten im selben Turnier bestätigt) dass er sich furchtbar aufregen kann manchmal auch absolut zu Unrecht.
Da und in anderen Fällen ist es auch die Frage ob man bei "unwichtigen" Partien unbedingt auf seinem Recht besteht?

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