Frauenschach auf dem Prüfstand

Für die Männer die Golddukaten und den Frauen ein Mon Chéri – so ähnlich war es Ende der 80er Jahre in der Publikation „Schachwoche“ zur Honorierung der Nationalmannschaft zu lesen. Seitdem floss viel Wasser den Rhein herunter, und die Gleichberechtigung hielt Einzug. Zwar haben wir nur unwesentlich mehr weibliche Schachspieler, doch stieg der Budgetanteil bei der jüngsten Schacholympiade auf 50%, und damit auf ein Niveau, das für Unmut in den Reihen der männlichen Nationalmannschaftskandidaten sorgte. Gehen einige der gleichgestellten Damen doch in Ihrer Freizeit dem Schachsport nach, während für die gesamte Herrenmannschaft Schach den Fokus des Lebens darstellt – der Spielstärkeunterschied ist entsprechend.

Hier einige Zahlen:
Eloschnitt Herrenmannschaft*: 2534, schlechtester Spieler Elo 2461, ca. Platz 80 in D
Eloschnitt Frauenmannschaft 2344, schlechteste Spielerin Elo 2237, ca. Platz 1100
Eloerwartung eines Matches Herren – Damen 7,5 zu 2,5
(*Mannschaft der letzten Schacholympiade. Zu den aktuellen A-Kaderspielern, den TOP 5, fällt der Elounterschied noch wesentlich deutlicher aus, sie weisen einen Schnitt von 2655 aus.)

Anteil männlicher Schachspieler ü18 im DSB ca. 95,7%
Anteil weiblicher Schachspieler ü18 im DSB ca. 4,3% (ca. 2900)
(Quelle: DOSB-Bestandserhebung 2009, www.dosb.de)

Etat des Schachbundes zur Spitzensportförderung ca. 110.000 €:
Anteil Männer: 65.000 € = 59%
Anteil Frauen: 45.000 € = 41%
Weitere Zuwendungen (u. a. auch Honorare für Nationalmannschaftseinsätze) laufen über andere Töpfe. So kostet z. B. die separate DM der Frauen zwischen 7.000 und 11.000 €/Jahr.

Jahrzehntelange Förderung hat anscheinend die Anzahl schachspielender Frauen keinen wesentlichen Einfluss und trotzdem wird dieses Thema tabuisiert. Ausgehend von der aktuellen Förderung (genaue Zahlen zur Vergangenheit liegen sicher beim DSB vor) sind in das Frauenschach in den letzten 20 Jahren somit weit mehr als eine Million Euro geflossen. In dieser Zeit hat es eine Frau auf über Elo 2400 geschafft und ganz wenige über 2300 - Zeit für einen kritischen Blick.

Spielen Frauen schlechter Schach als Männer? Hierzu liegen keine verlässlichen Angaben vor - sie sind mengenmäßig deutlich unterrepräsentiert, weshalb zwingend auch die Spitze dünner sein muss. Allerdings sollte der Anteil statistisch im Verhältnis stehen, z. B. bei den Spielern der TOP100 = über Elo 2443 (weiblich Ist 1, bei 4,3 % liegt das Soll bei 4)
Wenn Sie jedoch nicht schlechter spielen, warum sind sie schützenswert und werden protegiert? Frauen haben ihre eigenen Meisterschaften, Bundesligen und die Berechtigung, zusätzlich bei den Herren starten zu dürfen. In Sportarten, in denen es auf Muskelkraft ankommt, ist das leicht verständlich, beim Schach hingegen geht mir dieser „Protektionismus“ zu weit.

Letztendlich gilt es zu hinterfragen, ob das deutsche Schach ohne oder mit geringerer geschlechterspezifischer Förderung in Spitze und Breite spürbar schlechter dastehen würde. Hätten wir einen geringeren Frauenanteil? Gäbe es die einzige in der deutschen Spitze (Nr. 70) auffallende Spielerin, Elisabeth Pähtz, nicht oder wäre diese sogar stärker, wenn sie sich mit der männlichen Konkurrenz messen müsste?

Zu diesem Thema führten wir eine kurze Umfrage durch. Anlass bot die Meldung auf der Website des Schachbundes zur aktuellen Runde der Frauenbundesliga. Wir fragten “Was halten Sie von der Frauenbundesliga?“. Die Beteiligung daran hielt sich in Grenzen und das Ergebnis ist dementsprechend nicht aussagekräftig, allerdings fiel es wenig überraschend aus:
Nur 14 % fanden Frauenschach spannend. Ganz bitter war jedoch eine Quote von über 42%, die von dieser Veranstaltung noch nie etwas gehört haben…. Zur Umfrage

Was halten Sie von diesem Thema? Gibt es Handlungsbedarf oder sind wir auf dem rechten Weg? Vor allem interessieren auch Meinungen der Schachspielerinnen. Aus diesem Lager vernahm ich in der Vergangenheit durchaus Aussagen wie "Ich fühle mich durch die Förderung ein bisschen diskriminiert, nehmen sie aber gerne mit."
Über eine angeregte Diskussion würde ich mich freuen.
Jörg Hickl

Großmeister, Schachtrainer, Schachreisen- und -seminarveranstalter.
Weitere Informationen im Trainingsbereich dieser Website
oder unter Schachreisen

Webseite: www.schachreisen.eu

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