Was erlauben Schachbund? Unser aller Verband, seit Jahren geübt und bewährt darin, solide Strukturen für den Schachsport zu schaffen, landesweite Ligen und Meisterschaften erfolgreich zu organisieren, die DWZ zu berechnen und Frauen, Prinzen, die Jugend und alle, die es verdient haben, zu fördern - unser Verband schlittert offenbar in eine leichte Irritation in der Führungsspitze.
Es begann ja alles schon im Herbst bei den Deutschen Meisterschaften in Verden. Gut zwei Runden vor Schluss des Turniers trat Klaus Bischoff von seinem Amt als Deutscher Meister zurück. Das dadurch entstandene Machtvakuum im DSB füllte sich aber flugs, als man Daniel Fridman nur wenige Tage später als Bischoffs würdigen Nachfolger ausrief und so die Krise bald glücklich überwinden konnte.
Dann aber kam das Frühjahr, und mit ihm verschwand nicht nur das schlechte Wetter, sondern auch Michael Langer aus dem Vorstand des DSB. Der Vizepräsident für Finanzen kündigte an, bei den im Mai anstehenden Wahlen nicht wieder für sein Amt kandidieren zu wollen.
Was war der Hintergrund? In einem Geheim- Interview mit der berüchtigten Krennwurzn blieben die Gründe eher im Vagen - laut Langer war die Arbeit innerhalb des Präsidiums "inhaltlich und atmosphärisch nicht mehr positiv". Als Präsident des Niedersächsischen Schachverbandes wird Michael Langer allerdings weiter ehrenamtlich wirken.
Dennoch, ein kompetenter und langjährig engagierter Mann bereits weg aus der Schachbund-Spitze, schade ist das, doch kaum hatte man sich damit arrangiert, folgte bereits der Nächste: heute meldete sich ein weiterer Michael vom Dienst ab und erklärte ebenfalls, bei der kommenden Wahl nicht wieder zu kandidieren.
Seit zwei Jahren hatte der Bremer Michael Woltmann in seiner Funktion als Vizepräsident für Verbandsentwicklung versiert an der Außendarstellung des Schachbundes gefeilt. Unter anderem gehen die neu gestaltete DSB- Homepage und eine neue, inhaltlich spannendere Ausrichtung der Seite mit aktuellen Beiträgen auf seine Initiative zurück, ebenso die Öffentlichkeitsarbeit im virtuellen Raum via Facebook und mit der Schachbund-App.
Was ist nur mit den Michaels?
Zwar ist die Datenlage zu beiden Personalien insgesamt noch recht dünn, doch fällt auf, dass nun binnen Kurzem zwei Vize-Präsidenten den alten Tanker DSB verlassen werden.
Solcherlei Wechsel sind natürlich durchaus normal in einem demokratisch gewählten Präsidium, denn die Verbandsarbeit fordert Zeit und permanente Energie von ihren Ehrenamtlichen, und sie bringt Strapazen und Enttäuschungen mit sich. Da hört man dann manchmal einfach lieber auf - aus reinem Selbstschutz, und vielleicht auch, weil die oft zähe Tätigkeit der Funktionäre in Teilen der Schachbevölkerung nicht immer so hoch angesehen und, wie heißt es noch, gewertschätzt wird, wie es angebracht wäre.
Doch darüber hinaus scheint auch das Verhältnis zum vor vier Jahren als Hoffnungsträger gestarteten DSB-Präsidenten Herbert Bastian nicht mehr ganz unbelastet zu sein. In der Kongressbroschüre, die als Vorlauf zum im Mai stattfindenden DSB-Kongress in Halberstadt bereits veröffentlicht wurde, schreibt Michael Langer:
"In Sachen Strukturrreform erlebte und erlebe ich ein Vorgehen des Präsidenten [...], das ich nicht bereit bin, mitzutragen."
Und: "Die Arbeitsatmosphäre im Präsidium, insbesondere die nicht stattfindende kooperative Führung und die Tatsache, dass nur in den seltensten Fällen überhaupt verbindliche Ergebnisse erzielt wurden, finde ich unerträglich."
Ups! Das sind zwei happige kleine Statements, und für sich allein gesehen werfen sie kein allzu helles Licht auf die (Zusammen-) Arbeit im höchsten schachlichen Gremium der Republik. Nun geht es in den allermeisten Vorständen kaum einmal ohne Reibereien ab, und auch nicht immer gehen alle fröhlich und beseelt nach einer Sitzung wieder zurück nach Hause. Dennoch werden Irritationen nicht ohne Weiteres immer publik gemacht - und die Tatsache, dass dies hier geschehen ist, lässt dann doch eine Deutung zu.
Ein Hauch von Unruhe auf dem Schachbrett
Wie ist es also bestellt um die Arbeit im Schachbund und um unseren Verband, unsere Leute in Berlin, die sich mit diffizilen Herausforderungen herumschlagen müssen - dem Mitglieder- und Vereinsschwund, dem steigenden Durchschnittsalter, einer gelinden Finanznot und dem nach wie vor recht mauen Image des Schachs in der Öffentlichkeit?
Wird das alles besser werden ohne die beiden Michaels? Oder werden sie dem DSB und einer inhaltlich-konstruktiven Arbeit sehr fehlen? Aus der Ferne ist das natürlich kaum zu beurteilen, doch stimmen die beiden jetzt erfolgten Personalwechsel - oder soll man sagen "Rücktritte" - im Präsidium recht nachdenklich.
Kommentare
Aber Du hast natürlich Recht. Auf Deinen freundlichen Hinweis hin habe ich die Bildunterschrift natürlich gleich angepasst - in der Tat war es ja Michael Woltmann, der (ohne dies hier noch weiter ausweiten zu wollen) im Blitzen einen fürwahr historischen Sieg geholt hat - gegen besagten Michael Langer.
Raymund Stolze hat in seinem Beitrag auch ein Statement von Präsident Herbert Bastian eingeholt:
http://www.chess-international.de/Archive/37743
Michael Woltmann
http://michaelwoltmann.de/schach/nebensache/r%C3%BCckzug-aus-dem-dsb/
Michael S Langer
http://de.chessbase.com/post/ruecktrittswelle-beim-schachbund
http://michaelwoltmann.de/schach/nebensache/reaktionen-auf-r%C3%BCckzug/
noch weiteres Öl ins Feuer!
Es stellt sich die Frage, ob dies noch gerechtfertigte Kritik oder schon Nachschlagen ist?
http://de.chessbase.com/post/interview-mit-herbert-bastian-3
Für Spannung ist jedenfalls gesorgt!!
http://www.schachbund.de/news/vor-dem-dsb-kongress-in-halberstadt.html
allerdings keinen Hinweis auf die als fix geltende Gegenkandidatur von Joachim Gries als Präsident.
Nun geht es erstmal weiter für zwei Jahre mit dem bisherigen Präsidenten und einem neuen Team rundherum. Schwer von außen zu sagen, wo die Wahrheit liegt rund um die Rücktritte der Vizes und die verschiedenen Vorwürfe rund um die bisherige Amtszeit. Der Honeymoon ist zumindest vorbei, auch für den Präsidenten.
Vor vier Jahren, als er das erste Mal gewählt wurde, hatte ich ein Gefühl von Aufbruchstimmung im DSB verspürt. Davon ist leider nicht viel geblieben. Und nach den zahlreichen Hinweisen der von mir geschätzten Vizes scheint die Stimmung im Vorstand am Ende arg belastet gewesen zu sein, und ziemlich einhellig sehen sie die Verantwortung dafür beim Präsidenten. Schwer einzuschätzen, aus der Ferne. Wahrscheinlich weiß es auch hier am besten ... Guido Montag!
Und ach ja, was ist mit Arkadij Naiditsch? Geht nach Aserbeidschan? Öl bohren? Verflixt, da geht ein starker Spieler von Bord. Sehr und sehr bedauerlich. Ich hätte es gerne gemocht, wenn er geblieben wäre.
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