Hamburger und andere beim Politiken Cup

Die Schachwelt schaut momentan vor allem auf Biel - aber was da so passierte (jede Menge) steht ja schon überall im Internet. Grossmeister, inklusiv einige 2700er, sind auch anderswo aktiv, zum Beispiel bei der ukrainischen Meisterschaft (alle ausser Ivanchuk) und - Thema des heutigen Beitrags - beim Politiken Cup im dänischen Helsingor. Aus internationaler Sicht diverse bekannte Namen, darunter mindestens zwei die Korchnoi zu seinen besten Zeiten auf Augenhöhe begegnen konnten. In der Breite natürlich vor allem Dänen und diejenigen die Dänen geografisch nahestehen. Aus deutscher Sicht diesmal keine GMs ... was mir auffiel: diverse alte und neue (aber jedenfalls junge) Hamburger, mehrere Hessen (mein erster Landesverband) und sogar - was ich noch nicht wusste - ein Hamburger Hesse.
Wenn über Opens überhaupt berichtet wird werden die ersten Runden meistens ignoriert. Da erledigen Favoriten ihre Pfichtaufgaben - und wenn nicht dann haben sie bereits schlechte(re) Karten für den Rest des Turniers und schaffen es vielleicht auch nicht in den Abschlussbericht. Sonntag landete ich auch eher zufällig bei der Liveübertragung und blieb dann fasziniert hängen. Was folgt ist en recht ausführlicher Bericht zu Runde 3 mit Elounterschieden von ca. 300 Punkten. Ich konnte der Versuchung nicht widerstehen zu einigen Partien hinterher das Computer-Orakel zu befragen, werde das aber nicht einfliessen lassen - wer selbst nachforschen will, den kompletten pgn-File gibt es auf der dänischen (aber offenbar nicht der englischen) Turnierseite. Bei Superturnieren gehören Computerkibitze bei der Liveübertragung heutzutage dazu, und es lässt sich kaum vermeiden darauf zu schielen - diesmal war ich zunächst ahnungslos.

Los geht's im Schnelldurchlauf:
An Brett 1 spielte Jonathan Carlstedt (nächste Saison Wiesbadener SV) mit Schwarz gegen Malakhov. Der Elofavorit (des gesamten Turniers) schnappte sich einen Bauern den er dann recht sauber und sicher verwertete, Pflichtaufgabe erledigt.
An Brett 2 stand Cheparinov mit Schwarz gegen einen dänischen FM wohl besser, aber gerade als der mit Dauerschach entwischen konnte stand nach 39 Zügen das Ergebnis 0-1. Zeitüberschreitung?
An Brett 3 stand Dreev gegen WGM Anna Rudolf "unklar" und hatte bereits nach 15-20 Zügen nur noch eine Minute auf der Uhr plus jeweils 30 Sekunden Zugabe pro Zug. Irgendwie schaffte er nicht nur die Zeitkontrolle sondern erreichte auch ein gewonnenes Turmendspiel. Mich hätte interessiert was die Turnierseite dazu sagt, aber leider kann ich kein Dänisch ("GM Dreev var slemt på spanden mod WGM Anna Rudolf, men i Dreevs tidnød blev den unge kvindelige Stormester snydt så vandet drev, og pludselig var tårnslutspillet fuldstændig tabt!") und die Google-Uebersetzung ist ziemlich unklar: "GM Dreev was bad in the bucket against WGM Anna Rudolf, but Dreevs time constraints was the young female grandmaster cheated so the water ran, and suddenly tower playoffs completely lost!"
An Brett 4 brachte Ivan Sokolov ein kreatives Qualitätsopfer. Wer weiss ob es korrekt war, in Zeitnot fand sein dänischer Gegner vielleicht nicht die besten Züge und wurde am Ende von einer Bauernphalanx am Königsflügel erdrückt.
Soweit so gut für die Favoriten, auch wenn es vielleicht nur für Malakhov Routine war. An Brett 5 spielte Ivan Salgado Lopez auch gegen eine Dame, WGM Svetlana Cherednichenko (habe ich mich wirklich nicht vertippt?). Die Damen auf dem Brett verschwanden schon nach fünf Zügen (bis dahin kopierten sie eine Partie Hübner-Hickl). Nach 35 Zügen hatte Salgado vorübergehend drei Mehrbauern und dachte vielleicht "das schaukel ich jetzt nach Hause". Ab dem 45. Zug musste er Dauerschach geben (und konnte damit sehr zufrieden sein, aber ich wollte ja Houdini aussen vor lassen):  

salgado2

 

 

 

 

 

 

Von Brett 6 zeige ich kommentarlos die ganze Partie:

Dumm gelaufen für den russischen GM und ein schöner Erfolg für Malte Colpe. In Runde 4 spielt er mit Schwarz gegen Jonny Hector, das könnte wieder spektakulär werden.

... Der Leser erwartet doch nicht dass ich ALLE Partien kurz kommentiere? Erwähnen wir kurz den Hamburger Dänen Sune Berg Hansen (remis in 16 Zügen an Brett 11, offenbar war er mit der Eröffnung nicht zufrieden) und springen weiter zu Brett 13. Da brauchte - und hatte - Timman einige Geduld um einen gewissen Anders Hobber im Endspiel mit Läuferpaar gegen Läufer und Springer zu besiegen. Vielleicht war das so geplant, jedenfalls spielte er mit Weiss eine Caro-Kann Nebenvariante mit Damentausch nach 10 Zügen.

Brett 17: Timmans (und Korchnois) alter Rivale Lajos Portisch gegen Joachim Birger Nielsen. portisch.jpgIm 48. Zug entkorkte Portisch Lb4 - vielleicht eine Schrecksekunde für den Gegner, aber der Schuss ging nach hinten los. Es folgte 48.-Lxf2+ 49.Kxf2 Df7 50.Kg1 Ta2 51.Dxc7 Sd7 52.Lc5 Df3 0-1

 

 

 

Nett war noch Brett 29 - da zeigte Weiss (IM Bejtovic) dass man Turm plus zwei Läufer gegen Turm und Läufer auch ohne eigene Bauern gewinnen kann, jedenfalls wenn der eigene König beim Mattangriff mithilft.
Und dann gab es durchaus noch die eine oder andere Kurzpartie. Am schnellsten gewann Rasmus Svane an Brett 34 und war wohl selbst überrascht denn nach 19 Zügen stand es so:svane Schwarz steht wohl schon etwas angenehmer (zumindest für Freunde des Läuferpaars), aber wie verlor Weiss in zwei weiteren Zügen? So: 20.Lxg7 Kxg7 21.Td7 Lf6 0-1 (geplant war wohl 21.Nd5+, aber nach 21.-f6 22.Sxe7 Tc7 ist die gerade zurückgewonnene Figur schon wieder weg).



Kommentare   

#1 Tiger-Oli 2012-07-30 19:55
Hallo Herr Richter (aus Hessen!),

tolles Turnier, tolle Partienschau, und eine tolle Idee, dass Du hier darüber berichtest.
Vielleicht liest ja auch ein Däne mit, der uns anstelle von Google den Satz über Dreev übersetzen könnte ... !?

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