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Komisch, ich freu mich auf Dortmund

Komisch, ich freu mich auf Dortmund Stadtsparkasse Dortmund

Am Freitag gehen die Dortmunder Schachtage los. Und mich beschleicht ein in diesem Zusammenhang ungewohntes Gefühl. Ich freu mich drauf.

Ist es Zahlenkabbalistik? 1992 und 2002 hat das Traditionsturnier seine interessantesten Auflagen erlebt, und nun ist wieder ein Jahrzehnt voll. In den letzten Jahren habe ich mich über die Dortmunder Einladungspolitik geärgert. Kramnik und Leko waren wegen ihrer guten Beziehungen gesetzt, auch wenn sie gerade erkennbar schachmüde waren. Außer Naiditsch kam fast nie ein Deutscher zum Zug. Das ist dieses Mal anders. Gleich vier Deutsche dürfen mitspielen: Naiditsch, Meier, Fridman und Gustafsson dürfen sich mit Größen wie Kramnik, Caruana und Schnellschachweltmeister Karjakin matchen. Woher der Sinneswandel?

Vielleicht liegt es ein bisschen am Vorbild London, wo die spielstärksten vier Engländer sich einmal im Jahr gegen die Weltspitze antreten. In erster Linie aber wohl am sensationellen EM-Sieg, den die genannten vier, obwohl keine Freunde, im vorigen Herbst für Schachdeutschland erkämpft haben. Und dass der Deutsche Schachbund, als die Dortmunder ihren Plan vortrugen, sich bereit erklärt hat, einen Beitrag zum Turnierbudget zu leisten. So haben wir nun nicht nur ein weltweit beachtetes Turnier in Deutschland sondern ein deutsches Turnier mit weltweiter Beachtung.

banner-seminare-071230060Der Schachbund hat noch einen weiteren schlauen Zug vor: Die Dortmunder Stadtsparkasse wird für ihr langjähriges Engagement (seit 1994 ist sie Haupt-und Titelsponsor des „Sparkassen Chess-Meeting“) mit dem Deutschen Schachpreis ausgezeichnet. Wenigen ist bewusst, dass kommunale Sparkassen seit Jahren der wichtigste Geldgeber für Schach in Deutschland sind. Das dürfte im Zusammenhang mit Schulschach noch zunehmen, denn dies passt vorzüglich in die Förderkriterien.

Auch die Dortmunder Sparkasse zahlt nicht nur für Profis sondern fördert ebenso Schach in Schulen und neuerdings Kindergärten. Am spielfreien kommenden Mittwoch treffen sich die beiden Schachwelten, wenn sich die Großmeister in den Räumen des Sponsors vorwiegend jugendlichen Schachfans stellen. Dieser Brückenschlag könnte noch stärker ausfallen, etwa mit einem speziellen Programm für das Turnier besuchende Schülergruppen nach Londoner Vorbild.


Die Schachtage hätten nach dem bedauerlichen Ende des Mainzer Festivals auch in anderer Richtung Potenzial: Mit etwas Mut und Gemeinsinn könnte Dortmund der neue Treffpunkt des deutschen Schachs werden.


Eine Vorschau auf Dortmund ist auch in der FAZ erschienen.

Kommentare   

#1 Thomas Richter 2012-07-12 13:36
Zur Zahlenkabbalistik: 1992 war die 20. Ausgabe, das erste echte Superturnier und offenbar das einzige mit Kasparov - hatte er danach Einladungen abgelehnt oder (für die Organisatoren) unrealistische finanzielle Erwartungen? Davor war übrigens immer Platz für mehrere Deutsche - Wahls, Kindermann, Hickl, usw. . Und 2002 war das Kandidatenturnier, übrigens überzeugend gewonnen von Peter Leko.

Zur Einladungspolitik: Kramnik wäre wohl ohnehin gesetzt, unabhängig von Beziehungen zum Ausrichter einfach aufgrund seiner Resultate. Wann war er "erkennbar schachmüde"? Ausnahmsweise mal holte er 50% oder weniger (war das vor dem Turnier absehbar?), aber da war er jeweils Vorjahressieger und der wird fast immer wieder eingeladen.
Nur ein Einheimischer ist/war ja nicht typisch Dortmund, sondern die Regel bei den meisten Superturnieren (Linares, Bazna, Biel, Nanjing) - alle wollen ja ein kompaktes Feld und einen hohen Eloschnitt. Dortmund wich immer etwas davon ab indem sie dem Aeroflot-Sieger eine Chance geben, sicher lobenswert. Ausnahmen waren nur London (wo man aber als Ausländer absolute Weltspitze sein muss) und Wijk aan Zee mit dem grösseren Feld.

Zum "Sinneswandel": Ich hatte bisher den Eindruck dass die Idee vom Schachbund kam und Dortmund mitmachte, nicht umgekehrt. Hat Stefan Löffler gegenteilige (Insider-)Informationen? Den vier Spielern und uns als Zuschauern kann's ja relativ egal sein. Das Geld kommt wohl nicht direkt vom Schachbund (der es nicht hat bzw. nicht dafür ausgeben kann oder darf) sondern von einem extra Sponsor - in einem Video-Interview Anfang dieses Jahr nannte Herbert Bastian "Baden-Baden" als eine Möglichkeit.
#2 Gerhard 2012-07-13 15:36
"Komischerweise "hat Kramnik nun schon mindestens 10 x hintereinander einmal mehr Schwarz in einem Superturnier.
Was kann man da tun? Nur zum Schwarzspezialisten werden!
#3 Stefan Löffler 2012-07-13 16:03
Die Initiative kam von Dortmund, der DSB fand es gut. Geld von Grenke ist nicht im Spiel. Die Idee eines Turniers deutsche Spitze vs Weltspitze in Baden-Baden kursiert seit längerer Zeit, wohl schon vor dem EM-Sieg, und ist auch immer noch für 2013 im Gespräch. Soweit meine Informationen. Um welchen Beitrag vom DSB es sich handelt, weiß ich nicht. Dass weder der DSB noch ein anderer stadtfremder Geldgeber in Dortmund unter den Sponsoren aufscheint, kann jeder selbst nachsehen. Interessant ist, dass sich Dortmund und der DSB nun als Partner sehen über diesen Event hinaus. Davon werden wir also noch etwas hören.
+1 #4 casnad 2012-07-14 11:59
Ich halte es für einen sportlichen Mehrwert, wenn die absolute Weltspitze an Turnieren teilnimmt, bei denen sie nicht nur auf ihresgleichen, sondern auch gegen Gegner mit 150 ELO weniger spielen muss.Die Aussagekraft von Ranglisten wird ernsthaft fraglich, wenn die ersten 25 immer nur gegeneinander spielen.
#5 Gerhard 2012-07-14 18:03
Wie ich sagte: Kramnik muß auch als Schwarzer was riskieren. Nun spielte er heute den KID, was irgendwo trotz des Gebrauchs dieser Eröffnung in seiner Jugend verwunderlich ist - war er doch derjenige ausser Kortschnoi, der dem KID beträchtliche Probleme bereitete.
Sogesehen ist zu hoffen, daß Kramnik noch einige Jahre ganz, ganz oben mitspielen kann!
#6 Thomas Richter 2012-07-14 19:36
@Gerhard: Wobei ... wenn Gustafsson die besten Züge gefunden hätte (hat er aber nicht, kein Vorwurf) dann hätten diverse Kritikaster die Partie wohl als schnelles und "langweiliges" Remis von Kramnik abgehakt - trotz nicht nur der Eröffnung sondern auch des interessanten, wenn auch vielleicht nicht neuen Plans mit Vorstoss des a-Bauern nebst Qualle-Opfer. Das Schwarzremis gestern gegen Karjakin war auch nicht ganz ohne, aber manche Leute gucken nur auf das Ergebnis und eventuell noch wieviele Züge gespielt wurden.

Parallel zeigte Karjakin wie man als Schwarzer mit einer eher remislichen Eröffnung gewinnen kann - bzw. der offenbar indisponierte Bartel zeigte wie man das verlieren kann. Und näher bei mir gab es am ersten Tag in Amsterdam weder Hängepartien noch Remisen.
#7 Gerhard 2012-07-15 11:30
@Thomas Richter: Analysiert habe ich die Partie Kramniks nicht, also auch nicht gesehen, wo das Remis versteckt war. Mich interessierte primär "das Wagnis", mit Schwarz zu riskieren. In London ging das etwas schief, aber das ist natürlich der Weg. Früher hätte sich Kramnik im Slawen abgemüht, um ein Remis zu zimmern.
Und es stimmt: Gegen Karjakin hatte Kramnik zuletzt immer Probleme (weil schwarz ). Insofern war es eine Leistung, diesmal mit guten Chancen auf Remis aus der Eröffung zu kommen.
#8 Thomas Richter 2012-07-15 16:20
@Gerhard: Engines spuckten die folgende Remisvariante aus: 20.Tc7 Ld4 21.Te7 Sxd5 22. Te8+ Kg7 23.Kh1 Sxe3 24.Tc1 (nur so) Sd5 25.Txc8 Txc8 26.Txc8 Sc3 27.Txc3 Lxc3 mit ungleichfarbigen Läufern. Schwarz kann offenbar mit 21.-Lf5 abweichen, auf seinem Qualitätsopfer bestehen und hat weiterhin leichten Vorteil. Ob Kramnik das gespielt/riskiert hätte? Vielleicht war es ja immer noch Teil seiner Vorbereitung ... seinen Kommentar "20.Tc4 plus 21.Ta4 verliert, aber Weiss hat ohnehin Probleme" kann man so interpretieren. Demnach war es nicht unbedingt Risiko, jedenfalls nicht Eingebung am Brett.

Bei Karjakin-Kramnik meinte ich nicht nur das Ergebnis sondern auch wie es zustande kam: Karjakin opfert einen Bauern, Kramnik gibt den zunächst doppelt zurück und am Ende steht ein remises Turmendspiel. So können sich Topspieler neutralisieren und dabei einige Kreativität am Brett abliefern.
#9 Gerhard 2012-07-15 22:11
@Thomas Richter: Risiko ist ein vielschichtiger Begriff - und wenn man ihn anwendet, ist man eine nähere Erklärung schuldig, was man genau damit meint.

Risiko ist für mich jedenfalls schon, sein Rangehen ans Schach zu überabeiten. Man könnte nämlich noch geraume Zeit gute Ergebnisse mit den alten Verfahren einfahren. Wie es auch manche Künstler in Musik oder Kunst tun.
Kramnik hat aber sein Repertoire überabeitet, offener gemacht. Er wagt auch manchmal "taktische Scharmützel", wobei diese Art von taktsichen Stellungen denen von Karpov ähneln, dem man seinerzeit auch vorwarf, er könne nicht vehement angreifen. Damals gab es dann "positionell fundierte scharfe Angriffe", aber niemals so im Stile Tals.

Bei Karjakin - Kramnik sah ich nur die Eröffnung und das Ende des Endspiels.
I
Wie es auch sei! Danke für den Austausch!

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