Kotronias on the King´s Indian – Mar del Plata I & II

Kotronias on the King´s Indian – Mar del Plata I & II Schach Niggemann

Der griechische GM Vassilios Kotronias ist mittlerweile zehnfacher griechischer Meister und hat die Elo-Grenze von 2500 seit vielen Jahren deutlich überschritten. Die von ihm in 2 Büchern ausführlich (zusammen ca. 600 Seiten) besprochene Mar del Plata Variante im Königsinder (1. d4 Sf6 2. c4 g6 3. Sc3 Lg7 4. e4 d6 5. Sf3 0-0 6. Le2 e5 7. 0-0 Sc6 8. d5 Se7) ist eine der komplexesten und intensivsten analysierten Varianten im Schach. Beispiel gefällig? Kotronias liefert Kapitel mit Subvarianten im 25. Zug. Kotronias will hier folglich – so auch seine eigene Aussage im Vorwort – die Wahrheit über die Spielbarkeit der Variante herausfinden und uns sein Ergebnis („sie ist spielbar“) näher erläutern. Erläutern ist in dieser Hinsicht unpräzise: Die vielen Varianten sind in Kapiteln im Stile eines Nachschlagewerks aufgebaut. Übersichtlich, mit dem Variantenbaum der einzelnen Kapitel zusätzlich zum jeweiligen Kapitelgewinn. Kotronias gibt Bewertungen und begründet sie auch, oft allerdings nur pauschal oder vereinfacht. Es reicht meines Erachtens meist nicht, um als Lehrbuch wirklichen Lerneffekt zu erzielen. Er beendet die Kapitel jeweils mit einer kurzen und knackigen Zusammenfassung.

Fazit: Ein erstklassiges Nachschlagewerk über eine einzelne Variante im Königsinder.

Es bleibt die Frage nach der Zielgruppe – wer braucht diese zweibändige Doktorarbeit, die erkennbar mit sehr viel Arbeitseinsatz und Herzblut erstellt wurde? Sie erinnert mich an die Abhandlung von Zdenko Kozul zum Richter-Rauser im Sizilianer und hat wahrscheinlich eine identische Zielgruppe: Titelträger auf dem Weg nach noch höheren Zielen, Analysefetischisten und Fernschachspieler dürften viel Nutzen aus den Büchern ziehen. Nach meinen Informationen ist Königsindisch im Fernschach für Schwarz allerdings mit dem Makel einer schlechten Statistik behaftet, so dass Fernschachspieler als Käufer hier vermutlich auch ausscheiden.

Für alle anderen Schachfreunde sind es entweder zu wenig geeignete Lerninfos (für ein Lehrbuch) oder zu viel Information (für ein Nachschlagewerk, weil es sich nur mit einer einzelnen Variante ab Zug 9 beschäftigt).

Sterne5für die passende Zielgruppe

Sterne1für die meisten anderen Spieler

Zur Verfügung gestellt von Schach Niggemann (schachversand.de)

Dennis Calder

Fide Instructor

Juni 2015

Dennis Calder

Engagierter Schach-Spüler mit Hang zu salopper und ironischer Ausdrucksweise. Außerdem noch Fide-lizenzierter Trainer (Fide Instructor) und Buch-Rezensent.

Kommentare   

#1 Schmidt 2015-07-06 15:08
Da die GM-Repertoire-Reihe seit Jahren Erfolg hat, gibt es offensichtlich eine Zielgruppe und zwar nicht nur unter Top-GMs (die vermutlich ohnehin eher Datenbanken benutzen). Ja, (halb-)professionelle Schachspieler sind wohl die primäre Zielgruppe, aber auch ambitionierte Clubspieler können etwas daraus mitnehmen. Der Vorwurf, Eröffnungsbücher seien zu speziell, zu tief, zu anspruchsvoll oder zu ausführlich geht an der Sache vorbei - ähnlich wie sich niemand den Brockaus gekauft hat, um alle Einträge auswendig zu lernen, braucht sich auch niemand den Inhalt von Eröffnungsbüchern in sein Gehirn zu prügeln. Es ist auch keine Belletristik, die von vorne bis hinten gelesen werden möchte. Für die Vorbereitung auf einen bestimmten Gegner oder zum Erarbeiten einer Variante dagegen kann es doch gar nicht ausführlich genug sein - wieviel man dann davon nutzt, kann man dann immer noch entscheiden.
Auch was zu kurze oder fehlende Erläuterung von Varianten angeht: Wer bei einer scharfen und konkreten "Zug-um-Zug"-Eröffnung wie der KID darauf hofft, dass Prosa über die "Prinzipien und Strategien" irgendwelcher Stellungen das Variantenlernen erspart, sollte wohl tatsächlich zu anderen Büchern greifen.
Unabhängig davon, für wen das Buch geeignet oder nicht geeignet ist, hätte der Autor eine ausführlichere Besprechung verdient. Er hat ja wie vom Rezensenten eingeräumt viel Herzblut und Arbeit hineingesteckt. Welche Neuerungen hat der Autor zu bieten? Welche Positionen strebt er an? Sind seine Varianten eher positionell oder taktisch geprägt usw. Dann kann sich der Leser eine eigene Meinung bilden unabhängig davon, ob das Buch "für ihn geeignet" ist oder nicht.
#2 Dennis Calder 2015-07-09 01:00
Ich weiss nicht, ob die Kritik ausschließlich an mich geht... Mir ist an Tiefe und wissenschaftlicher Qualität bisher nur Kozul mit seinem Richter-Rauser-Buch begegnet. Daher nannte ich es in beiden Fällen ein erstklassiges Nachschlagewerk, was für mich eine kaum verbesserungsfähige Bewertung in Bezug auf "Nachschlagewerk" bedeutet, daher auch 5 von 5 Sternen für die richtige Zielgruppe. An der Zielgruppe vorbei habe ich weder hier noch damals geschrieben, meine Phantasie hat sich nur keine große Zielgruppe vorstellen können. Spieler unter einer DWZ von 2000 - meines Wissens die große Mehrheit der Schachspieler - brauchen so ein Werk meiner Meinung und Erfahrung nach nicht, weil andere Dinge wichtiger für die Entwicklung von DWZ und Spielqualität sind. In Bezug auf "Lehrbuch" reicht es mir nicht. Ein Eröffnungsbuch muss aber auch nicht Beides sein - ehrlich gesagt, kenne ich kein Eröffnungsbuch, das wirklich beide Komponenten der Eröffnungsabhandlung hervorragend beinhaltet.
Meine Spekulation über die Zielgruppe entspringt meiner persönlichen Vorstellungskraft und Erfahrung als Trainer und Spieler, der sehr viel Zeit in nicht zielführende Eröffnungsbücher verschwendet hat und das auch bei vielen anderen Vereinskollegen gesehen hat. (Da ist der Hinweis auf den Brockhaus sehr passend: Superqualität - aber wer braucht das heute noch bei den alternativen Informationsquellen?) Mit modernen Partiendatenbanken kann man da schneller zielführend etwas erreichen. Hier behaupte ich aber nicht, der Weisheit letzter Schluss zu sein, schon gar nicht mache ich jemandem einen "Vorwurf". Die Einleitung von Kotronias habe ich sogar entsprechend zitiert, um die Absicht des Autors mitzuteilen, daher verstehe ich den Hinweis darauf nicht...
Und in der Tat hat Schachfreund Watson als in jeder Hinsicht Schachprofi mehr Zeit und auch einen ganz anderen qualitativen Hintergrund als ich für seine Rezensionen. Man sollte daher nicht Profis mit Amateuren vergleichen.
Ich kann manchmal mehr und manchmal weniger beurteilen, welche Neuerungen wirklich super sind und welche nicht. Und konkret zu diesem Buch: Kotronias ist der GM, der die Eröffnung über Monate (und wahrscheinlich Jahre) seziert hat. Und ob meine Auswahl einer bestimmten Variante dann auch nützlich ist oder ob ich damit den Rezensionsleser nur mehr verwirre, ist auch nicht klar. Beispiel gefällig? Watsons Buch "Taming wild chess openings" wurde von mir für Niggemann rezensiert. Ein aus verschiedenen Gründen bemerkenswertes Buch. Schach-inhaltlich machte es auch einen guten Eindruck, ich war mir aber nicht sicher und habe daher keine Variante in meine Rezension eingearbeitet. IM Dirk Schuh hat es auch rezensiert und war sich sicher: Es hilft nicht viel - in schachlich-wissenschaftli cher Hinsicht zur Vorbereitung auf einen Gegner (meine Wortwahl). Er hat einen ganz anderen Blick (nicht besser oder schlechter) auf Schachbücher als ich und ist in jedem Fall der bessere Schachspieler, so dass ich froh war, dass er konkrete Beispiele zur Begründung brachte. Daher ist Niggemann ist froh, dass verschiedene Leute mit unterschiedlichen schachlichen Qualitäten verschiedene Blickwinkel haben und rezensieren. So kann sich der Interessent aus den Meinungen der Rezensenten ein besseres Bild machen.
Meine Rezensionen sind daher für eine bestimmte Zielgruppe von Rezensionslesern hilfreicher als für andere Zielgruppen...
Für Rezensionen von Profis empfehle ich daher Rezensionen von z. B. Jörg Hickl, Frank Zeller, selbstverständlich auch von John Watson und der hochklassigen Schach-"Gang" von New in Chess, die seit Jahren die Qualität der Schachliteratur steigern...
#3 Martin Rieger 2015-07-10 03:50
Jeder, der hier meint, er könne bessere Rezensionen schreiben, solle es doch bitteschön tun. Ich habe damit aufgehört weil es einer der undankbarsten Jobs überhaupt ist die es gibt (keine Bezahlung dafür jede Menge dummer Kommentare) und man sich immer und ständig vor irgendwelchen anonymen Gestalten rechtfertigen muss. Dass ging sogar bis zur Rufschädigung und Verleumdung. Nein danke, nie wieder! An alle anderen da draußen: Seit doch froh wenn sich noch jemand findet der in seiner Freizeit Bücher bespricht und Texte verfasst über die ihr dann lästern könnt!
#4 Schmidt 2015-07-10 16:02
Mein ursprünglicher Kommentar war an manchen Stellen zugegeben zu scharf - ich habe das inzwischen wieder entfernt. Es ging mir nicht darum, jemanden persönlich anzugreifen oder zu lästern, wenn das bei Herrn Calder so angekommen ist, entschuldige ich mich. Ich bin nur der Meinung, dass auch ein spezielles Buch eine faire und aussagekräftige Beurteilung verdient.
Im Übrigen ist es im Internet das gute Recht eines jeden, "irgendeine anonyme Gestalt" zu bleiben, solange er sich selbst an die Ettikette hält - Krennwurzn tut es ja auch. Ich denke, die Regeln des respektvollen Umgangs miteinander sollten unabhängig davon gelten, ob jemand mit "Klarnamen" operiert oder nicht.
#5 Dennis Calder 2015-07-10 18:02
@Martin: Danke! Aus unserer eigenen Erfahrung wissen wir, wie schnell die falschen Worte einem den Spaß verderben können...

@Schmidt: Ich halte meine Beurteilungen für fair und aussagekräftig. Ich glaube, wir sind eigentlich nur bei meiner Einschätzung über geeignete Zielgruppen auseinander. Viele großartige Dinge sind für viele Benutzer völlig ungeeignet. Ein z. B. großartiger Zwölfjähriger ist der falsche Partner für einen großartigen Porsche 911. Deswegen sind trotzdem noch Beide großartig...
Zunächst kann natürlich niemand sehen, dass ich viel mehr Zeit in die Prüfung der Bücher stecke als in die Rezension selbst. Ich versuche in der Rezension aber nicht nur, die Qualität zu beschreiben und dies zu begründen, sondern auch noch eine geeignete Zielgruppe zu finden. Das bin ich den Schachfreunden Niggemann, Chessbase, Hickl und Euroschach schuldig, die die zur Verfügung gestellten Werke ehrlich verkaufen wollen. Ehrlich bedeutet in diesem Fall, dass sie meine Rezensionen auch dann unverändert veröffentlichen, wenn ich das Werk für mies halte, was mir sehr viel Einfluss gibt, den ich nicht mißbrauchen möchte. Soll heißen: Die Verkäufer haben verdient, dass der Kunde auch nach dem Kauf sagt, "die Empfehlung war gut!" Dann kommt er nämlich wieder...
Außerdem will ich auch in meiner Eigenschaft als Schachtrainer den Lesern der Rezensionen hier und anderswo einen Tipp geben, für wen sich das Werk lohnt, denn das ist ohne eingehende Sichtung und Erfahrung meist die größte Schwierigkeit. Es gibt so viele Bücher, die toll aussehen und noch mehr Bücher, die sich gut verkaufen - Eröffnungsbücher verkaufen sich fast immer gut -, die aber nicht gekauft werden sollten, weil sie den Käufer nicht effizient vorwärts bringen. Insbesondere bei Eröffnungsbüchern habe ich diesbezüglich einen sehr hohen Anspruch, zugegeben. Aber auch sonst gibt es viele mittelmäßige Bücher (DVDs, Downloads usw.) - und die glücklicherweise größer werdende Zahl guter Schachbücher sind in den richtigen Händen nur falschen Zeit nur Verschwendung von Lernzeit. Ich wäre froh gewesen, wenn mir jemand bei meinen ersten 200 Schachbüchern gesagt hätte, dass (und welche) die meisten Bücher für mich (noch) völlig nutzlos sind. Deswegen bin ich lieber etwas drastischer in der Formulierung als andere Rezensenten.

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