Magnus går til World Cup!

Here we go - die Jugend drängt nach vorne! Here we go - die Jugend drängt nach vorne! Ray Morris-Hill

Herzschlagfinale in London – Vladimir Kramnik und Magnus Carlsen standen gleichauf vor der letzten Runde im großartigen Kandidatenfinale und spielten zwei Partien am heutigen Ostermontag, in denen es wieder drunter und drüber ging. Am Ende verloren sie beide, doch für Carlsen reicht es trotzdem für den WM-Kampf gegen Anand.

Meine Güte, das war spannend! Auch wenn man als Zuschauer wie bei jeder Turnierpartie im Internet noch gerne immer etwas anderes zwischendurch machen konnte (Kaffee kochen, am Schreibtisch arbeiten, Katzen füttern, auf dem Balkon frieren), zog es mich wieder und wieder zurück zum Computer, um zu schauen, was sich in London so tut. Allerdings dauerte es fünf intensive Stunden, bis die Entscheidung gefallen war. Ich fürchte, so richtig zuschauerkompatibel und medienwirksam ist das nicht - hier muss Schach wohl noch arbeiten, um das Format verdaulicher zu machen? -

Sowohl Kramnik als auch Carlsen hatten gute Chancen, sich für den WM-Kampf gegen Vishy Anand zu qualifizieren.
Erste Grundregel heute: wenn beide punktgleich sind, spielt Carlsen um den Titel, denn er hatte die größere Anzahl von gewonnenen Partien. (Ob das ein faires Kriterium ist für die Auswahl des Turniersiegers, sei dahingestellt. Dennis Monokroussos zum Beispiel kritisierte das sehr in seinem Blog und hätte sich stattdessen einen Stichkampf gewünscht. Es erscheint mir aber nicht unfair oder unangemessen.)

Zweite Grundregel: wer heute mehr Punkte holt als der andere, qualifiziert sich für Anand!

Heute nun trat der für Norwegen spielende Baden-Badener Carlsen mit den weißen Steinen gegen Peter Svidler an (der ja ebenso wie Jan Gustafsson ebenfalls für Baden-Baden spielt). Carlsen holte aus einer spanischen Eröffnung überhaupt nicht viel heraus, begann dann aber erst am Damenflügel und dann am Königsflügel zu fummeln und schien dabei einigen Druck zu erzeugen. Doch der Eindruck blieb, dass es alles ein wenig zu gewollt aussah – auch aufgrund der Turniersituation musste Magnus ja probieren und seine Chance suchen, denn nur mit einem Sieg konnte er ja sicher sein für die Qualifikation.

carlsen

Was ist hier denn los? Carlsen versucht zu wirbeln, doch Svidler bleibt cool. (Quelle: Turnierhomepage)

Dann aber schlug die Stunde von Peter Svidler, dem russischen Meister und Teamkollegen von Jan Gustafsson! Mit ein paar sauberen Zügen setzte er einen (gefühlt) sauberen Konter an und ließ Carlsens Figuren irritiert und verstreut über das Brett zurück, während seine eingenen Steine schön harmonierten und einen Mehrbauern herausspielten. Kommt mir bekannt vor – sowas machen meine Gegner auch immer in der Zweiten Bundesliga! Am Ende blieb nichts übrig von Carlsens Angriff – und Svidlers Mehrbauer lief zur Dame. Punkt für Svidler. Kramnik boven?

kramnik in bonn-1

“Kramnik in Bonn“ 2006

Der 14.Weltmeister stand heute dicht vor einer erneuten Qualifikation für ein WM-Finale.

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Vladimir Kramnik spielte gleich nebenan eine schwere Partie gegen Vassily Ivanchuk und versuchte, ihn als Schwarzer mit einem Pirc-ähnlichen Aufbau zu überraschen. Auch wenn diese Überraschung vielleicht gelang - zumindest aber der Stellungsaufbau ging daneben und Ivanchuk entwickelte einen unheimlichen Druck auf beiden Seiten des Brettes, spielte gegen die geschwächten schwarzen Bauern und drückte und drückte und drückte. Kramnik nahm die Fäuste hoch und versuchte ein Bollwerk aufzubauen, um die weißen Figuren zu bremsen.
Doch just als Carlsen um 20 Uhr am Nebenbrett aufgab und für Kramnik nun schon ein Remis reichen würde, stand ein massiver weißer Freibauer auf b6 und machte ihm das Leben schwer. Zudem war Ivanchuk nicht wie sonst in Zeitnot, sondern spielte seine sichere Stellung sicher im Vorteilsmodus auf Gewinn. Und tatsächlich – im 43.Zug gab sich Kramnik geschlagen.

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Das Ende des WM-Traumes - Vassily Ivanchuk schlägt Vladimir Kramnik (Quelle: Turnier-Homepage)

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Er haut sie alle um - Ivanchuk schlug in London sowohl Carlsen als auch Kramnik. (Foto: Ray Morris-Hill)

So haben beide Anwärter auf den WM-Kampf heute verloren, aber gleichzeitig groß gekämpft, wie schon im gesamten Londoner Turnier vorher. Das Turnier und seine acht Teilnehmer haben eine Perle der Schachgeschichte geschaffen – so spannend und intensiv habe ich Schach schon lange nicht mehr erlebt.

Norwegen jubelt - Magnus fährt zur WM! Anand wird sich warm anziehen müssen, doch klar ist die Sache noch nicht. So hat Carlsen in London durchaus einige Unsicherheiten offenbart, und überhaupt – der für Indien spielende Baden-Badener Weltmeister wird sicherlich mit seinen Herausforderern wachsen.
Freuen wir uns also auf den Herbst! Magnus aber kann erstmal feiern. Swinging London ruft!

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So sehen (Turnier-) Sieger aus! (Foto: Ray Morris-Hill, http://raymorris-hill.smugmug.com/)

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Wo wir schon mal hier sind, können wir auch gleich unser Tippspiel zum Kandidatenfinale auflösen. Zu gewinnen gab es ja entweder eine Schachreise von und mit Jörg Hickl oder eine schöne Tafel Bremer Schokolade - wie sich nun herausstellt, muss der Sieger diesmal noch mit der Schokolade vorlieb nehmen. Doch nicht verzagen - sie ist wirklich sehr lecker und hübsch verpackt (mit Stadtmusikantenmotiv).

Auf Carlsen als Turniersieger tippten ganz richtig:

Losso, Holger Hebbinghaus (der alte Fuchs!), Sven Joachim, Marcchan, tigran_barmbek und Darth Frank.

Wie angedroht, wird meine Frau nun eine willkürliche Auswahl treffen. Das Ergebnis lautet (nach Losentscheid!):

Die Schokolade geht an .... tigran_barmbek.

Herzlichen Glückwunsch!

Olaf Steffens

Olaf Steffens, Diplom-Handelslehrer, unterrichtet an einer Bremer Berufsschule. FIDE-Meister seit 1997, ELO um die 2200, aufgewachsen in Schleswig-Holstein. Spielte für den Schleswiger Schachverein von 1919 (moinmoin!), den MTV Leck (hoch an der dänischen Grenze!), den Lübecker Schachverein, die Bremer Schachgesellschaft und nun für Werder Bremen.

Seit 2012 Manager des Schachbundesliga-Teams des SV Werder Bremen.

Größte Erfolge:
Landesmeister von Schleswig-Holstein 1994, Erster Deutscher Amateur-Meister 2002, 5.Platz beim letztenTravemünder Open 2013, und Sieger des Bremer Hans-Wild-Turniers 2018.

Größte Misserfolge:
Werd´ ich hier lieber nicht sagen!

Größte Leidenschaften:
früh in der Partie irgendetwas mit Randbauern und/ oder g-Bauern auszuprobieren und die Partie trotzdem nicht zu verlieren – klappt aber nicht immer.

Kommentare   

#1 marcchan 2013-04-01 22:07
Herzlichen Glückwunsch tigran_barmbek !
Ach ja, und herzlichen Glückwunsch Magnus ! 8)

Ein bisschen Dünnpfiff in den letzten 3 Runden hat Dir ganz gut getan - gegen Vishy wird es nicht einfach. Für Vishy selbst aber auch nicht - wie soll man sich gegen MC vorbereiten? Da hilft nur fehlerloses Spiel oder nach der ersten Turnierhälfte abgeschlagen zurückliegen. Dann geht noch was.

Gratulation an alle Spieler in London, vor allem Kramnik und natürlich Svidler. Fantastische Leistung aller!

Gratulation an die Organisatoren und thanks for the show
- ich muss übrigens sagen ich finde 7 Stunden Übertragung mit Herzschlagfinale besser als kürzere Partien mit mehr Fehlern. Es lebe die Tradition. Wer Schach nur deswegen nicht mag, weil es zu lange dauert, kennt kein Baseball.

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