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Mannschaftliche Geschlossenheit mal anders

Nominell ist Deutschland neben Ungarn die stärkste Schachnation, die an den Mitropa-Cups teilnimmt. Beide schicken gewöhnlich Nachwuchsteams zu dem (so manchem überflüssig erscheinenden) Zehn-Nationen-Turnier, das seine Existenz wohl der Tatsache verdankt, dass solche Wettbewerbe zwar sportlich unerheblich aber für öffentliche Fördergelder gut sind. In Bestbesetzung treten nicht einmal die kleineren Länder an.

Die Italiener taten es heuer. Und dass sie, angeführt von Fabiano Caruana, der in Lugano nun immerhin so nahe seiner Passheimat lebt wie nie zuvor, dieses Jahr gewannen, war aufgrund der Elozahlen abzusehen (Resultate hier). Schon weniger, dass Baramidse, Bindrich, Huschenbeth und Prusikin nur einen enttäuschenden fünften Platz schafften. Und das auch noch unter den Augen von DSB-Präsident Robert von Weizsäcker, der aber wohl eher nach Chur reiste, um Stimmen für seinen Kampf um die Präsidentschaft der Europäischen Schachunion ECU zu sammeln und weil das Bündnerland von München aus mit dem Zug gut erreichbar ist.

Für die deutsche Auswahl bei der Schacholympiade kommt derzeit keiner der Mitropaspieler in Frage. Oder vielleicht doch? Die vier sportlich Gesetzten demonstrieren vor der Ende September anstehenden Schacholympiade nämlich eine Art mannschaftliche Geschlossenheit, wie man sie von früheren Nationalteams nicht kannte: Naiditsch, Fridman, Meier und Gustafsson fordern, dass ihr Honorar für zwei Wochen Sibirien zuzüglich Reise- und Vorbereitungszeit um 2000 Euro pro Kopf aufgestockt wird. Wenn der Schachbund sein auf dem Niveau von 1990 liegendes Angebot nicht noch deutlich verbessert, wollen die vier die Reise nach Chanti-Mansisk gar nicht erst antreten. (korrigierte Angaben am 11.Juni)

Mehr geht nicht, hielt von Weizsäcker in einem Schreiben an die Spieler gegen: Der DSB könne nicht über seine Verhältnisse leben, und der DSB-Wirtschaftsdienst werfe anders als in den Achtziger- und Neunzigerjahren kaum noch etwas ab. Dass der Präsident nicht das persönliche Gespräch suchte, kam bei den Spielern auch nicht so gut an. Dabei wäre die Lücke zwischen gebotenem und gefordertem Honorar leicht zu schließen gewesen.

Variante eins: Der DSB hätte nur auf die Beschickung des Mitropacups verzichten müssen. Gemerkt hätten das vielleicht ein paar Funktionäre im In- und Ausland (und von Weizsäckers europäischen Ambitionen hätte es damit geschadet).

Variante zwei: Es reichte auch, wenn Chessbase statt für von Weizsäckers Wahlkampf Geld für die Nationalspieler locker gemacht hätte. Eine Gegenleistung von Naiditsch und Co für den wichtigsten verbliebenen DSB-Sponsor wäre ja verhandelbar. Davon und vom deutschen Abschneiden in Chanti-Mansisk verspricht sich das Hamburger Softwarehaus indessen – und verständlicherweise – weniger Publizität und politisches Kapital als von der Kampagne mit klingenden Namen wie Kasparow, Karpow und von Weizsäcker.

Nachtrag 11.Juni: Nachdem der SCHACHWELT-Blog die Forderung der Nationalspieler an die Öffentlichkeit gebracht hat, hat nun Jan Gustafsson über Chessbase einen Aufruf nach Sponsoren gestartet.

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