Meine Spieler des Jahres

Die russische Schachzeitschrift 64 fragt alljährlich die Journalisten nach ihren Top Ten des zu Ende gegangenen Jahres. Wie jedes Jahr veröffentliche und erkläre ich, wie meine persönliche Rangliste aussieht.

1. Lewon Aronjan ist mein Kompromisskandidat, weil ich weder den Spieler auf Platz zwei noch den auf Platz fünf ganz vorne haben will. Der Armenier hat dieses Jahr die 2800 geknackt, die Blitz-WM gewonnen und beim Tal-Gedenkturnier Platz eins geteilt.

2. Magnus Carlsen hat Wijk aan Zee, Bazna, Nanking und London gewonnen und in Nizza den ersten Platz geteilt. Seine Elo schraubte er zwischenzeitlich auf 2826 und führt zum Jahreswechsel die Weltrangliste an. Der 20jährige stünde auch auf dieser Liste ganz oben, hätte er sich nicht zum Entsetzen fast aller Schachfans aus den anstehenden Kandidatenausscheidungen abgemeldet.

3. Wassili Iwantschuk hat in Havanna gewonnen und in Nizza den ersten Platz geteilt. Vor allem aber führte er die Ukraine mit einer Riesenperformance am ersten Brett bei der Schacholympiade zu verdientem Gold vor den schlappen Russen.

4. Marc Lang ist kein Weltklassespieler, sondern ein einfacher FIDE-Meister. Aber er hat unglaublich viel Mut. Genug nämlich, um an 35 Brettern simultan blind zu spielen. 2011 will der Günzburger sogar Najdorfs Rekord mit 46 Blindpartien übertreffen.

5. Viswanathan Anand hat seinen WM-Titel knapp aber verdient verteidigt und Carlsen zwischenzeitlich die Weltranglistenführung abgenommen. Um hier höher oder ganz oben zu stehen, hätte der Inder allerdings noch mindestens ein klassisches Turnier gewinnen müssen. Sein letzter Sieg, Linares 2008, liegt aber schon fast drei Jahre zurück.

6. Anish Giri hat mit gerade mal 15 Jahren die B-Gruppe in Wijk aan Zee und Malmö gewonnen, holte die drittbeste Perfomance an seinem Brett bei der Schacholympiade, überzeugte im Vergleichskampf Jugend-Erfahrung und zeigt auch großes Talent als Partiekommentator.

7. Sergei Karjakin war der einzige Lichtblick im russischen Team bei der Schacholympiade. Der gebürtige Ukrainer teilte beim Tal-Gedenkturnier den ersten Platz und beendet das Jahr als Fünfter der Weltrangliste.

8. Alexei Schirow machte in diesem Jahr immer wieder von sich reden. Mit seinem fantastischen Start in Wijk aan Zee, auch wenn er am Ende Carlsen vorbeiziehen lassen musste, mit seinem überlegenen Sieg in Shanghai und auch in Hoogeveen war er eine Klasse für sich. Dass er nach einem solchen Jahr nicht unter den ersten 20 der Welt geführt wird, ist eine Macke des Systems.

9. Wladimir Kramnik hatte ein durchwachsenes Jahr. In Wijk aan Zee reichte es nicht ganz für den Sieg, in London verpatzte er den möglichen Turniersieg gegen Carlsen, bei seinem Hausturnier in Dortmund schnitt er so schlecht ab wie noch nie. Doch der Russe gewann das prestigereiche Grand-Slam-Finale in Bilbao und über sein abwechslungsreiches, durchaus Risiken eingehendes Schach habe ich auch nichts mehr zu meckern.

10. Wer gehört noch auf die Zehnerliste? Die Versuchung, Jan Gustafsson für seine grandiose Website zu nominieren, ist groß. Auch Wesselin Topalow wäre ein Kandidat. Er hat Linares gewonnen und Anand in einem spannenden und hochklassigen WM-Kampf vor der vergeigten letzten Partie alles abverlangt. Aber ich entscheide mich unter dem frischen Eindruck des letzten großen Turniers 2010 für den Russischen Meister Jan Nepomnjaschtschi, der schon bei der Olympiade die beste Perfomance aller gebürtigen Russen holte. Der originell spielende 20jährige ist zugleich in die Top 20 aufgerückt und wird weiter steigen.

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