Mitgliederschwund

Das Schachspiel hat sicher einen besonderen Stellenwert und einen besonderen Ruf – auch in der Auffassung der Gesamtbevölkerung. Es ist das Spiel, bei dem die geistigen Fähigkeiten optimal zum Einsatz kommen können. Man kann ein Kräftemessen durchführen, bei welchen, so die vermutlich gängige Ansicht, sich der Bessere auf dem Spezialgebiet des Menschen – dem Denken – herauskristallisiert.

Selbst wenn man eines Tages weiß, dass dem nicht ganz so ist, so hat diese gängige Ansicht dennoch einige Konsequenzen. Unter anderem macht es einem Angst. Jene Angst, sich dem Gegner beugen zu müssen und dessen Überlegenheit einzugestehen, gerade auf dem Gebiet der Denkfähigkeit. So wird den Schachspielern sicher stets ein gewisser Respekt entgegengebracht werden, andererseits der Zulauf nicht unbedingt (entscheidend) gefördert. Abgesehen davon, dass jeder Anfänger alsbald feststellt, dass diese Figuren mitsamt dazugehörigem Brett zwar wunderhübsch und ästhetisch aussehen, und dringend danach rufen, sie doch wenigstens einmal gekonnt über das Brett zu führen, dass man jedoch selbst nach der siebenten Trainingsstunde noch immer nicht die geringste Ahnung hat, wie man denn nun den gegnerischen König zur Strecke bringen soll bevor einen selbst dieses Schicksal – ohne jede empfundene Vorankündigung – ereilt. Zur achten Trainingseinheit erscheint man nicht mehr, in der Anerkenntnis, hinter die tiefen Geheimnisse dieses Spieles nur mit einem erheblich höheren Zeitaufwand, wenn überhaupt jemals, kommen zu können.

Nun sind beim Schach die Glückselemente vorsätzlich ausgenommen – Schach, das König der Spiele, wie man es in gewisser, aber

Robert Hübner:
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hoffentlich gelungener Abwandlung gerne nennt. Sicher, irgendwie schon wahr und man dreht eigenhändig unheimlich gerne bei allen sich bietenden Gelegenheiten die Werbetrommel. Nur sind einem die Schattenseiten sehr wohl bewusst: die Elimination der Glückselemente ist es, zu einem Gutteil.

Es bedeutet nicht nur, dass man sich nach Niederlagen so elendig schlecht fühlen kann, weil man eben auf dem wichtigsten Territorium des Menschen versagt hat – dem Denken. Ganz anders als ein Läufer etwa, der beim 100 Meter Lauf als Zweiter oder gar Letzter eintrudelt, sich dennoch damit trösten könnte, der bessere Mathematiker zu sein. Beim Niederlegen des Königs hat man sozusagen als Mensch versagt. Vergleichbar wäre dies vielleicht mit einer Gazelle, die einen Wettlauf verliert oder einem Löwen, der in einer körperlichen Auseinandersetzung den Kürzeren zieht und mit eingezogenem Schwanz davon trotten muss – falls er überhaupt noch trotten kann.

Dies hat viele Schachspieler längst dazu bewogen, sich anderen Spielen zuzuwenden. Man hat in den 80er bis 90er Jahren einen Boom im Backgammon zu verzeichnen gehabt, einem Spiel, welchem selbst die damalige Nummer 1 im deutschen Schach, Robert Hübner mit warmen, anerkennenden Worten huldigte, und er war bei weitem nicht der Einzige. Man suchte sich vorsätzlich Spiele, bei denen die Glücksfaktoren – beim Backgammon die Würfel – hinzugefügt waren, nicht nur, weil dies für unerwartete Wendungen im Spiel sorgte, was einem beim Schach gelegentlich fehlte – dies gilt vor allem für die Zuschauer, die höchstens respektvoll schauten, wie denn nun Karpov seinen Minimalvorteil verwertet, und nicht etwa, ob er, geschweige denn, ob er vielleicht gar verlieren würde, sondern vor allem, weil man bei Turnieren plötzlich Börsen erzielen konnte, bei welchen man nach hypothetischem Gewinn tatsächlich mehr als die nächsten drei Wochen, bei Brot und Wasser und im Zelt, versteht sich, überleben konnte.

Der Grund ganz einfach: Schwächeren Spieler, die bei Schachturnieren bei Erhebung höherer Startgelder abwinken würden, in der Erkenntnis, eh niemals an die (dann ausgelobten) Fleischtöpfe herankommen würden, sondern lediglich dafür sorgen würden, dass die großmeisterlichen Hyänen darüber hermachen würden, vermutlich noch in einer ihrem Gusto entsprechender Aufteilung, durch abschließende Remisen, bei denen man also nicht einmal rollende Köpfe begutachten könnte, sondern fein säuberlich und nach einer halben Stunde bereits in der Grundstellung befindliche Spitzenbretter. Nein, diese Mogelpackung, so der zur Kasse gebetene Amateur, würde man garantiert nicht finanzieren.

Ganz anders beim Backgammon, wo sogar ein Anfänger bei ausreichender Anhäufung von auserwählten Würfen durchaus in der Lage wäre, selbst den Weltmeister zur Strecke zu bringen. Hier, so beschied der (dennoch am Ende gemolkene) Laie, lohnt sich das Investment, hier, so fand er, hatte er eine faire Chance und wenn ihm das Würfelglück nicht hold war, so nutzte er jede erdenkliche Chance, seine „Pechgeschichte“ an den Mann zu bringen, als dem Gegner in dieser Stellung hier dieser unfassbare Wurf gelang. Er macht jedenfalls nicht geringeres Spielvermögen dafür verantwortlich – und zahlt, beim nächsten Turnier mit noch größerer Leidenschaft, da er doch so dicht dran war...

Vor ca. 10 Jahren lief das Pokerspiel Backgammon den Rang ab, vor allem, was den Abzug der Spitzenspieler zu diesem Spiel hin anbetrifft. Viele gerade der herausragenden Schachspieler erkannten das Problem sehr wohl: Schach – winzig kleine Börsen (siehe oben), Poker – gigantische Monsterbörsen.

Die Gründe allenthalben dieselben wie beim Backgammon erwähnt. Poker hat als Glückselement die Kartenverteilung, was jenem des Würfelns in nichts nachsteht. Poker hat gar noch den einen riesigen Vorteil, dass Fehler eines unterlegenen Spielers dann nicht recht auffallen, wenn er seine Hand, mit welcher er sinnlos ein „raise“ bezahlte im Anschluss für niemanden ersichtlich „folded“, die Karten also verdeckt auf den Ablagestapel schiebt.

Selbst professionelles Gambling in Form von Sportwetten hat einen gehörigen Zulauf erfahren, und gerade der Autor finanzierte große Teile seiner Lebenszeit durch diese Form des Spielens. Es ist auf jeden Fall möglich und beim Sportwetten gibt es einen großen Grad an Geschicklichkeit, der ausreichen kann, die Bankvorteile zu überwinden. Das Internet bietet heutzutage ein breites Spektrum an Plattformen für Online-Wetten aller Art, z. B. Live Wette auf Digibet.com

Anm. der Red.: Der Artikel spiegelt die Meinung des Autors wider. Glücksspiel kann süchtig machen.

Kommentare   

#1 Gerhard 2011-12-15 22:03
Gedankenfülle, denkerisches Können und "geistige Überlegenheit", die hier- wiederholt - im Zusammenhang mit Schach beschwört werden, sind in der Tat ein Faktor im Schach.
Wie steht es aber mit Agression? Sicher eine schnödere Eigenschaft als etwa "Denkkunst", aber sicher ein Baustein im Gelingen im Schach.
Ohne Agression findet man nicht bestimmte Wendungen und schließlich auch nicht sogenannte Stolperfallen, Erschwernisse und Finden.
Wenn man also vom noblen Sport redet, dann lasse man diese Komponente nicht aus...auch wenn es manchem gefällt/gefallen könnte, seine Überlegenheit allein geistigem Vermögen zuzuordnen".
#2 Gerhard 2011-12-15 22:04
Finte statt Finde....

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