Olympia-Nachlese

Was bisher hier und auch anderswo kaum zur Sprache kam: bei der Olympiade waren insgesamt 156 Teams dabei. Oder waren es 155 1/2? Burundi trat immer nur mit zwei Spielern an, und da Alexis Rwamavubi alle 11 Partien verlor reichte es - trotz der 3.5/11 von Deo Ntagasigumwami - nur zu null Mannschaftspunkten. Übrigens gab es noch mehr Spieler die keine einzige Partie gewinnen konnten, als Ergänzung zum Quiz von Stefan Löffler: welcher (nicht mit mir verwandte) aus diesem Kreis hat die höchste Elo?
Bei Burundi denkt man an einiges aber nicht unbedingt an Schach, gleiches gilt für Uganda und das erste Fragment habe ich dann auch rein zufällig entdeckt. Solche Teams interessieren im Internet vielleicht nur Daaim Shabazz - interessante Seite für einen etwas anderen Blick auf die Olympiade(n) und auch die zwei Jahre dazwischen. Uganda brachte immerhin einen Ratingschnitt von 2181 an die Bretter - schlechter als z.B. der Bezirk Kiel aber besser als unter anderem Guernsey und Jersey (und wenn Texel unabhängig wäre dürfte ich bei der Olympiade mitmachen, aber Uganda wäre ein zu harter Brocken). Nächstes Mal sind sie noch besser denn alle fünf Spieler gewannen Elo dazu. Unser heutiger Held Harold Wanyama, 2005 Chessbase-Autor (Dank an Daaim Shabazz für den Link)  war sogar bester der gesamten Olympiade mit einem Elo-Zugewinn von 93 (dreiundneunzig) Punkten dank 7 Punkten aus 10 Partien (+7=0-3). So stand es - Schwarz am Zug - in Runde 8 gegen Jose Daniel Gemy aus Bolivien, ebenfalls unbekannt aber immerhin FM und auf dem Papier fast 200 Punkte mehr wert:

FM Gemy (2345) - Wanyama (2159)

Gemy-Wanyama
Weiss hat eine Qualität weniger, aber die kann er sich jederzeit zurückholen, oder etwa nicht? Da die Partiefortsetzung nicht komplett forciert ist (schade eigentlich) verrate ich sie am Ende des Berichts.

Dänemark wiederholte das Kunststück aus Khanty-Mansiysk: netto als Team Elopunkte verlieren und doch einen Platz weit oberhalb der Setzliste belegen. Damals (mit Eröffnungscoach Jan Gustafsson) waren sie an 44 gesetzt und wurden 19., diesmal waren sie auf dem Papier 39. und holten den 18. Platz. Das geht wenn man im Schweizer System langsam beginnt und dann aufdreht, beide Male hatten sie den bei weitem schlechtesten Tiebreak aller nach Mannschaftspunkten gleichwertigen Teams. Diesmal musste in der Schlussrunde ein Sieg her gegen die starken Georgier, das gelang unter anderem deswegen:

Sanikidze-Rasmussen

Sanikidze-Rasmussen
Ich weiss nicht ob Georgien einen Eröffnungscoach hatte - wenn ja dann ging die Vorbereitung hier daneben oder kam nicht aufs Brett. Schwarz spielte gerade das hinterlistige 15.-a6 und die Stellung gab es bereits sechsmal in meiner Datenbank. Wenn ich verrate was bisher gespielt wurde dann verrate ich die Lösung, aber woran scheiterte die Neuerung 16.Lg5 ?

Bei Iturrizaga muss ich an Corus C 2009 denken: In seiner Partie gegen Tiger Hillarp Persson hatte er für die letzten 21 Züge bis zur Zeitkontrolle noch 19 Sekunden (damals noch ohne Inkrement) und verlor nicht auf Zeit, allerdings auf Stellung. Ich verfolgte das live vor Ort, neben mir Peter Doggers mit seiner Videokamera - siehe hier (ab ca. 2:50). Ich weiss nicht wie Iturrizaga sich diesmal seine Bedenkzeit einteilte, aber er spielte an Brett 1 ein sehr gutes Turnier (8/11, +7=2-2, remis gegen van Wely und Nakamura, Sieg u.a. gegen Bologan). Auch gegen den grossen (vielleicht nun etwas geschrumpften) Topalov hielt er in komplizierter Stellung lange mit, vielleicht spielte er auf Gewinn und das wurde ihm zum Verhängnis?

Topalov-Iturrizaga

Topalov-Iturrizaga
Hier ist Weiss am 43. Zug. Was wiegt schwerer, die schwarzen Freibauern oder die weissen Figuren und deren Drohungen? Was droht eigentlich?

Wem das bisher immer zu viele Steine waren, für den gibt es noch ein Endspiel:

Mastrovasilis-Godena

Mastrovasilis-Godena
Das ist die Stellung nach dem 104. Zug von Weiss. Schwarz hatte sich im 27. Zug einen Bauern geschnappt und im 51. Zug noch einen, aber wegen der ungleichfarbigen Läufer (zunächst lange noch mit Türmen dabei) war die Verwertung nicht ganz trivial. Auch hier ist das "normale" 104.-h3? 105.gxh3 Kxh3 nur remis. Was denn sonst? Shirovs "Fire on Board Part II" könnte bei der Lösung helfen.
Nebenbei hat diese Partie aus dem Schlussrundenmatch Italien-Griechenland auch über Gold und Silber mit entschieden. Wieso das denn? In Runde 2 spielte Russland 3-1 gegen Nummer 21 Griechenland, und Armenien 4-0 gegen Nummer 48 Bangladesh - wie treue und aufmerksame Leser aus meinem ersten Olympia-Beitrag wissen war Aronians voller Punkt etwas glücklich (und die anderen Siege waren auch nicht unbedingt souverän). In der alles entscheidenden letzten Runde verlor Griechenland gegen Italien (#22), und Bangladesh gewann gegen Bosnien (#50) - wären diese Matches an Tisch 13 und 22 umgekehrt gelaufen, dann wäre Russland Olympiasieger. Ich will nicht behaupten dass Armenien den Titel nicht verdient hätte, aber es war nicht unbedingt hochverdient und Russland hat nicht völlig versagt sondern auch Pech gehabt. Was wäre wenn die Fussball-WM so entschieden würde? Bei Unentschieden nach 90 Minuten nicht etwa Verlängerung (Schnellschach) und notfalls Elfmeterschiessen (Blitzschach), stattdessen wird die Mannschaft Weltmeister die gegen den schwächsten Vorrundengegner höher gewonnen hat!

Und hier noch die Auflösung zu Gemy-Wanyama. Es stand ja so:

Gemy-Wanyama
Hier folgte 26.-Te2! 27.Lxf7 Txf2+ 28.Kh3?! Tee2 29.Th1? Hier verpasst Weiss die Möglichkeit Material zurückzugeben um ein schlechtes (aber nicht unbedingt verlorenes) Endspiel zu erreichen: 29.Lxh6+ Kxh6 30.Dxe2 Txe2. Wenn er das vorhatte stünde der König wohl besser auf h1. 29.-Kxf7 30.Da4 g5 Hat Weiss vielleicht übersehen dass 31.g4 mit 31.-Tf3 (Schach! Matt!) beantwortet wird? 31.Dxa7+ Kg6 32.Dxb6+ Lf6 und hier setzen wir noch ein Diagramm:

Gemy-Wanyama2
Der Vollständigkeit halber: Weiss versuchte noch 33.Dxf6+ Kxf6 34.Lc3+ Kg6 und jetzt 0-1

Kommentare   

#1 Jörg Hickl 2012-09-19 04:28
Aufgrund eines administrativen Problems musste auf eine Sicherung vom 14.09. zurückgegriffen werden. Alle nachfolgenden Kommentare wurden bedauerlicherweise unwiederbringlich gelöscht.
#2 Thomas Richter 2012-09-19 16:53
Na gut, dann verrate ich nochmal die Lösungen - MiBu hatte sie gepostet, aber ich kannte sie natürlich auch :) :

Sanikidze-Rasmussen: 16.Lg5? Sc4! 17.Lxc4 b6 und die Dame ist gefangen (bisher wurde hier 16.Dc3 oder 16.Dc2 gespielt).

Topalov-Iturrizaga: Weiss droht Ta7 nebst Tb8 matt oder auch Ta5 und Ta8 matt, muss dafür aber erst die d-Linie blockieren: 43.Sd5! (aber nicht 43.Ld5?).

Mastrovasilis-Godena: 104.-Lf3! und drei Bauern sind stärker als der schwarze Läufer (egal ob Weiss selbst schlägt oder auf g2 schlagen lässt).

Die Teilnahme an unserer Kommentarfunktion ist nur registrierten Mitgliedern möglich.
Login und Registrierung finden Sie in der rechten Spalte.