Ringschachbahn

Ausblick von Schloss Albrechtsberg Ausblick von Schloss Albrechtsberg Klaus Jörg Lais

In Berlin kann man an dank der Ringbahn an der gleichen S-Bahn Haltestelle ein- und aussteigen, ohne den Zug zu wechseln. „Vollring“ stand da früher auf den Zügen. Zum schachlichen Vollring kommen immer wieder mal Stationen hinzu und andere fallen weg. In diesem Jahr hält die Schachbahn zum zwanzigsten Mal in Dresden.

Ausblick vom Spielort

Schachfestival_Teilnehmer1

Das ZMDI-Open (früher ZMD-Open wegen des Hauptsponsors, der seinen Namen aufgrund der sprachlichen Nähe zu AMD wechseln musste), war von jeher das Zugpferd des Schachfestivals, das sein zweites Jahrzehnt in wenigen Tagen beginnt und neun Turniertage später beendet. Ausgestattet mit üppigen Preisgeldern in allen Ratinggruppen, zieht das Open aus den grenznahen Regionen zu Polen und Tschechien, aber auch aus ganz Ostdeutschland und dank der Touristenattraktion Dresden bundesweit jede Menge Besucher an. 


Schachfestival_Teilnehmer2Zwanzig Jahre sind eine Menge Holz. Und es gibt genügend Beispiele, bei denen es zu weitaus weniger gelangt hat. Warum funktioniert eine Veranstaltung, die abgesehen davon, dass die Dresdner aufgrund der Stadt als touristisches Ausflugsziel einen dicken Bonus haben, auch nichts anderes tut, als Schachspieler einzuladen? Die wenigen Änderungen im Turniermodus oder das Begleitprogramm alleine (in diesem Jahr Ländervergleich der Frauen zwischen der Ukraine und Deutschland) werden es nicht machen. Wenn aber alle es gleich machen und trotzdem einige nicht überleben, sollte das begründbar sein.

Schachfestival_Teilnehmer3Um es vorweg zu nehmen - beide Belege sind unsichtbar für die Teilnehmer, bestenfalls wahrnehmbar. Aber auch das nur mit einer Aufmerksamkeit, die mit dem Turniergeschehen nichts zu tun hat. Den begleitenden Festakt auf Schloss Albrechtsberg wird der gemeine Schachspieler nämlich nie sehen. Das Startgeld beinhaltet zwar die Teilnahme am Open und die begleitende Betreuung, aber nichts weiter. Auch für die Unterkünfte muss der Schachspieler hier genau so sorgen, wie anderswo. Das Ramada-Hotel als Veranstaltungsort bietet geringere Preise als im normalen Hotelbetrieb, das bewegt sich aber auch in einem Rahmen, den man bei früher Buchung ohne Turnier errieicht. Der Festakt über den Dächern Dresdens, am Hügel über der gerade durch die Waldschlösschenbrücke zerstörten Elbwiesen, bleibt eine geschlossene Veranstaltung für geladene Gäste.


Schachfestival_Spielsaal

Das Progarmm des Festabends dient weniger dem Turniergeschehen selbst, als vielmehr der gekonnten Vernetzung eines exzellenten Selbstbildnis, der Politik und den Sponsoren des Festivals. Begleitet von allerlei kulinarischen Köstlichkeiten, bieten die Dresdner ihrer lokalen Politprominenz eine willkommene Möglichkeit, sich als Befürworter einer strategischen Kunst in die Zeitungen schreiben zu lassen. Gleichzeitig bietet der durch Schachspiel-Highlights aufgehübschte Abend den Sponsoren die entspannte Möglichkeit, zwischen kreativem Fingerfood und Elbhangriesling mit städtischen Verantwortlichen eine Basis für künftige Vertrauensarbeit aufzubauen. Das immer noch ein weiteres Jahr Schachfestival geplant werden kann, wird zu einem wesentlichen Teil hier entschieden - und nicht bei den Anmeldezahlen.

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Schachfestival_GrafDer zweite und mindestens ebenso wichtige Grund für das immer wiederkehrende Open ist die eigentliche Sensation des Turniers. Die Mannschaft, der ich selbst seit sechs Jahren aushelfe, hat bei einer Stärke von über zwanzig Personen zwar in einzelnen Funktionen Veränderungen erfahren, sich aber als Team nicht wesentlich verändert. Was ist das für eine Kunst, eine funktionierende und ehrenamtlich agierende Mannschaft über so viele Jahre zusammenzuhalten? Was motiviert rund zwei Dutzend Helfer Jahr für Jahr, Porzellancup, Schachfrühling und Schachfestival neu auszurichten und sich als Turnierleiter, Schiedsrichter, Aufbauhelfer, Übertragungstechniker, etc... jedes Mal neu zu engagieren? Das Geld kann es jedenfalls nicht sein, denn die Arbeit bleibt bis auf die eigenen Aufwendungen unbezahlt. Es gibt dieses wunderbare Bild von den Chesstigers in Mainz auf der Bühne, als alle zusammen sitzen zum Teamfoto - und ich liebe dieses Bild vor allem, weil man in jedem einzelnen Gesicht ablesen kann, wieviel Freude und Stolz darin steht, so viel Lob zu kassieren. Dazu gehört immer auch die Gabe, sich selbst zu motivieren und mit dem Team arbeiten zu wollen. Ohne diese wahrhaft hohe Kunst wäre jedes noch so schöne Turnier verloren. Wetten, dass die Ringbahn auch im 21. Jahr dort hält?

Schachfestival_Springer

www.schachfestival.de

Klaus Jörg Lais

Saarländer, Schachspieler, Immobilienkaufmann, später Systemadministrator, dann Marketing und Journalismus. Schachspieler seit 1989, Vereinsmitgründer des Saarbrücker Gambit 89, Spielersprecher im saarländischen Schachverband 1992-1996 und Referent für Öffentlichkeitsarbeit 2001 bis 2005, danach Presse und ÖA im Deutschen Schachbund bis 2011, Presseleiter der Schacholympiade 2008 für die Landeshauptstadt Dresden. Lebt (sehr gerne) seit 2010 in Berlin.

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