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Schachbundesliga auf neuen Wegen

Erstmalig in der 30-jährigen Geschichte der Schachbundesliga trafen sich vergangenes Wochenende die 16 Teams zu einer zentralen Auftaktrunde. Mit fast 100 Großmeistern kam die in der Breite stärkste Großveranstaltung Deutschlands seit der Schacholympiade Dresden 2008 zustande. Und auch die Organisation konnte sich sehen lassen. Fanden vor Jahren Begegnungen noch in Pfarrheimen und ähnlichen Lokalitäten statt, bot die repräsentative RWE-Arena in Mülheim/Ruhr ideale Bedingungen für Spieler und Zuschauer.

Live is life

IMG_3861In den letzten Jahren verfolgen mehr und mehr Spieler Schachübertragungen im Internet, doch ist eine Großveranstaltung nur bedingt monitorfähig – das Flair bleibt auf der Strecke. Spieler direkt am Brett, bei der Analyse oder die präsente Anspannung in der Zeitnotphase zu erleben, vermittelt eine besondere Atmosphäre, und bei 64 parallelen Partien wurde schachlich viel Abwechslung geboten. Wem das nicht ausreichte, der konnte in diversen Bereichen der Halle selbst Hand anlegen, den einzigartigen Viktor Kortschnoi bei einer Simultanvorstellung bewundern, Bücher am riesigen Stand Schach-Niggemanns schmökern oder auch dem Live-Kommentar folgen.

Eine rundum gelungene Veranstaltung mit Programm für Jung und Alt jeder Spielstärke. Ein Aushängeschild und tolle Werbung für das Schach, die ich mir häufiger wünsche. Doch...

Viel Licht und ein Kernschatten

... was nützt auf Dauer der beste Event, wenn wir kaum Zuschauer in die Arena bringen. Rund 1.000 Werbebriefe sollen im Vorfeld an Schachvereine gegangen sein, doch haben diese die Zielgruppe (das große Publikum der Schachinteressierten unter DWZ 2000) wohl nicht erreicht. Andere Arten der Werbung fielen kaum auf, auch uns erreichte noch nicht einmal eine Infomail. Dass sich jemand den nett gemachten Flyer auf der Seite der Schachbundesliga abholt, ist eher unwahrscheinlich. So muss der Berg wohl zum Propheten kommen.

Meine Begleiter (DWZ 1500-2100) erfuhren erst kurzfristig durch mich davon, waren ausnahmslos hellauf begeistert – und kommen jederzeit wieder! Typisch war die folgende Aussage:
„6 Stunden Schach mit Rahmenprogramm ist um Längen besser als 90 Minuten Fußball für 40 €.“

Geschätzte 300-400 Zuschauer/Tag (genaue Zahlen liegen wohl nicht vor, da der Eintritt frei war und als Messgröße entfällt) verwundern daher nicht und sind einfach unbefriedigend für eine Veranstaltung, die in der Gesamtheit wohl weit über 100.000 € verschlingt.

Die weitestgehend lokale Medienpräsenz – von Fernsehen keine Spur – dient als zuverlässiger Indikator für die größte Schwäche unseres Sports – das Marketing.

Auch der angekündigte Dressingcode fand wenig Beachtung. Von Katernbergs grünweißem Schal der Verbundenheit, über diverse Glanzstücke der Freizeit und Trainingsbekleidung, bis hin zu Kleidungsstücken, die eher beim Wandern verbreitet sind. war alles anzutreffen.

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Sportlich gestaltete sich das Wochenende zudem hochinteressant und veränderte die Voraussetzungen für Olaf Steffens Tippspiel. Mühsame 4 Punkte des Topfavoriten Baden-Baden, und das ebenfalls überraschende Straucheln der Nummer 2, Werder Bremen, hievten Wattenscheid auf Platz 1. Alle Ergebnisse und weitere Informationen findet man auf den Seiten des Schachbundesliga e. V..

Update 24.10.:

Deep chess zeichnete während der Bundesligarunde ein Interview mit Almira Skriptchenko, Dameneuropameisterin und Brett 16 Werder Bremens, auf:

Jörg Hickl

Großmeister, Schachtrainer, Schachreisen- und -seminarveranstalter.
Weitere Informationen im Trainingsbereich dieser Website
oder unter Schachreisen

Webseite: www.schachreisen.eu

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