Schachmatt in Eilat

Simon Williams Simon Williams http://www.gingergm.com

Diesen zweiten Artikel zum European Club Cup hatte ich schon länger in Vorbereitung und auch schon versprochen - inzwischen ist er nicht mehr aktuell, aber bei dem herbstlichen Wetter in Mitteleuropa kann man die Leser doch noch einmal nach Eilat entführen? Ich veröffentliche ihn mal schnell bevor vielleicht wieder ein Bundesliga - Skandal dazwischen kommt - nicht dass ich das erwarte oder erhoffe! Was "oben" so passierte habe ich ja schon knapp zusammengefasst. Aber insgesamt waren 34 Teams dabei (nur oder immerhin? deutlich weniger als die Jahre davor), und von den 244 Spielern hatten 138 keinen GM-Titel. Teil 3 meines zweiteiligen Berichts widmet sich vor allem diesen Spielern. Wenn Amateure auf Profis treffen gewinnen meistens die Profis, z.B. holte Tammer-Shakki aus Finnland (mit zwei IMs an Brett 1 und 2) gegen St. Petersburg, Tomsk und Baden-Baden nur (oder immerhin?) zwei halbe Brettpunkte aus 18 Partien. Aber mitunter erlebt der Favorit auch die eine oder andere Überraschung, zumindest an einem Brett, und wurde der "bessere" Spieler zur Meditation in die Wüste geschickt, ist ja gleich um die Ecke. Ich mag ja den englischen Begriff "upset" weil er schön doppeldeutig ist: the GM was upset about his loss against a FM ... . Wie solche Niederlagen zustande kommen? Mal hat der Favorit vielleicht das Risiko zu hoch geschraubt, womöglich den Gegner unterschätzt, mal wurde er bereits in der Eröffnung auf dem falschen Bein erwischt, Elo ist eben relativ (zumindest in einzelnen Partien) und das ist gut so.

Elath Eilat Israel Wueste datafoxBevor ich zu konkreten Beispielen komme noch ein paar Worte über deutsche Spieler. Naiditsch und Gustafsson hatte ich bereits erwähnt, aber da waren noch sieben andere für Teams aus den Nachbarländern Niederlande, Belgien und Schwyz. Das deutscheste Team kam aus dem belgischen Dorf Eynatten mit drei Holländern vorne und drei Deutschen dahinter. Zwei von denen kommen offenbar aus Aachen und können zu Heimspielen vielleicht mit dem Fahrrad anreisen, was ich bei Jan Gustafsson nicht (mehr) vermute. Den teaminternen Länderkampf gewannen die Niederländer deutlich: 14/21 an den ersten drei Brettern, 9/20 an Brett vier bis sechs (und der belgische Ersatzmann mit Elo 1915 holte noch 0/1). FM Norbert Friedrich in Diensten der Schachgesellschaft Zürich hat das Turnier sogar mit entschieden, denn in der Schlussrunde besiegte er den 250 Punkte besseren GM Greenfeld, SOCAR sagte dankeschön denn das verbesserte ihren Tiebreak. Die Partie stand unter dem Motto: Weiss opfert einen Bauern und greift an, Schwarz verteidigt sich und behält seinen Mehrbauern, Schwarz gewinnt mit seinem Mehrbauern.

Den prominentesten Skalp holte sich Simon Williams (zwar GM aber mit dafür relativ bescheidener Elo 2496): Boris Gelfand kam mit seinem Holländer nicht zurecht und verlor trotz Weiss- und Elovorteil. Die Partie wurde mehrfach anderswo erwähnt, bisher noch nicht auf Williams' eigenem Blog aber das hat er seinen Fans versprochen. Update: das stimmte am 20.10., inzwischen hat er seine "Hausaufgaben" gemacht. Auch seine anderen Berichte über Eilat sind durchaus lesenswert. Schachlicher Höhepunkt war als sich ein Unbekannter von hinten in ihre Teamanalyse einmischte - "all of a sudden the team noticed that the odd character in the hat, was none other than the genius Vassily Ivanchuk!" - ausserschachliche Anekdoten gibt es auch zur Genüge. Zur Partie gegen Gelfand kann ich wenig sagen denn Holländisch ist, genau wie Französisch, eine Sprache die ich nur abseits des Schachbretts beherrsche - Williams AKA Ginger GM hat zu beiden Eröffnungen DVDs produziert. Gelfand nahm (laut Williams) seine Niederlage sehr sportlich auf - später sagte er in einem Whychess-Interview "Gegen solche Spieler [Elo unter 2500] habe ich etwa 50%. Ich kann mich dafür nicht motivieren. Daran habe ich gearbeitet, aber weil ich selten gegen sie spiele passiert sowas."
Ist hier noch jemand da, oder lesen alle bei Williams und/oder Gelfand weiter? Zwei Tage danach bekam Williams Nakamura der mit Weiss so eröffnete: 1.d4 e6 2.e4! (bitte kein Holländisch) 2.-d5 3.exd5!! (der beschleunigte Carlsen, bloss keine Theorie) und gewann, vielleicht weil er der bessere Spieler ist? Williams kommt aufs Titelbild - wie Gelfand und Nakamura aussehen weiss man ja. Nakamura bekam übrigens nach einer Auftaktniederlage gegen den unbekannten aber nicht ganz schlechten Andreikin nur noch Spieler unter 2500. Da wurde mit einer Kanone auf Spatzen geschossen, zweimal hat die Kugel ihr Ziel verfehlt und der Spatz konnte mit remis entwischen.

So, genug der Vorrede, Schach-Diagramme habe ich auch noch. Anders als der Titel vermuten lässt wird es nicht immer matt, und eine Aufgabe ist vielleicht deutlich schwerer als der Rest. Kommen wir nochmal zu Williams - gegen Mladen Palac (kein Weltklassespieler aber immerhin Elo 2600) stand es kurz vor Schluss so: Williams-Palac
Schwarz stand schon lange platt, hofft hier aber noch auf seinen Freibauern. Allerdings hat Weiss gleich mehrere Wege nach Rom (welches Feld meine ich damit?) - Williams wählte den schnellsten wobei eine Nebenlösung von Houdini durchaus auch attraktiv gewesen wäre. Am Ende verdarb Williams übrigens sein Turnier, nach zuvor +4-2 spielte er in der letzten Runde remis.

Nun zu den nach Gelfand prominentesten Opfern, so stand Naiditsch mit Schwarz kurz vor Ende einer turbulenten Partie gegen den mazedonischen IM Dancevski:
Dancevski-Naiditsch


Weiss am Zug hat hier zwei genau gleichwertige Fortsetzungen. Baden-Baden (Sven Noppes) umschrieb den Wettkampf am 16.Oktober so: "Zum Match gegen Gambit Aseko-See muss man heute nicht viel sagen. Mit Ausnahme des Spitzenbrettes (Remis) hatten wir bald überall Vorteile. Bei Arkadij Naiditsch ist dann was schief gelaufen und alle anderen gewannen ihre Partien." Als Laie würde ich Naiditschs Partie so zusammenfassen: Schwarz spielte Risiko Benoni, Weiss nahm das Risiko an (dass Houdini Schwarz bevorzugte heisst zunächst mal nur dass das weisse Konzept riskant war?), nach einer Ungenauigkeit von Naiditsch gewann Weiss. Insgesamt holte Naiditsch - wie Williams - +4=1-2, auf der Habenseite u.a. Siege gegen Giri und Shirov. Am entschiedensten spielte übrigens der ukrainische Meister Korobov in Diensten von Ugra (+5-2).

Ausgerutscht ist auch Eljanov gegen den israelischen IM Boruchovsky: Boruchovski-Eljanov
Auch hier stand Schwarz (Eljanov) schon eine ganze Weile verloren. Zuletzt geschah 43.b3 axb3 44.TxTa6 - warum gab er danach auf statt noch das (sicherlich geplante) 44.-b2 zu probieren?

Manchmal kann der Aussenseiter auch mit Schwarz gewinnen. Die Finnen von Tammer-Shakki hatte ich bereits erwähnt, sie verdienten sich (nach Regeln des Schweizer Systems) ihre Matches gegen Spitzenteams mit einem überraschenden Sieg gegen das italienische Team mit dem schönen Namen Obiettivo Risarcimento. Da erledigten - aus italienischer Sicht - Nakamura und Georgiev ihre Pflichtaufgaben, aber dahinter holten deren Kollegen trotz Elovorteil von jeweils mindestens 200 Punkten nur noch ein halbes Pünktchen aus vier Partien. Ein Fragment aus GM Efimov (2420) - Lehtioksa (2179):
Efimov-Lehtioksa

Weiss ging forsch zur Sache, hat damit aber nur seinen eigenen König geschwächt und nicht etwa den gegnerischen. Hier suchen wir keinen sofortigen Gewinn sondern nur den besten 28. Zug für Schwarz - auch wenn Weiss danach nicht so kooperativ ist wie in der Partie geschah. Die Partie dauerte übrigens bis zum 97. Zug, wobei Weiss ab dem 66. Zug eine Stellung mit Läufer gegen Läufer, Springer und Bauer "verteidigte". Schwarz spielte das vorsichtig zu Ende - vielleicht war er sich nicht sicher ob er mit Läufer und Springer mattsetzen kann (am Ende stand der weisse König bereits in der richtigen Ecke)?

Im nächsten und letzten Duell hatte der deutsche Belgier (IM Thomas Koch, Elo 2431 für Eynatten) das Nachsehen gegen den belgischen FM Beukema (Elo 2271) in Diensten von Stukkenjagers aus Tilburg: Koch-Beukema
Auch hier suchen wir nur den besten 19. Zug für Schwarz. Wer die vorige Aufgabe lösen konnte hat wohl auch hier gute Chancen. Wer Französisch spielt hat vielleicht auch einen Informationsvorsrpung obwohl das anfangs ein Wolga-Gambit war. Die Idee zu sehen reicht aber nicht, dann muss man auch noch einige Züge bzw. Varianten berechnen.

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