Schachspieler und die Außenwelt

Schachspieler und die Außenwelt Alex Balko

Dass einige Schachspieler ihrer Außenwirkung einen geringen Stellenwert zuordnen, ist hinlänglich bekannt. Um diesen Missstand zu verbessern wurde Diverses angeregt, doch letztendlich so gut wie nichts umgesetzt. Die Schachbundesliga wartet noch immer auf einen vernünftig umgesetzten Dresscode und auch das Auftreten der Nationalmannschaften erinnert an Kraut und Rüben (DSB-Fotogalerie http://www.schachbund.de/galerie/displayimage.php?pid=5863&;;;fullsize=1). Besonders deutlich beobachten lässt sich der Zustand auch auf diversen offenen Turnieren. Hier ist alles anzutreffen: Vom Tragen einer Baseballmütze oder Sonnenbrille, Spielen in Freizeitkleidung bis hin zum Muskelshirt, Kaugummikauen oder auch (sollten wir endlich einmal einen vorzeigbaren Austragungsort gefunden haben) das Mitbringen eigener Getränke und Speisen.

Rechtfertigungen findet man viele. So erklärte mein Gegner das Tragen einer Sonnenbrille im Turniersaal eines Turniers in Island (wohlweislich im Oktober - mit 20 Regentagen der regenreichste Monat des Jahres, in dem man die Sonne eigentlich nie zu sehen bekommt) mit den Worten: „Tut mir leid, ich weiß dass es unhöflich ist, aber ich habe sie meiner Frau geschenkt. Der gefiel sie nicht, weshalb ich die Brille jetzt selbst auftragen muss.“

Die Szene nimmt anscheinend stoisch alles hin, tut sich aber mit soviel Toleranz keinen Gefallen. Interessant sind die Reaktionen einiger Spielerfrauen oder schachfremder Menschen, die zuweilen Gefallen an Fallstudien einer seltsamen Spezies finden. Mit solch einer Darstellung kann man keinen Hund hinter dem Ofen hervorlocken, geschweige denn Sponsoren für ein Engagement gewinnen.

Doch nicht nur hierzulande regt sich Unmut. In der neuesten Ausgabe der Schweizerischen Schachzeitung, dem Mitteilungsblatt des Schachbundes,   findet der  Chefredakteur deutliche Worte für ein sehr ähnliches Thema:

bannersr12013-web-anz400Das erfolgreiche Gedeihen eines jeden Schachklubs, egal ob groß oder klein, hängt von mehreren Faktoren ab. Von einer konsequenten Nachwuchsförderung beispielsweise, von einer gesunden finanziellen Basis, vom Engagement ehrenamtlicher Funktionäre in der Vereinsführung und nicht zuletzt auch von einem Klublokal, in dem die Spieler ihrem Ruhe verlangenden Hobby ungestört frönen können – seien es interne Turniere oder Mannschaftswettkämpfe.

Jahrzehntelang war es Tradition, dass Schachklubs nahezu ausschließlich in Gaststätten Gastrecht genossen – nicht von ungefähr kommt ja der Begriff vom Kaffeehaus-Schach. Doch mit der Krise im Gastgewerbe hat sich das Lokalproblem für viele Sektionen des Schweizerischen Schachbundes (SSB) in den vergangenen markant zugespitzt – auf dem Land ebenso wie in den Städten. Wohl haben nicht wenige Klubs eine neue Bleibe in (halb)öffentlichen Gebäuden wie Altersheimen, Kirchenzentren oder Gemeindeverwaltungen gefunden. Doch noch immer spielt die Mehrheit der Schweizer Schachklubs in einem Restaurant oder gar in einem Hotel.

Dafür zahlen sie zwar einerseits oft Miete, haben jedoch andererseits als Gegenleistung weniger Probleme, auch Wochenend-Termine für SMM, SGM und Team-Cup reservieren zu können. Gaststätten haben auch den großen Vorteil, dass berufsgestresste Mitglieder vor der Klubmeisterschaftspartie noch etwas Kleines essen können – ebenso ganze Teams nach einem Mannschaftswettkampf. Womit wir gleichzeitig bei einem Problem angelangt wären, das sich in jüngster Zeit akzentuiert hat.

Gastrecht in einer Gaststätte zu genießen, heißt natürlich auch, dass für das Cola, den Tee oder den Kaffee zur Partie bezahlt werden muss. Schließlich sind Wirtshäuser ja keine Wohlfahrtinstitute, und sie rechnen – unabhängig von einer allfälligen Miete – pro Vereinsabend oder SMM/SGM-Samstag mit einem gewissen Umsatz. Umso weltfremder erscheint deshalb die verbreitete Unsitte, dass teilweise ganze Teams mit prallgefüllten Provianttaschen an die Auswärtsspiele fahren. Statt eines Café Crème aus der Beiz wird dann unverhohlen ein Caffe Latte aus dem Coop getrunken, statt eines Sandwichs aus der Restaurantküche werden Bananen oder Schoggistängeli aus dem Rucksack verzehrt – und der Abfall auch gleich liegengelassen.

Gut möglich, dass ein solches kulinarisches Fehlverhalten auch daher rührt, dass in einigen Klublokalen ohne Restaurationsbetrieb keine oder nur eine eingeschränkte Möglichkeit zur Konsumation besteht und man für lange Partien tatsächlich sicherheitshalber einen Notvorrat einpackt. Lädt ein Verein mittels seines Aufgebots aber explizit in ein Restaurant ein, ist der Verzehr von mitgebrachtem Fressalien nicht nur eine Unverfrorenheit, sondern er gefährdet auch den Verbleib der Heimsektion in deren Lokal.

Markus Angst, «SSZ»-Chefredaktor

Jörg Hickl

Großmeister, Schachtrainer, Schachreisen- und -seminarveranstalter.
Weitere Informationen im Trainingsbereich dieser Website
oder unter Schachreisen

Webseite: www.schachreisen.eu

Kommentare   

+1 #1 Frank Zeller 2012-07-24 00:09
Ein spannendes Thema! Auch ich (spiele ebenfalls in der Schweizer Liga und bekomme daher die SZZ frei Haus) bin über diese Stellungnahme des Schweizer Funktionärs gestolpert, war auch etwas verblüfft über die drastische bis drollige Ausdrucksweise ("Fressalien" etc). Mir kam es so vor, als würde der typische gutsituierte bodenständige Schweizer Bürger über den Sittenverfall in seiner Heimat klagen. Prinzipiell gebe ich ihm durchaus recht, ein gewisses Feingefühl der Schachler wäre durchaus angebracht. Das läßt mitunter schon zu wünschen übrig. Wenn ich indes als minder verdienender Deutscher Schachhalbprofi für ein 0,2 l Wasserfläschchen 4 bis 5 Franken zahlen soll (der durchschnittliche Preis in unserem unabhängigen, wirtschaftstarken Nachbarland) und dabei eigentlich vorhabe, während der Partie schon deutlich mehr als einen Liter zu drinken, dann liebäugele ich doch mit der Durststillung unter dem laufenden Wasserhahn und besuche öfters mal die Toilette. Kaffee is freilich anders, da berappt man schon mal gerne für sein Haferl, aus der Thermoskanne schmeckts halt nicht. In Deutschland wie in der Schweiz: das Gros der Schachler, so meine Beobachtung, ist pekuniär eher etwas knapper aufgestellt. Was aber nicht darüber hinwegtäuschen darf, dass die Manieren zuweilen zu wünschen übrig lassen (auch wenn dies nun nicht zum eigentlichen Thema passt): am schlimmsten sind die "Dauerlutscher", die alle paar Minuten ihre Bonbons genüsslich lautstark aus dem Papier entkleiden oder in die Dose mit dem Traubenzucker greifen, dass es jedesmal raschelt und scheppert. Und ich bilde mir immer ein, dass sie das mit Absicht machen, um mich zu ärgern. Dem Nächsten, der mit einer Bonbondose aufkreuzt, werde ich sein Martergerät einfach quer durch den Turniersaal werfen.
-1 #2 Dennis Calder 2012-07-24 15:41
Zum Thema Spielen in Gaststätten möchte ich für Deutschland auf den Umstand hinweisen, dass es sich um eine Sportveranstaltung im Ligabetrieb handelt. Das wiederum führt dazu, dass der Heimverein einen Spielort anbieten muss. So weit, so offensichtlich. Der Heimverein muss dafür Sorge tragen, dass die Gästespieler in der Ausübung ihres Sports nicht nachteilig beeinträchtigt werden bzw. müssen die Gäste die Möglichkeit haben, ihren Sport ungehindert (!)auszuüben. Dazu gehört bei einigen Spielern auch der Verzehr von Essen und Getränken zum Erhalt der Konzentrationsfähigkeit. Wenn nun vorgeschrieben wird, dass nur Getränke und / oder Essen der Gaststätte verzehrt werden dürfen, so ist dies eine Einschränkung, die aus sportlicher Sicht inakzeptabel ist. Es mag vielleicht unhöflich sein. Der Heimverein kann aber auch anderswo spielen oder mit der Gaststätte vereinbaren, dass bei Mannschaftskämpfen keine Verzehrpflicht beim Kneiper besteht. Außerdem kann es sein, dass man keine Lust auf Bullette und Cola hat, sondern sein eigenes Dinkelbrot mit Grüntee verzehren möchte, weil man eine Zucker- und Ekelfleischallergie hat. Ich habe noch nirgendwo außerhalb des Schach erlebt, dass man z. B. beim Fußball sein selbstgemachtes Brot nicht ungestraft essen darf (nach dem Motto: "Der Energie-Drink und der Powerriegel für die Halbzeit sind im Stadionlokal zu ordern!"; noch lustiger wäre die Einkehrpflicht für Radfahrer der Tour de France, aber die fahren ja immerhin draußen, da ist das noch was anderes). Es käme ja wohl auch niemand auf die Idee, beim Spielen z. B. in einem Gemeindehaus als Heimverein belegte Brote anzubieten und vorzuschreiben, dass eigene Brote nicht verzehrt werden dürfen! Der Unterschied liegt nur im Beruf des Brötchenschmierers...
Lange Rede, kurzer Sinn: Ich sehe es anders als der Schweizer Angst, der augenscheinlich die Verbindung zu anderen Sportarten nicht gezogen hat.
+1 #3 Woltmann 2012-07-25 13:51
Vereine sind teilweise auf das Spielen in Kneipen, Hotels und ähnlichem angewiesen. Da kann man nicht einfach sagen, sie sollten halt woanders spielen, wenn es woanders einfach nicht gibt. Auf manchem Dorf ist das nunmal so!
Oft verzichten die Wirte auf teure Saalmieten, weil sie sich Umsatz versprechen. Es ist doch niemandem damit geholfen, wenn Vereine nicht mehr am Spielbetrieb teilnehmen können, nur weil ein gegnerischer Spieler nicht auf seine Grünkernstulle verzichten kann und der Wirt irgendwann entnervt aussteigt.
Es ist doch immer das gleiche Problem: Am Ende muß man auch bereits sein, für das Schach Geld auszugeben. Ob das Geld dabei an Vereine und von denen als Saalmiete an Wirte geht, oder per Verzehr direkt an den Wirt macht unter dem Strich kaum einen Unterschied! Freizeit kostet Geld, und wenn sie mehr bieten soll, eben etwas mehr!?
+1 #4 MartinFischer 2012-07-25 14:57
Ich denke, dass die Ausführung von Taucher rechtlich unzutreffend sind.

Zunächst einmal ist es allgemein üblich, dass ein Gastwirt den Besuch seiner Gaststätte davon abhängig machen kann, dass der Verzehrzwang, besser die Verzehrpflicht, eingehalten wird. Er ist nicht verpflichtet hiervon Ausnahmen zuzulassen, von Ausnahmefällen, wie Allergien oder ähnlichem, einmal angesehen.

Die Tatsache, dass der Besuch im Rahmen eines Ligaspielbetriebs stattfindet, rechtfertigt keine Ausnahme. Richtig ist vielmehr, dass die Verbände dadurch, dass sie Vereinslokale, Gaststätten und ähnliche Betrieb als Spiellokal akzeptieren, damit - sozusagen stellvertretend für ihre Mitglieder - auch akzeptieren, dass alle Teilnehmer der Veranstaltung der Verzehrpflicht unterliegen.

Es ist also keineswegs so, dass die Heimmannschaft verpflichtet ist, Ausnahmen von der Verzehrpflicht auszuhandeln. Wer das Lokal betritt und sich dort aufhält, aus welchen Gründen auch immer und auf Grund welcher Veranlassung, muss verzehren. Oder, wenn er denn partout nicht will, zumindest das sogenannte Korkgeld bezahlen.

Ein Blick auf andere Sportarten hilft nicht weiter. Jede Sportart hat ihre Besonderheiten im Hinblick auf die Spielstätte und Vergleiche sind daher fast nie zielführend. Fußball z.B. wird, im Rahmen eines Ligabetriebes, nicht im Inneren von Räumen ausgetragen. Tischtennis hingegen muss innerhalb von Räumen ausgetragen werden, um Einflussnahmen durch das Wetter zu vermeiden. Beide Sportarten haben spezifische Anforderungen an die Spielstätte. Die Liste ließe sich beliebig verlängern. Schach hat ebenfalls spezifische Anforderungen an die Spielstätte, sodass der Vergleich mit einem anderen Sport nicht weiter bringt.

Unabhängig davon ist meiner Meinung nach festzuhalten, dass die Missachtung der Verzehrpflicht, insbesondere durch den Verzehr mitgebrachter Getränke und Speisen, nicht nur rechtlich unzulässig ist, sondern auch eine grobe Unhöflichkeit gegenüber dem gastgebenden Verein darstellt. Und, auf Dauer gesehen, wahrscheinlich die Ausübung des organisierten Schachsports gefährdet.

Denn nicht jeder Verein hat die Möglichkeit, entweder völlig umsonst oder zu sehr günstigen Konditionen, Gemeindehäuser, Schulen oder ähnliche Räume anzumieten bzw. zu nutzen. Und dass ein Verein ein eigenes Spiellokal hat, das dürfte immer noch die große Ausnahme sein. Und selbst dann dürfte er den Besuch seiner Wettkampfstätte mit einer Verzehrpflicht verbinden.

Ich stimme insoweit hier meinem Vorredner Woltmann zu. Wer organisiert Schach spielen will und an Mannschaftskämpfen teilnehmen möchte, der muss, wie bei anderen Freizeit-Veranstaltungen auch, in Kauf nehmen, dass dies Geld kostet. Niemand erwartet schließlich auch, umsonst ins Kino gehen zu können, um sich einen interessanten Film anzusehen. Und wer kein Geld ausgeben will, der muss eben auf den organisierten Schachsport verzichten, wenn der Spielort eine Gaststätte ist. Genauso wie derjenige, der kein Geld ausüben geben wird, auf den Besuch eines Filmes verzichten muss.
#5 Bercher 2012-07-25 21:20
Ein delikates Thema. Eine "Verzehrpflicht" lässt sich aber wohl im Ligabetrieb grundsätzlich nicht durchsetzen.
- Soll einer B-(C-)Klassen Mannschaft aus Jugendlichen entsprechend Geld für ein Getränk gestellt werden ?
- Bis zu welchem Preis ist ein solcher Zwang (auch für sonstige Spieler) noch umsetzbar ?
In der Praxis kenne ich nur noch einen Verein der sein Mannschaftskämpfe (noch) in einem Lokal spielen muss.
Als hier vor Jahren ein jugendlicher Gast mal nichts trinken wollte spendierte der Vorstand des Gastvereins ein Getränk.

Ich habe in grauer Erinnerung das gemäß Turnierordnung ausdrücklich ein Spiellokal ohne Verzehrzwang zur Verfügung gestellt werden muss, aber es steht wohl nicht mehr drin.

BSB:
"Der Heimverein ist für die ordnungsgemäße Abwicklung des Mannschaftskampfes verantwortlich. Insbesondere hat er für die Bereitstellung eines geeigneten Spiellokals und des Spielmaterials zu sorgen. Hierzu gehört auch die Bereitstellung von Mitschreibeformularen mit Durchschreibemöglichkeit. Es muss für die Gesamtspieldauer Spielgelegenheit bestehen."
+1 #6 Woltmann 2012-07-26 08:28
Mein Vorredner hat recht, es ist ein heikles Thema. Ich verstehe auch, wenn ein Hartz 4 Empfänger, "kleiner Rentner" oder geringverdienender Familienvater Probleme damit hat, während einer mehrstündigen Partie Getränke zu bestellen, die zu normalen Gaststättenpreisen angeboten werden. Aber das sind Probleme, die Schachvereine und ihre Dachverbände weder lösen können noch müssen.
Aber bei einer Abwägung aller Interessen werden eben viele Vereine zu dem Ergebnis kommen, dass es keine ernste Alternative zu Kneipen und Hotels gibt, jedenfalls nicht überall.
Fakt bleibt aber, dass wenn die Masse der Mitglieder nicht bereit ist, vernünftige Beiträge zu zahlen, nicht viel bewegt werden kann. Dazu fällt mir ein aktuelles Beispiel ein: Oft wurde die schlechte Öffentlichkeitsarbeit des DSB angeprangert. Tatsächlich glaube ich auch, daß man aus den jüngsten Erfolgen auch mehr hätte rausholen können. Aber statt guter Pressearbeit konnten wir auf der Homepage des DSB wochenlang die etwas hilflos oder gar peinlich wirkende Suche nach einem ehrenamtlichen Öffentlichkeitsarbeiter verfolgen. Hätte man mehr Geld zur Verfügung, könnte man sich dort auch eine vernünftige Stellenausschreibung für einen Vollzeitjob vorstellen.
Oder erinnern wir an die zahlreichen Diskussionen um Deutsche Meisterschaften und die Preistöpfe - auch alles eine Frage des Geldes und damit der Beiträge, die wir alle zahlen. Und seien wir mal ehrlich - Dortmund mit der Nationalmannschaft - das war schon recht spannend! Sowas oder was ähnliches als Deutsche Meisterschaft!? Nicht schlecht - aber teuer?
Der Verweis auf theoretisch zu generierende Sponsorengelder bringt uns wahrscheinlich wieder zurück zu dem Punkt mit der Öffentlichkeitsarbeit.
Noch ein Beispiel: Hübsch wäre auch eine DSB-Homepage, die eine etwas modernere Erscheinung bietet. Ich meine dabei nicht den Funktionsumfang sondern die Optik - das Auge isst mit! Das gilt eben auch für Interessenten am Schach, die vielleicht zum ersten Mal auf der Homepage auftauchen und von den Friedhofsfarben empfangen werden. Eine hübsche App für Smartphone´s scheint mir auch überfällig! Wieso kann ich meine DWZ nicht über eine App betrachten, garniert mit den neuesten Schach-Nachrichten, vielleicht eine kleine Schachaufgabe dazu...?!?
Weil es Geld kostet, das wir nicht zu zahlen bereit sind, weil uns bereits der Kaffee in der Kneipe beim SK Hintertupfingen zu teuer war?
Auf die Masse der Mitglieder betrachtet dürften alle diese Dinge mit einem Aufschlag auf den Jahresbeitrag im Preisrahmen eines Latte Macchiato zu bekommen sein!
-1 #7 Dennis Calder 2012-07-26 09:09
Vielen Dank für den anregenden Beitrag, Schachfreund Fischer! Er gibt mir Gelegenheit, noch näher auf das Thema und Deine Argumente einzugehen:
Dein Denkansatz ist leider falsch. Du beginnst schon mit Ausführungen aus Sicht des Gastwirts und nicht aus der Sicht des Gastsportlers. Selbstverständlich stimme ich Dir zu, dass ein Gastwirt das Recht hat, die Nutzung seiner Räume mit einer Verzehrpflicht zu verbinden.
Deine Schlußfolgerung, dass die Verbände durch die Akzeptanz von Gaststätten als Spiellokale die Verzehrpflicht stellvertretend akzeptieren, ist allerdings nicht richtig. Warum? Der Verband macht Vorgaben über die Beschaffenheit des Spiellokals: Die Turnierordnung des DSB (A-7.1.1) verlangt, dass es genug Platz und keine Geräusche aus Nebenräumen geben darf. Damit scheidet die typische Dorfkneipe mit Frühschoppen und Kegelbahn üblicherweise schon mal aus. Eine vergleichbare Regelung gibt es auch in den Landes-TOen, z. B. Bremen (Punkt 30.2). Ebenfalls gibt es die Anweisung, dass Kaffee und weitere nicht alkoholische Getränke angeboten werden sollen (A-7.1.3). Das bedeutet, dass der DSB die Frage des Verzehrs gesehen hat und demzufolge auch hätte anfügen müssen, dass man die dort angebotenen Getränke statt selbst mitgebrachter verzehren muss. Das hat er nicht getan. Aus rechtlicher Sicht spricht damit die TO eindeutig gegen eine von Dir unterstellte stellvertretende Verzehrpflichtvereinbarun g. Weiterhin kann ein Verband seine Mitglieder rechtlich (oder auch nur informell) nur dann zu etwas verpflichten, wenn er dies ausdrücklich in eine Ordnung/Satzung aufnimmt. Das hat er, wie gesagt, nicht getan. Auch gibt es die Verpflichtung der jeweiligen Gemeinde, im Rahmen der Daseinsvorsorge ein passendes Spiellokal für Vereine zu stellen. Das gilt für Fußball, Tischtennis und auch für Schach. Hierfür darf Miete verlangt werden. Wer diese Miete nicht zahlen will, darf die dadurch entstehenden Pflichten nicht auf die Gastmannschaft abwälzen. Wo kämen wir denn dahin? Wenn also ein Verein seine Heimspiele in einer Kneipe ausrichtet, so muss der Heimverein dafür Sorge tragen, dass die Gastspieler unbehelligt ihren Sport ausüben können. Das ist im Gegensatz zu Deiner Darstellung über die besonderen Aspekte der jeweiligen einzelnen Sportarten überall gleich. Gastmannschaften sind nirgendwo verpflichtet, die Miete oder den Mietersatz "Verzehrpflicht" für die Heimmannschaft mitzutragen. Ausnahme: DFB-Pokal. Aber da ist klar und ausdrücklich schriftlich festgelegt, dass die Gewinne aus der Veranstaltung geteilt werden. Schach hat auch spezielle Anforderungen an die Spielstätte, richtig. Wie oben aber dargestellt haben weder der DSB noch die Landesverbände (ich gebe zu, ich hab nur noch Bremen geprüft) die Vorgabe gemacht, dass man in einer Kneipe zu spielen hat.
Ich persönlich kann die Ansicht, dass es unhöflich gegenüber dem Wirt ist, seine eigenen Sachen zu verzehren, nachvollziehen. Bei Trainingsabenden oder Turnieren bin ich ebenfalls dafür, dass man sich wohlwollend verhalten soll. Bei Mannschaftskämpfen allerdings finde ich es ebenso unhöflich, wenn mich der Heimverein zwingen will, seine Miete zu sparen bzw. zu bezahlen und seine Getränke gegen Bezahlung zu konsumieren. Das ist für mich eine Unverschämtheit. Das Argument von Bercher, dass Jugendmannschaften hier wohl in Schwierigkeiten geraten können, spricht ebenfalls für sich. Auch sein Hinweis "Bis zu welchem Preis?" ist wirklich gut (wäre ich nicht drauf gekommen!).
Die Durchführung des organisierten Schachsports wird auch nicht gefährdet: Wie der alte Schwerenöter Woltmann schon sagte: "Hobbies kosten Geld." (Ich kenne Woltmann, das ist also keine Abwertung seiner Person :-)) Auch Fußballer und Tischtennisspieler zahlen übrigens Abgaben für ihre Spielstätten. Es gibt Gemeindehäuser und Schulen, in denen gespielt werden kann. Wer will, findet Wege. Und die Zeiten, in denen wir in stinkenden oder nicht stinkenen Kneipen spielen mussten, sind mittlerweile, wie Bercher bestätigt, schon überwiegend vorbei. Ich habe mittlerweile in 4 sehr verschiedenen Bundesländern gespielt und kann mich erinnern: Ja, wir spielen auch heute noch in Kneipen. Aber es werden immer weniger und es ist noch nie ein Verein aufgelöst worden, weil er kein Spiellokal außerhalb eines Kneipenhinterzimmers gefunden hat. Was ist es denn auch für ein Zeichen, wenn Schachspieler sich dort zur Ausübung ihres Sports (laut Tal sogar Kunst!) aufhalten müssen. Da kann man doch als Sportler kaum ernst genommen werden. Und wir wollen als Sport zu Olympia!
Ich gebe viel Geld für Schach aus. Ich bezahle auch für die Miete unseres Spiellokals. Für einen Gastverein bei einem Ligaspiel will ich keine Miete oder Mietersatz übernehmen.
Abschließend noch ein Hinweis zum Recht: Ich bin Jurist (sogar ein guter, sagte er etwas protzend) und hab mich vor Jahren schon einmal mit einem Mannschaftskollegen mit diesem Thema auseinandergesetzt.
+1 #8 Northsea 2012-07-26 12:28
Taucher, erstmal vielen Dank für diese Ausführungen, die taugen (oder tauchen?) was würde ich mal sagen :-)

Erinnert mich an einen kleinen Vorfall in den 80er Jahren. Bei einem Mannschaftskampf zwischen Flensburg und Husum waren wir als Gastmannschaft in einem Flensburger Lokal angetreten. Eine junge Frau kam als Bedienung kam wollte von jedem die Bestellung aufnehmen. Nachdem ich und ein oder zwei andere Kinder aus Husum sagten, sie wollten nichts hatte sie einen kleinen Ausraster, das ginge doch nicht sie wäre extra gekommen etc. Bei den erwachsenen Spielern insbesondere von unserem Team aber ich glaube auch beim Heimteam war schon so der Konsens zu hören, das man uns ja nicht zwingen können etwas zu bestellen, es war aber auch irgendwie klar, das die Gastwirtschaft was verdienen solle. So bestellten etliche Erwachsene von Heim- und Gastmannschaft kännchenweise Kaffee und sowohl die Freiheit (niemand musste etwas bestellen) und auch der Kapitalismus (die Gaststätte muß was verdienen, sonst gibt es sie nicht) kamen zu ihrem Recht. Quintessenz: normalerweise können sich vernünftige Menschen irgendwie sinnvoll einigen.

Aber das gelingt bekanntlich nicht immer. Deshalb braucht es Turnierordnungen, Gesetze, Polizei, Gerichte. Wir könnten auf diesem Gebiet im Extremfall in einen Konflikt geraten, wenn bestimmte Gastwirte mit bestimmten Schachspielern zusammentreffen.

Gedankenexperiment: ein Gastwirt der zu 100% darauf besteht, das jeder was bestellt und ausschliesslich Essen/Getränke aus dem Haus verzehrt werden trifft auf einen frechen Schachspieler, der völlig ungeniert eigenes Essen/Getränke während der Partie verzehrt und sich weigert damit aufzuhören und was zu bestellen. Der Gastwirt macht von seinem Hausrecht Gebrauch und schmeisst den Spieler während der Partie raus. Wie wird die Partie gewertet? (eine Frage an die Schiedsrichter).

Die Lösung: es darf keinen Verzehrzwang geben bei sportlichen Wettkämpfen und der Gastwirt sollte das wissen im Voraus! Es sollte auch wissen, das sein Hausrecht für die Dauer des Wettkampfes aufgehoben ist. Man sollte ihm vorab eine Abschätzung geben wieviel die Schachspieler wohl verzehren werden und dann kann er sich ja überlegen, ob er sein Spiellokal für den Schachwettkampf bereitstellen möchte oder nicht.
Transparenz ist gefragt! Wenn alle vorab wissen, woran sie sind, ist die Wahrscheinlichkeit für Ärger sehr viel geringer. Es darf auf keinen Fall einen Verzehrzwang oder ein Korbgeld geben. Und der Gastwirt sollte informiert sein, das Schachspieler ggf. auch eigene Speisen/Getränke verzehren werden.
Und wenn der damit nicht einverstanden ist, dann muß definitiv eine andere Spielstätte gesucht werden.
#9 Max Bouaraba 2012-07-26 21:38
Das was Herr Angst dort anklagt, betrifft doch wohl im Wesentlichen die Situation der Schweizer in Ihren Schweizer Vereinsheimen, oder?! Wieso wird das jetzt hier auf Deutsche Vereine übertragen? An den meisten Spielorten in denen ich bislang in Deutschland gespielt habe, war eine Verzehrpflicht überhaupt kein Thema. In der Regel bietet doch fast jeder Deutsche Verein im Ligabetrieb Kaltgetränke, Kaffee und ein paar Schokoriegel zu zivilen Preisen an. Sollte das in der Schweiz anders sein, wohl denn, aber wen soll das hierzulande interessieren?

Wer aus Deutschland kommend freiwillig (!) an einem Open in der Schweiz teilnimmt, oder aber dort in einer Liga spielt, der sollte doch auch wissen, was dort ein Fläschen Wasser kostet?! Ein Schweizer verdient im Schnitt wesentlich mehr wie ein Deutscher für die gleiche Arbeit. Da mag ein Fläschchen für 5 Fränkli für einen Schweizer ein glatter Schnapper sein.

Was mich stattdessen interessiert ist die Außendarstellung unseres Sports (Schachspieler und die Außenwelt) bei Veranstaltungen, die auch in den Medien Anklang finden. Dresscode? JA BITTE! Fotos wie www.sparkassen-chess-meeting.de/2012/fotos/runde-9.html?start=20 sollten Standard sein. Aber weder von offizieller Seite werden ernsthafte Bemühungen unternommen dies voran zu bringen, noch scheinen die meisten Pro's es als nötig anzusehen, das Image welches wir (noch) besitzen durch eine angemessene Kleiderwahl zu unterstützen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie Gata Kamsky bei der letzten Mainzer Chess Classic Siegerehrung von Herrn Grenke dazu überredet werden musste, als neuer Schnellschach-Weltmeister wenigstens für ein paar Sekunden seine Baseball-Cap zu entfernen. Unglaublich schlecht. Ich bin mir selbst nicht sicher, was ein einheitlicher Dresscode im Ergebnis bringen bzw., ob dieses Verhalten auch gebührend verwertet werden würde. Ein Affe weiß, wie er eine Banane schälen muss. Ob das unsere Offiziellen wissen - ich habe da meine Zweifel. Aber schlecht kann ein Dresscode auf gar keinen Fall sein.

Unangemessenes, störendes Verhalten am Brett existiert meiner Meinung nach aus dem Grund nur, weil dies in den meisten Fällen vom Gegenüber kleinlaut akzeptiert wird. Wenn mich etwas stört, dann liegt es in meiner Eingenverantwortung als Erwachsener Mensch entsprechend zu reagieren. Seinem Gegenspieler als Sportler mit Respekt gegenüber zu treten, scheint einigen doch ziemlich abgängig zu sein.
#10 Gerald Fix 2012-07-27 16:51
Bei Mannschaftskämpfen kann ich es nachvollziehen, wenn die Spieler lieber in einem separaten Raum spielen, vielleicht in einem Gemeindehaus o.ä.

Aber das Spielen in Wirtschaften sorgt für öffentliche Wahrnehmung. Dort kommen immer wieder mal Besucher vorbei, die zuschauen und etwas trinken. In reinen Spiellokalen kommen nur ernsthaft Schachinteressierte.

Wenn sich der Schachsport aus den Wirtschaften zurückzieht, zieht er sich aus der Öffentlichkeit zurück.
#11 Max Bouaraba 2012-07-27 23:03
Ich bin oder war in 4 Vereinen als Spieler aktiv. Keiner dieser 4 Vereine hat sein Spiellokal in einer Wirtschaft. Ehrlich gesagt müsste ich mich jetzt anstrengen, um überhaupt einen solchen Verein zu finden, bei dem dies anders wäre.

Mit dem Rückgang von Wirtschaften, gerade in ländlichen Gegenden (allgemeines Kneipensterben) werden sich sowieso immer mehr Vereine auch zwangsweise um eine Alternative kümmern müssen. Ich glaube kaum, dass die sehr geringe Anzahl an nicht schachspielenden Besuchern bei Mannschaftskämpfen (ich habe kaum mal welche entdecken können) eine bedeutende wenn überhaupt eine Rolle spielen?! Die Bundesliga vielleicht mal ausgenommen.

Ganz im Gegenteil finde ich Wirtschaften oder sogar Kneipen in denen auch geraucht werden darf, als Spiellokal für unseren Sport eher als völlig ungeignet und einfach out. Wer an der Gewinnung von Jugendlichen um nicht zu sagen Kids ab U8 interessiert ist, muss versuchen eine andere Umgebung anzubieten.

Auf Räume in Wirtschaften, Kneipen oder ähnliches könnte unser Sport sicherlich sehr gut verzichten, sofern eine Alternative gefunden werden kann. Das wird nicht immer möglich sein. Ich befürchte aber, dass es oftmals einfach zu unbequem ist, sich mit dem Gedanken anzufreunden, seine geliebte Kneipe gegen den unterirdischen Charme eines Feuerwehrgerätehauses o.ä. einzutauschen. Ich glaube, das ist das eigentliche Problem, welches sich aber wie gesagt ohnehin von alleine lösen wird.
#12 Krennwurzn 2012-07-29 23:30
Betrachtet man das Verhältnis Schachverein - Gastwirt einmal pragmatisch, so muss man sich schon die Frage stellen, was in diesem schiefläuft, wenn der Wirt ein Problem damit hat, wenn ein paar Gäste der Auswärtsmannschaft eigene Verpfegung mitbringen.

Wir Schachspieler gelten doch als Sportler mit hoher Akademikerquote und hohem Durschnittseinkommen!

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