Stell dir vor, es ist Deutsche und niemand geht hin!

Wie weit kann man Negativrekorde eigentlich noch unterbieten? Über eine dünne, unterklassige mangelhafte, unwürdige Besetzung der Deutschen Meisterschaften beschweren wir uns alle ja schon lange und fleißig – zumindest solange ich mich für Schach interessiere. Ob Osterburg, Saarbrücken oder Bad Liebenzell – alles Meilensteine aus dem vergangenen Jahrzehnt, auf dem Weg zu weniger Preisgeld, weniger Prestige und weniger Begeisterung. Mit einer vorläufigen Krönung im letzten Jahr, als im von öffentlichen Verkehrsmitteln weitgehend unerreichbaren Bad Liebenzell neben der DEM ein großes offenes Open stattfinden sollte – wenn mein Gedächtnis mir keinen Streich spielt, mit Kapazität für bis zu 180 Teilnehmer. Es kamen 10 (davon etwa die Hälfte Profis aus dem Ausland). Wenn das mal kein Schlag ins Gesicht war… In den letzten Jahren lief es trotzdem irgendwie – zwar mehr schlecht als schlecht, aber immerhin. Das liegt daran, dass zu dem (über die Jahre hinweg sehr konstanten) Feld der 2300er bis 2400er, die sich über die Popel-Landesverbandsturniere qualifizierten, bedingt durch eine sehr großzügige Freiplatzpolitik immer noch eine 8-10 Mann starke GM/Jungtalent-IM-Spitze künstlich aufgesetzt wurde, die dann auch meist geschlossen den Preisfond unter sich aufteilen konnte. Natürlich insgesamt ein recht fragwürdige Praxis, den (jedes Jahr gleichen) „ehrlich“ Qualifizierten jedes Jahr die Termiten vor die Nase zu setzen, die ihnen immer wieder das Holz wegknabbern. Mich persönlich als Klein-Termit würde das ärgern, aber es wurde von der Allgemeinheit im Namen der Steigerung der Turnierqualität und des Zuschauerinteresses ganz gut hingenommen und vermutlich sogar begrüßt. Und die Qualifikanten aus den Landesverbänden, allesamt keine Profis, freuten sich auch bestimmt mal über die Gelegenheit, ein Remis gegen eine GM zu erzielen, oder wenigstens mit Würde zu verlieren.

Von daher war alles nicht so schlimm. Auf niederstem Niveau, aber die DEM siechte vor sich hin, so von Jahr zu Jahr. Es gab zwar noch weitere, eher weniger begrüßenswerte freiplatzpolitisch bedingte Auswüchse – zum Beispiel stellt sich mir die Frage, warum es bei der DEM 2009 in Saarbrücken für das Allgemeinwohl unumgänglich war, 4 Spieler aus dem Saarland mit ELO 22xx aus dem Saarland ins Teilnehmerfeld zu schleusen, aber solche „special cases“ fallen vielleicht auch nicht allen auf.

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Action-Abenteuer Erlebnisse mit dem besondenseren K(l)ick, jetzt auf spassbaron.de Dieses Jahr aber in Bonn/Bad Godesberg, da soll noch einmal wirklich alles anders werden. Da wurde von den verantwortlichen Herren (und Damen? Würde mich wundern!) die „Zitrone“ DEM wirklich bis zum Gehtnichtmehr ausgequetscht. Bis auf die gelben Kerne. Da muss wirklich ein schlauer, fast schon revolutionärer Geist auf die geniale Idee gekommen sein, das mathematische Prinzip „Minus mal Minus = Plus“ auch auf Deutsche Meisterschaften übertragen zu können. Sprich – wenn wir die (normal) unattraktive Meisterschaft der Herren und das Championat der Frauen (ich glaube, es reicht nicht, „nur“ ein Freak sein, um für die letzten 5 Jahre Austragungsort, -Datum und die Siegerin aufzählen zu können, dass können nur Fetischisten!) an einen Ort zusammenlegen, sind die Leute begeistert und rennen bei uns in Scharen die Bude ein wie bei der Fußball-WM.

Leider sind bedingt durch den sich aus der Zusammenlegung ergebenden Platzmangel im Männerturnier nur noch 30 statt der früheren ca. 45 Starterplätze verfügbar (zumindest ist das die offizielle Begründung und an ihren Wahrheitsgehalt zu glauben, erscheint mir zwar durchaus etwas naiv, aber die einzige andere Möglichkeit die sich mir erschließt, wäre eine absolute Benebeltheit der Verantwortlichen, die ich ihnen natürlich niemals vorwerfen würde!) und deshalb wird die Freiplatzpolitik in Bonn 2011 etwas gestutzt werden. Neben den 3-4 Spielern mit 2230 ELO aus Bonn, denen ich die Teilnahme ja durchaus noch gegönnt hätte, bekommen jetzt aber leider im Gegensatz zu den letzten Jahren etwa 8-10 Großmeister einfach mal keinen Freiplatz. Man hätte das Turnier zwar auch ganz GM-frei durchziehen können (die Vorzüge der Frauenmeisterschaft hätten dies mit Sicherheit mehr als wettgemacht), aber mit Jan Gustafsson, Daniel Fridman und Rainer Buhmann fanden sich am Ende doch noch Freiwillige, die sich bereit erklärt haben, den etwas faden aber doch sättigenden Preiskuchen aufzuessen. Kann ich durchaus nachvollziehen, ich hätte an deren Stelle ja auch nicht gefühlte 3000€ EV einfach in den Wind gehauen, hätte man mich gefragt. Wobei ich auch durchaus Verständnis für Georg Meier aufbringen kann, der eben keine Bereitschaft aufbringen konnte, sich in einem IBIS-Hotel an Amateuren die Hände schmutzig zu machen und seine Zahl zu ruinieren. Das muss letztendlich jeder selbst wissen, wie er das handhabt.

Es wird sich zeigen ob die genannten Drei auf ihrem Weg auf irgendeinen Widerstand treffen werden. Vielleicht wenigstens auf einen weiteren GM – wenn Titelverteidiger Niklas Huschenbeth, der zur Stunde beim Aeroflot-Open in Moskau weilt, bis dahin endlich seine 2500 zusammen hat.

Viel Spaß in Bonn, Freunde! Ich bleibe fern.

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