Was die Darstellung des Schachs in den Medien angeht, sind wir ja schon einiges gewöhnt. Peer Steinbrück und Helmut Schmidt bauten mal eben das Brett falsch auf für einen Fototermin, im Tatort werden die Figuren sinnlos aufs Brett gekegelt und überhaupt – vielfach hat das alles nicht die Würde, die man sich vom Königlichen Spiel erhofft.
Schlimmer ist eigentlich nur noch, dass selbst James Bond in „Casino Royal“ lieber pokert als eine Blitzpartie zu versuchen. Unser Sport scheint ein Sport zu sein, den die Welt nicht sehen will. Aber andererseits ahnten wir das ja auch schon – und das Haupthindernis zum Glück sind zu hohe Erwartungen.
In der letzten Ausgabe der Financial Times Deutschland (bye bye FTD, schade!) konnte man im beiliegenden Lifestyle-Magazin „How to Spend it“ eine große Werbeanzeige finden, in der es einmal mehr um Schach geht – und um fast nichts anderes. Eventuell noch um einen Hund.
Ein stilvolles Ambiente zum Schachspielen - doch wo sind die schönen Frauen? (Foto: Hackett, London)
Ein großes Gartenschach und eine schnöde Sitzbank aus Waschbeton. Wir sehen zwei Männer und ebenjenen Hund auf d6. Er ähnelt dem berühmten Abenteuerhund Struppi aus dem gleichnamigen Comic, und das ist kein Wunder, denn auch beim Schach lauert schließlich das Abenteuer an jeder Ecke (ausgenommen, man eröffnet mit 1.c2-c4 oder spielt Französisch Abtausch).
Der kleine Struppi ist indes nicht allein. Er hat zwei Herrchen mitgebracht, und während der kleine Hund treu das Feld d6 bewacht und sich schon daran macht, beim nächsten "Fass!" den schwarzen König zu apportieren, stehen die beiden glattgestriegelten jungen Männer cool am weißen Königsflügel herum und … tun erst einmal gar nichts. Vielleicht sind die beiden gar keine Schachspieler? Schachspieler würden kaum mitten auf dem Feld stehen und hätten eine Tasse Kaffee, Kekse, Dextro Energen-Tabletten und eine Banane dabei für die stete Versorgung mit Wettkampfenergie. Auch das viele Gel auf ihren Köpfen ist eher untypisch für Denksportler wie uns. Es bleibt daher unklar, was die beiden auf dem Bild zu suchen haben.
Da lacht das Schachspielerherz! OSt
Gekleidet sind die beiden jungen Männer schachlich stilgerecht in Schwarz und Weiß – mit einem feinen Smoking, schmucken Lackschuhe und einer adretten Fliege um den Hals. Alexandra Kosteniuk wäre überrascht, denn beklagte sie nicht einmal, dass Schachspieler (falls es denn welche sind) so schlecht gekleidet wären, und überhaupt? Aber nicht auf diesem Bild!
Auch die dargestellte Partiestellung gibt uns zu denken.Sie sieht zwar plausibel aus, scheint aber völlig frei erfunden zu sein - die Positionsfragmente, eingegeben in die MegaDatenbank 2011, finden sich so in keiner registrierten Turnierpartie wieder. Man erkennt mit schnellem Blick, dass Weiß eine Englische Partie gespielt haben muss, denn wie schon nach dem ersten Zug steht der Bauer immer noch auf c4. Um den weißen Königsflügel steht es schlecht - überall sind Löcher, und in diesen Löchern stehen dann auch noch die beiden Smokingträger herum. Ein angeschaltetes Smartphone oder eine brennende Zigarette halten sie allerdings nicht in der Hand – insofern ist beinahe noch alles regelkonform. Doch warum setzen sie sich nicht hin? Hinten im Bild steht doch eine Bank!
Darüber hinaus vermissen wir den weißen König. Wo mag er sich verbergen? Während Schwarz seinen König leichtfertig in Hundebissnähe auf e8 stationiert hat und die weiße Dame schon auf d3 gelandet ist (von wo aus sie Struppi auf d6 im nächsten Zug schlagen könnte), gibt es nur noch wenige Anzeichen von Aktivität auf der weißen Seite des Brettes. Ein Turm und vier Bauern sind dort noch übrig -das ist die magere Ausbeute der bisherigen Partieverlaufs. Ob Weiß gleich aufgeben wird? Oder sind seine Figuren einfach nicht mehr mit aufs Bild gekommen?
Was das Foto verschweigt - ist das die wahre Stellung?
Was will uns das alles sagen? Ich kann nur rätseln und hoffe darauf, dass zumindest die Leser eine gute Idee haben. Mir fällt nur so viel ein:
- Das alles hat mit Schach überhaupt nichts zu tun. Es soll lediglich Hundebesitzer ansprechen.
- Das alles hat mit Schach überhaupt nichts zu tun. Es soll lediglich Freunde von Gartenbänken ansprechen.
- Die Werbeschaffenden setzen hier auf Schachspieler als Zielgruppe und hoffen, dass wir zu Weihnachten noch ein paar Krawatten und Lackschuhe gebrauchen können. Aber ich weiß nicht so – da kann man sich doch viel lieber die lesenswerte "Jahrhundertmeisterschaft im Schach" in Jörg Hickls Schachshop bestellen! Das hilft auch für die ELO.
- Die Anzeige ist eine Vorschau für den nächsten James Bond. Der Hund ist der Bösewicht und spielt mit den schwarzen Steinen gegen 007 (rechts im Bild) eine Partie, in der es um die Weltherrschaft geht. James Bond hat aber vom Schach leider weniger Ahnung als von Frauen - sonst hätte er nicht so viel Gel im Haar und eine schöne Tasse Kaffee in der Hand. Es sieht also schlecht aus für die Welt.
Zugegeben: die Aussage dieser Anzeige ist mir ein Rätsel, aber immerhin sieht sie gut aus. Ein Pluspunkt für die Marketing-Abteilung: das Brett ist perfekt aufgebaut, denn unten rechts ist ein weißes Feld. Das hat Peer Steinbrück nicht geschafft.
Wir fragen heute unsere Leser: Wer um Himmels willen macht so eine Werbung, und wofür wird wohl geworben? Ist es der Deutsche Schachbund, mit einer neuen Medienoffensive? Ist es die Niedersächsische Schachjugend auf der Suche nach neuen Mitgliedern? Ich hätte mich gefreut, wenn es eine Anzeige wäre für den neuen FIDE-Grand Prix Zyklus. Das hätte Stil gehabt!
Wir freuen uns auf die Ideen und Tipps aus der werten Leserschaft!
Technisches PS: Die Urheberschaft für die Anzeige und die Fotos hat die Firma Hackett aus London. Soviel nur als Tipp - aber bitte nicht direkt danach googeln!
Kommentare
Jackets by Hackett's
Mich erinnert es daran: als ich so etwa meinen ersten Schachfilm sah (und ich spielte noch nicht all zu lange) wurden am Anfang ein paar Spieler eingeblendet, die Blitzpartien spielten. Es waren sehr viele Schachspieler dort, also wohl Bilder einer Olympiade oder so. Die Beiden begannen ihre Partie -- nach meiner Erinnerung -- mit den Zügen 1. g2-g4 b7-b5
Noch immer suche ich jemanden, der den Film kennt und meiner Erinnerung auf die Sprünge hilft. Andererseits war ich damals wirklich geschockt und stellte mir da schon die Frage, warum, wenn man einen SCHACHFILM dreht, nicht ansatzweise vernünftig recherchiert wird (wobei "recherchieren" schon ein ziemlich aufgeblasenes Wort dafür ist; einmal einen Schachclub besuchen und der Letzte der Clubmeisterschaft, Brett 8 von Mannschaft 5, könnte bereits locker insoweit helfen, als dass kein völliger Unsinn herauskommt).
Auch bei dem Film "Knight Moves" -- ich glaube, ich bin nur ein oder zwei Mal in meinem Leben aus einem Film vor dem Ende herausgegangen, aber das war EINER der beiden -- konnte man sich fast durchgehend ärgern. Die Tartakus Variante? Der Mörder bringt eine Neuerung mit Läufer nach f4? Nein, tut mir leid. JEDER BELIEBIGE Schachspieler hätte eine bessere Idee gehabt.
Also, Olaf, es gibt immer das gleiche Ergebnis: Schachspieler sind Exoten und interessieren tut das, was sie betreiben, kein einziges Schwein.
Vielleicht findest du deinen Schachfilm in einer
der 5 Zusammenstellungen ("Rhapsody")
auf folgender Seite wieder:
www.chessvibes.com/reports/chess-in-cinema-the-ultimate-collection
Enthält haufenweise Schachszenen aus zig Filmen
und Serien, vorsicht: teilweise zum Schrottlachen.
Vielleicht hilft dir auch das Heft zum Thema
"Schach im Film" der Zeitschrift KARL
weiter.
www.karlonline.org/1_09.htm
Mein Lieblingsschachfilm:
Die Schachspielerin (mit Sandrine Bonnaire)
nach dem Roman von Bettina Henrichs
(das Buch ist auch sehr nett)
und da haben die wirklich sehr viel Input
von echten Schachspielern (in diesem Fall
aus Korsika) reingebaut:
www.imdb.de/title/tt1082009/
Bye,
Northsea
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