Sehr gut, sehr gut – bei der Olympiade in Istanbul gewann das deutsche Herren-Team heute mit einem sehr sehr knappen 2,5:1,5 gegen Viorel Bologan und seine moldawische Mannschaft. Ich hatte das Glück, die Schlussphase live im Netz sehen zu können und muss sagen – Respekt, die Herren!
(Und gleichfalls natürlich Chapeau, die Damen - das deutsche Damen-Team besiegte das vom Bürgerkrieg belastete Syrien mit einem klaren 4:0.)
Arkadij Naiditsch brachte gegen Bologan ein weiteres Remis gegen einen Spitzen-GM-Kollegen unter Dach und Fach – gestern schon hatte er nach einigen Aufregungen ein souveränes Remis gegen Nakamura erzielt.
(Treue Schach-Welt-Leser werden sich entsinnen - es ist derselbe Nakamura, der einst gegen Jörg Hickl in einer legendären Blitznacht mit 14 : 0 gewann!)
Kurz vor der gefürchteten Zeitkontrolle schien sich Georg Meier noch beinahe aus einer wackelnden Verteidigungsstellung herausretten zu können, doch der moldavische GM Svetushkin (allein der Name strahlt schon Gefahr aus) setzte nach einer professionellen Zugwiederholung zum entscheidenden Schlag an und forcierte eine schöne Gewinnabwicklung. Moldawien lag nun vorne, und auf einmal war mir gar nicht mehr ganz klar, ob es noch irgendwo zum Ausgleich (oder noch mehr?) reichen könnte.
Zum einen blieb noch die Partie von Jan „Janni“ Gustafsson, dem Blogger der Herzen aus der Hansestadt Hamburg. Hier wurde aus der Türkei lange Zeit diese Stellung übertragen:
Gustafsson - Vedmediuc
(Gustafsson mit Weiß, Vedmediuc mit Schwarz)
Es mag für mich sprechen oder auch nicht, doch ich zweifelte daran, dass das nun noch zu gewinnen sein könnte. Zwar bedroht Jan gerade den gegnerischen König mit einem gefährlichen Schachgebot, doch andererseits sind die Läufer ungleichfarbig, und überhaupt.
Doch was soll man sagen – Jan hat das noch gewonnen!
Im Nachhinein verblüfft das natürlich gar nicht mehr so sehr, denn a) Jan hat auch mich schon geschlagen und b) er ist einfach ein starker Spieler! Vor allem aber c) weiß er mit seinem weißfeldrigen Läufer umzugehen, und das hat er ja auch auf der Europameisterschaft gegen Armenien eindrucksvoll bewiesen.
Hier also die folgenden Züge:
41… Kf7-g8
42.Df5-c8+
Bis hierhin alles noch nicht so spektakulär. Doch nun antwortete Vedmediuc
42….. Kg8-f7?
Gustafsson (mit Weiß) - Vedmediuc (mit Schwarz)
Hände hoch - wer von uns hätte diesen Zug nicht auch gespielt, und vielleicht sogar mit einigem Optimismus und in behaglicher Vorfreude auf das bevorstehende Mannschaftsessen?
Doch ist der schwarze Königszug ein wenig arglos, wie sich gleich schon zeigen wird – 42....Lf8 oder ähnliches wäre völlig ok gewesen. Wie soll man aber auch immer ahnen, dass noch irgendwo Gefahren drohen?
Hier nun eine strenge Aufgabe für die aufmerksamen Leser:
Mit welchem schönen Zug hat uns Jan das nun gewonnen?
Für Jan und sein Team - mit Grüßen aus dem Norden!
Nun stand es 1,5:1,5 - und bei Igor Khenkin hatte sich zu diesem Zeitpunkt bereits ein wildes Freibauernrennen eingestellt. Beide Seiten hatten König und Turm – sowie drei Freibauern, die jeweils auf die gegnerische Grundreihe zustürmten. Bei Igor allerdings stürmten sie ein wenig effektiver, und hastdunichtgesehen musste Iordachescu die Hand zur Aufgabe reichen. Der Siegpunkt, 2,5 : 1,5!
Weiß: Igor Khenkin
Schwarz: Viorel Iordachescu
Glücklich der Spieler, der so ein Endspiel nicht berechnen muss - an dieser Stelle gab Khenkins Gegner auf!
Glückwunsch an Team und Trainer, zwei Mannschaftspunkte gegen Moldawien – eine sehr starke Leistung!
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Die deutschen Herren liegen nun mit 11 von 14 Punkten im Feld der dynamischen Verfolger. Verfolgt wird zur Zeit vor allem Russland - die russische Schachschule hat zur Zeit 13 Punkte und spielt morgen gegen ihre Freunde aus der Ukraine.
Die deutschen Herren treffen morgen um 14 Uhr deutscher Zeit auf die ebenfalls starken Ungarn. Da bleibt nur zu sagen:
Mit szólsz ehhez a szép idöhöz? Végre nem esik sem az esö, sem a hó!
Kommentare
Viel schöner finde ich, dass die 4 Jungs wieder über ihrer Gewinnerwartung spielen. Was so ein gescheiter Eröffnungstrainer bringt, ist doch ganz erstaunlich... Oder auch nicht: Aus allererster Hand weiss ich, dass Uwe Bönsch auch schon Varianten für sein GM-Training vorbereitet und angepriesen hat, die bei der ersten Anwendung am Brett vom Gegner vernichtend widerlegt wurden. Da ist jeder tatsächlich hochwertige Trainer (eben wenig überraschend) ein richtiger Gewinn für´s Vaterland
Zwei lockere Varianten: 41.-Df7 42.Dxf7+! Kxf7 43.Lxb5 e4!? 44.Lxa4 Lxb2 45.Ke3 Lxa3 46.Kxe4 - und zwei verbundene Freibauern sollten zum Gewinn reichen, oder etwa nicht?
Auf 42.-Lf8 bedient Weiss sich auch auf b5 und a4, und drei (3) Mehrbauern auf zwei Flügeln bei vorläufig null schwachen weissen Bauern sollte doch reichen? Wo ist das schwarze Gegenspiel? Er kann zwar -Dh4 spielen aber danach nicht auch noch Lf8-c5. Weiss muss nur noch aufpassen dass e5-e4 und dann eventuell noch e4-e3 nicht funktioniert.
danke für den Hinweis mit der Reihenfolge der Gewinnpartien - Du hast natürlich Recht, zunächst gewann Jan und dann Igor. Ich habe nicht die ganze Zeit zugesehen, und habe es dann in der Euphorie wohl falsch rekonstruiert. (Sollte nicht vorkommen!)
Hab´s gerade überarbeitet - nun sollte es stimmen im Artikel.
An Thomas: Du hast Recht, Weiß mag auch so Gewinnchancen haben. Ich fürchte aber immer, dass der Gegner mit den ungleichen Läufern noch irgendwelche Blockaden hervorzaubern kann, ewige Schachs oder so. Dennoch hast Du Recht - Chancen hätten es auch ohne das Matt gegeben. Man kann noch kneten ...
Ich weiss nicht ob ich berufen bin für eine Einzelkritik der deutschen Spieler, mache es trotzdem vor allem weil einer noch gar nicht erwähnt wurde (nur weil er gegen Moldawien nicht dabei war). Aber fangen wir oben an:
Naiditsch - immer kompromisslos und damit für Freund und Feind schwer auszurechnen. Er kann gegen jeden gewinnen aber auch gegen fast jeden an Brett 1 verlieren - siehe Montenegro. Gegen Radjabov "durfte" er natürlich verlieren, aber vielleicht auch nicht so ... . Neben Schatten gab es natürlich (nicht nur heute gegen Ungarn) auch Licht.
Khenkin - hat seine Nominierung und Brett 2 gerechtfertigt. Dass er Schach spielen kann steht ausser Zweifel. Dass er es auch "will" statt zu früh zu remisieren wusste man vor dem Turnier nicht unbedingt.
Meier - fiel nicht positiv auf aber (bis auf die eine Niederlage gegen Svetushkin) auch nicht negativ.
Fridman - bestes Ergebnis aller Spieler an Brett 4, need I say more? Da hatte er nicht die allerstärksten Gegner, aber auch die muss man erstmal besiegen und Ausrutscher vermeiden.
Gustafsson - nix für ungut, aber es hat wohl seine Gründe dass er fast nur gegen schwächere Teams eingesetzt wurde. Dortmund lief alles andere als toll, und nach eigenen Angaben ist er kein Schachprofi mehr (übrigens auch kein Blogger, aber das hat er noch nicht verraten). Die Aufgaben hat er aber gelöst, Ausnahme wiederum Montenegro - da hätte er vielleicht statt Zugwiederholung weiter spielen sollen zumal Naiditsch zu dem Zeitpunkt bereits bedenklich stand.
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