Die Spiele sind eröffnet

My god, it´s a draw again! My god, it´s a draw again! Alexej Yushenkov/ FIDE World Cup Homepage

Hmhm, hmhm, hmhm. Ich weiß ja, dass ich nicht ganz so viel verstehe vom Schach wie so manch andere. Dennoch: nun sind in Moskau die ersten beiden Partien gespielt zwischen Vishy Anand und Boris Gelfand, und nach meinem Gefühl waren beide nicht besonders aufregend.

Kaum hatten sich interessante Konstellationen angebahnt, waren die meisten Figuren auch schon wieder vom Brett verschwunden. Jede Partie steuerte schon bald nach der Eröffnung in den sicheren Remishafen. Insgesamt sahen wir bisher 49 Züge – 24 Züge waren es gestern, und auch heute 24 Züge (plus ein Bonuszug) mit erneutem Remis.

anand-gelfand1

Anand - Gelfand : Remis!

anand-gelfand2

Gelfand - Anand: Remis, obwohl der schwarze Springer hängt!

Tjaja, kein Aufreger, noch nicht. Nur schön für die Freunde des gepflegten Figurentausches. 

anand-gelfand1-alexej yushenkov

I always feel like somebody´s watching me.
                             (Alexej Yushenkov/ FIDE World Cup Homepage)


Doch alles hat seine zwei Seiten, und wir wollen ja geduldig sein. Es geht um viel Geld, das ein russischer Sponsor ausgelobt hat, und beide Spieler müssen sich auch erst einmal hineinfinden in den Wettkampf. 

Man kennt das ja selbst von eigenen Turnieren: in der ersten Runde stolpert man herum und erobert - wenn überhaupt - nur mit Mühe und einigem Glück den ersten Punkt.
Und auch die Fußballteams, die in der Champions League im Finale stehen, tasten sich dort erst einmal vorsichtig ab! Die Zuschauer sehen dann erstmal nur Rasenschach, und die ersten Tore fallen frühestens nach 30 Minuten.
Bis dahin aber ist es traditionell die Aufgabe des Publikums, zu singen, zu klatschen und zu hoffen – und tatsächlich, irgendwann zündet dann doch das erste Feuerwerk, und alles wird gut.

Wird es uns auch so gehen in diesem WM-Finale? Gestern zumindest gab es schon einige hübsche Handgemenge und einen gefesselten Springer auf c6.

kaffeeschach

Ein Kaffee aus dieser schönen Tasse könnte auch in Moskau Wunder wirken.
                                                                              

Am Ende zählt nicht, wie aufregend die Partien waren - am Ende zählen nur das erfolgreiche Gesamtergebnis und der Titelgewinn. Doch es wird schon noch werden mit einer spannenden WM.
Morgen ist zwar erst einmal Pause, aber am Montag sehen wir dann vielleicht 26 Züge in nur einer Partie - und
mit etwas Glück den ersten vollen Punkt.


Olaf Steffens

Olaf Steffens, Diplom-Handelslehrer, unterrichtet an einer Bremer Berufsschule. FIDE-Meister seit 1997, ELO um die 2200, aufgewachsen in Schleswig-Holstein. Spielte für den Schleswiger Schachverein von 1919 (moinmoin!), den MTV Leck (hoch an der dänischen Grenze!), den Lübecker Schachverein, die Bremer Schachgesellschaft und nun für Werder Bremen.

Seit 2012 Manager des Schachbundesliga-Teams des SV Werder Bremen.

Größte Erfolge:
Landesmeister von Schleswig-Holstein 1994, Erster Deutscher Amateur-Meister 2002, 5.Platz beim letztenTravemünder Open 2013, und Sieger des Bremer Hans-Wild-Turniers 2018.

Größte Misserfolge:
Werd´ ich hier lieber nicht sagen!

Größte Leidenschaften:
früh in der Partie irgendetwas mit Randbauern und/ oder g-Bauern auszuprobieren und die Partie trotzdem nicht zu verlieren – klappt aber nicht immer.

Kommentare   

#1 Max Bouaraba 2012-05-15 23:38
4 Remis, kurze Partien, alles langweilig? Nö. Was mich zumindest überrascht sind die Partieanlagen von Gelfand, die mir bisweilen riskant, zumindest nicht klammernd und immer nach Aktivität strebend aussehen. So hatte ich Gelfand zumindest nicht in Erinnerung. Seine Partien gegen Kamsky beispielsweise sahen da für mich völlig anders aus. Mamedjarov warnt übrigens ebenso vor Gelfands Kampfgeist, nicht nur weil dieser ihn rausgekegelt hat. Vielleicht ist Gelfand einfach einer dieser unterschätzten Top-20-Player die es in einem langen Wettkampf durchaus mit jedem aufnehmen können. Mir ist kein längerer Wettkampf Gelfands 1 gegen 1 aus der jüngeren Vergangenheit bekannt. Warten wir's also ab. Mein Tipp ist ein am Ende knappes 6,5:5,5 für Anand.

PS: alleine die Mimik von Gelfand, zu sehen auf der Videoübertragung auf der offiziellen Seite, ist schon echt klasse :)
#2 Thomas Richter 2012-05-16 19:07
@Max Bouaraba: Dass gerade Mamedyarov dies sagte liegt vielleicht auch an seiner www.chessgames.com/perl/chessgame?gid=1621783Verlustpartie gegen Gelfand in Kazan - in einem Sizilianer opferte Gelfand erst typisch eine Qualität, dann noch eine Figur und hatte am Ende sechs Bauern für den Turm. Da wäre auch noch Gelfands www.chessgames.com/perl/chessgame?gid=1622878 Entscheidungspartie gegen Grischuk.

Weitere Beispiele in Gelfands Buch "My most memorable games". Im Vorwort schrieb Kramnik: "He is not only - and this is accessible only to a few - a highly universal player, capable of playing equally well in the most varied types of positions. What impresses me most is his ability to create games, where all the moves, from the first to the last, are as though links in a single logical chain." Das klappt natürlich nicht immer - aber insgesamt habe ich den Eindruck dass Gelfand, trotz Jahrzehnten in der (erweiterten) Weltspitze, beim breiten Publikum zu Unrecht eher unbekannt ist.
#3 Max Bouaraba 2012-05-16 19:51
Schöne Worte von Kramnik, aber womit sonst hätte er es in Gelfands Buch schaffen sollen :) insofern... Mir sind Gelfands Glanztaten einfach vorher nie sonderlich aufgefallen. So wie es Jörg Hickel schon oft trefflich beschrieben hat, so wird auch Gelfand unter den meisten Vereins-Schachspielern "nur ein Name" sein, den man vielleicht "schon mal gehört" hat, aber das wars dann auch schon. Egal wie dieser Kampf ausgeht, Gelfand hat sich schon jetzt ein Denkmal gebaut, die Rente gesichert und wird fortan sicher mit völlig anderen Augen gesehen. Alles Weitere hat er jetzt selber in der Hand. Wünschen wir ihm das Beste.
#4 Intucal 2012-05-16 22:24
zitiere Max Bouaraba:
Schöne Worte von Kramnik, aber womit sonst hätte er es in Gelfands Buch schaffen sollen :) insofern... Mir sind Gelfands Glanztaten einfach vorher nie sonderlich aufgefallen.


Kennst du das Buch. Ist ein Klasse Buch!
#5 Max Bouaraba 2012-05-16 23:02
Hey Fab, ich werde es gleich auf Amazon ordern / wer weiß: nachher wird der noch Weltmeister und die Preise steigen ins Unermessliche... Aber mal im Ernst, viel interessanter sind doch die Videosequenzen wie zB die von der laufenden WM :D einfach zu herrlich diese Gesichtsverrenkungen...
#6 Intucal 2012-05-16 23:53
Lohnt sich auf jeden Fall, Ich habe mein Exemplar für 10 € erstanden, das war Preis-Leistungsmäßig der reine Hohn, wenn man sich andere Machwerke so ansieht.
Was die Videosequenzen angeht, ein Wortwechsel zwischen mir und einem extrem schachbegeisterten Grundschüler: Ich: Momentan läuft der WM-Kampf zwischen Anand und Gelfand! U10er (ohne Gelfands Zinken zu kennen): Gelfand?! Elefant!? :D
#7 Thomas Richter 2012-05-17 11:12
@ Max Bouaraba: Ja wen kennt der durchschnittliche Clubschacher schon - von Spielern die sich nicht oder noch nicht dauerhaft in den top5 etablieren konnten? Von der alten Garde am ehesten Ivanchuk und Shirov, von der jüngeren Generation wohl Nakamura (zumal der, z.B. verglichen mit Karjakin, ziemlich gehyped wird), landestypisch Giri in den Niederlanden und vermutlich Caruana in Italien, das war's wohl.

Zu Gelfands Buch: Er hatte Kramnik wohl eingeladen das Vorwort zu schreiben (ohne zu wissen was es genau wird). Er hatte wohl mehr Interesse daran als Big Vlad, schliesslich ist es Reklame aus berufenem Munde. Und ich vermute wenn Kramnik sowas schreibt meint er es wirklich.

Ich hatte das Buch übrigens zunächst auch nur zur Kenntnis genommen und habe mich erst nach einigen sehr positiven Reviews zum Kauf entschlossen, und seither sehe ich Gelfand mit anderen Augen. Eine Kunst ist ja Glanzpartien zu spielen, noch eine andere diese auf hohem Niveau und doch verständlich zu präsentieren. Bei Shirovs Büchern hatte ich nicht gezögert und brauchte keine Hilfestellung - auch wenn die aus lange zurückliegenden bekannten Gründen kein Vorwort von Kramnik haben.

Zu Gelfands Mimik: live vor Ort ist man nicht so nahe dran, aber auch dann ist es herrlich zu sehen - auch wie er tief in Gedanken über die Bühne spaziert, die Arme hinterm Rücken verschränkt, mehrfach beinahe mit anderen Spielern kollidiert usw. . Spreche aus Erfahrung - Wijk aan Zee und Rising Stars vs. Experience in Amsterdam.

Die Teilnahme an unserer Kommentarfunktion ist nur registrierten Mitgliedern möglich.
Login und Registrierung finden Sie in der rechten Spalte.