Vorwärts, rückwärts, seitwärts und/oder diagonal? Nein, das ist kein Tanzkurs - auch im Schach spielen Damen eine Rolle. Auf dem Brett machen sie genau das, was man ihnen vorgibt - ob es richtig ist, erfährt man oft erst nach der Partie. Neben dem Brett bzw. mir gegenüber haben sie auch in München Seltenheitswert. Multiplizität der Ereignissse motiviert mich gelegentlich zu Blogbeiträgen - vielleicht ist es ja sogar lehrreich, wobei ich bisher kaum lernfähig war.
Was soll das Titelbild? Irgendeines brauche ich eben - wenn ich bei einem anderen Münchner Großverein (erfahrener Auf- und Absteiger, jedenfalls im Schach, auch auf hohem Niveau) gelandet wäre, würde es stattdessen vielleicht ein Farbfoto irgendeines Kickers. Bei Tarrasch gibt es auch zu Mannschaftskämpfen keine Kleiderordnung, und Mannschaftskämpfe sind Thema dieses Beitrags. Turniere wären ein anderes Thema, alles kann ich nicht abdecken.
Was ist in München anders als auf Texel bzw. in Noord Holland? Einerseits wenig: auch hier wird Schach gespielt, und Partien werden anfangs eröffnet. Auch hier müssen Mannschaften absteigen, bevorzugt nicht die eigene bzw. die eigenen - das klappte dann in München diese Saison besser als bei meinem ehemaligen Verein En Passant Texel, aber spannend war es bis kurz vor Saisonende (eine Runde wird noch gespielt).
Unterschiede gibt es auch, als da u.a. wären: jede Menge Großvereine, z.B. spielen in der A-Klasse 2 neben Tarrasch 3 auch Zugzwang 3, Bayern München 6 und Garching 6. Keine Transportprobleme, jedenfalls wenn man München-regional spielt: alle Spiellokale per U-Bahn (eventuell mal S-Bahn) erreichbar. Titel sind wichtig, auch nicht-schachliche: Hier bin ich immer Dr. Thomas Richter - war auch zu Kieler Zeiten der Fall, sobald es der Fall war, zwischendrin in 20 Jahren NL nicht. Ich selbst bestehe nicht darauf. Schachliche Titelträger - siehe Turniere, nicht Thema dieses Beitrags. Neu ist auch, dass ich nach Mannschaftskämpfen nur meine eigenen Partien analysiere - natürlich mit Computerhilfe.
Und nun hinein ins schachliche Geschehen: Tarrasch bekam während der Saison zwei Spieler dazu - neben mir noch ein Münchner, der viele Jahre nur im Internet spielte. Die werden dann an den hinteren Brettern eingeordnet, je nach Bedarf in der zweiten oder dritten Mannschaft - die erste spielt überregional, da darf man während der Saison nicht nachmelden. Erstmals spielte ich für Tarrasch 3 gegen Neuhausen 1 - es gibt hier also auch kleinere Vereine. Nebenbei: Derzeit bin ich elotechnisch noch der große Unbekannte: FIDE-Elo habe ich nicht, NL-Elo wird nicht akzeptiert/übernommen. alte DWZ (bis 1998) gibt es nicht mehr, also bin ich Anfänger.
Kraus (1745) - Richter 0-1
Schon im dritten Zug wurde ich überrascht, es war dabei eine eher angenehme Überraschung: 1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.e5!? - auch das gibt es, aber es ist wohl zu Recht selten. Später verschwand dieser weisse e-Bauer ersatzlos, noch etwas später hatte Schwarz eine Qualität mehr, und kurz danach der Diagramm-Moment:
Gerade wurde ich von 30.Lxf5? überrascht, wobei Engines das mit einem Fragezeichen versehen. Was nun? Ich war froh, dass ich den Gegentrick 30.-Df7 fand, was offenbar ihn überraschte - aber nach recht langem Nachdenken fand er das einzige 31.g4 g6 32.Dd4+ - das hatte ich zwar gesehen, aber nicht dass die rezentralisierte Dame nun auch f2 deckt. Die Partie ging weiter.
Richtig war hier 30.-Dc5! (diagonal vorwärts), noch eine nette Computervariante: 31.g4 g6 32.b4 (kann man noch versuchen) 32.-Dc4!? (32.-Dxc3 ist gut genug, aber weniger spektakulär) 33. Ld7 Df7! (jetzt!) 34. Lxe8 (34.Tf1 Te1!) 34.-Dxf2+ 35.Kh1 Df3+ 36.Kg1 Dxg4+ 37.Kh1 Tf2 38.Lc6 Dh3
Das wäre eine nette Schlusstellung gewesen, die in der Partie - mit gegnerischer Hilfe ab dem 40. Zug - war dabei auch nicht schlecht:
Ein etwas durchwachsener, aber insgesamt doch relativ souveräner Sieg zu meinem Münchner Auftakt. Danach stand es 3-0 für uns, daraus wurde am Ende 3-5 - womit wir allerdings angesichts der Elo-Verhältnisse an allen Brettern rechnen mussten.
Mein Gegner murmelte nach der Partie "man sollte nach einer harten Arbeitswoche eben kein Schach spielen" - aber das Problem haben andere auch, ich zum Beispiel. Wobei mir Mannschaftskämpfe Freitag abends lieber sind als unter der Woche bis Mitternacht oder später, und tags darauf klingelt morgens ein Wecker.
Das nächste Mal hatte der falsche Umgang mit einer Dame Konsequenzen - gibt es außer im Leben auch im Schach:
Richter - Meiwald (1739) 1-0 0-1
Das war gegen die sechste Mannschaft des bereits erwähnten Großvereins - nicht nur zu Fototerminen für die Vereinsseite, auch bei Mannschaftskämfen erscheinen sie immer komplett als Fussballer verkleidet. Es begann mit Skandinavisch und dann (1.e4 d5 2.exd5 Dxd5 3.Sc3) 3.-Dd6. Ich spielte darauf "prinzipiell", ohne immer den besten Zug zu finden, und nach Verwicklungen zuvor entstand diese Stellung:
Was nun? Bei beiderseits gefährdetem König ist "Mehrbauer langsam und irgendwie-irgendwann verwerten" eher kein Thema. Ich spielte 31.De5? Ta6 32.a4 bxa4 35.Dxa5 Txa5 - weg ist der Mehrbauer, und das Doppelturmendspiel objektiv ausgeglichen.
Die (einzige) Alternative 31.Dg2! (diagonal rückwärts) hatte ich nicht einmal erwogen - es lag also nicht daran, dass ich die Konsequenzen von 31.-Ta6 32.h6 (hier geht auch zuerst 32.a4) falsch beurteilte, was - zumal bei eher wenig Restbedenkzeit - auch plausibel gewesen wäre. Meine Einschätzung zuvor "meinem lang rochierten König droht keine Gefahr" stimmte immer noch! Möglich wäre dann 32.-Dxa2+ 33.Ka1 Da1+ 34.Kd2 Txc2+ 35.Kxc2 Da2+ (35.-Tc6+ 36.Dxc6!, das kann man im Eifer des Gefechts in der Vorausberechnung übersehen) 36.Kc3 b4+ 37.Kc4! (37.Kxb4?? verliert) 37.-Tc6+ 38.Dxc6 (auch hier der einzige Zug) 38.-Dxe2+ 39.Kxb4 1-0.
Unter der Annahme, unbedingt gewinnen zu müssen, verlor ich das Turmendspiel noch sang- und klanglos - das war die unschöne Schlusstellung:
Die Annahme stimmte - Endstand 3-5 aus unserer Sicht, wodurch wir den vorletzten (Abstiegs-)Platz vom Gegner übernahmen - aber die Stellung war eben nicht mehr gewinnträchtig. Wir hatten nun 3-7 Mannschaftspunkte, davor vier Teams mit 4-6 Mannschaftspunkten, noch war nichts verloren.
Vor dem weiteren Saisonverlauf: diese Partie hatte eine Woche darauf noch ein Nachspiel - bei dem sich herausstellte, wie klein die Schachwelt offenbar ist. Vor einem Blitzturnier unterhielt ich mich länger mit meinem Gegner - es stellte sich heraus, dass er drei Vereine hatte bzw. nach DWZ-Liste immer noch hat. Neben Bayern München (um das Geheimnis nun zu lüften) sind das Schachverein VHS Heide und die Schachfreunde Katernberg. Heide liegt in Schleswig-Holstein - im letzten Jahrtausend (und wohl noch bis 2005, aber ich habe Kiel und Deutschland ja 1998 verlassen) musste eine Kieler Mitbewohnerin, die beim NDR in der Dokumentation arbeitete, mitunter nach "Heide ohne Simonis" suchen. Aus dieser Zeit ist er mit einigen meiner ehemaligen Kieler Vereinskollegen gut befreundet. Katernberg liegt im Ruhrgebiet - da wohnt Franz Jittenmeier, da wohnte bis zu seinem (plötzlichen aber am Ende nicht unerwarteten) Tod Bruno Müller-Clostermann, beide kennt er auch.
Dann stellte sich an diesem Abend heraus, dass ich nur bei Bayern München erfolgreich spiele. Sie waren Ausrichter des Blitzturniers und ich erreichte immerhin das A-Finale - da war ich dann allerdings gegen u.a. drei IMs und einen FM insgesamt chancenlos. Ausnahmsweise konnte ich da nicht mit Pferden Springern umgehen - gegen FM Holzhäuer (spielt für Schmiden/Cannstatt in Stuttgart, wohnt inzwischen in München) wurde ein Springerendspiel mit zwei Mehrbauern remis, im Blitz entschuldbar? Schon zuvor war ich bei einem Schnellturnier am selben Ort recht erfolgreich und nahe dran am Ratingpreis U2100, den ich allerdings als eloloser Spieler nicht bekommen hätte. Das ist erst eine Duplizität der Ereignisse, und Turniere sind ja nicht Thema dieses Beitrags.
In der nächsten Runde spielte ich für Tarrasch2, parallel gewann Tarrasch3 gegen ein stark ersatzgeschwächtes Garching6 mit 7-1 - Schritt Richtung Klassenerhalt zumal die Konkurrenten alle verloren, nun vier Teams mit 4-8 Mannschaftspunkten und davor Tarrasch3 mit 5-7.
Richter-Meltser (1774) 1/2 - ich verzichte mal auf ein durchgestrichenes 1-0, aber in einem Partiemoment war es denkbar. Es begann mit 1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sd2 c5 4.exd5 exd5 - München liegt offenbar irgendwo in Frankreich, hier spielen viele Französisch (und jeder dann was anderes auf den Richter-Tarrasch-Zug 3.Sd2). Das störte auch jedenfalls einen anderen Spieler: bei einem Mannschafts-Blitzturnier begrüsste mich mein junger Gegner mit "ich hatte schon viermal Französisch, Du spielst doch hoffentlich kein Französisch?". In der Partievariante muss Weiß versuchen, irgendwie vom Isolani zu profitieren, einmal war es möglich:
Zuletzt kam 31.-Te7? - mit Tempogewinn aber doch falsch. Was nun? Offensichtlich ein Damenzug, aber welcher? Ich hatte Angst vor 32.-Sb2 bzw. wollte oder konnte das nicht berechnen, daher 32.Dc2? und er konnte sich wieder konsolidieren: 32.-Sa3 33.Dd2 Ted7 34.Dc1 Lf8 (nun hat der Läufer wieder dieses Feld).
Richtig war 31.Df3! (diagonal vorwärts, dabei eher langsamer Walzer als flotter Tango) 31.-Sb2 32.Txd5! Txd5 33.b4 - nach anderen Springerzügen fällt d5 ebenfalls, und auch dann ist es mehr als nur ein Bauerngewinn. Im weiteren Partieverlauf versuchte ich, von vorangegangenen freiwilligen gegnerischen Lockerungsübungen am Königsflügel zu profitieren, und das war dann die Schlusstellung:
Warum war das die Schlusstellung? Weil ich - auch angesichts der Runde zuvor - hier das gegnerische Remisangebot akzeptierte. Da mein Brettnachbar plötzlich gewann und da 4-4 im Abstiegskampf ein gutes Ergebnis war, war es die richtige Entscheidung. Im Gewinnsinne müsste Weiß 40.Txf5!?? versuchen - das können nur Computer berechnen und die sagen 0.00, aber nur bei beiderseits bestem Spiel. Ich hatte danach mit 40.-gxf5 41.Dxf5 Dh6?? gerechnet, was allerdings nach 42.Lf4 (nicht gesehen) 42.-Dxh4 43.Lg5 verliert - 41.-Kg8 oder 41.-Kh8, nur so! Und wie gesagt "objektiv" 0.00, am Brett wäre danach alles möglich. Gegner war übrigens die erste Mannschaft von Schach-Union, es gibt in München also auch (relativ) kleine Vereine.
In der nächsten Runde spielten Tarrasch2 und Tarrasch3 jeweils gegen den Tabellenführer, ich wieder in der dritten Mannschaft. Die zweite verlor glatt, die dritte schaffte eine halbe Überraschung. Solln aus dem Münchner Süden hat (den Namen nach) jede Menge Ex-Jugoslawen, die mal spielen und mal nicht - zum Beispiel hat Brett 11 Miomir Terzic (für diese Liga und dieses Brett) beeindruckende DWZ 2237, was er mit 100% (1/1 in acht Runden) auch bestätigte. Mein Gegner wollte mir seinen Nachnamen offenbar nicht zumuten und hat sich mit "Hermann" (das schreibt man Germann) vorgestellt.
Richter-Quintanilla (1510) 1-0
Es begann mit 1.e4 Sc6!? 2.d4 g6!? - Freestyle, wobei er offenbar wusste was er tat oder zumindest diesen Anschein erwecken wollte, die ersten 11 Züge a tempo. Diagramm vor seinem 18. Zug:
Nun kam 18.-Sd4 - da steht der Gaul vielleicht "schön" aber auch nicht mehr als das. Richtig war 18.-Sh4 (nebst -Sg2) oder auch 18.-Sg7 (nebst -Sh5) - jeweils bekommt Schwarz seinen Bauern zurück, und danach ist es vielleicht immer noch unklar aber ausgeglichen. So bekam ich Oberwasser. Diesmal zeige ich die Stellung vor dem letzten Zug:
Hier fand ich ausnahmsweise den richtigen Damenzug - den darf der Leser selbst finden. Leider gab mein Gegner danach direkt auf. Es gibt (mindestens) eine Nebenlösung - vorausgesetzt der Auftrag lautet "Matt" ohne zu sagen in wie vielen Zügen.
Nach der Partie wurde ich zu verschiedenen Stellungen gefragt "warum hast Du nicht das gespielt?" - selbst hier fragte ein Kibitz (ein Gegner von Tarrasch5 im selben Lokal) "warum nicht 35.fxg7+ ?". Insgesamt spielten wir 4-4 - was den Klassenerhalt bereits absicherte, auch wenn noch eine Runde gespielt wird. Da es in dieser neunten und letzten Runde um nichts mehr geht (gilt auch für Tarrasch2) kann ich den halben Saisonrückblick bereits jetzt veröffentlichen.
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