Verpasste Geschenke

Verpasste Geschenke Petr Kratochvil

Was schenkt man jemand, der so gut wie alles hat oder zumindest haben kann? Peter Davies´ Bruder wusste um dessen Faible für Schach und entschied sich, ihm einen Schachlehrer zu besorgen. Das ungewöhnliche Geburtstagsgeschenk hat sich als Glücksfall für das Schach erwiesen. Und unser Glück könnte noch größer sein, stünde ihm nicht einmal mehr die FIDE im Weg, aber dazu gleich mehr.

Zunächst zu Peter Davies. Er ist Hedge-Fond-Manager, einer der erfolgreichsten in London. Er hatte schon einige Schachlehrer verschlissen. Mit Malcolm Pein verstand er sich auf Anhieb. Vielleicht weil Pein in seinem Metier selbst zu den Erfolgreichsten gehört. Sein Schachladen ist samt Versandgeschäft und Ableger in den USA der umsatzstärkste der Welt. Pein gibt eine Monatszeitschrift (Chess) heraus, verlegt Schachbücher (Everyman Chess), schreibt eine tägliche Schachkolumne (Telegraph),  gibt Privatstunden und organisiert Schachevents.

Ein halbes Jahr nach ihrer ersten Schachstunde reiste Davies mit seinem Schachlehrer nach Bonn. Er hatte Lust bekommen, einen WM-Kampf zu sehen. Anand, Kramnik und die ganze Inszenierung beeindruckten ihn, und er bohrte: Wann holen wir die WM nach London? Pein schlug vor, eine Spur kleiner zu beginnen und erst einmal ein Turnier auszurichten. So wurde auf einem Abstecher an den Rhein der Grundstein zum London Chess Classic gelegt.

Dieses nun schon zweimal in der Vorweihnachtszeit ausgerichtete Turnier hat neue Maßstäbe in Sachen Publikumsfreundlichkeit gesetzt. Nicht nur wer die tadellose Inszenierung im Kensington Olympia verfolgt hat, sondern auch Zehntausende, die nur online dabei waren, wurden überzeugt: Malcom Pein und sein Team sind derzeit die besten möglichen WM-Veranstalter. 

Im Juli vorigen Jahres hat Pein der FIDE ein Angebot vorlegt. Das Preisgeld sollte ähnlich hoch liegen wie vor zwei Jahren in Sofia (damals zwei Millionen Euro für die Spieler, 400 000 für die FIDE). Die geplante Inszenierung und der mögliche Werbeeffekt für Schach waren absehbar vielfach besser. Pein hat auch die von der FIDE als Voraussetzung für Verhandlungen verlangten 50 000 Euro eingezahlt. Weltmeister Anand unterstützte die Bewerbung. Selbst als Carlsen das Kandidatenturnier absagte, blieb London am Ball. Alles passte. Nur den FIDE-Unterhändlern passte etwas nicht.

Bis Ende Jänner brauchte Pein Klarheit. Die Option auf den geplanten, repräsentativen Spielort lief ab. Je kürzer die verbleibende Zeit bis zur ím Mai 2012, also drei Monate vor den Sommerspielen geplante Ausrichtung umso teurer und fehleranfälliger würde es. Die FIDE hat die von London gestellte Frist verstreichen lassen. Man kann nur (und besser privat als öffentlich in einem Blog) spekulieren, was die Unterhändler der FIDE noch von Pein erwartet haben. Er tat einfach, was er ihnen ankündigte und zog, wie er heute bekannt machtedie Bewerbung zurück.

Die WM in London wäre ein Geschenk für die Schachwelt gewesen. Die FIDE-Unterhändler haben entschieden, dass wir ein Geschenk nicht verdienen. Wir nicht... 

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