Gegner unter Aktenbergen

LeserInnen aufgepasst: Schach am Arbeitsplatz kann vom rechten Weg abführen LeserInnen aufgepasst: Schach am Arbeitsplatz kann vom rechten Weg abführen Anonymous, Faust und Mephisto beim Schachspiel 19Jh., Dorotheum.com

Immer wieder schön zu hören ist es, wenn auch jemand außerhalb der amtlichen Szene mal von seinem Draht zum Schachspiel berichtet. So fanden wir in einem Artikel "Das Ende der Papierberge" (Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, 04.Februar 2018) einen Text über das papierlose Büro - und einen Hinweis auf Schach am Arbeitsplatz!

Anna Steiner untersucht die spannende Frage, ob der stets aufgeräumte und von Papier fundamental leergefegte Büro- Schreibtisch den nächsten Schritt in die Zukunft darstellt. Clean Desk Policy: kein Papier, alles hübsch im eigenen Laptop gespeichert, und am nächsten Arbeitstag zieht man mit dem Laptop dann um zum nächsten freien Schreibtisch - sehr praktisch! Oder auch nicht - viele Mitarbeiter drucken ihre Mails dann ja doch wieder heimlich aus, um sich darauf Notizen zu machen.

So offenbar auch Michael Erlhoff, ein Kölner Designtheoretiker, der die Fahne des papierbasierten Arbeitens resolut hochhält. Auf seinem Schreibtisch stapeln sich die Unterlagen, und die papierlose Zukunft scheint bei ihm noch beruhigend fern. Und hoppla, manchmal entdeckt man auch einen Schachcomputer!

"Designtheoretiker Michael Erlhoff findet das Chaos ohnehin nicht schlimm, schließlich haben die Papierberge ihre Vorteile. Auf seinem Schreibtisch herrscht seine ganz persönliche Unordnung, wie er gerne zugibt.

Unmengen an Papier, Notizen, Dokumente, alte Manuskripte, und mittendrin ein alter Schachcomputer. Gegen den spielt er, wenn er nicht weiterkommt, und holt sich darüber neue Inspiration.
Suchen macht kreativ, findet Erlhoff. Dateien auf einem Computer sucht man meist spezifischer. Ist man hingegen auf der Suche nach einem bestimmten Dokument, dann stöbert man im Regal oder in Aktenbergen. Und stößt im Zweifel auf etwas, das man noch besser gebrauchen kann."

Beruhigend, dass auch andere mit dem Chaos rund um ihren Schreibtisch ringen, und diese Berge von Papier sogar zu schätzen wissen! Und wie schön, wenn sich beim Wühlen in den Stapeln ab und an ein Schachcomputer zeigt und alsgleich bereit steht für eine entspannende Partie.

Solange es also nicht stundenlang ist, könnten wir vielleicht wie Michael Erlhoff immer mal für ein, zwei Spiele (nicht: Stunden!) dem Wirken und der Pflicht entfliehen und dem Schachspiel frönen - meditativ an einem Holzbrett, mit einem Schachcomputer, oder wir besuchen einen Schachserver und bekämpfen im Internet Gegner aus aller Welt.

Eine kleine Flucht ins Schach befördert neue Gedanken und die Kreativität, und immerhin muss man dabei nicht arbeiten! Danach kehren wir zurück zu unserer ursprünglichen Arbeit, erfrischt und gestärkt. (Oder ermüdet und frustriert?) Doch die Papierberge und lauernden Aufgaben, sie sind leider immer noch da.

Noch besser als zehn Minuten Schach wäre vermutlich sogar ein kurzer Spaziergang im Freien, mit Natur, Wind, Sonne, echtem Leben - doch dafür müsste man ja vor die Tür gehen, und wer hat dafür schon die Zeit?

Olaf Steffens

Olaf Steffens, Diplom-Handelslehrer, unterrichtet an einer Bremer Berufsschule. FIDE-Meister seit 1997, ELO um die 2200, aufgewachsen in Schleswig-Holstein. Spielte für den Schleswiger Schachverein von 1919 (moinmoin!), den MTV Leck (hoch an der dänischen Grenze!), den Lübecker Schachverein, die Bremer Schachgesellschaft und nun für Werder Bremen.

Seit 2012 Manager des Schachbundesliga-Teams des SV Werder Bremen.

Größte Erfolge:
Landesmeister von Schleswig-Holstein 1994, Erster Deutscher Amateur-Meister 2002, 5.Platz beim letztenTravemünder Open 2013, und Sieger des Bremer Hans-Wild-Turniers 2018.

Größte Misserfolge:
Werd´ ich hier lieber nicht sagen!

Größte Leidenschaften:
früh in der Partie irgendetwas mit Randbauern und/ oder g-Bauern auszuprobieren und die Partie trotzdem nicht zu verlieren – klappt aber nicht immer.

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