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Werder 3: Großer Punkt in Osnabrück

Werder 3: Gute Laune in der Lagerhalle Werder 3: Gute Laune in der Lagerhalle Foto: Philipp Hillebrand

Zeitig ging es los für Werder III in der zweiten Runde der Landesliga Nord Niedersachsen/ Bremen, und nur die Zeitumstellung um eine Stunde nach hinten machte die frühe sonntägliche Abfahrt einigermaßen verkraftbar. Mannschaftsfahrer David Kardoeus holte den provisorischen Mannschaftsführer Olaf um Punkt 07:42 ab, setzte in den Folgeminuten weitere fünf Mitreisende in den Werderbus, und ab ging es über die A1 Richtung Süden.

Dort warteten in der charmant renovierten Lagerhalle, einem großflächigen Veranstaltungszentrum inmitten der Altstadt, die Mannen der SG Osnabrück sowie mit IM Christian Richter der achte Werderaner, der zu diesem Auswärtsspiel zu Fuß aus seinem Wohnort anreisen konnte. Wann gibt es so etwas schon mal?

Aufbau der Figuren, Worte des Grußes, erste vorsichtige Züge – und es dauerte nicht lange, da standen bereits zwei g-Bauern auf dem sehr attraktiven Feld g4! In der Partie Steffen Rachut - Christian Richter mit der Zugfolge 1.Sb1-c3, Sg8-f6 2.g2-g4! - das flotte Tübinger Gambit, welches Freunde des Werder Monatsblitzes sich auch immer gerne mal von David Höffer vorsetzen lassen müssen. David gewann mit 2.g2-g4! sogar schon gegen den Berliner GM René Stern – eine schöne Re(né)ferenz!

Auch an meinem Brett arbeitete sich der g-Bauern frühzeitig zwei Felder nach vorne, doch brachte mir das nicht viel ein außer einigen wackeligen Felderschwächen.

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    Felderschwächen? Was soll das noch werden?

Ganz anders dagegen die Partie von Nils-Lennart Heldt – er spielte einen soliden Sizilianer, stand gut, tauschte die Damen, stand immer noch gut, und auf einmal zerbrach die Stellung seines Gegners an zu vielen Bauernschwächen und Nils’ pointiertem Figurenspiel – 1 – 0 für uns!

Carlos Schat, der kurzfristig für den leider erkälteten Collin ins Team gerückt war, setzte gleichfalls auf nachhaltige Entwicklung, was ihm im Gegensatz zu seinem Osnabrücker Gegner eine sehr harmonische Stellung einbrachte. Der Vorteil wurde größer, und größer, und caramba!, recht bald auch ein voller Punkt für Carlos: 2 – 0!

Nun war es an der Zeit, dass auch die Gastgeber in das Match fanden, und leider erwischte es alsbald Duong Lai-Hop, der mit FM Stephan Haskamp den ELO-stärksten der Osnabrücker vor sich sitzen hatte. Lange lavierten hier alle Beteiligten in einem königsindischen Aufbau, und so richtig verließ die Partie nie die Remisbreite. Dann aber wurde die Zeit knapper, und nun langte der FM zu und machte bei knapper werdender Zeit einen langen Turmzug – Figurengewinn!, und der Anschlusspunkt für Osna.

Schon fühlte sich das Match wieder eng an, und so richtig klar wollte mir nicht klar werden, wo wir die weiteren Brettpunkte einsammeln würden. Am Brett des Interims-Mannschaftsführers (Steffens – Marc Selker) standen mittlerweile sogar beide Spieler schlecht, und Matt sowie Materialverluste drohten allenthalben:

Steffens Olaf Selker Marc 25f4

Es folgte 26.c3-c4 - die weiteren Züge sind netterweise bei Chessbase einsehbar.

Hm, hm … nochmal Glück gehabt!

Und von nun lief auch das Match fast wie auf einem Gleis in den Zielbahnhof. Timur Elmali behielt den Überblick in einer schnellen Figurenabwicklung und entwickelte positionellen Vorteil auf den weißen Feldern. Mir schien die Stellung (wie so vieles im Leben) noch etwas unklar, doch vernahm ich später, dass aus der angenehmen Position eine angenehme Mehrfigur geworden war, und mit einer solchen ließ Timur sich den Sieg nicht mehr nehmen.

Ganz ähnlich auch unser Spitzenbrett Sven Charmeteau – um es mit Olli Kahn zu sagen, machte er “Druck, Druck, Druck” beim Belagern und schließlichen Erobern eines rückständigen Bauern auf e7. Das Mehrmaterial hätte so manchem Normalschachlichen wohl noch nicht zum Sieg gereicht, doch der aktuelle Werder-Trainer Sven zeigte umsichtige Technik, drohte mal hier, mal dort, und transferierte den Punkt im Endspiel gekonnt auf das Werderkonto: 5 – 1!

Die SG Osnabrück hielt aber wiederum dagegen, und es war Mannschaftsfahrer David, der hierdurch den Kürzeren zog. Mit einem Königsinder gegen den Bajonettangriff passabel aus der Eröffnung gekommen, war David einem zwischenzeitlichen Remis durch Zugwiederholung ausgewichen. Boris Schröder indes knetete sich alsdann mit exaktem Spiel nach und nach in seine Stellung hinein und gewann die Partie mit Materialvorteil im Endspiel. Schade!

Und damit waren alle Partien beendet und wir machten uns wieder auf den Weg nach ... doch Moment! Christian Richter spielte ja noch, und was war das für eine Partie! Steffen g4 Rachut hatte den geopferten g-Bauern zwar mittlerweile zurückerobert, doch Christian umfasste die weiße Stellung in der sechsten Matchstunde mal von links (Freibauer auf der h-Linie), mal von rechts (schwacher c-Bauer). Eine veritable Massage ganz im Stile von Magnus Carlsen, und wenn Weiß auch lange den Laden zusammenhalten konnte, am Ende und wie so oft rutscht einem mal was durch die Finger, und – ADM, aus die Maus, mit Matt.

Damit stand ein 6 – 2 aus Bremer Sicht zu Buche. Wir sagen: “Hurra!” und freuen uns über einen sehr runden Saisonauftakt mit zwei Siegen, zusammen mit unserem wahren Mannschaftsführer Stephan Buchal, der gerade bei den Bayerischen Meisterschaften am Tigersee turniert.

In vier Wochen am 24. November geht es weiter mit dem Lokalderby beim starken Schachklub Bremen Nord!

Landesliga Nord Niedersachsen Bremen

 

Olaf Steffens

Olaf Steffens, Diplom-Handelslehrer, unterrichtet an einer Bremer Berufsschule. FIDE-Meister seit 1997, ELO um die 2200, aufgewachsen in Schleswig-Holstein. Spielte für den Schleswiger Schachverein von 1919 (moinmoin!), den MTV Leck (hoch an der dänischen Grenze!), den Lübecker Schachverein, die Bremer Schachgesellschaft und nun für Werder Bremen.

Seit 2012 Manager des Schachbundesliga-Teams des SV Werder Bremen.

Größte Erfolge:
Landesmeister von Schleswig-Holstein 1994, Erster Deutscher Amateur-Meister 2002, 5.Platz beim letztenTravemünder Open 2013, und Sieger des Bremer Hans-Wild-Turniers 2018.

Größte Misserfolge:
Werd´ ich hier lieber nicht sagen!

Größte Leidenschaften:
früh in der Partie irgendetwas mit Randbauern und/ oder g-Bauern auszuprobieren und die Partie trotzdem nicht zu verlieren – klappt aber nicht immer.

Kommentare   

#1 Umumba 2019-10-28 21:45
Christian ist schon ein regelrechter Experte gegen das Tübinger Gambit, auch wenn er mehrfach eine etwas obskure Variante dagegen wählte, die so sicherlich in keinem Buch über diese schöne Eröffnung steht (2...d5!? 3.g5 Se4 4.Sxe4 dxe4 5.Lg2 e5 6.Lxe4 Dxg5 gab es mindestens schon zweimal in Höffer-Richter, Blitz). Vielleicht fand er in einer Turnierpartie aber eine etwas solidere Fortsetzung...
#2 Olaf Steffens 2019-10-29 13:37
Ich habe nicht alles gesehen leider, aber Christian hat diesmal den Bauern vom Brett genommen. Weiß bekam eine Menge Druck allerdings, bis Christian den Bauern zurückgab für gute Position.
Darum, Umumba, sei gewarnt - vielleicht nimmt er auf g4 bei nächster Gelegenheit auch mal weg!

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